Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

Es gibt auch gesellschaftliche Debatten; und es ist auch richtig, dass es die um diese Frage gibt. Wir sind anders als Frankreich kein laizistischer, sondern ein religionsfreundlicher Staat. Das sagt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. So wie wir allen Religionsgemeinschaften gleichermaßen Rechnung tragen müssen, ist es an der Zeit, diese Diskussion wirklich ruhig zu

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

führen, auch wenn Ihnen das alles nicht reicht und nicht schnell genug geht. Eins ist aber klar: Ein Thema für die Bundestagswahl werden wir Ihnen an der Stelle nicht liefern.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Vielen Dank! – Eine weitere Nachfrage kommt vom Kollegen Melzer von der CDU-Fraktion. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Dr. Lederer! Sie haben in Ihrer Ausführung auf zwei Fragen leider nicht konkret reagiert.

[Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Steffen Zillich (LINKE): Er hat so viele gestellt!]

Er hat auf die zulässige eine Frage geantwortet, Herr Melzer!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich möchte, damit dokumentiert ist, wie der Senat sich verhält, dennoch fragen, wie die politische Position des Senats ist, ob es ein islamisches Kopftuch an Berliner Schulen gegeben soll – ja oder nein. In diesem Zusammenhang, weil dort ja auch Fristen laufen: Wird der Senat von Berlin Revision gegen dieses Urteil einlegen?

[Regierender Bürgermeister Michael Müller: Auf welcher gesetzlichen Grundlage?]

Es wäre sehr misslich, wenn Sie in Ruhe diskutieren und Revisionsfristen verpassen würden.

Herr Senator Dr. Lederer!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Melzer! Ich habe auf die eine Nachfrage natürlich geantwortet, und ich habe mich auch zum Thema Revision geäußert. Ich habe gesagt, dass wir erst einmal die Urteilsgründe abwarten, weil man die Entscheidung, ob man in Revision geht oder nicht, nicht nach Gutdünken, sondern aufgrund einer rechtlichen Beurteilung trifft. Das ist das Erste.

Das Zweite: Wir haben ein Neutralitätsgesetz. Einige in diesem Haus haben die Debatte um dieses Neutralitätsgesetz seinerzeit miterlebt. Lieber Kollege Melzer! Das Neutralitätsgesetz bezieht sich nicht nur auf das Kopftuch, sondern auch auf jede andere religiöse Bekundung, um das an dieser Stelle einmal zu sagen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Staatliche Neutralität setzt vor allem voraus, allen Religionsgemeinschaften gegenüber ein distanziertes, aber durchaus freundliches, religionsoffenes Verhältnis zu pflegen. Das ist der Grundsatz, mit dem wir an die ganze Sache herangehen. Ich will noch einmal daran erinnern: Alle, die die damalige Debatte um die Entstehung des Neutralitätsgesetzes miterlebt haben, wissen, wie schwierig es war, sich einer sachgemäßen Lösung zu nähern, die den verschiedenen Belangen gleichermaßen gerecht wird. Dieser Senat und diese Koalition sind entschlossen, diese Debatte mit derselben Entspannung, derselben Ruhe und Nachdenklichkeit, aber auch mit der entsprechenden Beherztheit zu führen. Wenn wir zu einem Ergebnis kommen, wird hier im Parlament sicherlich auch über die Frage diskutiert werden, ob das Neutralitätsgesetz so, wie es ist, Bestand haben kann oder ob eine andere Lösung geeigneter und besser ist. Darum bitte ich Sie jetzt einfach. Sie können sich gerne an der Debatte beteiligen, wir werden sie jetzt aber erst einmal führen, und zwar in der Tat mit der gebotenen Sachlichkeit.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Dr. Efler das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich frage den Senat: Wie ist der aktuelle Stand und wie sind die weiteren Planungen in Bezug auf die Verhandlungen zu einem Radverkehrs- und Mobilitätsgesetz?

Es antwortet Herr Staatssekretär Kirchner. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestern Abend hat die erste Dialogrunde zum Radgesetz Berlin als Teil des neuen Mobilitätsgesetzes stattgefunden.

