Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

Der springende Punkt ist doch aber, der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag hat die Schlussfolgerung gezogen, dass die parlamentarische Kontrolle nicht wirksam ist, gerade weil sie der kompletten Geheimhaltung unterliegt. Er hat genau deshalb eine bessere Sach- und Personalausstattung, unter anderem auch die Mitwirkung der Mitarbeiter der Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission, vorgeschlagen. Genau das ist hier nicht umgesetzt worden. Die Mitarbeiter der Fraktionen sind immer noch nicht in die Lage versetzt, an den Sitzungen teilnehmen zu können. Meine Frage ist: Warum ist das im Herbst nicht umgesetzt worden, obwohl es die klare Aussage des NSU-Untersuchungsausschusses zur Wirksamkeit gegeben hat?

Weil hier Äpfel mit Birnen verglichen werden! Wir haben eine völlig andere Situation in Bremen als zum Beispiel in einem großen Flächenland, in dem eine zentrale Kommission beim Landtag in Nordrhein-Westfalen oder in Hannover in einer Vielzahl von Dingen informiert wird, zu denen möglicherweise die einzelnen Parlamentarier keinen Zugang haben. In Bremen ist es aber doch so, dass, wenn unser Leiter des Verfassungsschutzamtes berichtet, die anwesenden Parlamentarier sofort fragen, ob das die und die Person gewesen sei. Das heißt, hier ist die Kenntnis von den Dingen so unmittelbar und so direkt, dass wir keine Mitarbeit von anderen Mitgliedern brauchen.

Dann komme ich noch einmal zurück zum Thema Kontrolle, das ist im Grunde genommen kein Thema.

Dann gibt es das Nebenthema, wie es mit dem Migrationshintergrund unserer Polizeibeamtinnen und -beamten aussieht. Ja, in der Tat, wir wünschen uns mehr Beamtinnen und Beamte, die einen Migrationshintergrund haben. Ich sage auch, ich wünsche mir mehr Bremer und Bremerhavener in dieser Polizei, es ist aber faktisch so, dass wir, glaube ich, nur 15 Prozent der Bewerbungen aus Bremen erhalten, und insofern kann man dafür werben, aber es ist nicht so, dass wir nicht alles versuchen, um gerade Absolventen mit Migrationshintergrund für die Polizei zu gewinnen,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es ist ja auch nicht so, dass es keine gäbe!)

aber es gibt auch durchaus eine ganze Anzahl.

Sie sagen, wir müssten das irgendwie registrieren. Diejenigen, die wir ausgewählt haben, sehen das völlig anders, sie möchten nicht in ihrer Personalakte den Hinweis „mit Migrationshintergrund“ stehen haben, sondern sie verstehen sich als Bremer Bürger, und sie wollen nicht mit dieser Etikettierung herumlaufen, deswegen müssen wir dies berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dann zu dem, Herr Hinners, was Sie angesprochen haben, da laufen Sie bei mir offene Türen ein. Ich muss aber sagen, wir haben ja nicht erst im September 2013 mit der Reform des bremischen Verfassungsschutzes angefangen, sondern Sie kennen die Vorgeschichte, Sie kennen die Skandale der Vergangenheit, die dazu geführt haben, dass vieles von dem, was heute gefordert wird und in den Ländern teilweise noch nicht umgesetzt wurde, in Bremen bereits seit den Jahren 2008/2009 Alltag ist.

Ich sehe ja auch, wie sich in diesem Hause die Meinungsbildung verändert. Ich glaube, dass vor fünf bis sechs Jahren die Zahl der Kritiker bestimmt bei 80 oder 90 Prozent gelegen hat. Das hat sich inzwischen, weil sich das Verfassungsschutzsamt geöffnet hat, aufgrund der hohen Transparenz und der Kooperation, die auch hier an den Tag gelegt wurde, grundlegend verändert. Ich empfehle allen, auch einmal einen Blick in den neuesten Bericht zu werfen, da hat sich vieles verändert, wir haben vieles herausgenommen.

