Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

Ich bin erfreut, Frau Ahrens, dass Sie eine Senatsvorlage als Grundlage Ihrer Überlegungen in einen Antrag übernommen haben. Ich denke, es ist für uns überhaupt nicht schädlich, wenn solche Überlegungen, die einem solchen Konzept zugrunde liegen, dann auch Eingang in die Sichtweise der Opposition finden.

Ich möchte doch noch einen kleinen, scherzhaften Einwurf machen, obwohl das Thema in der Tat sehr ernst ist. Ich habe in einem Statistikkurs während meines Studiums folgendes Beispiel für eine stabile Kor––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

relation gelernt – überprüft durch einen Chi-QuadratTest –: In Schweden hängt der Rückgang der Storchpopulation mit dem Rückgang der Schwangerschaften und der Geburten zusammen. Dies zeigt mir, dass es schon wichtig ist, nach den wirklichen Ursachen zu suchen, aber nicht bloße Korrelationen zugrunde zu legen. Ich glaube, dass Aufklärung und Prävention in der Tat die zentralen Achsen sind, an die man denken muss und durch die wir im Grunde genommen ungewollte Schwangerschaften verhindern können. Ich finde es gut, dass laut SGB V, also der Gesetze über die Krankenversicherung, bis zum 21. Lebensjahr Verhütungsmittel kostenlos abgegeben werden und wir damit für diesen Personenkreis tatsächlich kostenlose Verhütungsmittel zur Verfügung stellen. Es gibt auch bei jungen Frauen, die über 21 Jahre alt sind, Problemlagen, die wir einbeziehen wollen, und da werden wir demnächst auch tätig werden. Ich glaube, dass viele Schwangerschaften nicht nur mit der sozialen Lage zu tun haben, sondern auch mit Suchtproblemen und anderen Fragen, die dann auch Ausdruck der sozialen Lage, mit ihr verknüpft oder Ursache für sie sind. Ich denke, um dafür Prävention betreiben zu können, benötigen wir auch einen Ansatz, der auf verschiedenen Ebenen ansetzt und verschiedene Zugänge hat, also auch einen Ansatz der Suchtprävention, aber auch einen Ansatz der Unterstützung und Begleitung benachteiligter junger Menschen. Ich glaube, dass unser Jugendhilfesystem auf diese Situation ausgesprochen gut eingestellt ist und dass wir minderjährige Frauen, die ihre Kinder bereits zur Welt gebracht haben, intensiv begleiten können. Ich freue mich auf die Debatte in der Deputation! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu einer Kurzintervention erhält die Abgeordnete Frau Neddermann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ahrens, ich möchte den Vorwurf, den Sie uns hier gerade gemacht haben, wir hätten uns mit diesem Thema nicht auseinandergesetzt, entschieden zurückweisen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir haben das Thema eingehend beraten. Wir haben uns wirklich ausführlich damit auseinandergesetzt, uns liegt das Thema am Herzen, und es ist uns sehr wichtig. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Hier ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Kinder und Jugend, federführend, und die staatliche Deputation für Gesundheit vorgesehen.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/726 zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Kinder und Jugend, federführend, und die staatliche Deputation für Gesundheit seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend. (Einstimmig)

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, begrüße ich herzlich vom Sportverein Osterholz/Tenever in Bremen die Gruppe „Jedermänner“.

Herzlich Willkommen in unserem Haus!

(Beifall)

Erfahrungen des Konzeptes „Stopp der Jugendgewalt“ Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 22. Januar 2013 (Drucksache 18/736)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 12. März 2013 (Drucksache 18/816)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Mäurer.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/816, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Mäurer, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund der großen Probleme mit der Jugendgewaltkriminalität wurde im Jahr 2008 das Konzept „Stopp der Jugendgewalt“ ins Leben gerufen. Ziel war insbesondere die Verbesserung der Zusammenarbeit der Bereiche Justiz, Inneres, Bildung und Soziales. Meine Damen und Herren, wie Sie nicht nur aus der Berichterstattung, sondern auch aus vielen Diskussionen hier in der Bürgerschaft wissen, gibt es nach wie vor diesbezüglich einige Brennpunkte in unserer Stadt.

Meine Damen und Herren, die Antworten des Senats auf unsere Große Anfrage zu diesem Thema lassen erkennen, dass mit der Umsetzung des Konzeptes durchaus Erfolge bei der Bekämpfung der Jugendgewaltkriminalität erreicht worden sind. So hat sich beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen Inneres und Bildung in dieser Zeit deutlich verbessert, das erkennt man an dem Ersttäterkonzept der Polizei, das erkennt man aber auch daran, dass viele Kontaktpolizisten in Schulen sogar eigene Büros haben, die sie vorübergehend benutzen, dass sie sehr enge Kontakte zu den Schulleitungen pflegen und Schulbesuche dieser Kontaktpolizisten gern gesehen sind.

