Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

Wenn das gewünscht ist, gerne!

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Von wem ist das gewünscht?)

Herr Stauch, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass gerade in den letzten Jahren sehr viele Staatsanwälte in andere Bundesländer in den öffentlichen Dienst abgewandert sind und etliche davon noch in Bremen wohnen? Worin sehen Sie die Ursache?

Es ist richtig, es sind einige Staatsanwälte, nicht sehr viele, nach Oldenburg gegangen. Das ist richtig! Aber wir haben immer wieder Wanderungsbewegungen. Wir haben auch Wanderungsbewegungen nach Bremen. Natürlich gibt es welche, die nach Oldenburg gehen. Das hat vielfältige Gründe. Da müssten wir jetzt über die einzelnen Fälle, über die einzelnen Personen reden. Es mag im Einzelfall auch Unzufriedenheit geben, das ist so, aber solche Bewegungen haben wir.

Die Belastung bei der Staatsanwaltschaft ist hoch. Wir wissen genau, wie hoch die Belastung bei den Staatsanwälten ist. Sie liegt etwas über dem Bundesdurchschnitt, aber nicht entkoppelt von der Belastung anderer. Das ist in der Staatsanwaltschaft so.

Im Ganzen ist es so, dass die Besoldungserhöhung eine Entscheidung war, die auch die Justiz getroffen hat, die Richter und Staatsanwälte getroffen hat; das muss man deutlich sagen. Wir haben jetzt über die Prüfervergütung verhandelt. Die Prüfervergütungen sind in Bremen extrem niedrig gewesen. Die haben wir erhöht, die haben wir angepasst. Das wird demnächst in Kraft gesetzt werden, und auch in anderen Bereichen orientieren wir uns an dem, was in anderen Bundesländern gang und gäbe ist. Im Übrigen finden intensivere Gespräche mit den Richterverbänden statt. Wir haben auch regelmäßige Treffen vereinbart. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das war jetzt nicht für Sie gemeint. Herr Kollege Imhoff von der CDU, ich glaube, ich setze euch gleich auseinander.

(Heiterkeit – Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Die Lümmel von der letzten Bank!)

Ich setze euch auseinander, wenn das so weitergeht. Herr Staatsrat!

(Staatsrat Professor S t a u c h: Ich bin fer- tig, wenn es keine weiteren Nachfragen gibt! Vielen Dank! – Heiterkeit und Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1090, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Interfraktionell ist Einvernehmen hergestellt worden, dass der Tagesordnungspunkt zwölf, „Sexistische, diskriminierende und frauenfeindliche Werbung vermeiden“, für diesen Tag ausgesetzt wird.

Überwachungssoftware unter das Kriegswaffenkontrollrecht stellen

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 29. August 2013 (Drucksache 18/1044)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Heseler.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, ich sehe, Ihre Androhung hat gefruchtet. Von den beiden Kollegen hat sich der eine umgesetzt, der andere ist rausgegangen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren wird Überwachungssoftware aus Deutschland im Ausland eingesetzt. Damit ist es möglich, den Inhalt fremder Festplatten und Smartphones auszuspähen, an Passwörter zu gelangen, den E-Mail- und Telefonverkehr zu überwachen oder Standorte zu bestimmen. Die Überwachungssoftware kann über gefälschte UpdateMeldungen oder E-Mail-Anhänge auf Computern, Smartphones installiert oder in Netzwerke eingeschleust werden, ohne dass deren Nutzerinnen und Nutzer es bemerken. Hierzu tragen insbesondere Überwachungstechniken bei, die auf einer gewissen Infrastrukturebene direkt Inhalte von Datenströmen durchsuchen, filtern, manipulieren und am Ende auch Lügen verbreiten können.

Wir alle haben zur Kenntnis genommen, dass die jüngsten Enthüllungen von Edward Snowden auch dazu geführt haben, dass insbesondere Staaten – sprich: auch demokratische Staaten, auch andere demokratische Staaten – mit selbiger Technik überwachen, ausspionieren und Daten von deren Bürgerinnen und Bürger abgreifen. Interessant ist, dass im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings immer mehr auch in der Presse berichtet wurde, dass soziale Netzwerke, Blogs, insbesondere oppositionelle Menschen, die demokratische Prozesse organisieren und sich innerhalb dieser Prozesse vernetzen, verfolgt wurden. Der Großteil dieser Software, die ausgeliefert wurde, kommt leider aus Deutschland, von deutschen Softwareunternehmen.