Herr Hinners, wahrscheinlich werden Sie heute kritisieren, dass ich auf dem linken Auge blind bin, aber auch wenn man das jedes Jahr wiederholt, bleibt es grober Unsinn. Wir haben in der Tat alles herausgeworfen, was in den früheren Jahren zum Objekt wurde: Eine marxistische Gruppe, eine trotzkistische Internationale, in der sich zehn emeritierte Hochschullehrer eingefunden haben, das ist alles heraus, das haben wir auf einer Seite zusammengefasst.

Wir haben unmissverständlich gesagt, bei uns sind im linken Bereich die Autonomen die Problemgruppe. Ich habe aber auch immer gesagt, wir müssen unterscheiden, Gewalt gegen Sachen ist das eine, das haben wir in Bremen, wir haben auch Brände von Kraftfahrzeugen, wir haben Farbanschläge, das ist alles unbestritten und wird verfolgt. Wir haben aber nicht dieses Maß an Gewalt gegen Personen. Dass Bremer Täter natürlich auch in Hamburg dabei sind, wird auch niemand von uns bestreiten, aber ich finde, es ist notwendig zu differenzieren und nicht zu sagen, Autonome sind in Bremen so wie in anderen Städten.

Mein Fazit ist, ich habe zumindest in den meisten Punkten die Zustimmung von drei Fraktionen, und mehr kann ich, glaube ich, heute auch nicht erreichen. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1410, auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Kenntnis.

Straftaten zum Nachteil älterer Menschen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 28. März 2014 (Drucksache 18/1342)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 29. April 2014

(Drucksache 18/1367)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/1367, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Mäurer, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat im August 2013 einen Antrag zum wirksameren Schutz älterer Menschen vor Kriminalität in die Bürgerschaft eingebracht. Darin haben wir ein ressortübergreifendes Handlungskonzept und den Einsatz von pensionierten Polizeivollzugsbeamten in der Präventionsarbeit hier in Bremen gefordert. Dieser Antrag wurde hier zum Bedauern der CDU-Fraktion leider von der rot-grünen Mehrheit abgelehnt.

Meine Damen und Herren, fast täglich können wir in den Bremer Tageszeitungen lesen, dass insbesondere ältere Menschen gezielt Opfer von Trickdiebstählen, Trickbetrügereien, Einbrüchen und sogar schweren Raubüberfällen werden. Als Beispiel nenne ich dafür nur den „Weser-Kurier“ vom 14. Juni, in dem über zwei Fälle aus Horn-Lehe und Oberneuland berichtet worden ist, in denen Täter in Häuser einge

drungen sind, um die dort Anwesenden zu schlagen, zu bedrohen und nach Wertsachen auszufragen, um diese dann zu rauben. Ich finde, ein schlimmeres Delikt kann einem älteren Menschen in seinem eigenen Haus nicht passieren. Dabei wird die Hilflosigkeit der Opfer teilweise gnadenlos ausgenutzt, mit der Folge, dass diese älteren Menschen für den Rest ihres Lebens jegliches Vertrauen verlieren und nicht selten schwer traumatisiert sind.

Für die CDU-Fraktion besteht bei der Bekämpfung der Straftaten gegen ältere Menschen weiterhin dringender Handlungsbedarf.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben deshalb an den Senat zu diesem Thema eine Große Anfrage gerichtet. Aus der Antwort des Senats geht hervor, dass sich die Anzahl dieser Straftaten – und nun hören Sie genau zu! – im Land Bremen von damals, im Jahr 2008, 324 Taten bis zum Jahr 2013, also innerhalb von fünf Jahren, auf 858 Taten mehr als verdoppelt hat. Das sind immerhin 534 Fälle mehr. Das heißt, im letzten Jahr wurden im Land Bremen 858 ältere Menschen gezielt Opfer von Straftaten. Neben den dabei erlittenen materiellen Schäden sind die psychischen Schäden – ich hatte eben schon darauf hingewiesen – in der Regel viel gravierender.

