Das ist gerade auch für Eltern mit Migrationshintergrund sehr wichtig. Ich denke da besonders auch an türkische Eltern, die aufgrund ihrer religiösen Ansichten häufig abstinent leben, deren Kinder aber durch andere Jugendliche mit Alkohol in Berührung kommen. Gerade solche Eltern haben zahlreiche Fragen dazu, was dagegen getan werden kann. Und oft muss man diesen Eltern zunächst einmal erklären, was nach dem Jugendschutzgesetz rechtlich möglich ist und welche Rahmenbedingungen es gibt. Hier die Eltern in ihrer Kompetenz zu stärken, halte ich für absolut richtig.
Wir sind dabei, dies über diesen Elterntalk zu versuchen, bei dem sich Eltern gegenseitig austauschen und untereinander stützen können. Es ist dies wichtig, weil da nicht jedes Mal jemand von der Beratungsstelle dazukommen muss. Aber selbstverständlich müssen sich die Eltern auch darüber austauschen können, wo es Beratungsstellen gibt und wo man sich Hilfe holen kann. Da müssen die Eltern schon ganz frühzeitig mit vielen Projekten bekanntgemacht werden. Ich denke da zum Beispiel an "Safe", wo es zum Beispiel darum geht,
dass die werdenden Mütter schon während der Schwangerschaft beraten werden. Auch hier ist eine frühe Hilfestellung ebenso wichtig, wie ich es für den Bereich Elterntalk dargelegt habe.
Frau Staatssekretärin, ich möchte bezüglich der Frage des Kollegen Thorsten Glauber hinsichtlich der Einschränkung des Konsums von Alkohol im öffentlichen Raum kurz nachhaken. Der zunehmende Alkoholkonsum und vor allen Dingen der Missbrauch von Alkohol mit all seinen Begleiterscheinungen stellt die Kommunen vor erhebliche Probleme. Denn der Ort des Geschehens ist meist der innerstädtische Bereich. Viele Städte und Gemeinden haben deswegen Satzungen und Verordnungen erlassen, in denen sie das Sich-Niederlassen zum Alkoholkonsum im öffentlichen Raum untersagen. Das ist übrigens eine Maßnahme, die der Herr Innenminister Herrmann in den Medien als Antwort auf meine schriftliche Anfrage im Januar dieses Jahres in dieser Sache als ausreichend bezeichnet hat. Das ist sie aber nicht. Der VGH Mannheim hat kürzlich solche Maßnahmen wieder aufgehoben. Es herrscht aus unterschiedlichsten Gründen eine große Rechtsunsicherheit bei den Kommunen. Wenn beispielsweise keine regelmäßige Gefahr von den betreffenden Jugendlichen ausgeht, oder wenn diese den Alkohol nur im Vorbeigehen konsumieren, sich also nicht niederlassen, dann greift diese Regelung nicht. Ich frage Sie deshalb: Wird die Staatsregierung ihre unzureichende Position überdenken, und was gedenken Sie hinsichtlich der für die Kommunen unzureichenden Regelungen des Artikel 7 des Landesstrafund Verordnungsgesetzes zu unternehmen?
Herr Kollege Förster, dass dieses Verbot in Mannheim aufgehoben wurde, lag vor allem daran, dass es dort keine landesrechtliche Regelung gibt. Eine solche Regelung gibt es aber bei uns. Deshalb passiert den Kommunen nichts, die eine Regelung nach dem Straßenund Wegegesetz bei sich vor Ort eingeführt haben. Es ist dies durchaus möglich, weil wir eben dieses bayerische Landesrecht haben. Daher wird das Verbot in Bayern auch nicht aufgehoben, wie es in Mannheim der Fall war.
In Augsburg, Erlangen und Nürnberg gibt es beispielsweise entsprechende Regelungen und wie mir berichtet wurde, haben diese Regelungen dort ganz gut eingeschlagen. Schon deshalb ist es gut, auf den öffentlichen Plätzen diese Dinge zu verbieten, weil es von anderen Vorbeigehenden häufig auch als bedrohend empfun
den wird, wenn beispielsweise eine solche Horde Jugendlicher beieinandersitzt und Alkohol konsumiert. Das wird von denen, die vorbeigehen, häufig durchaus als bedrohlich empfunden und es ist richtig, wenn die Kommunen solchen Geschehnissen dann einen Riegel vorschieben.
