Protokoll der Sitzung vom 11.05.2017

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns gemeinsam mit unserem Koalitionspartner das Ziel gesetzt, alle jungen Menschen unter 25 Jahren dabei zu unterstützen, einen erfolgreichen Berufs- und Studienabschluss zu erlangen, weil dies die beste Grundlage ist, damit sie als Erwachsene in der Lage sein werden, selbst ihre Existenz durch eine Erwerbstätigkeit zu sichern. Dazu haben wir die Jugendberufsagentur gegründet, eine Ausbildungsgarantie ausgesprochen, und mit der Bremer Vereinbarung für Ausbildung und Fachkräftesicherung haben sich die relevanten Akteurinnen und Akteure dazu verpflichtet, jungen Menschen auf dem Weg in Ausbildung und Beruf zu helfen. Gleichwohl werden noch nicht alle jungen Menschen ohne Ausbildung im Land Bremen erfasst.

Um die Lage auf dem Ausbildungsmarkt transparenter zu machen, haben wir diesen Antrag „Jugendliche gut in Ausbildung und Berufsbildungsfindung beraten“ eingebracht. Zurzeit wird bei der Bundesanstalt für Arbeit zum Beispiel nicht erhoben, wie viele Jugendliche sich bei der BA als Interessierte für einen Ausbildungsplatz melden und wie viele von ihnen dann als nicht ausbildungsreif beurteilt werden mit der Folge, dass sie dann zukünftig nicht mehr als Jugendliche betrachtet werden, die keinen Ausbildungsplatz erhalten haben.

Bremen braucht aber, genauso wie die anderen Bundesländer, aussagekräftigere Zahlen zu diesen Umständen, damit die Jugendlichen und

jungen Erwachsenen angemessen und passgenau beraten werden können und sie sich so einen guten Start in das Berufsleben erarbeiten können. Wenn wir den jungen Menschen helfen wollen, die das nicht aus eigener Anstrengung schaffen, braucht man verlässliche Zahlen und Statistiken des Landes und der Bundesagentur für Arbeit, die auch miteinander vergleichbar und auch miteinander verzahnt sind, damit wir keinen Jugendlichen unterwegs verlieren, meine Damen und Herren. Diese gibt es bisher aber leider nicht.

Der Senat, die Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, die Agentur für Arbeit Bremen und Bremerhaven und die Jobcenter arbeiten jetzt gemeinsam mit der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit an einer Lösung, um eine systematische Klärung des Verbleibs der Jugendlichen und jungen Erwachsenen modellhaft zu erproben. Das kann auch für andere Bundesländer ein Modell sein. Deshalb soll in diesen Verhandlungen auch erreicht werden, dass die Bundesagentur zukünftig erheben wird, wie viele Jugendliche sich selbst als Interessierte für einen Ausbildungsplatz melden und wie viele von ihnen letztendlich als Bewerberin oder Bewerber auf den Ausbildungsmarkt geführt werden oder zum Beispiel als nicht ausbildungsreif beurteilt werden.

Zurzeit besteht die Gefahr, dass junge Menschen durch diese jetzt noch fehlende Differenzierung aus dem Unterstützungssystem herausfallen, die sich ursprünglich für eine Ausbildung interessiert haben. Das wollen wir hier gemeinsam ändern, und deshalb braucht Bremen, wie auch die anderen Bundesländer, diese Daten dazu, damit die Jugendlichen angemessener beraten werden können.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir reden heute in der Bremischen Bürgerschaft nicht zum ersten Mal über diese Thematik. Ich finde, in der letzten Bürgerschaftssitzung haben wir auch eine gute Debatte darüber geführt, und deswegen möchte ich noch einmal dafür werben, dass Sie alle gemeinsam diesen Antrag unterstützen, den ich, glaube ich, auch in der letzten Debatte hier angekündigt hatte.

