Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aktuelle Stunde geschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.51 Uhr) * Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.32 Uhr. Vizepräsident Ravens: Ich eröffne die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag). Zunächst möchte ich auf der Besuchertribüne Mitglieder der Interessensgemeinschaft Club Tingo aus Bremervörde und eine Gruppe der Bremer Krankenpflegeschule ganz herzlich begrüßen. Herzlich willkommen in unserem Haus!

(Beifall)

Open Data im Land Bremen

Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und der SPD vom 9. Mai 2012 (Drucksache 18/413)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 26. Juni 2012

(Drucksache 18/473)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Lühr und Herr Staatsrat Strehl. Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Frau Bürgermeisterin Linnert, dass Sie die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD nicht mündlich wiederholen möchten. Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall. Die Aussprache ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Open Data im Land Bremen hört sich zunächst einmal an wie etwas für Internetfreaks. Wenn das so wäre, würde ich nicht dazu reden.

(Heiterkeit bei der SPD und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Tatsächlich geht es um ein Zukunftsthema der Verwaltung, das für das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürger und dem Staat und für die Weiterentwicklung von Transparenz und Offenheit wichtig ist.

Der umfassende und freie Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Dokumenten, Beschlüssen, Unterlagen staatlicher Stellen gehört zum Grundbestand guten Regierens. Bremen war und ist mit seinem Informationsfreiheitsgesetz bundesweit ganz vorn. Wir wissen alle, es gibt noch Umsetzungsdefizite, und wir erleben gerade auch, dass es zu Recht eine Diskussion über mögliche weitere Schritte in Richtung Transparenzgesetz gibt. Das ist alles richtig, aber wir sind mit unserem Gesetz nach wie vor bundesweit sehr gut aufgestellt.

Open Data ist jedoch mehr als der Zugang zu amtlichen Texten und Dokumenten. Die Politik der offenen Daten bedeutet, alle Daten, die die öffentliche Hand für ihre Zwecke erhebt und sammelt, werden grundsätzlich, so wie sie direkt an der Quelle erhoben werden, so schnell – bei Umweltinformationen zum Beispiel möglichst täglich oder sogar stündlich – und so uneingeschränkt wie möglich allgemein zugänglich gemacht. Diese offenen Daten, und das ist der Unterschied zwischen den Dokumenten, die wir sonst kennen, sind also noch nicht ausgewertet, interpretiert und zusammengeführt, sie sind das Rohmaterial. Sie werden in offenen Formaten zur Verfügung gestellt, also technisch gesehen maschinenlesbar und plattformunabhängig. Jeder Mann und jede Frau soll Zugang dazu haben können und dann diese Daten für wissenschaftliche Arbeit, für lebenspraktische Informationen, aber auch für wirtschaftlich verwertbare Anwendungen zusammenstellen, interpretieren und nutzen können.

Das Land Bremen hat sich auch in diesem neuen Feld der Transparenzpolitik aktiv engagiert, hat im letzten Jahr die Bremer Erklärung als Grundsatzprogramm von Open-Data-Politik initiiert und mit der Umsetzung begonnen. Sollten Sie mir jetzt ausnahmsweise einmal nicht zuhören, sondern an Ihrem Laptop, I-Pad oder Smartphone arbeiten,

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Würden wir nie machen!)

dann schauen Sie doch einmal auf die Seite www.daten.bremen.de. Dort finden Sie, um ein paar Beispiele zu nennen, Einrichtungen der Kindertagesbetreuung, die Zahlen des Haushalts, Karten der Stadt, die berühmte „Nette Toilette“, die aktuelle Wasserqualität und vieles mehr.

Die Antworten des Senats auf unsere Große Anfrage zeigen, dass der Senat mit Nachdruck auf der Linie seiner Bremer Erklärung arbeitet und Open Data als Aufgabe ernst nimmt, sie zeigen aber auch – das ist ganz klar, das ist immer so, wenn Entwicklungen aus verschiedenen Quellen zusammenkommen –, dass es Probleme der Koordinierung und der Harmonisie

rung gibt, etwa bei der Frage der gemeinsamen Metadaten für diese Daten und andere Daten, die aus der Statistik kommen, Geoinformations-, Umweltoder Verkehrsdaten, über die wir gestern gesprochen haben.

Es wäre schön, und es hätte noch größeren Nutzen für Bürgerinnen und Bürger, wenn diese Daten alle verknüpft würden und auch nach gemeinsamen Kriterien und nach Schlagworten geordnet wären, das würde die Suche und die Anwendung erheblich erleichtern. Sie können sich vorstellen, dass die Diskussion über solche einheitlichen Standards auf bundesdeutscher Ebene sowie auf europäischer Ebene schon im Gang ist.

