Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Welche Problembereiche, die zu bedenken sind, beziehen sich auf die zu ermittelnde Höhe der falschen positiven Befunde und die psychischen Begleiterscheinungen? Auch hier steht fest, die unerwünschten Wirkungen des Mammographie-Screenings sind weniger dokumentiert als die gewünschten Wirkungen. Ich möchte hier nur vier unerwünschte Wirkungen des Screenings nennen: erstens, medizinische Eingriffe bei Frauen, die durch falsche positive Befunde ausgelöst wurden; zweitens, Behandlung von Brustkrebs, der sich nicht bemerkbar gemacht hätte, da vorher durch andere Erkrankungen ein Versterben eingetreten wäre; drittens, Behandlungsabläufe, bei denen sich die Lebensqualität und Lebenserwartung nicht erhöht; viertens, Behandlungsabläufe, bei denen sich die Lebensqualität und Lebenserwartung verschlechtert.

(Glocke)

Diese Fakten müssen den Frauen zugänglich gemacht werden. Um sich, wie ich es vorhin schon sagte, für oder gegen dieses Screening entscheiden zu

können und eventuell ohne von außen in einen Druck zu geraten, der ja auch passiert — gehst du hin, gehst du nicht hin, das kennt man ja auch, gerade weil Frauen straßenweise beziehungsweise stadtteilmäßig eingeladen werden —, müssen diese angesprochenen Defizite und Problembereiche bearbeitet und behoben werden. Diese kritischen Aspekte müssen bei der Realisierung dieses Projekts Beachtung finden. Dann erwarten wir, dass dieses Konzept noch einmal vorgelegt wird und dass wir dann noch einmal darüber reden werden. — Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dreyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich vor allen Dingen noch einmal für die zweite Runde gemeldet, um die von Frau Hammerström immer wieder gespürte Ablehnung deutlich zu machen. Frau Hoch und auch ich für die CDU-Fraktion haben deutlich gemacht, dass wir das Screening-Programm wollen, selbstverständlich wollen! Ich weiß gar nicht, woher Sie die Ablehnung ableiten!

(Beifall bei der CDU)

Es ist immer ein bisschen schwierig, wenn man seine Rede früher schreibt und dann nicht mehr zuhört, was die einzelnen Debattenbeiträge bringen. Natürlich wollen wir das, aber wir wollen es miteinander offen diskutieren! Wenn Sie sagen, Frau Hammerström, wer nachfragt, gefährdet das Projekt, so war Ihr Satz,

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Habe ich doch gar nicht gesagt!)

auf welchen wackeligen Füßen müssen denn dieses Projekt und dieses Konzept stehen, wenn sie kritischen Nachfragen nicht mehr standhalten?

(Beifall bei der CDU)

Das kann doch wohl nicht so ganz wahr sein!

Dass wir einen Modellversuch, der wo auch immer beschlossen ist und hier in Bremen umgesetzt wird, nicht mehr kritisch hinterfragen dürfen, weil sonst Bremen nicht mehr als Modellregion anerkannt wird, meine Damen und Herren, das kann es vielleicht nicht sein! Das politische Primat liegt weder in der Verwaltung noch im Bundesausschuss der Krankenkassen und der Ärzte, sondern das politi

sche Primat ist hier in diesem Haus, und wir werden es wahrnehmen. Ich kann es Ihnen versprechen!

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau H a m - m e r s t r ö m [SPD]: Bei der BIG!)

Frau Hammerström, Sie sagen, die Verträge sind noch nicht unterschrieben. Das ist richtig, sie werden Freitag unterschrieben! Aber wenn wir bis Freitag warten, dann heißt es, Sie hätten sich vorher melden müssen, denn jetzt sind die Verträge unterschrieben!

(Beifall bei der CDU)

Es ist natürlich niemals der richtige Moment zum Nachfragen. Wir werden trotzdem nachfragen, das ist hier überhaupt nicht die Fragestellung!

Meine Damen und Herren, ich will auch auf zwei Aspekte noch einmal ganz kurz eingehen! Frau Hammerström hat hier ausgeführt, die Sterberate von Frauen könnte durch das Mamma-Screening um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden. Ich würde es mir wünschen, und ich würde es vor allem den betroffenen Frauen wünschen! Es gibt aber neue Studien, jetzt gerade neu erschienen, die diese Ergebnisse aus Holland und aus Schweden geradezu ad absurdum führen.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Das habe ich doch gesagt!)

Ich bin keine Wissenschaftlerin, kann es letztendlich auch nicht beurteilen, welche der wissenschaftlichen Studien jetzt Recht hat.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Aber zuhören können Sie doch!)

