Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

schen Volksunion langt dieses grausame Spektakel schon lange. Es reicht! Machen Sie endlich Schluss mit diesen grausamen Tierversuchen an der Bremer Uni! Ich fordere Sie im Namen der Deutschen Volksunion eindringlich auf: Setzen Sie sich hier und heute mit diesem begründeten Bürgerantrag effektiv und schnellstens auseinander! Lassen Sie auf keinen Fall die begründeten Argumente der Bevölkerung wie so oft unberücksichtigt!

Meine Damen und Herren, Sie haben als so genannte Volksvertreter die Pflicht und Aufgabe, diesen Bürgerantrag sowie die Sorgen und Nöte der Bevölkerung insgesamt verantwortungsbewusst zu vertreten und sonst gar nichts!

(Glocke)

Werden Sie also Ihrer Verantwortung endlich einmal gerecht, und entscheiden Sie im Sinne des Tierschutzes!

(Glocke)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Ich bin gleich fertig!

Entscheiden Sie im Sinne des Tierschutzes zum Wohle der armen gequälten und geschundenen Mitgeschöpfe! Lassen Sie diesen begründeten Bürgerantrag nicht irgendwo und irgendwann still und heimlich in irgendeinem Papierkorb verschwinden! Die Deutsche Volksunion wird schon darauf achten, dass das nicht passiert. – Ich danke Ihnen!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jäger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns zuletzt am 22. März vergangenen Jahres ausführlich zu diesem Thema ausgetauscht. Seit diesem Zeitpunkt gibt es eigentlich wenig Neues zu berichten. Der Senat hat nach Vorlage des Wissenschaftssenators entschieden, der Gehirnforschung in Bremen auch weiterhin einen wichtigen Platz einzuräumen, und auch die Gesundheitsbehörde hat jüngst ihre Auflagen für die Versuchsfortführung festgelegt.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Bürgerantrag fordert entgegen der mehrheitlichen Auffassung in diesem Haus eine Kehrtwende in Sachen Tierversuche an der Universität Bremen. Hierfür gibt es bislang keine Mehrheiten, doch die Feststellung und der Verweis auf die vorangegangenen Debatten in diesem Haus wird dem Bürgerantrag allein sicherlich nicht gerecht. Wir werden deshalb diesen Bürgerantrag zu einer weiteren intensiven Debatte ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nutzen, sowohl federführend in der Wissenschaftsdeputation als auch in der Deputation für Arbeit und Gesundheit, die für Tierschutz zuständig ist. Wir beantragen deshalb die Überweisung.

Ich sage allerdings auch deutlich als der in der CDU für Wissenschaftspolitik zuständige Abgeordnete, dass ich mir in dieser Debatte nicht allein nur eine losgelöste bremische Inseldebatte wünsche, denn diese Diskussion verengt die Diskussion nur auf die Forschung hier in Bremen. Ähnliche oder vergleichende Forschung findet natürlich auch woanders statt, in Deutschland, Europa und in der Welt. Ich denke, wir sollten auch dafür unsere Augen und Ohren öffnen. In diesem Sinne hoffe ich, dass die Diskussion und die Debatte in der Deputation auch weiterhin unseren bremischen Sachverhalt ins rechte Licht rücken.

Die SPD hat im März 2001 eine transparente, offene Diskussion eingefordert und einen besseren Dialog angekündigt. Vorschläge dazu haben mich noch nicht erreicht. Vielleicht wird das offen in der SPD diskutiert. Wir werden sehen. Vielleicht wird Herr Käse auch noch etwas dazu sagen. Ich befürchte allerdings auch, dass wir in dieser Diskussion oft Äpfel und Birnen miteinander vergleichen. Ich gebe zu, es fällt uns allen schwer, auf der einen Seite die Bilder der Boulevardpresse und des Aufklärungsjournalismus zusammenzubringen mit der internationalen Positionierung und dem Konkurrenzkampf um Wissenschaftsstandorte und dem Forscherdrang mit dem Drang, neues Wissen zu generieren auf der anderen Seite. Trotzdem werden wir uns natürlich weiterhin am Versuch beteiligen, einseitige Sichtweisen abzubauen und manchen verengten Blickwinkel zu öffnen.

