Protokoll der Sitzung vom 20.06.2006

Ich frage die Landesregierung:

Wie bewertet sie die Tatsache, dass nach dem hessischen Vorbild wie in Bayern nun auch in Schleswig-Holstein nach Auskunft der SPD-Bildungsministerin im „Spiegel“ vom 29. Mai 2006 Deutschkurse vor der Einschulung für Kinder ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verpflichtend werden sollen?

Frau Ministerin.

Frau Kollegin Ravensburg, in der Tat sehen wir das als eine Bestätigung der hessischen Haltung seit 1999 an. Das wird auch in anderen Ländern zu einer Verbesserung des Schulerfolgs für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund führen.Als wir damals diese Maßnahme eingeführt haben, gab es zumindest erhebliches Misstrauen und auch Widerspruch vieler anderer Länder. Inzwischen hat Hessen bekanntlich innerhalb der Kultusministerkonferenz die Federführung zu diesem Thema angetragen bekommen und auch übernommen.

Ich denke, damit ist bewiesen, dass Hessen bereits vor der Veröffentlichung von PISA und IGLU die Zeichen der Zeit richtig gedeutet hat. Bereits im Jahr 2000 wurde meine Aussage in einer Pressemeldung aufgenommen – ich zitiere –:

Die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache ist ein Haupthindernis für den schulischen Erfolg und die berufliche Karriere vieler Kinder ausländischer Eltern. Die Hessische Landesregierung möchte diesen Teufelskreis durchbrechen.

Hätten wir diese drängenden Fragen der Integration und des notwendigen Erwerbs der deutschen Sprache nicht bereits vor einigen Jahren aufgegriffen, dann wären 22.000 Kinder, die bis jetzt die Vorlaufskurse besucht haben oder sie gerade besuchen, nicht in die Lage versetzt worden, mit Sprachkenntnissen die 1. Klasse der Grundschule zu besuchen und damit Bildungserfolg zu haben. Es sind – Stand April 2006 – 6.200 Kinder,die allein in diesem Jahr einen solchen Kurs besuchen.

An dieser Stelle sage ich noch einmal: Ich halte es für notwendig, dass dieses Angebot in Hessen – anders als in anderen Ländern – neun Monate dauert, mit 10 bis 15 Stunden in der Woche, und dass dieses Angebot allen Kindern gemacht wird, gleichgültig, ob sie eine Kindertagesstätte besuchen oder nicht.

Nächste Frage, Frage 620, Herr Abg.Weinmeister.

Ich frage die Landesregierung:

Wie bewertet sie die Tatsache, dass nach dem hessischen Vorbild der Erziehungsvereinbarungen die SPD-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein im „Spiegel“ vom 29. Mai 2006 ähnliche „Erziehungspläne“ auch für ihr Land ankündigt?

Frau Ministerin Wolff.

Herr Kollege Weinmeister, ich finde es nicht nur bei den GRÜNEN prima, wenn sie Ideen übernehmen, sondern

auch bei der SPD – also auch bei der Kollegin, die derzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz ist.

Die Erziehungsvereinbarungen in Hessen haben einen sehr guten Start genommen und sich bewährt. Noch schöner wäre es sicherlich für Schleswig-Holstein gewesen, wenn es nicht fünf Jahre gedauert hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Neben vielen gelungenen Beispielen von Schulen in Hessen, in denen es Erziehungsvereinbarungen für die ganze Schule oder auch für einzelne Klassen gibt, will ich besonders auf die SchuB-Klassen hinweisen, in denen Erziehungsvereinbarungen mit Eltern und Schülern verbindlich und Voraussetzung für den Eintritt in eine SchuBKlasse sind. Denn sie befähigen Jugendliche durch eine Selbstverpflichtung, wieder Anschluss an die Schule zu finden, und sie beziehen auch die Eltern in diese Verpflichtung ein.

Zusatzfrage, Herr Abg. Kaufmann.

Frau Ministerin, wenn Sie sich so schön darüber freuen, dass andere Sie zum Vorbild nehmen und etwas übernommen haben:Können Sie denn ein Beispiel nennen,wo Sie als Kultusministerin Beispiele von anderen übernommen haben?

Frau Staatsministerin Wolff.

Herr Abg. Kaufmann, das kommt in der übernächsten Frage.

Die rufen wir dann noch auf. – Frage 621. Die Frage von Frau Abg. Dörr wird vom Kollegen Klein übernommen. Bitte schön.

Ich frage die Landesregierung:

Wie bewertet sie die Tatsache, dass sich die GRÜNEN im Bundestag nach einem Pressebericht in der „Welt“ vom 29. Mai 2006 für obligatorische Sprachtests für alle Kinder im Alter von vier Jahren und für obligatorische Fördermaßnahmen für Kinder mit Sprachdefiziten aussprechen?

Frau Sozialministerin.

Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass dies ein deutlicher Hinweis auf einen Sinneswandel bei der Fraktion der GRÜNEN ist, auch was das Thema Integration

im Kindergarten und in der Schule betrifft. Es ist ein Hinweis darauf, dass die Vorlaufkurse, die die Kollegin Wolff gerade schon genannt hat, die wir in Hessen schon vor Jahren eingeführt haben, und zusätzliche Sprachfördermaßnahmen im Kindergarten sowie die Sprachstandserfassung, die wir bereits im Kindergarten repräsentativ durchgeführt haben, in Zukunft von den GRÜNEN unterstützt werden.

Zusatzfrage, Herr Abg.Al-Wazir.

Ist der Landesregierung bekannt, dass im nächsten Satz dieses Integrationskonzeptes die Ablehnung der Forderung des Ausschlusses vom Schulbesuch bei festgestellten Sprachdefiziten steht? Und ist sie, wenn sie sich über das Konzept freut, bereit, das Schulgesetz, dass sie im Jahre 1999 verändert hat, wieder zu verändern?

Frau Kultusministerin, bitte schön.

Herr Abg.Al-Wazir, dies ist in der Tat noch ein Relikt aus alten Zeiten, in denen die GRÜNEN auch die anderen Ausdrücke benutzt haben, die ich vorhin beschrieben habe. Wir halten in Hessen nach wie vor an der Verbindlichkeit insofern fest, dass wir einen freiwilligen Kurs mit der Aussage kombinieren, dass ein Schulzugang nur dann erfolgen kann, wenn die Kenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sind. Ich glaube, dass sich dies in Bälde durchsetzen wird.

Zusatzfrage, Frau Abg. Schulz-Asche.

Ich frage die Landesregierung, wie sie uns erklären kann, dass die letzten vier mündlichen Fragen alle auf die Lektüre der Presse am 29. Mai 2006 zurückzuführen sind. Bedeutet das, dass die Fraktion der CDU ausschließlich an diesem einen Tag im Mai die Zeitung gelesen hat und darauf ihre mündlichen Fragen gegründet hat?

(Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kultusministerin.

Frau Kollegin Schulz-Asche, dieser Zeitungsbericht ist von außerordentlicher Bedeutung, weil er in zeitlichem Zusammenhang mit dem ersten gemeinsamen Bildungsbericht von Bund und Ländern steht, in dem das Thema Migration nach einer Entscheidung der Kultusministerkonferenz der Schwerpunkt ist. Ich denke, dass eine so

flapsige Frage nicht darüber hinwegtäuschen kann,in welcher Dimension dieser Bildungsbericht Probleme und Herausforderungen aufgewiesen hat: dass etwa 40 % der Kinder der zweiten Generation, und zwar insbesondere türkischer Migrationsfamilien, noch nicht einmal die Kompetenzstufe I richtig erfüllen, sondern als Risikoschüler einzustufen sind, dass die vorzeitige Einschulung nur bei halb so vielen Kindern aus Migrationsfamilien geschieht, aber doppelt so viele verspätet eingeschult werden, dass die Zahl derer, die ohne Abschluss die Schule verlassen, besorgniserregend hoch ist und dass die Zahl der Jugendlichen, die in einem Ausbildungsverhältnis sind und aus Migrationsfamilien stammen, von – wenn ich es richtig im Kopf habe – 9,5 auf 5,6 % zurückgegangen ist. Es sind Besorgnis erregende Zahlen,

(Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Stimmt!)

die im Umfeld des ersten Bildungsberichts mit dem Schwerpunkt Migration herausgekommen sind. Aus diesem Anlass halte ich es für völlig richtig und begrüßenswert, wenn dies heute in gehäufter Form ein Thema in der Fragestunde ist.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zusatzfrage, Herr Kollege Klein.

Kann ich die Kollegin Schulz-Asche aufklären – –

Nein, Sie klären nicht auf, sondern Sie fragen, Herr Kollege. Okay?

Ich wollte nur aufklären, dass wir lesen können. – Frau Staatsministerin Lautenschläger, ich habe eine Nachfrage an Sie. Würden Sie mir zustimmen, dass diese positiven Erkenntnisse, die die GRÜNEN im Bundestag gewonnen haben, im Hessischen Landtag nicht immer festzustellen sind?

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Bleibt es bei der Kultusministerin, oder macht es die Sozialministerin? – Frau Sozialministerin.

Herr Abgeordneter,ich hoffe natürlich,dass sich diese positiven Erkenntnisse hier sehr schnell durchsetzen und alle weiteren Maßnahmen, die wir in diesem Bereich treffen, unterstützt werden.

Dann rufe ich jetzt die Frage 622 auf. Herr Abg. Dr. Lübcke.

Herr Präsident, wie gewünscht. Ich frage die Landesregierung:

Welches Ziel verfolgten die in Bremen und modellhaft auch an zwei Standorten in Hessen durchgeführten „Ostercamps“ für lernschwache und versetzungsgefährdete Schüler?

Frau Ministerin.