Protokoll der Sitzung vom 05.07.2000

An Bündnis 90/Die Grünen: Ihr Antrag wird überwiesen, er bietet eine gute Diskussionsgrundlage für die weitere Beratung, und es finden sich darin viele Gemeinsamkeiten zumindest mit der SPD. — Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Jäger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Fast zwölf Monate hat die nicht mehr ganz so neue Bundesregierung gebraucht, um die in der rotgrünen Koalitionsvereinbarung vereinbarte Expertenkommission einzusetzen. Soweit zum Thema Ernsthaftigkeit von Rotgrün bei den Hochschulreformen, Herr Dr. Kuhn!

(Beifall bei der CDU)

Nach sieben weiteren Monaten hat die Expertenkommission zur Dienstrechtsreform an Hochschu––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

len ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgeschlagen,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Auch zu langsam?)

das immerhin, und das sollte man ja auch nicht leugnen, auf den Reformansätzen des Hochschulrahmengesetzes von CDU/CSU und FDP von 1998 beruht. Man sollte nicht so tun, als wären da nicht die ersten Ansätze für Deregulierung und Leistungsorientierung geschaffen worden.

Nach der Vorstellung der Expertenvorschläge hagelte es für die Bundesministerin Bulmahn Kritik von allen Seiten. Kritik von so manchen Besitzstandswahrern konnte man erwarten, so ist das eben bei Reformen, unerwartet ist da allerdings schon die Kritik aus den Reihen von Rotgrün selbst. Die Grünen wollen den Beamtenstatus für Hochschullehrer dauerhaft abschaffen, die SPD in Bremen schließt sich dem an, wie wir hören. Manche sehen eher die Probleme als die Chancen von mehr Wettbewerb und Leistungsorientierung. Jedenfalls sehen wir auch hier im Parlament offenbar einige Widersprüche, Frau Berk spricht vom Mut der neuen Bundesregierung, Herrn Dr. Kuhn geht es alles nicht weit genug, was dort zurzeit vorgeschlagen wird.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wie möchte die CDU das denn mit dem Beamtenrecht machen?)

Mit der Schaffung marktgerechter, flexiblerer und leistungsorientierter Vergütungsstrukturen für den Hochschulbereich soll die Leistungs- und Innovationsfähigkeit unseres Wissenschafts- und Forschungssystems gestärkt werden, das ist hier gesagt worden. Wir als CDU unterstützen eine stärkere, leistungsorientiertere Besoldung. Es wäre allerdings auch ein falsches Signal, wenn diese Diskussion allein aus Spargesichtspunkten geführt würde. Manchmal hat man den Eindruck, es geht mehr um Sparen als um Leistungsorientierung, auch das muss gesagt werden.

Richtig ist, und das ist gesagt worden, dass es nicht sein kann, dass die Stelleninhaber nur nach Alter, nicht aber nach einer wie auch immer zu messenden Leistung bezahlt werden. An der Hochschule Bremen zeigt sich ja bereits im Rahmen der autonomen Bewirtschaftung von weiteren Mitteln, dass man durchaus Leistungsorientierung selbst als Kriterium festlegen kann. Wir wollen das nicht nur auf Besoldungsfragen reduzieren, da gibt es bereits hervorragende Beispiele, und die Hochschulen in Deutschland fangen endlich an, ihre eigene Tätigkeit zu evaluieren.

Eine starre Festschreibung von Grundgehältern sehe ich kritisch, wenn wir in Deutschland Spitzenkräfte halten und gewinnen wollen. Längst konkur

rieren Hochschulen nicht nur untereinander, sie tun dies international und auch mit der Privatwirtschaft. Hier, denke ich, müsste eine Öffnungsklausel her. Das ist ja das, was im Moment auch bundesweit diskutiert wird, auch die KMK hat gesagt, wir wollen eine Öffnungsklausel in diese Richtung. Bremen sollte daran, denke ich, auch Interesse haben. Wir sind dabei, unsere Hochschulen international fit zu machen. Insofern sollten wir uns nicht von allzu starren Regelungen vom Bund gängeln lassen. Darauf legen wir deutlich Wert. Unsere Profilgebung der Hochschulen kann da nur weiter fortschreiten.

Meine Damen und Herren, die CDU begrüßt die von der Expertenkommission vorgeschlagenen neuen Qualifizierungswege des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Juniorprofessur ist jedoch nicht das Allheilmittel. Sie ist natürlich auch abhängig von der finanziellen Ausstattung, auch daran muss man erinnern. Die Habilitation ist nicht, wie die Grünen und auch die SPD in Teilen fordern, abzuschaffen, sondern sie sollte durchaus noch als Maßstab und Qualitätsorientierung dienen. Wir hören immer wieder auch aus dem Bereich Ingenieurwissenschaften/ Naturwissenschaften, dass man dies als Option aufrechterhalten möchte. Natürlich weiß ich, dass, wenn wir jetzt, es ist ja gesagt worden, in Deutschland jede zweite Stelle neu besetzen, in Bremen fast jede dritte, die Juniorprofessur der Habilitation in weiten Bereichen den Rang ablaufen wird, allerdings, und der Senat hat sich da ja auch entsprechend offen verhalten, sind wir nicht für eine generelle Abschaffung der Habilitation.