Als Gründe für diese erhebliche Steigerung nennt der Senat die demografische Entwicklung – das ist sicherlich richtig, weil es immer mehr ältere Menschen geben wird, wie wir wissen – und das Ausnutzen der Wehr- und Schutzlosigkeit der älteren Menschen, auch das ist sicherlich richtig. Natürlich wird auch die Gutgläubigkeit und die Unsicherheit dieser Opfer eine Rolle spielen, aber das perfide Vorgehen dieser Täter richtet sich insbesondere auch danach, dass ein nennenswerter Widerstand von diesen älteren Menschen nicht erwartet wird, und außerdem vermuten die Täter, dass diese Menschen eben auch häufig über höhere Geldbeträge und andere Wertsachen verfügen.

Meine Damen und Herren, zu den Tatverdächtigen ist der Antwort des Senats Folgendes zu entnehmen: „Die Aufklärungsquote bewegt sich“ – leider nur, muss man sagen – „pro Jahr zwischen 21 und 26 Prozent.“ Das heißt also, nur jede vierte bis fünfte Tat wird überhaupt aufgeklärt. Damit kann auch nur in diesen Fällen der Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

In Bremerhaven, meine Damen und Herren, ist die Aufklärungsquote leider deutlich schlechter. Von 35 Fällen im Jahre 2013 wurde in Bremerhaven ein einziger aufgeklärt.

Bei den ermittelten Tatverdächtigen handelt es sich häufig um gewerbsmäßig und bandenmäßig vorgehende osteuropäische Tätergruppen, die in der Regel überregional tätig werden, so der Senat. Die Täter handeln demnach nicht spontan, sondern forschen

in der Regel ihre Opfer systematisch aus. Eine begehrte Vorgehensweise der Täter ist, Telefonbücher dahingehend auszuwerten, ob Vornamen mit einer entsprechenden Altersangabe vorhanden sind. Herr Dr. Kuhn ist gerade nicht da, Herr Dr. Kuhn und ich kämen da gut in Frage! Sie versuchen darüber hinaus durch Vortäuschen einer Notlage, einer Amtsperson oder einer persönlichen Beziehung in die Wohnung zu gelangen, auch das ist allgemein bekannt. Die Auswahl der Opfer geschieht natürlich grundsätzlich nach dem Alter. Allein von den angezeigten Taten her sind die Opfer in 91 Prozent der Fälle über 70 Jahre alt, und es sind in der Regel mehr Frauen unter den Opfern als Männer.

Aus der Antwort des Senats geht weiter hervor, dass die Präventionsmaßnahmen in den letzten Jahren erheblich verstärkt worden sind. Herr Senator, dafür muss von dieser Seite sicherlich ein Lob ausgesprochen werden! Von uns als CDU-Fraktion wird diesausdrücklich begrüßt, denn nur auf diesem Weg – und das halten wir für einen ganz entscheidenden Faktor – können potenzielle Opfer aufgeklärt und sensibilisiert werden. Deswegen hatten wir in unserem Antrag –

(Glocke)

ich bin auf dem Weg zum Ende –,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Und zwar seit fünf Minuten! – Heiterkeit)

Herr Senator, auch gefordert, pensionierte Polizeibeamte, die sicherlich hoch motiviert an diese Aufgabe herangehen würden, für die Präventionsmaßnahmen heranzuziehen.

Die CDU-Fraktion erwartet vom Senat, dass auch die Aufklärungsquote von knapp unter 25 Prozent durch verbesserten Personaleinsatz deutlich erhöht werden kann, sodass in Zukunft nicht wieder 75 Prozent der Fälle nicht aufgeklärt werden können, denn das, Herr Senator, stellt für uns als CDU-Fraktion in keinster Weise eine Abschreckung dar.

Wir werden als CDU-Fraktion hier versprechen, dass wir das Thema auch in Zukunft, auch wenn es der eine oder andere vielleicht nicht mehr hören kann, weiter behandeln, weil das Wohl der älteren Menschen uns sehr am Herzen liegt. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Kollegin Schmidtke, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Hinners! Weder zu den Ohren noch zur Nase noch zum Hals kommt uns dieses Thema heraus, denn es ist ein wichtiges Thema.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Den Eindruck habe ich aber nicht überall!)