Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

Zu manchen Fragen habe ich mir dann überlegt, dass man sie eigentlich vor dem Informationsfreiheitsgesetz hätte stellen müssen. Welche Zielsetzung der Senat mit seiner Politik „Open Data“ verfolgt, welche Daten veröffentlicht werden sollen, welche nicht, wie es mit der Nachhaltigkeit ist, sind eigentlich Fragen, die man nicht erst im laufenden Prozess stellen muss, sondern normalerweise vorher. Trotzdem ist es ja nie zu spät, und ich teile diese Fragen, sie sind ja richtig gestellt.

Nun zur Antwort des Senats! Es wird sehr deutlich – übrigens gibt der Senat das selbst zu –, dass die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit noch nicht ganz zufrieden ist mit der Veröffentlichungspraxis.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Frau Dr. Sommer ist nie zufrieden!)

Ich zitiere aus der Mitteilung des Senats: „In diesem Zusammenhang wird auch der Befund der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfrei––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

heit, nach dem das Informationsregister deutlich zu wenig Informationen enthält, bearbeitet.“ Diese Kritik ist berechtigt, und man kann nur den Senat bitten, dass diese Kritik auch aufgenommen wird und dass es Verbesserungen gibt.

In der Antwort sind viele Absichtserklärungen enthalten: Man ist in Vorbereitungen, man beginnt, man setzt sich ein Ziel. Das zeigt, dass wir hier auf einem Weg sind. Auf einem guten Weg, aber noch nicht fertig!

Für die Verwaltung, das will ich hier auch ganz deutlich sagen, ist das anstrengend, was hier gefordert wird. Das mit der Win-win-Situation – dies muss man einmal sagen – ist für die Verwaltung mit den bestehenden Kräften, und man wird sie nicht ausweiten dürfen, wollen, können, schon eine Anstrengung. Sie müssen in einfacher, verständlicher Sprache – das ist schon das größte Problem – ihre Vorlagen schreiben, sodass es jeder auch verstehen kann. Wenn ich manchmal sehe, dass Sätze über fünf, sechs, sieben, acht Zeilen gehen, dann ist das zum einen nicht immer so einfach. Zum anderen muss die Qualität der Vorlagen auch so sein, dass sie öffentlich bestehen können, auch das ist wichtig. Wenn ich mir manche Vorlage ansehe, dann ist es besser, wenn sie nicht im Netz steht, weil sie einfach mangelhaft oder unvollständig ist.

Der letzte Punkt ist, wie angekündigt, das Schreiben von Präsident Weber an die Fraktionen. Da sind auch schon Anregungen enthalten, die ich gut finde und die wir diskutieren sollten. Ob wir alle Punkte eins zu eins umsetzen können, ist die Frage. Er sagt aber zum Beispiel, der Katalog der zu veröffentlichenden Informationen muss vergrößert werden, zum Beispiel um Verträge, Dienstanweisungen, Handlungsempfehlungen, Subventions- und Zuwendungsbescheide, Datensammlungen, Geodaten und so weiter. Es sind in acht Punkten also eine ganze Menge Anregungen enthalten, und es wäre sicher sinnvoll, wenn die Fraktionen sich interfraktionell zusammensetzen würden. Angebot an Sie, Herr Dr. Kuhn! Wir sollten uns einmal darüber verständigen, welche dieser Punkte, die uns Präsident Weber aufgegeben hat, wir denn auch verwirklichen können.

In jedem Fall liegt Bremen mit seinem Informationsfreiheitsgesetz vorn, das ist richtig. Andere ziehen jetzt aber nach und versuchen, uns zu überholen, auch das ist wahr. Insofern dürfen wir nicht auf dem Stand stehen bleiben, auf dem wir sind, und wir müssen schauen, dass das, was wir in das Gesetz geschrieben haben, auch umgesetzt wird, denn nur dann macht solch ein Gesetz Sinn. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie es mich so formulieren: Große Anfragen können durchaus sehr informativ sein. Ich finde sie auch informativ. Sie haben aber auch immer ein bisschen die Funktion, dass sich im Grunde genommen die Regierungskoalition mit solch einer schönen Großen Anfrage selbst loben kann. Ich glaube aber, in dem Fall kann man das auch einmal tun. Bremen hat ein sehr gutes Informationsfreiheitsgesetz, und ich finde, wir sind auch mit Open Data auf dem richtigen Weg, auch aus Sicht der LINKEN.

Was mir bei der Antwort des Senats aufgefallen ist – oder wo ich sagen würde, damit sind wir als LINKE irgendwie noch nicht so ganz durch, weil ich denke, da muss man auch eine Entwicklung beobachten –, ist die Antwort zur Frage 6. Da wird auf die schon mehrmals zitierte Win-win-Situation hingewiesen. Ich muss Frau Motschmann ganz deutlich Recht geben, es ist für die Verwaltung durchaus nicht immer so einfach, die entsprechenden Daten dafür zu liefern. Dass das in unser aller Interesse ist, ist sicherlich auch klar. Es wird aber in vielen Fällen nicht so einfach.