Ich komme aber weg von Frau Hammerström und komme auf den Leiter der Planungsstelle Mammographie-Screening in Köln, der inzwischen hier auch in Bremen angekommen ist, Herr Dr. Lorenz von Karsa. Er sagt heute in der „taz“, da ist nach dieser „Lancet“-Studie gefragt worden: „Wir sehen keinen Anlass, unsere bisherigen Bewertungen des MammaScreening-Programms zu ändern.“ Wer soll denn noch einmal darüber nachdenken und diskutieren, wenn nicht auch die Leute, die das Screening durchführen wollen in Verbindung mit den Frauen und selbstverständlich auch in Verbindung mit der Politik?

Ich zitiere noch einmal mit Genehmigung des Präsidenten Frau Dr. Pearl. Sie ist eine der wirklich bundesweit und weltweit anerkannten Gynäkologinnen, und sie ist die Referentin des Fachausschusses Frauen und Gesundheit. Ich will es nur hier noch einmal in Erinnerung rufen, obwohl sie wirklich eine aus

gesprochene Fachkompetenz hat und auch bekannt ist. Sie wird auch heute in der „taz“ gefragt: „Welchen Rat würden Sie den Frauen geben, falls das Screening wie geplant in einer Art Röntgenreihenuntersuchung ohne Tastbefund und Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden würde?“ Ich erinnere an Kombination der Instrumente.

Frau Dr. Pearl antwortet: „Egal, ob das Screening innerhalb einer kontrollierten Studie oder außerhalb durchgeführt wird, brauchen Frauen eine gründliche Information über die relativen Vor- und Nachteile, die mit dem Screening verbunden sind.“ Darum geht es, meine Damen und Herren! Es geht um die Kombination der Instrumente. Es geht um eine breite und qualifizierte Information der Frauen, natürlich unter Einbindung der Frauen.

Ich würde darum bitten, weil wir uns einig sind in dem Thema, ja, wir wollen das Mamma-Screening für die Bremer Frauen, dass wir weiter um den Weg ringen und dass nicht Nachfragen so interpretiert werden, als würden wir uns vom Screening-Programm verabschieden. Wir werden das tun, wir werden dabei behilflich sein, wir werden die Debatte vorantreiben, auch mit männlichen Wissenschaftlern. Sie müssen sich daran gewöhnen, dass wir uns einmischen. In diesem Sinne, herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hammerström.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weil es mir doch noch wichtig ist, meine letzten Sätze! Ich hatte von der Veranstaltung bei Ihnen gesprochen, Frau Dreyer, dass alle Diskutanten eben nicht haben erkennen lassen, dass dieser Vertrag noch nicht unterschrieben ist, und deshalb möchte ich hier noch einmal ansetzen. Viele komplexe rechtliche und vertragliche Fragen der Planungsstelle sind noch nicht geklärt.

Es geht hier nicht um das Ressort, das irgendetwas entscheidet, das Gesundheitsressort ist Mitantragsteller, aber Finanzier und Durchführende sind andere Stellen. Darauf wollte ich eigentlich in meinem Redebeitrag auch noch ganz gern einmal aufmerksam machen. Die Einwerbung eines renommierten ärztlichen Leiters ist auch noch nicht geschehen, und erst sind diese rechtlichen und vertraglichen Grundlagen zu klären, und vor allen Dingen, Frau Dreyer, muss die Finanzierung stehen. Das, was hier in der Antwort des Senats steht, ist noch keine gesicherte Finanzierung, das wissen Sie auch. Wir Frauen, und dann, das ist mein Ansatz, möchte ich mich gern einbringen, sollten vor allen Dingen alle wissen, worum es eigentlich geht. _______

) Von der Rednerin nicht überprüft.

Ich begrüße es deshalb, dass ein Beirat MammaScreening in Bremen eingesetzt wird, in dem, was Sie auch gefordert haben, relevante Verbände, Vereine, die Landesgleichstellungsbeauftragte und das Bremer Frauenforum mitwirken sollen. Es klingt ja hier so, als wenn die Frauen aus diesem ganzen Projekt ausgeschlossen werden sollen, Sie haben von Hinterzimmern geredet.

(Abg. Frau D r e y e r [CDU]: Sind sie auch, hat Frau Hauffe auch gesagt!)

Ich finde es in dem Zusammenhang schade, vor allen Dingen, weil diese Inhalte uns auch in der Deputationsvorlage Gesundheit längst bekannt sind, Frau Dreyer, und der Fairness halber hätte es dazu gehört, dass solche Dinge selbstverständlich in diesem Projekt mit abgearbeitet werden.