Gleichwohl müssen wir schauen, wie wir diesen Jugendlichen Hilfe geben können. Wir müssen Möglichkeiten suchen, zusammen mit Verbänden und Vereinigungen einen geregelten Rahmen zu finden, innerhalb dessen die Jugendlichen Möglichkeiten erhalten, entsprechend zu feiern. Je mehr wir verbieten, umso mehr verlagert sich das Ganze in den Privatbereich, und in diesen Dunkelbereich ist es schwer, einzugreifen. Deshalb muss es für die Jugendlichen diese Möglichkeiten geben, zu feiern. Gleichwohl muss auch das Gemeinwohl im Auge behalten werden, wenn es darum geht, dass Jugendliche diese öffentlichen Plätze besetzen. Es geht nicht darum, dass vielleicht einmal ein Jugendlicher da mit einer Bierflasche vorbeigeht, sondern darum, dass sich Jugendliche auf diesen Plätzen niederlassen und so viel Alkohol konsumieren, dass andere kaum vorbeigehen können. Diesen Dingen muss dann ein Riegel vorgeschoben werden, und da gibt es auch viele Kommunen, die dies bereits tun, weil es bei uns, wie gesagt, landesrechtlich möglich ist.
Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal den Bereich Prävention ansprechen. Ich begrüße, dass wir dieses Thema heute diskutieren; denn Prävention ist ein ganz zentraler Baustein gegen zunehmend exzessives und riskantes Trinkverhalten Jugendlicher.
Wir wissen natürlich, dass dies ein großes gesellschaftliches Problem ist, das sich durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurchzieht, und ich glaube, dass wir hier einen Ansatz finden müssen. So arbeitet Ihr Ministerium im Augenblick ja daran, Präventionsprojekte zu verwirklichen und mit Erfolg einzusetzen.
Besonders erschreckend ist für mich, dass das Einstiegsalter in den regelmäßigen Alkoholkonsum inzwischen von 15 auf 12 Jahre gesunken ist. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass wir für die Jugendlichen die Nacht zum Tag gemacht haben. Die Jugendlichen sind heute Tag und Nacht unterwegs.
Kürzlich habe ich selbst erlebt, dass von Jugendlichen Alkohol in großen Mengen gekauft wurde, ohne dass kontrolliert worden wäre. Erst als ich etwas intensiver hingesehen habe, wurde der Ausweis verlangt. Der Zugang zu Alkohol ist also immer noch problemlos möglich. Wer Alkohol haben will, bekommt ihn auch.
Ich bitte Sie, uns noch einmal darzulegen, wie man noch stärker in die Prävention hineingehen kann. Wir wissen um die gesundheitlichen Folgen bei Missbrauch von Alkohol. Wir wissen, dass große Schädigungen hervorgerufen werden. Langfristig schädigt der Alkoholmissbrauch Leber, Bauchspeicheldrüse, Magen und Herz. Es wäre gut, hier noch einmal ein paar Worte von Ihnen zu hören.
Liebe Kollegin Matschl, es ist tatsächlich wichtig, als Gesellschaft hinzuschauen, gerade auch dann, wenn Alkohol eingekauft wird. Da sollte man als Danebenstehender durchaus darauf achten. Das sollte für uns alle Auftrag sein. Denn nicht allein der Staat kann mit seinen Präventionsangeboten alles richten, sondern es ist, wie gesagt, auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Sie haben gefragt, was wir im Präventionsbereich noch zusätzlich machen können. Wichtig ist, die Jugendlichen auch da anzusprechen, wo wir sie antreffen können, also zum Beispiel in den Diskotheken, in den Bars und in den Kneipen, in denen sie sich aufhalten. Hier können Projekte greifen, bei denen Jugendliche vor Ort mit Jugendlichen sprechen. Das sind Projekte, bei denen nicht irgendjemand den Zeigefinger hebt, sondern wo es um Jugendliche untereinander geht, die darüber reden und fragen: Gefällt es dir, betrunken durch die Gegend zu torkeln? Gefällt dir dies oder jenes? Was kannst du dagegen tun und wie kannst du dich dagegen stellen? Die Jugendlichen sollen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie selbstbewusst auch einen alkoholfreien Cocktail bestellen können, ohne sich entschuldigen zu müssen. Das Selbstbewusstsein der Jugendlichen muss soweit gestärkt werden, dass sie sich dieser Gruppendynamik entziehen können, wenn sie denn in einem solchen Kreise dabei sein sollten.