Eine Entfristung von Verträgen beim wissenschaftlichen Nachwuchs, wie das hier gefordert wurde, halten wir im Sinne der nachkommenden Bewerber für nicht sinnvoll. Wir begrüßen daher die Antwort des Senats, gleichwohl sehen wir natürlich auch, dass dieses Thema bei einer veränderten demographischen Entwicklung bei Wissenschaftlern durchaus noch einmal wieder auf den Prüfstand kommen muss, allerdings muss dies nicht in dem ersten Wurf hier schon geregelt werden. Ich sehe auch die Gefahr, dass durchaus unter dem Stichwort „Wissenschaft als Beruf“, das wurde auch von der GEW aufgegriffen, möglicherweise die eine oder andere Tätigkeit im Wissenschaftsbereich dann als Daueraufgabe definiert wird. Ich glaube, das trägt nicht zu einer Qualitätssicherung an den Hochschulen bei.

Meine Damen und Herren, im Rahmen der Internationalisierung des Wissenschaftsbereichs geht es vor allem darum, sowohl einen flexibleren Personaleinsatz an den Hochschulen und Instituten zu ermöglichen, als auch den Austausch, die Mobilität zwischen den Hochschulen, Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft zu verbessern und das, wie gesagt, möglichst im internationalen Rahmen. Ein eigenständiges Dienst- und Tarifvertragsrecht und ein eigenes Personalstatut für den Wissenschaftsbereich

ist langfristig, wie die Expertenkommission feststellt, denkbar. Wir sollten dieses Thema aber nicht als Geisel nehmen, um am Ende wiederum keine Entscheidung zu treffen und dieses Thema „Reform im Hochschulwesen“ auf die lange Bank zu schieben. Ich würde mir wünschen, dass wir endlich gangbare Schritte gehen und zu einer ersten Verständigung zwischen Bund und Ländern kommen und dort auch endlich den Mut haben, Frau Berk, der Expertenkommission in weiten Teilen zu folgen und das wenigstens umsetzen. Das wäre sicherlich sinnvoller, als jetzt wieder neue Dinge, wie sie auch die Grünen insbesondere hier auf den Tisch bringen, in die Runde zu werfen. Dann sitzen wir im nächsten Jahr immer noch da und werden feststellen, dass wir weiterhin nichts geschafft haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich kann mir eines nicht ersparen: An der 630-DM-Debatte hat man gesehen, wie ernst es Rotgrün mit den Hochschulen nimmt. Da sind die Hochschulen besonders getroffen worden, man hat ihnen Knüppel zwischen die Beine geworfen und sie im Regen stehen lassen. Ich hoffe, das wiederholt sich jetzt nicht an anderen Themen und an diesen Stellen, wie auch in dieser Debatte. Ich würde mir ein wenig mehr Verbindlichkeit und Verlässlichkeit im Reden und Handeln wünschen und nicht Gegenwind von allen Seiten. Rotgrün beschießt sich hier angesichts dieser Vorschläge der Expertenkommission, die Frau Bulmahn ja in wesentlichen Teilen sich auch zu Eigen gemacht hat. Ich wünsche Frau Bulmahn genau diesen Mut, den Frau Berk eben schon zitiert hat, endlich die Dinge umzusetzen. Wenn sie das, was dort vorgeschlagen wurde, im Sinne der Expertenkommission tut, kann sie auf die Unterstützung der CDU bauen. Sie kann aber nicht auf die CDU bauen, wenn diese Diskussion noch weiter ins Land zieht. — Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich mir die vier vorgetragenen Punkte von Herrn Dr. Kuhn und dann die beiden dazu folgenden Redebeiträge noch einmal vor Augen halte, dann stelle ich fest, dass wir so weit nicht auseinander liegen. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, sind es im Wesentlichen die Fragen des Beamtenstatus und die Frage der Habilitation, bei denen wir uns eigentlich in der Ausgangssituation unterscheiden.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Besoldung der Fachhochschulprofes- soren!)

Ja, aber das ist ja allein aus der finanziellen Situation leider nicht so machbar, wie Sie das fordern. Ich habe übrigens ohne eine Vorbereitung vor einem halben Jahr bei der Hochschulrektorenkonferenz auf diese Frage eine grüne Position vertreten. Als ich gefragt worden bin, wie ich mir das vorstelle, habe ich gesagt, ich fände eigentlich ein gleiches Mindestgehalt für alle diejenigen gut, die an Hochschulen, Fachhochschulen oder Universitäten arbeiten, allerdings dann mit ganz klaren Leistungsaufschlägen für diejenigen, die eine hervorragende Leistung an Fachhochschule oder Universität erbringen. Mir als Wissenschaftssenator ist es relativ irrelevant, ob ein Klassemann an der Uni oder an der Hochschule sitzt, auf die Leistung kommt es an. Deshalb habe ich so aus freien Stücken gesagt, ich könnte mir eine einheitliche Mindestbesoldung sehr gut vorstellen. Das hat aber zu einem heftigen Widerstand bei den Rektoren der Universitäten geführt. Ich war allerdings nicht auf diese Frage vorbereitet und habe das einfach aus dem Bauch heraus beantwortet.