Wir Abgeordneten in der CDU-Fraktion haben auch diese Chance genutzt, mit Professor Kreiter und den Forschern zu sprechen, uns die räumlichen Gegebenheiten, die Unterbringung der dortigen Tiere und die Versuche näher anzuschauen. Ich denke, das allein verhindert schon eine einseitige Sichtweise. Ich gebe zu, dass aus meinen einseitigen Emotionen dadurch auch eine andere Diskussionslage entstanden ist. Emotionen allein, aber auch Populismus, Herr Tittmann, sind schlechte Ratgeber.

(Beifall bei der CDU)

Wir debattieren um die Zukunft von zehn Makaken. Herr Tittmann hat soeben das Todesurteil über diese Tiere gesprochen, das muss man auch sagen, denn eines ist klar, wenn diese Versuche eingestellt werden, dann ist es auch mit diesen Tieren zu Ende.

Meine Damen und Herren, diese Zahl der zehn Makaken ist verglichen mit anderen Forschungsstandorten verschwindend gering. Grundsätzlich ist es aber immer mit ethischen Fragestellungen verbunden, nicht allein mit Emotionen, ethische Fragestellungen, wie sie sich in vielen Wissenschaftsdis

ziplinen auftun und wo Parteipolitik allein keine Antwort gibt. In der Bio- und Gentechnologiedebatte sind wir alle mitten darin. Auch das hat etwas mit Tierversuchen zu tun. Ich sage nur eines: Unterschätzen wir den Menschen nicht, unterschätzen wir nicht, dass in der ganzen Welt ein Wettlauf um ein besseres Verständnis des Menschen, seiner Eigenschaften, seiner Krankheiten in vollem Gange ist! Die Erforschung des Gehirns ist dabei erst am Anfang und längst nicht am Ende. Ich glaube, dass wir mit dieser Debatte auch erst am Anfang sind, stellvertretend für andere Debatten, die in der Republik zum Thema Neurokognition und Gehirnforschung noch geführt werden.

Wir haben in Bremen die Chance, diesen Forschungsbereich zu besetzen. Es gibt hier eine hervorragende interdisziplinäre Zusammenarbeit. Vielfach wird von interdisziplinärer Zusammenarbeit geredet, kaum wird sie praktiziert. Im Bereich Neurokognition gibt es das. Wir sind sehr wohl dafür, Tierversuche nur unter engen Auflagen zuzulassen, stets Fristen zu setzen, Überprüfungen anzuordnen und eben diese Alternativmethoden zu entwickeln. In der Tat dauert da die Anschaffung und Durchsetzung dieser bildgebenden Verfahren sehr lange. Wir hoffen, Herr Senator, dass es jetzt möglich ist, sich auf ein Gerät zu einigen. Die Kooperation mit Magdeburg und anderen ist ja angekündigt, so dass es hier keine Doppelarbeit in der Republik gibt.

Hier sind wir sehr daran interessiert, dass diese Forschung vorangetrieben wird und neue Möglichkeiten geschaffen werden, um immer noch das Ziel zu verfolgen, perspektivisch Tierversuche zu reduzieren. Ich befürchte aber, dass das realistisch so schnell nicht sein wird. Wer das sagt, der streut den Leuten auch Sand in die Augen. Man versucht, sich damit schnell aus der Affäre zu ziehen.

Ich denke, wir stehen mit dieser Debatte erst am Anfang in der Republik. Wir sind hier in Bremen relativ weit, aber wir werden trotzdem weiterhin die Diskussion suchen und nicht mit endgültigen Antworten glänzen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Käse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrte Antragsteller! Dem Einsatz des Tierschutzvereins und sehr vieler Bremer Bürgerinnen und Bürger für das Wohl der Tiere, insbesondere der Versuchstiere in den Forschungslaboratorien, zollen wir Sozialdemokraten höchsten Respekt. Eine Unterstützung durch die DVU hat dieses Engagement wahrlich nicht verdient.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Bürgerantrag ist ein Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements, das wir fördern wollen. Daher sichern wir den Bürgerinnen und Bürgern selbstverständlich eine seriöse und ausführliche Beschäftigung in den Deputationen für Wissenschaft und für Gesundheit zu und auch eine längere ausführlichere Debatte, sobald die Berichte hier im Hause vorliegen werden.