Meine Damen und Herren, das sind digitale Waffen. Mit diesem Antrag möchten wir dem Einhalt gebieten und erreichen, dass diese digitalen Waffen genauso geahndet und kontrolliert werden und unter das Kriegswaffenkontrollrecht fallen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Erst seit einigen Tagen tagt eine Organisation mit dem Titel Wassenaar-Abkommen. Das wird den meisten von Ihnen wenig bis gar nichts sagen; ein Kollege sagt, ich kann das vielleicht sogar voraussetzen. Dieses Gremium hat in seiner jährlichen Plenartagung genau diese Problematik aufgegriffen. Auch sie ist dahintergekommen, dass diese ganzen Überwachungstechnologien, Kryptosoftware, entsprechend missbraucht werden können und missbraucht werden. 41 Staaten haben sich daran beteiligt, dass diese Technik entsprechend geahndet werden muss, dass der Export, der gesamte Verkauf, strenger reglementiert wird. Das begrüße ich sehr. Interessant ist, dass Frankreich quasi die Speerspitze bildet und jetzt schon verkündet hat, dass es als erstes Land in Europa den Export dieser Software stark reglementieren wird. Eine traurige Nachricht, um noch einmal auf Frankreich zu kommen: Frankreich hat zeitgleich ein Gesetz verabschiedet, das – ähnlich wie die USA – ihre eigenen Bürger im Ausland im Internet komplett, also total, überwachen wird.

Wir möchten gerne beschließen, dass wir den Senat auffordern, sich entsprechend auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der Export, der Verkauf und die Verbreitung von Software, die der Überwachung und Ausspähung personenbezogener Daten dient, unter das Kriegswaffenkontrollrecht gestellt wird. Ebenso soll keine Unterstützung, zum Beispiel in Form von Schulungen, in jenen Ländern erfolgen, denen der Erwerb solcher Software untersagt wurde. Unternehmen, die solche Software herstellen, sollen in einem öffentlich einsehbaren Verzeichnis aufgeführt und gemerkt werden. Eventuelle Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollrecht werden dort vermerkt. Firmen, die solche Verstöße begangen haben, werden bei öffentlichen Beschaffungen nicht mehr berücksichtigt. Dies kann nur durch einen Bürgerschaftsbeschluss wieder aufgehoben werden.

Der dritte Beschlusspunkt: Wir bitten den Senat, sich auf Bundes- und Europaebene dafür einzusetzen, das Kriegswaffenkontrollrecht derart zu novellieren, dass der Export von Überwachungssoftware kontrolliert werden kann und Software, die der Überwachung dient, genauso zu behandeln ist wie Güter, die unter das Kriegswaffenkontrollrecht fallen. Frankreich hat hier den ersten Schritt getan. Ich glaube, hier kann man Frankreich durchaus als Beispiel aufführen. Die neue Bundesregierung sollte hier unbedingt Taten folgen lassen und die Systematik nicht mehr dulden, dass Überwachungssoftware gerade in jenen Ländern eingesetzt wird, in denen sich momen

tan – ich möchte aktuell auch die Ukraine erwähnen – Protest, auch demokratischer Protest organisiert. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass nicht nur deutsche Unternehmen, auch andere Unternehmen, Software in diese Länder exportiert haben, womit die Machthaber in diesen Ländern die Menschen, die auf der Straße sind, nicht nur überwachen können. Sie können auch deren Dateien manipulieren, gefälschte E-Mails auf deren Festplatten speichern, und dann ist der Weg ja natürlich ganz kurz, dass bei einem die Polizei auftaucht und sagt: Sie haben hier etwas auf der Festplatte, das nach Verrat ruft, Sie haben einen Protest organisiert – und schon wandern die Menschen in den Knast.

Ich glaube, dass dieses Anliegen hier im Haus heute entsprechend Würdigung finden sollte. Gerade durch die jüngsten Enthüllungen durch Edward Snowden sind wir das zumindest den Menschen schuldig, die Opfer von Überwachung geworden sind und entsprechend leider in Diktaturen unter ganz bestimmten Umständen, meistens ohne Verurteilung, ins Gefängnis wandern. Insofern freue ich mich auf eine breite Unterstützung und auf eine angenehme Debatte. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hamann.

Bitte, Herr Kollege Hamann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Öztürk hat ja schon in das Thema eingeführt und auch die WassenaarGruppe genannt, bestehend aus zurzeit 41 Mitgliedsstaaten, die sich Regeln geben wollen, um den Export von solchen Produkten zu kontrollieren.

Seit Jahren ist bekannt, dass solche Software aus Staaten der Europäischen Union und auch aus Deutschland exportiert wird. Zielländer sind auch totalitäre Staaten. Zwei Beispiele: Es gibt eine Gamma-GroupInternational oder hier in Deutschland die Firma trovicor in der Nähe von München, eine ehemalige Abspaltung, wenn ich es richtig im Kopf habe, von Siemens/Nokia. Lieferungen gibt es, wie gesagt, an Staaten wie Libyen, Ägypten, Syrien. Welche Umstände dort herrschen, ist bekannt. Ziel sind Geheimdienstorganisationen, Ziel sind Polizeien. Sie können sich vorstellen – Sie kennen die Bilder –, was dort mit dieser Software dann gemacht wird.

