Protokoll der Sitzung vom 19.03.2013

Ich darf noch eine Frage stellen, die nicht von der Landesregierung kommt. Ich frage die Landesregierung:

Werden alle Kommunen Hessens mit unausgeglichenem Haushalt kommunalaufsichtlich auf den „100-€-Konsolidierungspfad“ (Kolidiepfa) geschickt werden?

Herr Innenminister Rhein.

Herr Präsident, sehr geehrter Herr Abg. Warnecke! Dieser in der Frage angesprochene 100-€-Konsolidierungspfad gilt unmittelbar nur für die vom Gesetzgeber als besonders konsolidierungsbedürftig qualifizierten sogenannten Schutzschirmgemeinden. Dabei handelt es sich um eine Zielgröße. Individuelle Gegebenheiten einer Kommune können es rechtfertigen, dass davon abgewichen werden kann.

Diese Zielgröße kann auf zweierlei Wegen erreicht werden: durch Maßnahmen auf der Ertragsseite oder/und durch Maßnahmen auf der Aufwandsseite.

Der jahresbezogene Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses soll zum nächstmöglichen Zeitpunkt erzielt werden, allerspätestens aber – das wissen Sie – im Haushaltsjahr 2020.

Vor diesem Hintergrund wurde mit allen teilnehmenden Schutzschirmgemeinden ein individueller Konsolidierungsvertrag mit höchst unterschiedlichen DefizitabbauZeiträumen geschlossen. Manche Gemeinden schaffen es im Jahr 2013, andere erst zum letztmöglichen Zeitpunkt 2020. Unter Berücksichtigung der individuellen örtlichen Verhältnisse wurde im Übrigen in nicht wenigen Fällen von der Zielgröße von 100 € pro Einwohner abgesehen.

Nach § 92 Abs. 3 der Hessischen Gemeindeordnung sind die hessischen Gemeinden grundsätzlich zum jahresbezogenen Haushaltsausgleich verpflichtet. Auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verpflichtet die Gemeinden nicht nur zu äußerster Sparsamkeit, sondern eben auch dazu, sämtliche Einnahmequellen auszuschöpfen. Darüber hinaus hat eine defizitäre Gemeinde nach § 92 Abs. 4 ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen.

Wenn Sie diesen Maßstab anlegen, dann kann die in der Schutzschirmverordnung genannte Zielgröße von 100 € pro Einwohner eine sinnvolle Orientierung für alle konsolidierungsbedürftigen Gemeinden sein, den gesetzlich vorgeschriebenen Haushaltsausgleich zeitnah vorzunehmen.

Ob und inwieweit darüber hinaus diese Zielgröße ein künftiges Element der finanzaufsichtlichen Beurteilungen sein sollte, ist eine Frage, die die Regierungspräsidenten mit den Landräten und den Kommunalen Spitzenverbänden unter Einbeziehung des Innenministeriums derzeit beraten. Ich will es aber nochmals sehr deutlich sagen: Wir reden

da über eine Zielgröße. Sie kann eine sinnvolle Orientierung sein. Am Ende wird es immer um die Berücksichtigung der individuellen örtlichen Verhältnisse gehen.

Zusatzfrage, Herr Kollege Warnecke.

Herr Staatsminister, habe ich Sie insofern richtig verstanden, dass – bei aller individuellen Unterschiedlichkeit – im Prinzip alle Kommunen auf dem Abbaupfad gleich behandelt werden sollen, ob sie unter den Schutzschirm gegangen sind oder nicht, sodass diese 100-€-Konsolidierungspfad-Konstruktion für alle Kommunen gilt, obwohl es – wie wir in der vorangegangenen Landtagssitzung erfahren haben – sehr unterschiedliche Bewertungen durch das Finanzministerium oder das Innenministerium zur Liquidität bzw. Leistungsfähigkeit, beispielsweise der Kommune Wildeck, gibt? Der eine sagt, die haben eine zu hohe Verschuldung, der andere sagt, ihre Verschuldung sei noch zu gering, um beispielsweise unter den Schutzschirm kommen zu können.

Herr Innenminister.

Ich habe nicht das gesagt, was Sie versuchen, in meine Antwort hineinzuinterpretieren.

Ich habe gesagt, dass dann, wenn man den rechtlichen Maßstab anlegt – insbesondere den von § 92 Abs. 3 der Hessischen Gemeindeordnung, aber auch natürlich, wenn wir über das Haushaltssicherungskonzept nach § 92 Abs. 4 reden –, die in der Schutzschirmverordnung genannte Zielgröße 100 € durchaus eine sinnvolle Orientierung für alle konsolidierungsbedürftigen Gemeinden sein kann; ich betone: sein kann.

Es ist aber vollkommen klar, dass wir für die Instrumente a) der Finanzaufsicht, b) des Kommunalen Schutzschirms, c) des Landesausgleichsstocks und d) der Haushaltsgenehmigung sehr gleichmäßige Beurteilungsmaßstäbe haben sollten.

Nächste Frage – –

(Wortmeldung der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Entschuldigung, ah ja. Mich blendet die Sonne. Ich bitte Sie.

Herr Minister, wenn Sie sagen: „Das kann ein Maßstab sein, es kommt auf die Kommune an“, streben Sie dann an, dass, ähnlich wie für die Schutzschirmkommunen, auch für alle anderen Kommunen mit Haushaltsdefizit Vereinbarun

gen mit der Kommunalaufsicht geschlossen werden, auf welchem Wege sie den Haushalt ausgleichen?