An dieser Stelle möchte ich nur kurz zwei wichtige Hinweise geben bezüglich der einen Zielsetzung des Antrags, nämlich Tierversuche perspektivisch zu reduzieren. Zum einen wird in dem Antrag, aber auch in anderen Beiträgen, die es in den vergangenen Monaten und Jahren hier im Haus gab, der Eindruck erweckt, die Zahl der Tierversuche an der Universität sei in den letzten Jahren gestiegen. Ich möchte noch einmal betonen: Das ist falsch! An der Universität Bremen ist bereits in den neunziger Jahren eine drastische Reduzierung der Tierversuche erfolgt. Eine Kleine Anfrage vom Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Tierexperimente an der Universität Bremen“, Drucksache 15/600 vom November 2000, gibt hier Aufschluss. Sie können der Antwort entnehmen, dass in den Jahren 1992 bis 1995 im Durchschnitt 750 Tierversuche pro Jahr durchgeführt wurden. In den Jahren 1996 bis 1999, also ebenfalls ein vierjähriger Zeitraum, waren es rund 400 Tierversuche pro Jahr. Ich sage bewusst nicht „nur“ 400 Tiere, aber ich sage, es sind eindeutig weniger geworden.

Diese Zahlen sind Ausdruck dafür, dass bereits in weiten Teilen der biologischen, der biochemischen oder auch der pharmakologischen Forschung an der Universität die Tierversuche durch tierversuchsfreie Methoden ersetzt worden sind. Ich möchte hier nicht nur als Abgeordneter, sondern auch als Wissenschaftler in Richtung der Tierschützer die Bitte äußern, diese Bemühungen der Universität zu beachten und zu respektieren.

(Beifall bei der SPD)

Der von uns geforderte und beförderte Dialog zwischen dem Tierschutz und der Wissenschaft kann nur fruchtbar sein und auch überhaupt erst richtig zustande kommen, wenn sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Das ist unser Ziel!

Als zweiten Punkt möchte ich noch auf die konkrete Problematik eingehen, die auch schon meine Vorredner angesprochen haben, die Problematik der Beschaffung des Kernspintomographen, eines Geräts, das dem Ersatz der invasiven Untersuchung des Gehirns von Primaten dienen soll, also dass diese Versuche in Zukunft durch nicht invasive Methoden ersetzt werden können. Es gibt aus meiner Sicht keinen Hinweis darauf, dass die Beschaffung dieses Geräts seitens der Wissenschaftler bisher verzögert wurde. Ein solches Gerät wird extra auf Bestellung als Einzelstück angefertigt. Das muss so ausgelegt

sein, das ist hierbei die besondere Problematik, dass sowohl mit Primaten als auch mit freiwilligen menschlichen Probanden gearbeitet werden kann. Da die Primaten um ein Wesentliches kleiner sind als Menschen, ist das nicht trivial. Es ist überhaupt nicht trivial, sondern technisch hoch anspruchsvoll. Man muss, denke ich, auch zur Kenntnis nehmen: Ein solches Gerät kann man eben nicht im Quelle-Katalog bestellen! Es ist ein Problem, das zu besorgen. Deshalb hat es auch so lange gedauert.

Lieber Herr Kollege Kuhn, wenn Sie so tun, als wäre das so einfach, dann sind Sie aus meiner Sicht entweder fachlich schlecht informiert oder Sie unterstellen, die Universität bemühe sich nicht wirklich ernsthaft, dieses Gerät zu beschaffen. Das Erste glaube ich bei Ihnen eigentlich nicht, das würde mich bei Ihnen sehr überraschen. Das Zweite möchte ich doch an dieser Stelle zurückweisen.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Kuhn?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Dr. Kuhn!