In meinen Augen ist es sehr wichtig, die Jugendlichen auf diese Weise mit ins Boot zu holen und auch die Verantwortlichen in den Jugendverbänden dafür zu sensibilisieren. Auch hier gibt es schon zahlreiche Projekte vor Ort. So gibt es beispielsweise bei der Jugendleiterausbildung einen speziellen Bereich, in dem darüber Kenntnisse gesammelt werden können, ab welchem Alter beispielsweise Alkohol ausgeschenkt werden darf. Viele Diskotheken gehen schon soweit, unterschiedliche Bändchen zu verteilen, damit derjenige an der Bar weiß, was er dem Einzelnen ausschenken kann. Viele Gaststätten- und Diskothekenbetreiber sind sehr vorbildlich bei der Durchführung. Wir müssen versuchen, besser in den privaten Bereich zu kommen. Am Besten ist es, mit Vereinen und Verbänden zu spre
chen. Gewisse Feierlichkeiten müssen im Vorfeld mit den Kommunen, den Jugendämtern, den Kreisverwaltungsbehörden besprochen werden. In vielen Orten schließt man sich zusammen und versucht einen Plan aufzustellen, wie damit umgegangen werden kann, wenn ein Fest aus dem Ruder zu laufen droht oder schon mal aus dem Ruder gelaufen ist. Man muss sich vor Ort im Vorfeld Dinge überlegen. Der richtige Ansatz wäre, vor Ort zu schauen, wo welche Gefahrenquelle ist. Das ist aus Erfahrung durchaus bekannt.
Viele Projekte, die ich bereits erwähnt habe, sollten wenn möglich bayernweit ausgestattet werden. Viele Dinge liegen aber an der Örtlichkeit. Deshalb muss vor Ort mit den Vereinen und Verbänden beobachtet werden. In vielen Bereichen läuft das schon hervorragend. Insbesondere die Jugendverbände arbeiten sehr vorbildlich und verantwortungsbewusst mit.
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Frage wegen der Präventionsprogramme für Mädchen, weil auch dort die Zahlen steigen. Ich habe mir etwas Redezeit aufbewahrt, weil ich befürchtet habe, dass Sie meiner Frage ausweichen werden. Ist die Verschärfung der Meldepflicht die Meinung der Staatsregierung oder nur die Einzelmeinung der Sozialministerin? Wie oft haben sich gemäß der bestehenden Regelung, dass dann, wenn das Kindeswohl in Gefahr ist, die Schweigepflicht der Ärzte aufgehoben werden kann, die Ärzte mit den Ämtern in Verbindung gesetzt?
Wie viele - diese Schimäre geistert immer wieder durch die Presse - Jugendliche wurden mehr als ein Mal eingewiesen? Wie viele Eltern dieser Jugendlichen haben sich als nicht interessiert gezeigt in Bezug auf das Wohl ihres Kindes? Diese Zahlen möchte ich von Ihnen abschließend gerne wissen.
Sie haben das richtig angesprochen. Das ist bereits jetzt gesetzliche Vorgabe. Wenn ein Arzt feststellt, dass eine Vernachlässigung des Jugendlichen vorliegen könnte, ist er bereits jetzt verpflichtet, das dem Jugendamt zu melden. Wie oft das passiert ist - diese Zahl habe ich nicht parat. Ich kann sie nachreichen. Die Möglichkeit gibt es bereits. Wir müssen weiterhin darauf achten, dass sich die Jugendlichen in das Krankenhaus begeben, wenn Gefahr besteht. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig.
Man muss auch beobachten, ob das ein einmaliger Ausrutscher gewesen ist, oder ob es sich um eine Vernachlässigung handelt und ein Kind mehrmals eingeliefert wurde. Ich bin völlig Ihrer Meinung, dass man diejenigen, die mehrmals eingeliefert werden, beobachten muss. Mit dem Alkoholpräventionsprojekt Hart am Limit - HaLT - erreichen wir die Kinder und Jugendlichen ein ganzes Stück weit besser, als dies der Fall wäre, wenn sie von verschiedenen Ärzten, die Dienst oder Nachtdienst haben, behandelt werden. HaLT ist eine Stelle mit einem Berater, sodass der Bezug viel näher ist. Dort weiß man, ob man schon mal bei dem am Bett gesessen hat, ob das Gespräch geführt wurde oder sich die Eltern komplett verweigert haben, sodass das Gespräch nicht umgesetzt wurde. Den Schritt, nicht sofort jede Alkoholvergiftung zu melden, sondern die Angelegenheit differenzierter zu sehen, ist nötig. Erst dann, wenn die Gefährdung des Kindes befürchtet wird und man feststellen muss, dass die Eltern sich nicht kümmern, muss man sich mit den Eltern in Verbindung setzen. Das Projekt "HaLT" bietet vermehrt die Möglichkeit, zu überprüfen, ob das Angebot genutzt oder ob nur ins Leere gesprochen wird, sodass man dem genauer nachgehen muss.