Wenn in der Antwort geschrieben wird, die Verwaltung stellt die Daten zusammen, die dann wiederum für Gewinnerzielungsinteressen von Unternehmen benutzt werden können, dann ist das ein Punkt, bei dem ich sagen würde, da sind wir uns auch innerhalb der Fraktion noch nicht ganz einig, wie gut oder schlecht wir das eigentlich finden sollen. Ich denke, auf der einen Seite erbringt die Verwaltung da eine Leistung, die eigentlich auch von den Bürgern erwartet werden kann, und auf der anderen Seite stellt man sie dann nicht nur den Bürgern zur Verfügung – das ist ja das Richtige, das ist das Gute –, sondern man gibt auch das Rohfutter, mit dem Unternehmen Gewinne erzielen können. Das ist für uns soweit noch nicht abgeschlossen. Darüber werden wir noch weiter diskutieren, und wir werden auch die Entwicklung in Bremen dazu weiterverfolgen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich, wie Herr Dr. Kuhn gesagt hat, am Ende um einen Paradigmenwechsel im Kopf, was unser Verhältnis zum Staat, das Verhältnis des Staates zu den Bürgerinnen und Bürgern betrifft. Ein solcher dauert, und er braucht auch leichte Schläge auf den Hinterkopf, hätte ich fast gesagt. Es ist wichtig, dass alle wissen, sie interessieren sich dafür, sie wollen, dass wir da vorankommen, ihnen ist es wichtig, dass wir dies auch ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

schaffen. Insofern bin ich sehr froh über diese Große Anfrage, und ich werde auch bestimmt nicht nur nette Dinge sagen, sondern auch, wo ich denke, wo wir Defizite haben.

Ich teile die Auffassung, dass alle Daten des Staates – bis auf die, die engere betriebswirtschaftliche Angelegenheiten betreffen, wie zum Beispiel bei den Krankenhäusern, da ist das ein anderer Fall, oder die personenbezogen sind – nicht der Verwaltung gehören, sondern den Bürgerinnen und Bürgern. Sie haben das Recht, damit anzustellen, was sie wollen. Wenn jemand also damit eine Liste macht, wo überall in Bremen eine „Nette Toilette“ zu finden ist, dann finde ich das in Ordnung und freue mich darüber. Wir haben bei dem „Apps4Bremen“-Wettbewerb eine wunderbare Auswahl von neuen Apps bekommen, es kommen ständig welche hinzu, und das nützt den Bürgerinnen und Bürgern hier. Wir stellen die Daten dafür bereit, und ich freue mich über jeden, der sich etwas ausdenkt, und für jeden, der es nutzt.

Wenn wir in dem Prozess noch weiter voranschreiten, werden wir ganz viel am Ende an staatlichem Handeln auf diese Art und Weise beobachtbar und beurteilbar machen. Das geht bis dahin, dass wir die Frage der Ressourcenzuweisung für Schulen und Kindergärten und auf welchen Planungsparametern sie beruhen, so transparent machen müssen, damit die Menschen beurteilen können, ob es denn gerecht zugeht. Somit kann hier von allen beurteilt werden, wie die Ressourcenzuweisung erfolgt ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es handelt sich, wie Herr Dr. Kuhn gesagt hat, um Folgendes: Staatsdaten sind klassische Gemeingüter. Ich werbe auch weiterhin dafür. Bisher ist es nicht gelungen, im Senat ein Einvernehmen darüber zu erzielen, dass es grundsätzlich kostenfrei ist. Ich werbe weiter dafür. Wir müssen den Menschen die Bedenken nehmen, dass da mit großem Aufwand aufseiten der Verwaltung privater Profit gefördert wird. Das ist nicht das Ziel, sondern klassische Gemeingüter müssen zugänglich sein, ohne dass wir eine Art von Zweckzensur betreiben.

Ich selbst habe bei mir im Haus miterlebt, wie es war, als wir den Haushalt einstellen sollten. Dies war für unsere Haushaltsabteilung sehr schwer, da jetzt irgendwelche Menschen kommen und, weil es ja auch so formatiert ist, dass man in dem Dokument arbeiten kann, unsere Haushaltsdaten ändern können. Ich meine, dazu würden mir auch einige Dinge einfallen: einige Vorzeichen ändern, aus einem Minus ein Plus machen oder so etwas. Ehrlich gesagt, das ändert aber an den Schulden gar nichts. Die Angst, dass damit Blödsinn getrieben wird, habe ich überhaupt nicht, sondern ich freue mich über jeden, der sich den Haushalt im Netz anschaut und damit etwas anfangen kann, der Überlegungen darüber anstellt, wel

che Verteilungsfragen mit dem Haushalt verbunden sind und was man vielleicht daran ändern könnte.