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, Herr Kollege, dass uns vor zweieinhalb Jahren gesagt worden ist, es sei ein solches Gerät auf dem Markt, und es würde in kurzer Zeit beschafft beziehungsweise gekauft?

Ich bin bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, aber die Ansprüche an das Gerät haben sich seitdem offensichtlich verändert. Ich hoffe, Sie nehmen auch zur Kenntnis, dass es schwierig war, jetzt ein passendes Gerät zu finden.

Meine Damen und Herren, mit diesen beiden Punkten, aus meiner Sicht Klarstellungen oder Verdeutlichungen der Problematik, möchte ich es hier fürs Erste bewenden lassen. Ich freue mich auf weitere Diskussionen, sowohl in der Deputation für Wissenschaft als auch hier im Hause, zu diesem Thema. Dieser Bürgerantrag hat eine intensive und ernsthafte Befassung verdient, und das sagen wir zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich habe ein hohes Verständnis für die Tierschützer, die sich seit sehr langer Zeit für die Belange der Primaten einsetzen. Aus den Debatten

auch im letzten Jahr, zuletzt war es am 28. November 2001, dass wir uns mit dem Thema befasst haben, möchte ich einige zusätzliche und auch die eine oder andere neue Entwicklung anmerken.

Erstens: Wir haben natürlich, wenn wir diese Diskussion führen, zu beachten, dass wir die Freiheit von Lehre und Forschung hier auch zu beachten haben, dass wir nicht in einem freien Raum leben, wo wir sagen können, unabhängig von den geltenden Gesetzen stellen wir uns jetzt an die Seite der Tierschützer und untersagen der Universität, in diesen Forschungsbereichen zu arbeiten. Das geht nicht, Herr Dr. Kuhn! Das beabsichtigen wir auch nicht, sondern wir werden sehr genau überprüfen, in welcher Form wir auf diese Tierversuche verzichten können, die eigentlich niemand will, sicherlich auch nicht die Forscher, zurzeit gibt es aber keine anderen Möglichkeiten, an die entsprechenden Ergebnisse zu kommen. Solange es diese Wege nicht gibt, müssen wir als Politiker auch dafür sorgen, dass sie unter solchen Rahmenbedingungen stattfinden, mit denen wir leben können.

Es wäre ja sehr einfach, Herr Dr. Kuhn, wir verlagern diese Versuche in andere Länder, die vielleicht nicht so einen starken Tierschutz haben, aber das wäre ein völlig falsches Signal. Mir ist es viel lieber, dass auf der wissenschaftlichen Ebene die Auseinandersetzung stattfindet, wenn wir diese Forschungsergebnisse benötigen. Wir benötigen sie selbstverständlich, und ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass Ihnen, Herr Dr. Kuhn, die Erforschung des Gehirns nicht genauso am Herzen liegt wie allen anderen Parlamentariern.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wo sind die Ergebnisse?)

Herr Dr. Kuhn, daran wird gearbeitet, und zwar sehr gründlich. Das geht nicht von heute auf morgen, wenn Sie wissen, wie lange es allein dauert, um einen Makaken darauf abzurichten, dass er so reagiert, wie es notwendig ist, um zu diesen Forschungsergebnissen zu kommen. Das geht nicht von jetzt auf gleich, und dann hat man Schnellschüsse und Patentrezepte zur Hand. Das geht nicht, und das müssten Sie eigentlich, der so ein enges Verhältnis zur Universität und zu den Forschern hat, besser wissen als mancher anderer. Ich schließe mich da übrigens mit ein.

Ich habe mich sehr genau damit beschäftigt. Ich weiß, welchen hohen Ruf die hier arbeitenden Wissenschaftler weltweit haben. Ich habe mich auch als Wissenschaftssenator vor diese Kolleginnen und Kollegen zu stellen, um ihre Arbeit hier zu verteidigen, damit sie nicht eines Tages ganz woanders arbeiten. Wir sind eine offene Stadt, und in unserer Stadt können wir auf der gesetzlichen Grundlage nicht verhindern, dass unsere Forscher so arbeiten

können, wie sie es benötigen, um die entsprechenden Forschungsergebnisse zu bekommen.