Aber, meine Damen und Herren, selbst nach fünf Jahren besteht weiterhin ein großer Bedarf, die Ziele des Konzeptes weiterhin aufrechtzuerhalten und die Bemühungen in den beteiligten Ressorts zu intensivieren,

(Beifall bei der CDU)

denn in der Beantwortung der Frage sechs teilt der Senat mit, dass sich die Anzahl der Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden seit Januar 2008 – also seitdem das Konzept besteht – auf gleichbleibend hohem Niveau befindet. Das, meine Damen und Herren, besagt nichts anderes, als dass mit der Umsetzung des Konzeptes bisher lediglich eine weitere Steigerung der Jugendgewaltkriminalität verhindert werden konnte. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass es seitdem zurückgehende Geburtenraten bei denjenigen gibt, die typischerweise im Bereich dieser Kriminalität aktiv sind.

Die im Bundesvergleich allerdings viel zu hohe Zahl dieser von Jugendlichen und Heranwachsenden begangenen Straftaten ist, wenn man sich das Benchmarking anschaut, in Bremen weiterhin viel zu hoch. Der Senator für Inneres – ich nehme an, dass Sie zuständig sind – wird sicherlich auf die einzelnen Probleme noch eingehen. Aus den Antworten des Senats ist nämlich erkennbar, dass es durchaus Probleme gibt. So hat es beispielsweise in den letzten fünf Jahren, also seit dem Jahr 2008, nur sechs behördenübergreifende Fallkonferenzen gegeben und diese auch noch anonymisiert, sodass eigentlich keiner so richtig wusste, über welche Personen dort gesprochen wird. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Meine Damen und Herren, gerade das Instrument der behördenübergreifenden Fallkonferenzen wurde in dem Konzept „Stopp der Jugendgewalt“ als besonders wichtig dargestellt – das ist auch nachvollziehbar –, und deswegen ist dieser Bedarf auch nach wie vor sehr groß. Das erkennt man unter anderem daran, dass der Senat in seiner Antwort mitteilt, dass gegenwärtig 92 Jugendliche und Heranwachsende bei der Polizei Bremen als sogenannte Intensivtäter registriert sind. Meines Erachtens, und so sieht das auch die CDU-Fraktion insgesamt, sollten diese 92 Jugendlichen und Heranwachsenden, die, wie gesagt, als Intensivtäter registriert sind, eigentlich regelmäßig Gegenstand von Fallkonferenzen sein. Ich wiederhole noch einmal: Es hat aber nur sechs Fallkonferenzen in den letzten fünf Jahren gegeben. Meine Damen und Herren, da besteht also ganz deutlich weiterer großer Handlungsbedarf.

Darüber hinaus sieht die CDU-Fraktion Handlungsbedarf darin, dass die vorhandenen Gesetze durch die Justiz konsequenter angewendet werden müssen. Aus der Antwort des Senats geht hervor, dass die Anklagequote – wer sich darunter nicht so richtig etwas vorstellen kann, es ist das, was von der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Anklageschrift an das Gericht weitergegeben wird – in den Jahren 2008 bis 2012 von 16,7 auf 17,1 Prozent gestiegen ist. Alle anderen Verfahren wurden eingestellt.

Ähnliches ergibt sich bei der Betrachtung der Urteilsquote durch die Amtsgerichte, hier die Jugendrichter. Während die Urteilsquote im Jahr 2008 bei 14,3 Prozent lag, ist sie bis zum Jahr 2012 auf 18,2 Prozent gestiegen. Meine Damen und Herren, das kann man nur richtig einordnen, wenn man weiß, wie das im Bundesgebiet abläuft. Im Bundesgebiet gibt es eine Urteilsquote von durchschnittlich 45 Prozent, ich wiederhole, in Bremen gegenwärtig 18,2 Prozent!

Insgesamt betrachtet ergibt sich nach Ansicht der CDU-Fraktion, dass das Konzept „Stopp der Jugendgewalt“ nach wie vor viele richtige Präventions- und Strafverfolgungsaspekte ausweist. Allerdings fordern wir als CDU-Fraktion den Senat auf, die Schwachstellen, wie eben dargestellt viel zu wenige Fallkonferenzen, zu verbessern. Weiterhin sehen wir Handlungsbedarf darin, dass die in dem Konzept beschlossenen personellen und finanziellen Ressourcen auch dauerhaft gewährleistet werden müssen.

(Glocke)

Herr Präsident, ich bin sofort fertig!