Herr Jäger, eines muss ich korrigieren — vielleicht ist das auch einfach nur eine Unwissenheit, das weiß ich nicht —, es ist völlig eindeutig, dass wir an dieser Stelle nicht sparen wollen, sondern dass, wenn wir sagen, wir wollen es den Hochschullehrern, die besonders gute Leistungen erbringen, schmackhaft machen, in unserem Land zu bleiben, wir sie auch besser bezahlen wollen, damit sie hier im Land motiviert werden, weiterhin bessere Leistungen zu erbringen und das auch honoriert zu bekommen und nicht nach Amerika und anderen Ländern zu schielen, wo sie entsprechend hohe Besoldungen oder Leistungsprämien bekommen.

(Abg. B ü r g e r [CDU]: Dafür reichen aber die Vorschläge von Frau Bulmahn, was die Beamtenbesoldung angeht, nicht aus!)

Das ist eine Frage der Umsetzung, weil wir ja eben nicht wollen, dass diejenigen, die Dienst nach Vorschrift machen, und die soll es ja auch an den Universitäten geben, weiterhin in den Genuss von dauerhaften Prämien kommen, sondern wir wollen sagen, dass wir das, was wir dort einsparen, dafür nutzen und aufbringen wollen, um dann die Leistungsprämie zu erbringen. Es ist kein Einsparungsprozess, das lag mir noch am Herzen, Ihnen das zu sagen. Wir wollen an der Stelle keine einzige D-Mark einsparen, sondern wir wollen umgewichten und denjenigen, die hervorragende Leistungen bringen, mehr geben. Ob das ausreicht, Herr Bürger, darüber mag man streiten.

Der nächste Punkt, auf den ich Herrn Jäger noch hinweisen möchte, ist: mehr Mut zur Umsetzung. Ich habe in erster Linie erfahren, dass Bayern auf keinen Fall mitmachen will in dieser Frage. Nun würde ich das gern mit dem Kollegen Zehetmair diskutie

ren und ihm mitteilen, wie hier die Bremer CDU ihn zu mehr Mut auffordert.

(Abg. J ä g e r [CDU]: Die Öffnungsklau- sel macht auch Herr Zehetmair mit!)

Herr Zehetmair hält ganz stur am Beamtenstatus seiner Wissenschaftler und seiner Hochschullehrer fest! Bremen ist deutlich besser hier positioniert, denn wir wollen ja viel flexibler auf den Markt reagieren, wenn ich das so sagen darf, und von daher wünschte ich mir zumindest bei der CSU mehr Mut zur Umsetzung, so wie Sie es hier einfordern.

Ich würde mir wünschen, dass wir den Beamtenstatus abschaffen, aber es ist nicht realistisch, solange es einzelne Länder gibt, die das nicht mitmachen, weil es eine Reihe von Hochschullehrern gibt, für die das eine sehr wichtige Frage ist. Ob es leistungsfördernd ist, wage ich zu bezweifeln. Nach meiner beruflichen Erfahrung ist es absolut nicht leistungsfördernd, einen Beamten einzustellen und ihm damit zu sagen, du kannst jetzt lebenslang sicher sein, dass dein Geld auch auf dem Konto landet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zur Frage der Habilitation habe ich eine differenzierte Meinung. Ich bin nicht der Auffassung, dass man die Habilitation generell abschaffen sollte, sondern ich bin sehr wohl der Meinung, dass das auch für die Qualität von Wissenschaft nach wie vor etwas ist, was wir weiter fördern sollten, aber was nicht Ausgangsvoraussetzung sein müsste oder sein muss, um sich weiter zu qualifizieren. Das ist besonderes wichtig, wenn wir uns noch einmal vor Augen halten, welche drei Punkte für mich bei der Hochschuldienstrechtsreform zu beachten sind: Erstens mehr Flexibilität, um im internationalen Wettbewerb standzuhalten, zweitens Förderung der Wissenschaftlerinnen, ein ganz wesentlicher Punkt, den wir in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt haben, und drittens, und da stimme ich der CDU genauso zu, mehr Leistung fördern an unseren Hochschulen. — Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die gemeinsame Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist der Wunsch, den Antrag der Grünen an die Deputation für Wissenschaft zu überweisen.

Meine Damen und Herren, wer diesem Überweisungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist den Antrag an die Deputation für Wissenschaft.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) zur Mittagspause. Wir beginnen wieder pünktlich um 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.03 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.