Wenn Sie Lust haben, schauen Sie einmal auf www.daten.bremen.de unter Anwendungen nach, Herr Dr. Kuhn hat schon darauf hingewiesen, dort finden Sie eine große Liste mit sehr interessanten Apps, die die Resultate dieser Datenbereitstellung sind. Wie gesagt, es werden täglich mehr, und es macht Spaß, sie zu sehen, zum Beispiel Kindergärten in Ihrer Nähe, Spielplätze oder auch ein mobiler Stadtführer, Bibliotheksöffnungszeiten, Haushaltsdaten – die habe ich schon erwähnt – oder wo man öffentlich grillen kann.

Es ist toll und eine wirklich wunderbare Möglichkeit, das Gemeinwesen weiter so zu präsentieren, dass die Bürgerinnen und Bürger es für sich in Beschlag nehmen können und nicht das Gefühl haben, ein alter Obrigkeitsstaat verstecke sich vor ihnen und möchte im Grunde nach dem Motto „Gehe nie zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst“ seine Ruhe vor den Bürgerinnen und Bürgern haben. Das genau ist kein demokratisches Staatsverständnis, und der Senat verfolgt dies so nicht.

Ich muss aber am Ende meiner Rede auch sagen: Es handelt sich um einen Weg, auf dem wir es schon ein ziemliches Stück voran geschafft haben, und wir werden auch sehr viel tun, um die zu Recht kritisierte Praxis im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes zu verbessern. Frau Dr. Sommer hat mitgeteilt, dass im Januar 2012 nach dem Informationsfreiheitsgesetz 4 193 Dokumente eingestellt worden sind, und heute, am 7. September 2012, sind es auch nur gut 300 Dokumente mehr. Damit ist das Register viel langsamer gewachsen als in den zwei Jahren zuvor.

Wir dürfen auf keinen Fall nachlassen, sondern müssen uns weiter anstrengen. Jetzt haben wir uns überlegt, dass die Hürde – das wurde auch schon angesprochen – für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Daten immer gleich einzustellen, vielleicht ein bisschen zu hoch ist. Wenn man mit Appellen und Ermahnungen nicht mehr so richtig weiterkommt, dann haben wir jetzt für die Ressorts externe Unterstützung angeboten, aber natürlich kann dies auch nur eine Übergangslösung sein. Am Ende müssen wir es schaffen, dass es für jeden, der für den Staat arbeitet, im Rahmen der normalen Arbeit zum Prozess gehört, so wie zum Beispiel auch eine Aktenablage gemacht wird, die Dokumente einzustellen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir strengen uns weiter an, möchten auch gern von Ihnen ab und zu ermahnt werden, weil das nämlich auch hilft, dass wir weiterkommen.

Ich habe gehört, dass das Hamburger Gesetz als besonders fortschrittlich gilt. Ich würde mir wünschen, dass wir uns das Gesetz und die Bremer Praxis ein

bisschen genauer anschauen. Wir in Bremen sind bisher ja sehr gut damit gefahren, dass wir keine Wolkenkuckucksheime versprechen und Gesetze schaffen, die überbordend sind und am Ende dann nicht richtig eingehalten werden können.

Was die Praxis oder die Wirklichkeit betrifft, müssen wir uns nicht hinter Hamburg verstecken. Der Gesetzestext ist dort in der Tat weitergehender als in Bremen, aber mir wäre es lieber, wir würden an dem gemessen, was wir real schaffen, und nicht an dem, was wir in irgendwelche Texte geschrieben haben. Vielleicht können wir uns darüber aber noch einmal verständigen! Es gibt in Hamburg auch Dinge, die möglicherweise fragwürdig sind. Wenn man mit dem Wirtschaftssenator über die Frage der Subventionen spricht, ist es ja jetzt auch schon so, dass in dem überarbeiteten Zuwendungsbericht dort eine Vertraulichkeit vereinbart wurde hinsichtlich Frage, welche Subventionen Unternehmen bekommen.

Ich finde, es ist eine gute Debatte wert, die zwischen dem Grundsatz, wer Staatsgeld bekommt, muss auch Rechenschaft darüber ablegen und Transparenz walten lassen auf der einen Seite, aber natürlich auch den schützenswürdigen Belangen Dritter, in diesem Fall Unternehmen, die uns wichtig sind, eine kluge Abwägung vornimmt. Auf die Diskussion darüber freue ich mich sehr. Im Übrigen arbeiten wir tapfer weiter an diesem Paradigmenwechsel. Revolutionen passieren ja nicht auf dem Papier, aber ein Paradigmenwechsel ist es auf jeden Fall. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/473, auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Kenntnis.

Extremistische Straftaten im Land Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 5. Juni 2012 (Drucksache 18/446)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 10. Juli 2012

(Drucksache 18/510)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Der Senat hat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Mäurer, dass Sie die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aktualität vom letzten Freitag lässt diesen Tagesordnungspunkt in einem anderen Licht erscheinen.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Prophetisch!)