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen kurz den Gesamtrahmen darstelle. Laut Koalitionsvertrag ist auf der Basis des ÖPNV-Gesetzes ein Mobilitätsgesetz zu erarbeiten. Diesbezüglich gibt es dieses Jahr, zumindest für den ÖPNVTeil, auch einen gewissen Handlungsdruck. Es steht zudem im Koalitionsvertrag, dass mit den Verbänden und der Zivilgesellschaft ein Dialog zu einem Radgesetz zu erarbeiten ist. In der Verwaltung haben wir uns mit dem Center Nahverkehr Berlin insofern schon vorverständigt und das gestern auch vorgestellt, dass das Mobilitätsgesetz als Gesamtes mehrere Teile haben muss. Es wird einen Teil 1 geben – allgemeine Ziele, von Barrierefreiheit bis Teilhabe –, einen Teil 2 – Fußverkehr –, einen Teil 3 – Radverkehr –, einen Teil 4 – ÖPNV –, einen Teil 5 – Wirtschaftsverkehr – und einen Teil 6 – hier überlegen wir jedoch noch, und ich bitte Sie, uns nachzusehen, dass wir auch überlegen dürfen – zur nachhaltigen und intelligenten Mobilität. Hier steht ziemlich viel an Innovation und Bewegung an, auch in dieser Stadt. Teil 7 wird auf die Umsetzungsebenen, die Planwerke, Strategien Bezug nehmen. Als Beispiel nenne ich den Stadtentwicklungsplan Verkehr. Teil 8 umfasst die allgemeine Finanzierung, die sich ganz besonders auf die Bundesmittel für den ÖPNV bezieht. Teil 9 bezieht sich auf die Anpassungen, die sodann in anderen Gesetzesteilen nötig sind, beispielsweise im AZG etc. Das muss im Gesetzeswerk auch verankert werden.

Der ÖPNV-Teil wird derzeit bereits im Text erarbeitet. Wir werden diesbezüglich in Kürze mit den Fachebenen in Verhandlungen gehen. Der Radverkehrsteil ist gestern, wie schon erwähnt, erstmals im Dialog für den Radverkehr besprochen worden. Es war eine anfangs nervöse, später dann sehr konstruktive Atmosphäre. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir gleich am nächsten Montag weitermachen, um deutlich zu machen, dass es uns wichtig ist, möglichst schnell zu einer Zielformulierung, aber auch zu ersten Formulierungen für den Gesetzesteil zu gelangen.

An der Stelle möchte ich ergänzend erwähnen, dass wir bereits am 8. März einen erweiterten „FahrRat“ Berlin haben werden – es geht ja nicht nur um einen Dialog mit wenigen –, wo wir die ersten Zwischenergebnisse rückkoppeln. Wir werden den Runden Tisch Mobilität, der sich bereits im Zuge der Bearbeitung des Stadtentwicklungsplans Verkehr bewährt hat, erweitern, um das Mobilitätsgesetz auch mit der Stadtgesellschaft – von der IHK bis zum Fachverband FUSS e. V. – zu verhandeln, zu bereden und zu kommunizieren.

Zusammenfassend sei an der Stelle noch einmal erwähnt, dass alle Beteiligten gestern Abend große Bereitschaft signalisiert haben, sehr konstruktiv – wenn auch streitbar – und mit Engagement daran mitzuwirken, dass wir in Kürze einen ersten Entwurf für die Ziele und vielleicht schon Formulierungsvorschläge für Teil 3 des Mobili

tätsgesetzes Berlin – Radverkehr – haben. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Staatssekretär! – Herr Dr. Efler! Wünschen Sie eine Nachfrage? – Das ist nicht der Fall. Dann kommt jetzt der Kollege Gelbhaar von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dran. – Bitte schön!

In dem Kontext möchte ich fragen, wie weit das Bündnis für den Radverkehr schon gediehen ist und ob alle Bezirke dabei mitmachen werden.

Herr Staatssekretär – bitte schön!

Die letzte Teilfrage kann ich noch nicht umfassend beantworten, da wir noch im Gespräch mit den Bezirken sind. Sie laufen mit den jeweils für Verkehr zuständigen Bezirksstadträten und Bezirksbürgermeistern. Wir haben bereits mit Treptow-Köpenick sowie mit Tempelhof gesprochen. Gestern war ich in Friedrichshain-Kreuzberg. Es dürfte nicht verwundern, dass wir auch schon mit Pankow gesprochen haben. Mit Mitte ist ebenfalls bereits gesprochen worden. In meinem Terminkalender sind für die nächsten Tage und Wochen weitere Gespräche mit den Bezirken in diesem Kontext notiert.