Herr Innenminister Rhein.

Nein, da wird es keine individuellen Vereinbarungen geben. Das ist nicht der Weg. Der Weg ist das Gesetz. Das Gesetz habe ich eben zitiert. Es ist die Hessische Gemeindeordnung, die klare Vorgaben darüber macht, dass es eine Verpflichtung zum jahresbezogenen Haushaltsausgleich gibt. Ich habe auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dazu zitiert. Sie macht eine klare Ansage zur Sparsamkeit und zur Ausschöpfung von Einnahmequellen. Ich habe ebenfalls gesagt, dass es natürlich § 92 Abs. 4 der Hessischen Gemeindeordnung, das Haushaltssicherungskonzept, gibt. Da ist kein Raum für individuelle Vereinbarungen. Hier gibt es klare Regelungen. Diese klaren Regelungen sind einzuhalten. Das ist zu unterscheiden von dem, was in den genannten Schutzschirmvereinbarungen getroffen wurde.

Nichtsdestoweniger können wir nach meiner festen Überzeugung nicht alles über einen Kamm scheren. Auch das ist mir klar. Aber wir brauchen schon – ich sage nicht: gleiche, aber jedenfalls – gleichmäßigere Beurteilungsmaßstäbe.

Frage 842, Frau Abg. Habermann.

Ich frage die Landesregierung:

Welches sind die Gründe für die Einstellung des Leseförderprojekts „Bibliothek in der Kiste“?

Frau Kultusministerin Beer.

Das Projekt der Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliothek in Hessen endete als Projekt plangemäß nach 20 Jahren. Es wurde kein Antrag auf eine Verlängerung gestellt. Die Schulen haben jedoch weiterhin die Möglichkeit, die Inhalte und Themen der Bücherkisten bei der Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken abzurufen.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Habermann.

In welchem Umfang wurde denn bisher die Leistung dieses Projekts bzw. diese „Bibliothek in der Kiste“ in Anspruch genommen? Gibt es darüber Daten?

Frau Kultusministerin.

Frau Abgeordnete, darüber gibt es sicherlich Daten. Allerdings habe ich die im Detail jetzt nicht hier. Die müssten erst abgefragt werden.

Wichtig ist mir, es aber nochmals zu betonen: Das ist nicht mit Einsparungen verbunden, sondern es gibt eine Absprache mit der Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken. Das ist ein gemeinnütziger Verein aus Lehrkräften, Eltern, Bibliothekaren und anderen. Die sechs Abordnungsstunden, die wir bisher zur Unterstützung des Projekts aus dem Ministerium gegeben haben, wurden zur Verstärkung der Servicestelle Schulbibliotheken umgesetzt. Daher sind dort weiterhin Abordnungen von auf sieben Personen aufgeteilten 64,7 Abordnungsstunden möglich.

Das andere kann ich gerne nachreichen, wenn Sie das möchten.

(Heike Habermann (SPD): Das wäre meine Bitte!)

Okay, alles klar, danke.

Dann haben wir Frage 843, erneut Frau Kollegin Habermann.

Ich frage die Landesregierung:

Haben sich zu den bereits bekannten elf Gymnasien in der Nachmeldefrist weitere Gymnasien in Hessen um eine Teilnahme an dem Modellversuch „G 8/G 9 unter einem Dach“ gemeldet?

Frau Kultusministerin Beer.

Gemäß einer Abfrage im Landesschulamt und hier in den Staatlichen Schulämtern im Januar 2013 hatten insgesamt elf Gymnasien die Absicht, einen Antrag auf Teilnahme am Schulversuch zum Parallelangebot G 8/G 9 zum Schuljahr 2013/2014 zu stellen. Bis zum Ablauf der Antragsfrist am 1. März 2013 sind bei uns im Kultusministerium insgesamt elf Anträge eingegangen, und zwar von zehn Gymnasien und einer kooperativen Gesamtschule. Es sind also nach wie vor elf Schulen.

Frage 844, Herr Abg. Eckert.

Ich frage die Landesregierung:

Aufgrund welcher Zuständigkeit informiert der Hessische Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

die Eltern von Grundschulkindern in der 4. Klasse mit dem Faltblatt „Das Ende der Grundschulzeit naht. Welche Schule ist nun die richtige für Ihr Kind?“ über die Wege zum Schulabschluss?

Herr Staatsminister Rentsch.

Herr Kollege Eckert, vielen Dank für diese interessante Frage. Sie wissen vielleicht, dass die berufliche Bildung in die Zuständigkeit des hessischen Wirtschaftsministeriums fällt. Im Rahmen der dualen Berufsausbildung gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten zum Erwerb weiterführender Schulabschlüsse. Diese sind oftmals wenig bekannt.

Am Ende der Grundschulzeit ihrer Kinder stehen Eltern vor der entscheidenden Frage, den geeigneten weiterführenden Bildungsweg auszuwählen. Bei Eltern besteht häufig die Auffassung, ein möglichst hoher Schulabschluss für ihr Kind sei die beste Strategie, um gute Zukunftschancen für den beruflichen Werdegang zu schaffen. Deshalb fällt die Entscheidung häufig zugunsten eines gymnasialen Schulzweigs aus.

Tatsächlich aber ist das nicht der einzige und nicht für jeden Jugendlichen der beste Weg. Auch eine duale Ausbildung bietet zahlreiche Chancen und hervorragende berufliche Perspektiven, bis hin zum Erwerb der Hochschulreife.