Wir haben – um einen einzelnen Punkt zu nennen – danach gefragt, ob privaten Nutzern die Daten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden sollten. Ich finde, die Antwort des Senats ist in diesem Punkt unklar und zu offen. Ich persönlich halte die Daten für klassische Gemeingüter, die durch Steuern finanziert und ursprünglich für staatliche, also gemeinsame Zwecke erzeugt worden sind. Die Nutzung dieser offenen Daten sollte daher grundsätzlich kostenfrei sein, es sei denn, es muss für die Übermittlung und Zurverfügungstellung besonderer Aufwand betrieben werden, dann kann man Geld verlangen, aber grundsätzlich sollte es kostenfrei sein. Durch die folgende Auswertung, Verknüpfung und Aufbereitung kann dann durchaus Geld verdient werden, das ist in Ordnung. Es liegt hier übrigens erhebliches wirtschaftliches Potenzial für Unternehmen der Kreativwirtschaft, das hat zuletzt der Wettbewerb „Apps4Bremen“ gezeigt.

Wir würden uns freuen, wenn die Debatte um die Anfrage an den Senat auch dazu beitragen würde, dass die Bürgerinnen und Bürger noch gezielter ihre Wünsche äußern, welche Daten überhaupt und welche Daten vorrangig zur Verfügung gestellt werden sollten. Bremen ist auf diesem Feld der Informationsfreiheit wieder ganz vorn mit dabei. Wir möchten den Senat gern dabei unterstützen und auch ermutigen, mögliche natürliche Beharrungskräfte, sofern es sie denn gibt, zu überwinden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hamann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Dr. Kuhn hat dankenswerterweise schon viel Richtiges gesagt. Ich möchte als bekennender Internetfreak, im Gegensatz zu Kollege Dr. Kuhn, noch zwei, drei technische Details aufführen. Als Erstes möchte ich mich für diese aus––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

führliche Antwort des Senats bedanken. Für mich zeigt diese ausführliche Antwort, dass das Thema Open Data, Open Government mit der Bremer Erklärung – Kollege Dr. Kuhn hat darauf hingewiesen – von der Senatsverwaltung und allen Ressorts gelebt wird, dass es umgesetzt und mit Leben erfüllt wird, und das finden wir erst einmal gut.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte auf zwei, drei Punkte eingehen. In der Antwort zu Frage 2, welche Daten veröffentlicht werden sollen, steht sinngemäß, grundsätzlich alle Daten! Ich unterstütze das ausdrücklich. Das unterscheidet uns ein bisschen von anderen, zum Beispiel wird in Hamburg gerade intensiv diskutiert, und dort wurde dann gesagt: In Hamburg werden viel mehr Daten veröffentlicht, weil es irgendwo festgeschrieben steht. Es ist nicht das Entscheidende, ob ich viele Dinge aufführe, sondern der Ansatz muss sein – und das ist ein Paradigmenwechsel –, weg von meinem Amtsgeheimnis hin zu einer gläsernen Verwaltung! Grundsätzlich alles, was erhoben wird, ist freizustellen und darzustellen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu Frage 3 wird bezüglich der Aktualität von Daten geantwortet: Ja, das ist sehr wichtig, nichts ist älter als die Zeitung von gestern, nichts ist älter als Datensätze vom letzten Jahr! Das ist sehr erfreulich, und das steht auch ausführlich in der Antwort. Wenn man sich das unter www.daten.bremen.de anschaut, Kollege Dr. Kuhn hat es gesagt, sieht man verschiedene Datensätze, und dort steht dann teilweise „aktualisiert von“ und ein Datum der letzten Woche. Das ist sehr wichtig. Wichtig ist auch, dass es automatisiert gemacht wird. Warum ist das wichtig? Es gibt bei anderen Verwaltungen in anderen Bundesländern einige Vorbehalte, dass Open Data, Open Government zusätzlicher Aufwand ist. Nein, das ist es nicht, wenn es vernünftig automatisiert wird, und hier in Bremen sind wir auf einem guten Weg. An dieser Stelle auch noch einmal ein Lob!

Der nächste Punkt, den ich kurz ansprechen möchte: Was bringt der Wettbewerb „Apps4Bremen“? Mich hat ein Satz in der Antwort sehr gefreut, nämlich dass wir als Land Bremen einen Preis für die Veröffentlichung der Haushaltsdaten bekommen haben. Ich glaube, das war der dritte Preis. In der Antwort steht, damit haben wir nicht gerechnet. Daher ist das Ziel übererfüllt, Frau Senatorin, vielen Dank dafür!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dann steht in der Antwort auch noch etwas von einer Win-win-Situation. Das kann ich allerdings nicht

teilen, wir haben es hier mit einer Win-win-winSituation zu tun: Vorteile für die Verwaltung, Vorteile für Entwickler und Vorteile für Bürgerinnen und Bürger, wenn die Entwickler aus irgendwelchen Rohdaten irgendwelche Dinge machen! Es ist also eine Triple-win-Situation im Gegensatz zur Win-win-Situation, die hier aufgeführt wird.