Weiterhin wird das Projekt durch eine Studie zur psychologischen Technikfolgeabschätzung durch die Universität Bremen begleitet. Dass Frau Professor Dr. Annelie Keil mit diesen Vorbereitungen beauftragt ist, macht mich ziemlich sicher, dass zum Schluss auch etwas dabei herauskommen wird.

(Abg. Frau D r e y e r [CDU]: Mich auch! Sie müssen es nur finanzieren! Sie wissen doch, dass kein Geld da ist!)

Frau Dreyer, Sie können sich ja gleich noch einmal melden!

Zu dem Geld sage ich gleich noch etwas. Ich finde, das Geld sollte in diesem Zusammenhang nicht unbedingt die zentrale Sache sein, denn Geld aus dem Ressort wird nicht gebraucht, sondern die Krankenkassen und die an diesem Projekt Beteiligten finanzieren es und werben auch noch Drittmittel ein. Ich bin deshalb froh über die Aussagen der KV von gestern, ich habe mich noch einmal schlau gemacht, dass sie fest entschlossen ist, die vertragliche Regelung über die Durchführung und Finanzierung dieses Projekts nun abzuschließen.

Sie kritisieren hier, dass nur Frauen zwischen 50 und 69 in dieses Programm einbezogen werden. Wenn Sie die Finanzierung ansprechen, Frau Dreyer, dann müssen Sie auch wissen, dass alles andere nicht zu finanzieren ist. Es ist eben nicht ein flächendekkendes Brustkrebs-Screening für alle Frauen in der Stadtgemeinde Bremen zu finanzieren. Alles das, was Frauen immer gefordert haben! Seit 1992 gibt es die große Mamma-Studie, danach hat sich gar nichts mehr getan, und jetzt tun wir hier so, als ob wir das Rad neu erfinden wollten. Seit 1992, als es die große Mamma-Studie gab, hat sich eigentlich wenig getan. Frau Hoch hat das eben auch gesagt, Wissenschaft muss intensiviert werden. Jetzt sind wir so weit, dass wir eigentlich ein richtiges flächendeckendes Modellprojekt für Bremen einführen können. Es wird kein Modellprojekt nur für Bremen bleiben,

sondern das Gebiet Weser-Ems wird sich noch beteiligen als Kooperationspartner, und das andere, Frau Senatorin, habe ich vergessen, ich glaube, Baden-Württemberg.

(Senatorin A d o l f : Wiesbaden!)

Wiesbaden! Es werden drei Städte und Regionen sein, so dass auch vergleichbare Untersuchungen gemacht werden können. Die Frauen sollten dies, und deshalb stehe ich auch hier, als Chance begreifen, nicht mit den Anträgen, weil es auch nicht Grundlage dieses Modell-Projekts ist. Frau Dreyer, ich sage es noch einmal, alles das, was Sie fordern, wird teilweise schon gemacht, aber wenn Sie sagen, jetzt müssen wir das alles machen, dann ist es überhaupt nicht mehr zu finanzieren.

Dass Sie sagen, das Projekt solle nicht in Frage gestellt sein, ist schon einmal ein guter Ansatz bei Ihnen. Ich habe noch einmal die Bitte, lassen Sie uns, wenn alles unterschrieben ist, wenn die Finanzierung gesichert ist, dies noch einmal zum Thema einer Debatte, meinethalben auch einer Debatte hier, aber ich glaube, es betrifft doch nicht so das Parlament in seiner Gänze, vielleicht mit den Gesundheitsdeputierten, mit dem Frauenausschuss, wie auch immer, diskutieren! Lassen Sie uns dann unsere Ängste und Forderungen bei den Entsprechenden einbringen!

Wir Frauen, das möchte ich noch einmal sagen, sind in diesem Projekt keine Patientinnen, wir sind Klienten. Ohne uns Klienten geht dieses Projekt überhaupt nicht!

(Beifall bei der SPD)

Deshalb kann ich Ihnen auch wirklich nur sagen, wir wollen dieses Projekt, wir wollen es als gesunde Frauen, um den Krebs rechtzeitig zu erkennen. Nur, ich habe ein bisschen Angst, die Bereitschaft zu dieser Teilnahme zu gefährden, wenn wir es hier zerreden, dass die Frauen dann sagen, das ist mir alles so windig, da gehe ich lieber einmal nicht hin. Lassen Sie uns das positiv darstellen! In Bremen ist es ja immer so, dass man das leicht negativ macht. Die Bundesgesundheitsministerin, ich weise noch einmal darauf hin, sie gehört nicht meiner Partei an, hat riesige Berge von Zuschriften von Frauen, die aufgefordert haben, nach internationalen Maßstäben dieses Screening-Programm zu machen. Zu diesen Maßstäben gehören eben die Dinge dazu, die wir auch in diesem Antrag so definiert haben. — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.