Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

(Christian Brandes Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

zwischen Gesellschaften, der Armut und der Armutsbewegung oder der Beschäftigung gerade in Zeiten globaler Unternehmensstrategien, Fragen der Gesundheit, der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, das sind Fragen, die nicht nur für den Osten oder die südliche Halbkugel von Bedeutung sind, sondern das sind auch existenzielle Fragen in Hamburg, Fragen, die die Chancen der jetzigen und der kommenden Generationen berühren.

Wir leben in einer immer stärker vernetzten Welt mit immer stärker werdenden wechselseitigen Abhängigkeiten, die unser soziales Leben beeinflussen. Beispiele, wie Klima oder das schreckliche Ereignis Tschernobyl, muss ich im Einzelnen nicht erläutern.

Das Wohl vieler Unternehmen in Hamburg und Fragen des Berufs und der Arbeit sind abhängig von weltweiten Entwicklungen. Deshalb ist eine und richtige Botschaft dieses Berichts die, dass alle Potenziale unserer Stadt ausgeschöpft werden müssen. Die Stadt Hamburg als Welthandelsstadt, als Stadt der Weltoffenheit muss ihren lokalen Beitrag zu einer umweltverträglichen und sozial gerechten, globalen Entwicklung leisten. Entwicklungspolitik ist schon lange keine Einbahnstraße mehr. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Zuwanderungsfrage.

Nun ist nicht zu übersehen, dass Hamburg in diesem Zusammenhang relativ viel leistet; seien es die Projekte der Hafenwirtschaft, der Kammern, die vielen entwicklungspolitischen Kooperationen mit See- und Flughäfen, die Projekte der Wasserwerke oder auch die vielen Aktivitäten in unseren Partnerstädten wie León oder auch St. Petersburg. Das heißt aber nicht, dass nicht noch mehr und manches noch besser gemacht werden kann. Darüber werden wir nach dem Senatsbericht zu diskutieren haben.

Der Bericht hat aber noch eine zweite wichtige Botschaft. Spätestens mit der Agenda 21, spätestens seit Rio und Aalborg, sind die entwickelten Länder selbst aufgerufen, ihr eigenes Entwicklungskonzept auf seine Zukunftsfähigkeit kritisch zu hinterfragen und mehr und neue Standards zu setzen.

Was muss und kann Hamburg im Sinne einer Vorbildfunktion für andere Länder in allen Politikfeldern leisten, um die konkreten Lebensbedingungen hier zu verbessern. Beispiele sind der Energieverbrauch, die Zukunftschancen der jungen Generation oder auch der Dialog zwischen den Kulturen.

Von dem „Fifty-Fifty“-Projekt in der Schule bis hin zur Teppichkonferenz wird der neue Senat eine Fülle von Aktivitäten auflisten können. Was Sie aber nicht machen dürfen – da knüpfe ich an die Diskussion des gestrigen Tages an und der neue Senat ist gerade dabei –, in den Bereichen zu kürzen, die für eine nachhaltige Entwicklung in Hamburg auch in der Vorbildfunktion von Bedeutung sind. Sie sparen zurzeit bei Schwächeren in dieser Stadt, Sie sparen bei Frauen und bei Minderheiten, Sie sparen sogar in der Entwicklungszusammenarbeit und bei den Ausgaben für Städtepartnerschaften. Das sind vor dem Hintergrund dieses Berichts und der Perspektive falsche Signale und passen in keiner Weise zu den in diesem Bericht formulierten Anforderungen. Sie sollten das auch nicht schönreden, wie das gestern zum Teil hier geschehen ist.

Der Senat wird in absehbarer Zeit seine Leitlinien vorlegen und darlegen, was und wie er es umzusetzen gedenkt. Dann wird sich die Bürgerschaft an dieser Diskussion beteiligen können und müssen. Meine Fraktion begrüßt diesen Bericht außerordentlich. In Hamburg, als einer welt

offenen Stadt, gehen wir davon aus, dass der Beirat seine Arbeit auch nach Ablauf dieser Amtszeit von drei Jahren fortsetzen kann. Wir sind gespannt auf den Bericht des Senats und auf die kommenden Diskussionen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Burkhardt Müller- Sönksen FDP)

Der Abgeordnete Harlinghausen hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Hamburg dem Anspruch einer internationalen Metropole genügen und ihn erfüllen will, sind auch eine permanente Reflexion über Entwicklungspolitik und die Akzeptanz der Notwendigkeit relevante Faktoren. Darüber herrscht in der CDU keinerlei Zweifel.

