Protokoll der Sitzung vom 09.06.2011

quat zu versorgen. Es gab reihenweise Menschen, die keine Medikamente bekommen haben. Der langen Rede kurzer Sinn: Eine Superbehörde löst die Probleme nicht.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir sind stolz darauf, dass wir aus guten Gründen ein föderales System haben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Würden Sie bitte noch einmal an das Mikrofon kommen, Herr Kollege; Sie haben sicher mitbekommen, Frau Kollegin Stahl hat sich zu einer Zwischenintervention gemeldet. Bitte.

Herr Kollege, ich habe nicht ganz verstanden, zu welchem Antrag Sie geredet haben. Im Antrag der GRÜNEN steht nämlich nichts von einem nationalen Aktionsplan, sondern da wird schlicht und einfach ein koordiniertes Vorgehen gefordert. Ich möchte Sie auch fragen, an welchen Punkten Sie eine Schlammschlacht erkennen können. Erinnern Sie sich bitte sehr, wer den Antrag mit diesem Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt hat. Das waren die CSU und die FDP. Die anderen Anträge sind lediglich als Nachzieher dazugekommen. Sie haben dieses Thema gesetzt; beschweren Sie sich also bitte nicht, wenn jetzt hier über dieses Thema diskutiert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass die EU das Chaos hier kritisiert hat? Wir versuchen lediglich, auch im Einvernehmen mit der EU, verbesserte Bedingungen zu schaffen, um der Situation Herr zu werden. In einem Punkt haben Sie nämlich recht, die Seuche ist noch nicht vorbei. Was also ist Schlammschlacht, wenn ich wie die SPD frage, ob ausreichende Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind? Was bitte ist Schlammschlacht, wenn ich frage, ob wir vielleicht tatsächlich präventiv etwas mehr Kontrolle brauchen? Was bitte ist Schlammschlacht, wenn ich darum bitte, dass wir gemeinsam mit der Bundesebene ein koordiniertes Vorgehen einführen? - Ich sehe nämlich tatsächlich einige Lücken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich darf darauf Folgendes antworten: Für mich ist es eine Schlammschlacht, wenn Frau Künast und Herr Trittin von der "netten Agrarministerin" und dem "jungen unerfahrenen Gesundheitsminister" im Rahmen der Diskussion um Ehec sprechen. Das ist für mich eine Schlammschlacht, das sage ich klipp und klar.

(Beifall bei der FDP - Christa Steiger (SPD): Wir sind doch hier in Bayern! - Unruhe bei den GRÜNEN und der SPD - Theresa Schopper (GRÜ- NE): Ich möchte wissen, wo der Schlamm liegt! Der liegt doch bei Ihnen!)

Zur Kritik der EU: Sie wissen sehr wohl, dass Herr Dalli seine Kritik zurückgezogen hat und sich im Gespräch gegenüber Herrn Bahr und Frau Aigner gestern und vorgestern über das Management Aigner sehr positiv geäußert hat. Das ist es, was mir Frau Aigner und Herr Bahr selbst erzählt haben. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Ale- xander König (CSU))

Kolleginnen und Kollegen, jetzt hat Herr Staatsminister Dr. Söder um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Parlament kämpft ständig darum, in der Bevölkerung die Anerkennung und Akzeptanz zu finden, von denen das Parlament meint, das sie ihm zustehen würden. Ein Teil der Bevölkerung ist immer wieder überrascht, auf welchem Niveau wir diskutieren. Eines muss ich Ihnen sagen: Kritische Nachfragen an jeder Stelle sind in Ordnung. Feixende Gesichter und Gelächter, wenn zeitgleich Meldungen kommen, dass Menschen sterben, sind absolut unwürdig und an dieser Stelle unangebracht.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Christa Stei- ger (SPD): Das ist eine Unverschämtheit! - Zuruf der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner (SPD))

Diese Debatte ist parteiübergreifend eine Herausforderung, und das sage ich jetzt schon fast entschuldigend für eine SPD-Senatorin in Hamburg und für eine grüne Ministerin in NRW. Wenn irgendwo über Ländergrenzen hinweg eine neue, nicht bekannte, schwierige Krankheitsform auftritt, dann sollten wir Politiker uns nicht anmaßen, über die Experten hinweg zu versuchen, politische Debatten zu führen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wer macht das?)

Ich meine, hier sollten wir uns lieber zurückhalten, meine Damen und Herren. Das ist nicht im Interesse der Patienten.

(Beifall bei der CSU)

Wie sieht die Situation aus? - Man muss es schon einmal sagen, dies ist der größte in Deutschland be

obachtete Ehec-Ausbruch. Wir haben bundesweit über 2.000 Ehec-Fälle, 722 HUS-Fälle, die amtlich bestätigt sind, mit dem absoluten Schwerpunkt in Norddeutschland. In Norddeutschland besteht in vielen Krankenhäusern tatsächlich eine richtige Krisensituation. Nicht umsonst haben die dortigen Krankenhäuser massive Unterstützung für ihr Personal angefordert, um die Situation überhaupt bewältigen zu können. Man kann deshalb davon sprechen, dass es sich um eine gefährliche Situation handelt. Im Übrigen sieht es auch so aus, als ob die Krankheitsverläufe erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Es gibt blutigen Durchfall, vor allem beim HU-Syndrom, es gibt eine erhebliche Schädigung des gesamten Nierensystems, dann muss dialysiert werden. Teilweise werden die Schäden bleiben. Es gibt erhebliche Schädigungen des Nervensystems. Das sind ganz schwierige Situationen. Man muss die Erkrankung deshalb sehr ernst nehmen.