Den Antrag der LINKEN werden wir ablehnen, das sage ich so deutlich, aber ich würde mich freuen - das muss ich ganz ehrlich sagen -, wenn Sie unseren Antrag trotzdem mit unterstützen, denn das wäre auch ein Zeichen im Sinne der Jugendlichen, und so haben Sie sich ja auch in der letzten Debatte geäußert. Ich glaube, dann sind wir auf einem richtig guten Weg im Sinne vieler junger Menschen hier in

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Bremen und Bremerhaven. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn sich jetzt noch jemand zu Wort meldet, würde ich gern den nächsten Redner aufrufen, ansonsten geht es weiter.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Abstim- men!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Strunge.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich dachte, dass zuerst die SPD das Wort ergreifen wird! Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man hat ja eigentlich das Gefühl eines Déjà-vu, denn, wie Frau Dogan schon gesagt hat, wir haben schon mehrfach genau über dieses Thema in der Bremischen Bürgerschaft gesprochen, aber weil sich eben in der letzten Zeit auch hier nichts bewegt hat, gibt es jetzt erneut Anträge, die die Themen transparente Zahlen in der Ausbildungsstatistik und Ausbildungsplatzlücke angehen wollen.

Zum Antrag der Koalition! Natürlich haben wir grundsätzlich nichts gegen Ihren Antrag, aber wenn man einmal ehrlich ist und sich das genauer anschaut, dann scheint das für uns alles ziemlich unpräzise, denn Sie fordern eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel - ich zitiere - „der Erfassungsänderung bei jungen Erwachsenen, damit zukünftig noch aussagekräftigere Daten über diese Personengruppe erhoben werden“. Sie sagen in diesem Beschlussteil aber eben nicht genau, welche Daten wir denn eigentlich brauchen. Das ist auch der Punkt, warum wir den zweiten Beschlusspunkt Ihres Antrags zwar nicht ablehnen, uns dabei aber enthalten werden, weil wir den Eindruck haben, dass das einfach zu unklar ist.

In Ihrem Begründungstext reden Sie ja davon, dass man die Zahl der an einem Ausbildungsplatz interessierten Jugendlichen erfassen will. Was haben wir gemacht? Wir haben Ihren Antrag eigentlich nur konkretisiert und gesagt, dass man auf allen Ebenen dafür sorgen muss, die an einer Ausbildung interessierten Jugendlichen zu erfassen und nicht in dieses Spiel der Bundesagentur für Arbeit zu verfallen, die sagt, es kommen dort zwei Jugendliche hin, bei dem einen sagt sie, dass er eigentlich ein geeigneter Bewerber ist und in den Topf der Bewerber kommt, und bei dem zweiten Jugendlichen sagt sie, er wäre nicht so ein richtig geeigneter Bewerber, deshalb kommt er in den anderen Topf.

Dann wird aber nur der Topf der geeigneten Bewerber präsentiert und nicht die anderen, obwohl ja eigentlich beide Töpfe zusammen den Rahmen der an einer Ausbildung interessierten Jugendlichen ergeben.

Deswegen würde mich sehr interessieren - vielleicht könnte das ja Ihre Kollegin von der SPDFraktion noch einmal aufgreifen -, warum Sie unserem Antrag nicht zustimmen, denn er steht in keiner Weise im Widerspruch zu Ihrem Antrag, sondern ist ausschließlich eine Konkretisierung Ihres Antrags. Deswegen ist mir einfach völlig unklar, warum Sie diesem Antrag nicht zustimmen wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte noch einmal klarmachen, was wir mit diesem Antrag eigentlich wollen! Auf der einen Seite sprechen wir uns auch für die Bundesratsinitiative aus, wie es auch Frau Dogan gemacht hat. An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal sagen, dass diese Idee weder von den Grünen noch von der SPD noch von der LINKEN kam, sondern von Bremer Jugendlichen, die sich sehr intensiv mit dem Thema Ausbildungstransparenz befasst haben. Sie haben in der Nacht der Jugend mit den verschiedenen Politikern der Fraktionen gesprochen und gefragt, ob sie sich nicht für eine Bundesratsinitiative einsetzen können, wenn es auf Bremer Ebene nicht möglich ist. Das hat dann als Erste Frau Dogan von den Grünen aufgenommen, obwohl sich alle Fraktionen dazu geäußert haben, dass man, wenn es keinen anderen Weg und keine andere Möglichkeit gibt, dann den Weg der Bundesratsinitiative gehen sollte. Genau das ist auch die Position der Fraktion der LINKEN.