Wir haben aber auch schon mit der BSR gesprochen, da sie für ein Bündnis für den Radverkehr durchaus wichtig sind, gerade was den Winterdienst betrifft. Wir sind mit den Wasserbetrieben im Gespräch; sie sind, wenn es um die Umsetzung der Maßnahmen in einem Bündnis für Radverkehr geht, ein essentieller Partner. Wir brauchen sie dringend und auch verbindlich, gerade in den Straßenseitenräumen, wenn es um Schächte und um die Umsetzung von Leitungen usw. geht. Wir haben mit der BSR gesprochen, und weitere Teilnehmer und Akteure folgen.

Vielen Dank!

Dann kommen wir zur Frage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Schmidberger, bitte schön, Sie haben das Wort!

(Staatssekretär Jens-Holger Kirchner)

Ich frage den Senat: Welche Maßnahmen will der Senat ergreifen, um die fragwürdige Geschäftspraxis der Deutsche Wohnen bis hin zur Entmietung zu stoppen?

Frau Senatorin Lompscher – bitte schön!

Herr Präsident! Frau Schmidberger! Meine Damen und Herren! Das ist eine herausfordernde Frage,

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

da die Möglichkeiten, die der Landespolitik in dieser Frage gegeben sind, relativ beschränkt sind. Was wir brauchen, ist ein stringenteres Mietrecht auf Bundesebene, um diese Geschäftspraktiken annähernd einzudämmen. Es geht vor allem um all die Maßnahmen, die rechtlich zulässig sind und zu erheblichen Mietsteigerungen führen. Es geht um Modernisierungen, um unterlassene Instandhaltungen oder auch um das Anzweifeln des Mietspiegels.

Zum Thema Mietspiegel sei hier nur so viel gesagt: Der Mietspiegel 2017 ist derzeit in Arbeit. Er wird wie in allen Jahren von der Arbeitsgruppe Mietspiegel erstellt, an der auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mitwirkt. Auch der Verband, dem die Deutsche Wohnen angehört, der BBU, ist in dieser Arbeitsgruppe vertreten. Ich habe keine Signale, dass es dieses Jahr nicht zu einem einvernehmlichen Mietspiegel kommen könnte.

Vielen Dank! – Frau Schmidberger! Möchten Sie eine Nachfrage stellen? – Dann haben Sie das Wort.

Ich würde gerne noch wissen: Es gibt ja durchaus Maßnahmen, die jetzt auf Landesebene getroffen werden können, dass gerade einkommensschwache Mieterinnen und Mieter dabei unterstützt werden, sich gegen das oft rechtswidrige Verhalten der Deutsche Wohnen zu wehren. Welche Maßnahmen sind da geplant?

[Marcel Luthe (FDP): Prozesskostenhilfe!]

Bitte schön, Frau Senatorin!

Also zum einen ist es sehr hilfreich, wenn die Bezirke Milieuschutzverordnungen erlassen, damit im Rahmen solcher Gebiete dann auch Modernisierungsmaßnahmen Genehmigungsvorbehalten unterliegen und überhaupt einer öffentlichen und politischen Debatte zugänglich werden. Auf dieser Grundlage sind ja z. B. in anderen Bezirken auch schon Rahmenvereinbarungen abgeschlossen, Sozialplanverfahren beschlossen und Mieterberatungen eingerichtet worden.

[Sebastian Czaja (FDP): Abschaffen!]

Das Stichwort Mieterberatung scheint mir noch mal sehr wichtig zu sein, weil jeder Mensch ein individuelles Recht hat. Der Mieterschutz ist in Deutschland theoretisch sehr stark. Einkommensschwächere Personen haben natürlich einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe. Das Stichwort ist schon gefallen. Also diese individuellen Rechte verstärkt wahrzunehmen, ist ein dringender Ratschlag. Alles, was wir dafür tun können, um das zu unterstützen, sollten wir verstärken.

Vielen Dank! – Die zweite Nachfrage geht an Herrn Kollegen Buchholz. – Bitte schön!