In Bayern haben wir nicht Glück, aber wir sind nicht so stark betroffen, weil sich das Geschehen in erster Linie in Norddeutschland abspielt. Derzeit haben wir in Bayern 85 Ehec-Fälle, 19 HUS-Fälle, 2 HUS-Verdachtsfälle und bislang keinen Todesfall. Das sind ungefähr drei Prozent der Erkrankungen. Inzwischen konnte nachgewiesen werden, dass das Infektionsgeschehen in Norddeutschland liegt. Deswegen ist dort auch der Hauptteil der Erkrankungen feststellbar.

Zur Frage, ob die Behörden gut zusammengearbeitet haben oder ob das hätte besser sein können: Zunächst einmal ist der Ausgangspunkt in Norddeutschland zu sehen und bei den zuständigen Fachbehörden. Es ist in der Tat gar nicht leicht, in dieser Situation eine Balance zu finden zwischen dem Schutz auf der einen Seite und den Belastungen, die bei den Bauern entstehen, auf der anderen Seite. Hier ist ein gangbarer Weg zu finden. Ich glaube, wenn das Robert-Koch-Institut und das Institut für Risikobewertung, die zuständigen Behörden Warnungen ausgeben, dann muss die Sicherheit der Verbraucher, die Sicherheit der Menschen absoluten Vorrang haben. Ich finde aber, dass wir gerade in Bayern besonnen reagiert haben. An der Stelle ist politischer Schaukampf falsch, Besonnenheit ist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger aber wichtig. Das heißt, wir haben zwar genauso gewarnt und Verzehrhinweise gegeben, wir haben aber auch darauf geachtet, dass nicht jeder vermeintlich neuen Spur eine öffentliche Dimension verliehen wurde, wenn auch noch nicht ansatzweise etwas bewiesen war.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Ich glaube, es ist wichtig, dass sich hier alle etwas am Riemen reißen bei der Frage, was man machen

muss, was man machen kann, und gleichzeitig darauf achten sollten, keine unnötige Hektik oder gar Panik in der Bevölkerung zu erzeugen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Zur Frage, ob die Bayern gehandelt haben: Wir Bayern waren erst einmal solidarisch mit dem Bund. Wir sind den Anforderungen aus den norddeutschen Ländern zur Unterstützung der Kliniken und beim Personalaustausch nachgekommen. Wir haben jetzt unsere Mitarbeiter vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit - LGL - zur Task Force nach Berlin geschickt und unseren Beitrag bei der Hilfe erbracht. Im eigenen Land haben unsere Behörden in jedem Einzelfall ermittelt. Das ist wichtig. Wir haben nicht nur die medizinische Behandlung, sondern auch die Untersuchung durchgeführt, woher die Infektion stammen könnte. Wir haben ausführliche Befragungen angestellt. Das hat auch dazu geführt, dass wir das Infektionsgeschehen insofern lokalisieren und feststellen konnten, dass es nicht in Bayern liegt. Bei den gefährlichen HUS-Fällen ist es ganz überwiegend in Norddeutschland.

Meine Damen und Herren, an der Stelle haben wir auch die Transparenz gewahrt. Wenn heute jemand sagt, er müsse heute erst einmal informiert werden, was passiert, dann wundere ich mich insofern, als über die Homepage des LGL, aber auch über die Hotlines, die Transparenz gewährleistet ist. Dafür wurden wir auch von anderer Seite gelobt. Ich finde, das sollte man an dieser Stelle auch einmal anerkennen und feststellen dürfen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die GRÜNEN haben hier die Frage nach den Kompetenzen gestellt. Die grüne Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen hat die Forderung nach mehr Kompetenzen des Bundes zurückgewiesen. Die SPDSenatorin von Hamburg sagt auch, das solle auf keinen Fall passieren, man möchte die Zuständigkeiten behalten. Ich persönlich bin in der Frage Bundeskompetenz - Länderkompetenz deswegen offener, weil ich davon ausgehe, dass die kleineren Länder meist keine ausreichenden Personalkapazitäten haben, um auf die Situation adäquat zu reagieren. Wir haben schon zu Zeiten der Schweinegrippe festgestellt - damals ging es um die Zurverfügungstellung von Impfstoffchargen -, dass man durchaus darüber reden kann. Ob Bakterien oder Viren - sie halten sich nicht an die Grenzen der Zuständigkeiten von kommunalen und von Landesbehörden. Ich wäre insoweit offen.

