Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Herderhorst? – Bitte sehr!

Herr Senator, finden Prüfungen statt, und wenn ja, in welcher Form, ob hier Scheinehen eingegangen werden, um sich den Verbleib im Land zu sichern?

Bitte, Herr Senator!

Herr Abgeordneter, es finden natürlich Prüfungen statt. Das ist ein ganz wichtiges Thema, aber es ist sehr schwer, den Nachweis zu führen, ob es sich um eine Scheinehe handelt. Ich will ein Beispiel nennen: Wenn eine drogenabhängige ältere Prostituierte einen gut aussehenden

jungen Ausländer heiratet und der jugendliche Bräutigam wenige Tage nach der Eheschließung nicht mehr auffindbar ist, dann ist das möglicherweise ein Indiz dafür, dass es sich um eine Scheinehe handeln könnte. Das aber nachzuweisen ist für die Polizei außerordentlich schwer.

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Glocke)

Meine Damen und Herren, ich bitte doch um Ruhe und Aufmerksamkeit!

(Zuruf von der SPD: Aufmerksam sind wir!)

Herr Kollege Herderhorst, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Senator, werden die angesprochenen Hauptsacheverfahren in Abwesenheit der Betroffenen durchgeführt?

Bitte, Herr Senator!

Das wird gemacht. Ich hatte in meiner Antwort vorgetragen, dass in Abwesenheit solche Verfahren durchgeführt werden.

Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Halten Sie in diesen Fällen, wo unter anderem gerade das Bundesverwaltungsgericht einen Antrag von Betroffenen zurückgewiesen hat, einen Asylfolgeantrag oder erneute Befassung des Oberverwaltungsgerichts für verhältnismäßig?

Bitte, Herr Senator!

Ich habe auch mein persönliches Missvergnügen, dass solche Fälle auftreten. Nur, ich möchte auf der anderen Seite noch einmal deutlich unterstreichen, dass wir unsere Rechtsmittel haben, die rechtsstaatlicher Art sind, und dass wir die nicht in Frage stellen wollen. Umso wichtiger ist, dass wir Verfahrenswege abkürzen, und darum bemüht sich ja auch der Bund. Herr Schily hat genau die gleiche Auffassung wie ich, dass wir nämlich die Rechtswege verkürzen müssen. Alles das, was Sie eben angesprochen haben, dient ja dem Ziel, dies zu tun.

(Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Eine letzte! Herr Senator, sofern sich aus diesem Personenkreis einige das Bleiberecht einholen beziehungsweise dies erlangen, halten Sie diese Personen dann für integrierbar im Sinne des gerade vom Senat vorgelegten Integrationsmodells?

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Bitte, Herr Senator!

Diejenigen Personen, die ihr Asylverfahren erfolgreich beendet haben und somit ausländische Mitbürger werden, müssen wir in unsere Bemühungen einbeziehen. Das ist das Anliegen des Senats, auch wenn ich zugebe, dass es nicht immer einfach ist.

Eine weitere Zusatzfrage durch den Abgeordneten Brumma!

Herr Senator, wir haben ja gehört, es gibt hier viele Verfahrensschwierigkeiten. Vor einigen Monaten wurden vom Sozialressort Gelder zur Verfügung gestellt. Wurden die jetzt endlich abgerufen, und wurden da auch Stellen eingerichtet?

Bitte, Herr Senator!

Ich hatte vorgelesen, Herr Abgeordneter, dass wir seit dem 1. September 2000 drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Stadtamt eingestellt haben. Das sind drei Stellen, die vom Sozialressort bezahlt werden. Dazu kommt übrigens noch eine Stelle, die direkt in der Behörde geschaffen wurde. Es sind also insgesamt vier Stellen. Darum habe ich jetzt die begründete Hoffnung, dass wir sehr zügig in die Abarbeitung dieser Fälle gehen können.

Eine weitere Zusatzfrage durch den Abgeordneten Dr. Güldner! Bitte sehr!

Man kann ja, und ich habe das auch, durchaus eine differenzierte Position zu diesem ganzen Fragenkomplex haben. Aber ist es nicht so, dass das, was in der Frage, die uns ja auch schriftlich vorliegt, angedeutet wird, nämlich dass das Einlegen von Rechtsmitteln im Prinzip als etwas Negatives, als ein Missbrauch, als ein Verschleppen gesehen wird, eine unmögliche Beschreibung unseres Rechtsstaates ist, weil das Einlegen von Rechtsmitteln zum Kern dieses Rechtsstaates gehört?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Bitte, Herr Senator!