Trotzdem haben wir einige Forderungen. Bei Neuverträgen, wenn Gutachten vergeben oder Studien in Auftrag gegeben werden, ist immer darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse, die kommen, auch veröffentlicht werden. Es gibt dann und wann Schwierigkeiten mit bestimmten Lizenzmodellen, wenn ein Gutachter zum Beispiel Bilder verwendet, die nicht von ihm sind, sodass man eventuell nachverhandeln muss. Bei Neuausschreibungen muss darauf geachtet werden!

Wir hatten gestern in der Fragestunde eine Diskussion über die BSAG-Daten. Da war mir die Antwort des Senats zu passiv. Ich erwarte für die SPD-Bürgerschaftsfraktion, wenn ein Unternehmen so viele Millionen Euro von uns aus Steuereinnahmen bekommt, dass dann erhobene Daten auch weitergegeben werden.

(Beifall bei der SPD)

Als bekennender Internetfreak, im Gegensatz zu Kollege Dr. Kuhn, eine zweite vielleicht sehr technische Sache! Wir hätten gern ein maschinenlesbares Datenformat und einheitliche Dokumente. Was meine ich damit? Ein kleines Beispiel: Wenn Sie sich die Tagesordnung der verschiedenen Deputationen anschauen, dann gibt es dort Unterschiede. Die Deputation A macht das anders als die Deputation B.

(Zuruf des Abg. P o h l m a n n [SPD])

Das hat damit nichts zu tun! Die Rangfolge und die Inhalte sind identisch, das könnte man damit vielleicht einmal verbessern, dass man einen einheitlichen Standard generiert, um das später besser auswerten zu können. Das wäre eine Sache, die wir ganz gern hätten.

Letzter Punkt: Wir müssen noch mehr PR-Arbeit machen, wir müssen noch mehr mit Universitäten, Hochschulen und Schulen zusammenarbeiten, um das Thema Open Data, Open Government, Informationsfreiheitsgesetz weiter nach vorn zu tragen.

Zum Schluss: Offene Daten sind gute Daten. Eine Verwaltung, die nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten, im Gegensatz zur Datenschutzproblem im Privatbereich. Daher bitten wir, dass dieser Weg weitergegangen wird. Wir werden das weiter verfolgen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Motschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema ist nicht strittig zwischen den Fraktionen. Wir alle wollen mehr Transparenz unseres staatlichen Handelns, wir wollen mehr Informationen an die Bürger geben, wir wollen sie beteiligen, wir wollen, dass sie mit diskutieren und auch mit entscheiden. Die andere Seite ist, die Bürger selbst wollen auch mehr Transparenz und mehr Informationen, wenngleich ich mich manchmal frage, wie viele das dann nutzen werden. Im Augenblick sind es noch zu wenige. Wir müssen sie motivieren, von diesem Recht und dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen. Der Zug der Zeit geht aber eindeutig dahin: größere Offenheit, größere Beteiligung, größere Transparenz!

Ich habe drei kleine Punkte. Ich will mich zunächst einmal den Fragen widmen, dann der Mitteilung des Senats und danach auf den Brief eingehen, den wir, alle Fraktionen, von der Humanistischen Union, von Mehr Demokratie und Transparency International bekommen haben.

Im ersten Punkt zu Ihren Fragen und Ihrer Großen Anfrage! Im ersten Teil loben Sie unser Informationsfreiheitsgesetz. Es ist gut, dass wir uns auch dafür einmal loben, das kann ich gut verstehen. Allerdings muss dieses Gesetz natürlich auch mit Leben erfüllt werden, und Ihre eigenen Fragen zeigen ja, dass es da noch Nachbesserungsbedarf gibt, das haben Sie auch eben gesagt. Es gibt Umsetzungsdefizite, es gibt auch in den unterschiedlichen Ressorts eine unterschiedliche Präzision der Umsetzung.

Zu manchen Fragen habe ich mir dann überlegt, dass man sie eigentlich vor dem Informationsfreiheitsgesetz hätte stellen müssen. Welche Zielsetzung der Senat mit seiner Politik „Open Data“ verfolgt, welche Daten veröffentlicht werden sollen, welche nicht, wie es mit der Nachhaltigkeit ist, sind eigentlich Fragen, die man nicht erst im laufenden Prozess stellen muss, sondern normalerweise vorher. Trotzdem ist es ja nie zu spät, und ich teile diese Fragen, sie sind ja richtig gestellt.