Wir finden es aber wichtig, dass eine Bundesratsinitiative eben nicht bedeutet, dass die Bremer Ebene aus der Verantwortung genommen wird,

(Beifall DIE LINKE)

sondern man muss klarmachen, an welcher Stelle es in Bremen die Möglichkeit gibt einzuhaken. Da muss ich sagen, die Zahlen zu dem Beispiel, das ich gerade genannt habe, wenn die Jugendlichen jetzt zur BA in Bremen kommen und diese sagt, dass sie aus ihrer Sicht nicht ausbildungsreif sind, gibt es doch bereits. Da ist mein Verständnis einfach sehr gering dafür, dass diese Zahlen bisher nicht ausgewiesen werden. Wir finden, diese Zahlen müssen direkt auf den Tisch.

(Beifall DIE LINKE)

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Es gibt allerdings auch noch einen weiteren inhaltlichen Unterschied zur Koalition, der sich im Beschlusstext aber gar nicht niederschlägt, aber trotzdem möchte ich ihn noch einmal ansprechen: Wir von der LINKEN glauben eben nicht, dass man für eine transparente Ausbildungsstatistik unbedingt individuelle personenbezogene Daten braucht, sondern wir gehen davon aus, dass es viel wichtiger ist, dass sich die verschiedenen Stellen, die bereits die Zahlen sammeln, stärker vernetzen und austauschen und dass diese Zahlen offengelegt werden müssen und nicht beschönigt werden dürfen.

(Beifall DIE LINKE)

Noch einmal zusammengefasst: Was ist eigentlich das Ziel unseres Antrags? Ziel unseres Antrags ist es, gesicherte Zahlen darüber zu erhalten, wie hoch die Ausbildungsplatzlücke in Bremen ist, denn ich will einfach wissen, wie viele Jugendliche in Bremen einen Ausbildungsplatz suchen, unabhängig davon, ob sie Altbewerber oder Neubewerber sind oder ob sie angeblich ausbildungsreif sind oder nicht.

Es ist ja nicht so, dass wir darüber gar nichts wissen, es liegen ja geschätzte Zahlen vor. Diese sind allerdings so beunruhigend, dass man sich mit ihnen vielleicht lieber nicht befassen will, denn Pi mal Daumen sind es zurzeit gerade rund 4 000 Jugendliche, die in Bremen voraussichtlich einen Ausbildungsplatz benötigen, und ich habe den Eindruck, darüber will die Regierung eher den Mantel des Schweigens hängen. Ich glaube aber, nichts sehen und nichts hören wird hier nicht funktionieren, denn Bremen kann es sich nicht leisten. Bremen kann es sich insbesondere aus wirtschaftlicher Perspektive nicht leisten, Tausenden jungen Menschen keine Perspektiven zu geben. Deswegen brauchen wir unfrisierte Zahlen der Interessierten an einem Ausbildungsplatz, und dann müssen wir wirksame Maßnahmen ergreifen, damit wir auch wirklich genügend Ausbildungsplätze in Bremen anbieten können.

(Beifall DIE LINKE - Glocke)

Ich komme zum Schluss, möchte aber noch einen Punkt sagen, der mir sehr wichtig ist! DIE LINKE ist der Überzeugung, dass es mit freiwilligen Vereinbarungen nicht weitergehen kann. Wir haben jetzt seit zwölf Jahren freiwillige Vereinbarungen, die eingeführt wurden, um die Ausbildungsplatzabgabe zu verhindern, und nach zwölf Jahren ziehen wir die Bilanz, dass freiwillige Vereinbarungen nicht wirken. Deswegen müssen wir jetzt auf die Verpflichtung zurückkommen, die Rot-Grün im Bundestag im Jahr 2004 angestoßen hat, und uns für Bremen

für eine Ausbildungsplatzumlage einsetzen. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren? Es war doch richtig gut, Frau Strunge, dass ich Ihnen den Vortritt gelassen habe, sonst hätte ich doch diese vielen Fragen gar nicht beantworten können.