Wir in Bayern gehen auch bei der Ehec-Bekämpfung einen erfolgreichen Weg. Auf eines möchte ich aber hinweisen, Frau Franke: Wir können zwar noch mehr

Personal einsetzen, das noch mehr kontrollieren kann; aber auch damit werden wir nicht automatisch den Erreger finden. Das ist eine Botschaft aus Berlin: Es ist sehr schwer, ihn zu finden.

Die Frage, ob man zu spät mit der Bekämpfung begonnen hat, ist aus Bayern leicht zu stellen. Vor Ort gibt es zwar Ehec-Fälle; aber das Robert-Koch-Institut entscheidet, ab wann es sich um eine Epidemie handelt.

Wir haben in Bayern durchaus Lehren aus vergangenen Ereignissen gezogen; das ist positiv. Die Bereiche Veterinärwesen, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit sind beim Landesamt gebündelt. Das stärkt uns. Auch unsere "Spezialeinheit Lebensmittelsicherheit" - der Bund übernimmt das Modell quasi - ist erfolgreich gewesen, weil sie relativ schnell über regionale Grenzen hinweg eingreifen kann. Ich denke, wir sind da nicht schlecht.

Nächstes Stichwort: Gemüsebauern. Es ist trifft zu, dass unsere Gemüsebauern massive Schädigungen durch Ehec erleiden; die Vorredner haben es angesprochen. Auch wir versuchen, Hilfe zu geben, zum Beispiel durch unser Landesuntersuchungsprogramm "Bayerisches Gemüse". Was heißt das? Wir haben bewusst alle Kapazitäten, die wir für Tests zur Verfügung haben, ins Land geschickt, um unsere bayerischen Lebensmittel zu überprüfen. Bislang konnte in keiner Probe der Erreger nachgewiesen werden. Wir stellen fest: Das bayerische Gemüse ist nach allem, was wir getestet haben, Ehec-frei. Wir setzen die Tests fort, weil wir auch an der Stelle Sicherheit geben wollen.

Ich bin sowohl dem Landwirtschaftsministerium als auch dem Finanzministerium für die angebotenen Hilfen dankbar. Wir müssen schauen, dass sie schnell und unbürokratisch fließen, auch vonseiten Europas. Das halte ich für sehr wichtig.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Es darf nicht sein, dass am Ende nur spanische Bauern entschädigt werden, sondern es müssen auch deutsche und vor allem bayerische Bauern entschädigt werden. In den europäischen Beschlüssen steht zum Beispiel, dass der Ausfall von Zucchini zu entschädigen sei; vor denen ist übrigens nicht gewarnt worden.

Fazit: Wir werden noch einmal einen ausführlichen Bericht geben. Am Ende einer solchen Entwicklung ist dann auch die richtige Zeit zu überlegen, welche Stellschrauben bewegt werden müssen, um Verbesserungen zu erreichen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich möchte noch eine Bitte anschließen: Wir alle haben erlebt, dass wir beim Auftreten von Epidemien, ausgelöst durch Viren oder Bakterien, häufig Getriebene medialer Berichterstattungen und selbsternannter Experten sind. Daher müssen wir aufpassen - das gilt für die Politik generell, egal welcher Coleur der Gesundheitsminister, Verbraucherschutzminister oder Landwirtschaftsminister ist -, dass wir in diesen Fragen nicht in einen öffentlichen Überbietungswettbewerb eintreten.

Ich werbe dafür, die Behörden ihre Arbeit machen zu lassen. Wir sollten - bei aller Show in der Politik, bei allen Auseinandersetzungen in der Demokratie - an erster Stelle die Sorgen der Menschen und ihre Sicherheit im Blick haben. Das ist das oberste Gebot. Wir haben schon informiert, auch auf Pressekonferenzen. Aber ich hätte es, ehrlich gesagt, für unangemessen gehalten, jetzt eine Art "Ehec-Tourismus" zu betreiben.

Liebe Frau Sonnenholzner, ich habe für jede Kritik an der Stelle Verständnis. Aber Sie dürfen mir abnehmen, dass sich alle Behörden in Bayern bemühen. Der Minister wird täglich informiert. Er möchte aber auch seinen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen nicht verunsichert werden, sondern besonnen reagieren. An der Stelle wäre ein Lob angemessen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Dittmar.

(Von der Rednerin nicht auto- risiert) Herr Minister, Sie haben zu Recht gesagt - ich habe es mir mitgeschrieben -, die Politik solle sich nicht über Expertenmeinungen hinwegsetzen, bevor sie eine Entscheidung treffe. Haben Sie dann eine Erklärung dafür, warum die CSU-Fraktion, der Sie ja auch angehören, den von der SPD-Fraktion eingeforderten Berichtsantrag - wir wollen über den Verlauf der Seuche, über Therapieoptionen, über personelle Kapazitäten in den zuständigen bayerischen Behörden, gerade in der Lebensmittelüberwachung, aber auch in den Gesundheitsämtern, informiert werden ablehnen wird?

(Beifall bei der SPD)

Aus der Wortmeldung von Frau Sonnenholzner habe ich weniger dazu gehört, was in dem Antrag steht, sondern zumindest am Anfang ging es mehr um

die Frage, wer hier wo ein- oder abtauchte. Das war der erste Ansatz - kein guter Einstieg in eine Sachdebatte!