Frau Staatssekretärin, eigentlich haben sich alle meine Fragen erübrigt, weil Sie sie gerade beantwortet haben. Damit verzichte ich auf meine Wortmeldung.
Frau Staatssekretärin, wir sind bei einem kritischen Punkt angelangt. Mir geht die Meldepflicht im Kopf herum. Frau Staatsministerin Haderthauer hat am 24.08.2009 in einem Schreiben an die Bayerische Landesärztekammer zur Mitteilungspflicht von Ärzten bei Alkoholintoxikation Stellung genommen. Nun sind Sie nicht Frau Haderthauer - das weiß ich schon -, aber trotzdem würde mich Ihre Meinung interessieren. Das Schreiben hat bei den Ärzten zur Ver
unsicherung geführt. Auch im Landesgesundheitsrat hat das bewusste Schreiben in der Sitzung vom 05.10.2009 Kritik hervorgerufen. Ich zitiere deshalb aus diesem Schreiben:
Im speziellen Fall von Alkoholintoxikation liegt Vernachlässigung dann vor, wenn ein Kind oder Jugendlicher aufgrund massiver oder wiederholter Selbstschädigung durch Alkoholmissbrauch medizinisch behandelt werden muss und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass seine Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, ihrer Erziehungsverantwortung gerecht zu werden.
Frau Staatssekretärin, wie Sie wissen, ist es bei vielen Kindern und Jugendlichen, die mit einem Vollrausch ins Krankenhaus eingeliefert werden, das erste und einzige Mal. Dafür gibt es starke Anhaltspunkte. In der Praxis führt die Anweisung dazu, dass jeder Vollrausch dem Jugendamt gemeldet wird. Können Sie sich in die Lage der betroffenen Kinder, Jugendlichen und auch Eltern versetzen, wenn das der Fall ist? Was machen die Jugendlichen, wenn bekannt wird, dass sofort das Jugendamt eingeschaltet wird? - Die Kinder und Jugendlichen werden nicht mehr so schnell in das Krankenhaus gebracht. Das ist sicherlich kontraproduktiv.
Nun zu meinen Fragen: Wie stellen Sie sicher, dass den behandelnden Ärzten die Informationen vorliegen, dass die jeweiligen Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, ihrer Erziehungsverantwortung gerecht zu werden? Wie sieht dies in der Praxis aus? Sind Sie oder ist Frau Ministerin Haderthauer gegebenenfalls bereit, nochmals eine praktikable und praxisnahe Anweisung an die Ärzte zu geben?
In dem Schreiben, das Sie zitiert haben ist das "und" entscheidend. Im ersten Satz heißt es "massiv oder mehrfach". Dann heißt es "und die Erziehungspflicht vernachlässigt". Ich habe vorhin schon ausgeführt, dass wir mit dem Projekt "HaLT" die Chance haben, die Jugendlichen viel intensiver begleiten zu können. Von daher muss man selbstverständlich darauf achten, dass die Jugendlichen nicht in die Bredouille gebracht werden und sie meinen, es werde gefährlich, wenn jemand ins Krankenhaus gebracht wird. Ich meine, ganz wichtig ist, dass die möglicherweise lebensgefährliche Situation einer Alkoholvergiftung medizinisch behandelt werden kann. Das muss Vorrang haben.
Frau Staatsministerin Haderthauer hat vor sechs Monaten angekündigt, jugendliche Testkäufer einzusetzen. Passiert ist nichts. Ich frage Sie: Warum nicht? Wie lautet die Meinung Ihres Hauses dazu?
Ich habe heute im Laufe des Tages die unterschiedlichen Möglichkeiten aufgezeigt. Sie wissen, dass eine Möglichkeit der Einsatz von Testkäufern wäre.
Frau Staatssekretärin, wir haben am 25.02.2009 in einem Antrag die Erhöhung um 100.000 Euro der Haushaltsposition für Suchtprävention gefordert. Die lapidare Begründung zur Ablehnung war, das sei nicht notwendig. Die heutige aktuelle Stunde hat gezeigt, dass es schon nötig gewesen wäre, die 100.000 Euro einzustellen.