Daraus ergibt sich auch sofort Folgendes: Wir haben uns die Diskussion innerhalb der Fraktion nicht ganz einfach gemacht. Die Frage ist, welche Art von Produkten betroffen ist. Der zivile Einsatz von solchen Produkten ist sehr begrenzt, und – das hat Kollege Öztürk ausgeführt – das führt dazu, dass bei solcher Software, die das kann, eine Kontrolle wie bei klassischen Kriegswaffen sinnvoll ist.

(Beifall bei der SPD)

Den Beschluss vom 3./4. Dezember dieses Jahres hat der Kollege Öztürk genannt. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sagt: Das ist ein erster vorsichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Frage: Was hat Deutschland bisher getan? Die Antwort ist ganz einfach: Nichts! Ich möchte zitieren: Es gab im Jahre 2011 eine Sendung des Nachrichtenmagazins FAKT – das kann man dort bei diesem Thema auf der Internetseite ablesen –, da wird der europäische Abgeordnete Jörg Leichtfried aus Österreich zitiert: „Diese Software kann täglich eingesetzt werden und wird eingesetzt, um Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für Demokratie einsetzen, die sich für Menschenrechte einsetzen, zu schaden, sie zu verhaften. Ich denke, es ist wahrscheinlich problematischer, als wie Panzer zu exportieren.“ Meine Damen und Herren, dem schließen wir uns als SPD-Fraktion an!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Reinhard Bütikofer, Mitglied des Europäischen Parlamentes, sagte: „Im Europäischen Parlament hatten wir eine große Mehrheit im Auswärtigen Ausschuss für eine Kontrolle, hatten selbst im Handelsausschuss eine Mehrheit. Es war die Intervention des Wirtschaftsministers Brüderle, die dazu geführt hat, dass die FDPAbgeordneten zehn Minuten vor der Abstimmung in einem putschartigen Vorgehen gesagt haben, sie machen nicht mit, obwohl das vorher anders angekündigt worden ist.“ Sie sehen also, hier kann durch die nächste Bundesregierung gehandelt werden. Ich bitte um breite Unterstützung für diesen Antrag! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Hamann, lieber Herr Öztürk, bei Ihrem Antrag handelt es sich in der Tat um einen sehr schönen Antrag. Das sage ich hier auch gerne. Der Senat soll sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Software und Hardware zur Überwachung der Bevölkerung unter das Kriegswaffenkontrollgesetz gestellt werden, und Anlass – das wurde von meinen beiden Vorrednern eben schon gesagt – sind verschiedene Vorfälle, wo zum Beispiel Technologie zum Abhören von Telefonen, dem Mitschneiden von Internetdaten und so weiter in alle möglichen Länder, darunter auch in die Diktaturen des Nahen Ostens, exportiert worden sind.

Die Idee, solche Exporte zu kontrollieren, ist gut und richtig, steht im Übrigen auch in unserem Wahl

programm so. Es ist, wie gesagt, ein sehr schöner Antrag. Dem werden wir natürlich zustimmen. Ich habe nur ein paar Wermutstropfen. Es gibt ein paar Sachen, bei denen ich denke: Das ist zwar ein sehr schöner Antrag, aber ich zweifle, dass wir damit Erfolg haben werden. Ich sage jetzt auch einmal „wir“, weil ich glaube, mit der kommenden Bundesregierung ist dieses Vorhaben leider nicht zu machen, und es wird vielleicht in der Schublade verschwinden.

Kollege Tschöpe hat gestern angezweifelt, dass ich den Koalitionsvertrag gelesen hätte. Ich habe ihn sehr ausführlich gelesen, alle 185 Seiten.

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: 187!)

187, stimmt, ich habe die Gliederung nicht mitgezählt! Ich gestehe, ich habe auch mit dem einen oder anderen Sozialdemokraten schon über diesen Koalitionsvertrag gesprochen, insbesondere über die Frage Wirtschaftsexporte, Rüstung. Das hat mich schon interessiert, wie Sie wissen. Genau an dem Punkt finde ich den Koalitionsvertrag, gelinde gesagt, einen Ausfall. (Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Oh!)

Also wenn man sich das anschaut, sollen eigentlich – –. Sie brauchen gar nicht jammern, ich will das hier erläutern! Nein, ich will jetzt mal – –.

(Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Ich jamme- re gar nicht, aber wenn man immer dassel- be hört hier!)

Bitte, lassen Sie mich auch einmal ausreden! Ich habe erst einmal mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Informationspolitik gegenüber dem Bundestag, was die Exporte angeht, verbessert werden soll. Allerdings bleibt das ziemlich unkonkret. Wir dürfen erwarten, dass das Parlament in Zukunft früher informiert wird, die Entscheidung bleibt letztendlich allerdings doch bei der Bundesregierung und dem Bundessicherheitsrat. Das finde ich schade. Es soll auch bei den eher unverbindlichen politischen Grundsätzen aus dem Jahr 2000 bleiben.