(Beifall SPD)

Ich verwahre mich ganz entschieden dagegen, dass Bremen über irgendetwas den Mantel des Schweigens legt und ganz bestimmt nicht über das Thema Ausbildungszahlen, Jugendliche in Ausbildung zu bringen. Alle, die hier mit offenen Ohren und Augen das irgendwie begleiten, was wir hier tun, werden bestätigen können, dass wir genau das mit unserer Ausbildungsgarantie, aber auch mit der Einrichtung der Jugendberufsagentur machen.

Wir wissen sehr genau, dass es ein Problem gibt, dass es diverse Jugendliche gibt, die keinen Ausbildungsplatz bekommen. Wir wissen, dass wir zu wenig Ausbildungsplätze haben, dass wir Maßnahmen, dass wir Bildungsgänge brauchen, um diese Jugendlichen entweder vorzubereiten darauf, dass sie perspektivisch in eine duale Ausbildung gehen oder aber ihnen alternativ zur dualen Ausbildung selbst Ausbildungen anbieten. Dafür nehmen wir durchaus viel Geld in die Hand.

Frau Steiner, da Sie ja sicherlich auch gleich das Wort ergreifen werden, die Zahl der Ausbildungsplätze, die mit öffentlichem Geld gefördert werden, werden ja nicht deshalb gefördert, weil Bremen das so besonders gern macht, sondern weil es sie definitiv erst einmal nicht gibt. Ich glaube, in diesem Bereich gibt es überhaupt keinen Mantel des Schweigens, oder es gibt auch nicht die Situation, dass sich Bremen irgendwie überhaupt nicht bewegt.

(Beifall SPD)

Nun sind wir uns, glaube ich, auch alle darin einig, dass wir eine vernünftige Statistik brauchen. Niemand von uns hat ein Interesse daran, dass Menschen aus der Statistik fallen, dass es hier mit der sogenannten Ausbildungsreife eine geschönte Statistik gibt, die einen völlig anderen Eindruck von der Situation vermittelt, als er tatsächlich in der Realität vorhanden ist. Die Jugendberufsagentur hat den Auftrag herauszufinden, wer verlässt die Schule? Mit welchem

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Ziel? Welche Perspektiven sind vorhanden? Wer ist versorgt, wer noch nicht? Welche Maßnahmen sind notwendig, damit diese Menschen versorgt werden? Sie wissen sehr genau, Frau Strunge, dass es ein unheimlich dickes Schiff ist, das man in Bewegung bringen musste.

Deswegen muss man die Richtung kennen!)

Das ist geschehen. Jetzt werden die Daten der BA mit den Daten des Schulamts beziehungsweise des Schulressorts zusammengeführt. Es hat sich eine Menge bewegt. Es war überhaupt nicht absehbar, dass das funktioniert, denn eine Bundesagentur dazu zu bewegen, dass sie sich darauf einlässt, eine Kompatibilität zwischen ihren Daten und denen der Länder herzustellen, ist nicht trivial, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD)

Ich finde, dem Ressort gebührt Lob und Anerkennung, dass es gelungen ist. Nun ist aber Zeit notwendig, denn das Zusammenführen solcher Erhebungen, solcher Statistiken ist nicht trivial.

Darüber hinaus wissen Sie sehr genau - das haben wir bereits in der letzten Debatte diskutiert -, dass Herr Senator Günthner jetzt mit Herrn Scheele Gespräche führt, um dafür Sorge zu tragen, dass die Daten tatsächlich bundesweit anders erfasst werden.

(Zuruf Abg. Frau Strunge [DIE LINKE])