Nicht zielführend ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass die im Rahmen des Konzeptes genehmigten Personalverstärkungen, beispielsweise bei der Polizei und Justiz, mittlerweile fast vollkommen wieder abgebaut worden sind. Ferner – und das geht jetzt in Richtung Senator für Inneres – ist zu kritisieren, wenn vorhandene Finanzmittel und Haushaltsmittel

wie im Jahr 2012 beim Senator für Inneres und Sport für das Konzept nicht komplett abgerufen und eingesetzt werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Konzept „Stopp der Jugendgewalt“ war und ist ein richtiges Konzept. Opfer einer Gewalttat zu werden, gehört zu den schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Deshalb war es absolut richtig, dass sich Bremen über die Ressortgrenzen hinweg im Jahr 2008 dazu verabredet hat, Gewalt durch Jugendliche nicht zu verharmlosen, sondern dem Thema absolute Aufmerksamkeit zu widmen. Hierfür haben die Ressorts gemeinsam ein Konzept erarbeitet, das natürlich einen starken Schwerpunkt auf den Bereich der Polizei und Justiz legt, aber natürlich insbesondere auch die Jugendsozialarbeit und die Schulen einbezieht, denn Jugendgewalt hat neben der Perspektive der Opfer, die wir schützen müssen, auch die Perspektive, dass es unsere Bremer Jugendlichen sind, um die es geht. Wir müssen um jeden einzelnen Jugendlichen kämpfen, der droht in eine kriminelle Karriere abzurutschen, weil diese Jugendlichen Teil unserer Gesellschaft sind. Die Frage, die wir uns heute stellen, lautet: Wo stehen wir aktuell im Jahr 2013? Ziel des Handlungskonzeptes war es im Jahr 2008, die unterschiedlichen Ansätze in Bezug auf Jugendgewalt aus den Bereichen Polizei und Justiz, Sozialarbeit und Bildung zu einem wirksamen Maßnahmenbündel zusammenzufassen. Natürlich wünscht man sich dann, wenn man nach vier, fünf Jahren zurückschaut, dass man positive messbare Ergebnisse hat, dass man sagen kann, in den Jahren 2008/2009 und auch in den folgenden Jahren haben wir beschlossen, diese und jene Maßnahme durchzuführen, und deshalb haben wir heute weniger Jugendgewalt als vor fünf Jahren. Die Frage ist aber, ob man das so messen kann. Bei einem so komplexen Phänomen mit so vielfältigen möglichen Ursachen wie bei der Jugendgewalt, ist die Frage, ob man solche Kausalitätsketten aufstellen kann: Ich führe diese und jene Maßnahme durch, und deshalb sind soundso viele Jugendliche nicht gewalttätig geworden. Was wir uns aber in jedem Fall kritisch anschauen können, ist: Haben wir das getan, was wir uns vorgenommen haben zu tun, und haben wir diese Dinge gut gemacht? Wir können natürlich auch darauf schauen, wie sich die Zahlen der Gewaltdelikte, die durch Jugendliche begangen wurden, in Bremen in den vergangenen Jahren entwickelt haben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Der wichtigste Bremer Ansatz aus polizeilicher und justizieller Sicht sind die täterorientierten Konzepte, nach denen die Täter in Erst- und Episodentäter, Schwellentäter und Intensivtäter eingeteilt werden, damit die Polizei und die Justiz dann entsprechend unterschiedlich und angemessen auf die Täter reagieren, mit ihnen umgehen und Maßnahmen ergreifen können. Als konkrete Handlungsansätze wurden entsprechend Gefährderansprachen, Fallkonferenzen, Interventionsteams sowie das Patenprinzip entwickelt.

Im Bereich der Justiz konnte in den letzten fünf Jahren die durchschnittliche Verfahrensdauer der entsprechenden Jugendstrafverfahren erheblich reduziert werden. Die Bearbeitungsdauer der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren in der Jugendabteilung beträgt mittlerweile nur noch 1,5 Monate, die der Jugendgerichte im Amtsgericht nur noch 2,9 Monate bei gleichzeitigem Sinken der Einstellungszahlen.

Bei der Schutzpolizei wurde die neue Abteilung „Regionale und Jugendkriminalität“ eingerichtet und die Zahl der Ermittlerinnen und Ermittler erhöht. Inhaltlich wurde die Konzentration auf die Reaktion im Umgang mit Intensivtätern gerichtet, weil schon in dem Handlungskonzept aus dem Jahr 2008 festgestellt worden war, dass die Gruppe der Intensivtäter in Bremen zwar klein ist, dass sie aber für eine Vielzahl von Taten verantwortlich ist.

Sehr positiv ist deshalb, dass durch das Intensivtäterkonzept bei einer Vielzahl von Jugendlichen die Beendigung, mindestens aber die Entschärfung der kriminellen Karriere erreicht werden konnte. Sowohl die Zahl der Intensivtäter als auch die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen insgesamt sind seit dem Jahr 2008, als das Handlungskonzept aufgesetzt wurde, gesunken, ebenso wie die Zahl der Straftaten, die durch Jugendliche insgesamt verübt wurden, und das ist natürlich erfreulich.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)