Ich habe sehr deutlich gesagt, Herr Dr. Güldner, und will das auch noch einmal wiederholen, dass ich die rechtsstaatlichen Instrumente unseres Rechtsstaates achten und pflegen möchte. Das ist überhaupt keine Frage! Nur, wir müssen sie davor schützen,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Was heißt das?)

dass diese Wege genutzt werden, um zu Lasten des Allgemeinwohls persönliche Interessen durchzusetzen.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Wir wissen definitiv, dass 90 von 100 Asylbewerbern entsprechend unserer Asylgesetze nicht berechtigt sind, hier zu leben. Das ist eine Zahl, die von Bundesinnenminister Schily bekanntgegeben worden ist, die von allen deutschen Innenministern bestätigt wird. Wenn wir das wissen, dann wissen wir, dass 90 Prozent dieser Asylbewerber Rechtsmittel suchen, um ihren Aufenthalt länger hinauszuziehen. Das kann nicht richtig sein, dagegen müssen wir angehen. Diese Rechtswege müssen wir verkürzen. Das kann nicht angehen!

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Das Einlegen von Rechtsmitteln ist ja, meiner bescheidenen Kenntnis unseres Rechtswesens nach, nicht allein auf Asylbewerber und ähnliche Personengruppen beschränkt.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das macht die CDU doch auch, zum Beispiel wenn sie kein Geld zahlen will!)

Wir wissen, dass sich eine Prozesslawine seit vielen Jahren und Jahrzehnten durch Deutschland zieht, und Rechtsmittel werden immer eingelegt mit dem Risiko, nun vor Gericht – unabhängige dritte Gewalt – Recht zu bekommen oder nicht Recht zu bekommen. Wie muss ich Ihre Ausführungen jetzt verstehen? Sie sagen, wir müssen den Rechtsstaat schützen. Was heißt das konkret, was schwebt Ihnen vor?

Bitte, Herr Senator!

Herr Dr. Güldner, warum setzt denn die Bundesregierung zurzeit Kommissionen ein, die genau dieses Feld bearbeiten? Ich bin ja froh, dass die Bundesregierung das sieht. Ich weiß nicht, ob Sie als grüne Bündnispartner da nun in der Bundesregierung Ihr Veto eingelegt haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Alle deutschen Innenminister und Innensenatoren, ob sie der CDU oder der SPD angehören, haben gleichermaßen dieses Problembewusstsein, dass wir handeln müssen, bevor wir von einer Situation überrollt werden, die wir nicht mehr im Griff haben.

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Dr. Güldner, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wie konkret sieht Ihre Initiative aus, was stellen Sie sich konkret auf dem Gebiet vor, das Sie eben sozusagen als Ziel umrissen haben? Wie soll das aussehen, und inwieweit hängt das damit zusammen, dass das Einlegen von Rechtsmitteln als solches – was ja immer bestehen bleiben wird, das Recht auf Revision, Berufung ist ja nun ein Kern des Rechtsstaates – durch Ihre Initiative in Frage gestellt werden soll?

Bitte, Herr Senator!

Ich will ein Beispiel nennen: Der Kollege Bartling aus Niedersachsen hat jetzt im Bundesrat einen Vorstoß gemacht, den ich sehr unterstreiche, dass nämlich in Zukunft eine Familie insgesamt ihre Asylanträge stellen muss und die dann auch gemeinsam abgearbeitet werden müssen, dass es nicht mehr passieren darf, was in der Vergangenheit immer wieder passiert ist und auch heute noch passiert, dass erst der Vater, dann die Mutter, dann Kind eins, zwei, drei, vier der Reihe nach durch alle Rechtsinstanzen gehen. Das muss aufhören, wir müssen einheitlich, schneller, zügiger, entschlossener handeln können.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Es gibt keine Gruppenrechte, das sind Individual- rechte!)

Was heißt Katastrophenrechte? Wir müssen endlich einmal dazu kommen, dass wir handlungsfähig werden!