Hier handelt es sich allerdings um ein sehr komplexes Thema, das vertiefter Überlegungen bedarf. Über die Notwendigkeit, das ausgeprägte Gefälle an Lebenschancen, wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Ungleichheit abzubauen, besteht, wie ich hoffe, ein allgemeiner parteienübergreifender Konsens. Es ist nicht nur unsere moralische Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen. Massiv divergierende Lebensumstände und Chancen sind auch politisch und ökonomisch unvernünftig. Außerdem wirken sie destabilisierend und friedensgefährdend.

Entwicklungspolitik sollte deshalb nicht nur auf humanitäre Motive verengt werden. Sie dient auch ganz konkret den außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Interessen der Industriestaaten.

Im Zuge der Diskussion um eine neue Weltwirtschaftsordnung ist diese Komponente sehr stark in die Kritik geraten. Staatliche Entwicklungspolitik wird sich auch nach dem Ende des Kalten Krieges von diesem Vorwurf nie ganz befreien können.

Trotz umfangreicher Transferzahlungen hat sich das weltweite Wohlstands- und Wachstumsgefälle in den letzten Jahrzehnten nicht verringert, sondern eher vergrößert. Angesichts dieser Einsichten sollten wir jedoch keineswegs kapitulieren. Völlig neue Phänomene fordern uns mehr denn je, aus Fehlern zu lernen und über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Staatszerfall, religiöser Fundamentalismus und die damit verbundene neue Form des Terrorismus stellen völlig neue Anforderungen an die Entwicklungspolitik. Auch gilt es, auf die zunehmende Differenzierung innerhalb der so genannten Dritten Welt zu reagieren. Wir haben es nicht zu tun mit einem monolithischen Block unterentwickelter Staaten, sondern mit sehr unterschiedlich entwickelten Welten, mit verschiedenen Interessen und Bedürfnissen. Entwicklungspolitische Patentrezepte sind hier nicht angebracht.

Eine große Rolle spielen ferner die jeweiligen Sozial- und Herrschaftsstrukturen. Die so genannte Dritte Welt ist nicht immer nur eine arme Welt, sondern vielfach durch die Anhäufung eines obszönen Reichtums in den Händen von kleinen Minderheiten gekennzeichnet. Solche Strukturen durch Entwicklungshilfe zu stabilisieren, wäre in hohem Maße kontraproduktiv.

Ich will hier aus Zeitgründen nur andeuten, wie vielfältig und komplex das in der Vorlage angeschnittene Thema ist. In der letzen Sitzung des Europaausschusses haben wir bereits festgestellt, dass eine effiziente Entwicklungspolitik weniger an der Höhe des jeweiligen Haushaltstitels fest

(Günter Frank SPD)

zumachen ist. Sie darf sich nicht auf einen regelmäßigen Scheck beschränken. Die wertvollsten Hilfeleistungen sind häufig immaterieller Natur.

Der Zukunft der Entwicklungspolitik muss ein breiterer Rahmen eingeräumt werden, als es an dieser Stelle möglich ist. Die CDU hat deshalb eine Überweisung des Antrags an den zuständigen Europaausschuss beantragt. Dort können wir auch, Herr Frank, dem zweiten Bericht des Entwicklungspolitischen Beirats besser gerecht werden und mögliche Wege der Mitwirkung der Bürgerschaft eingehend diskutieren und – das sollten wir nicht vergessen – auch umsetzen. Mit der neuen Regierung bin ich da ganz sicher. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Frühauf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bedeutung der Entwicklungspolitik wird insgesamt nach unserer Auffassung in der Bundesrepublik unterschätzt. Wir haben alle Anstrengungen unternommen, um hier zu einer Aufstockung des Budgets zu gelangen. Weder im Bund noch im Land sind, wie Sie wissen, die Haushaltslagen so, dass das, was man gerne auch in diesem Bereich leisten möchte, zu leisten ist.

Wir wollen deshalb zwar nicht die Illusionen zerstreuen, die hier von einigen als Realität verkauft werden. Wir wollen gleichzeitig immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass Hamburger Politik realistische Politik sein muss und bleiben wird, wie es auch in der Vergangenheit war. Daran wird sich auch bei einem Regierungswechsel, wie er jetzt passiert ist, nichts ändern können. Deshalb bitte ich auch die Abgeordneten der GAL und der SPD, diesen realistischen Sinn für das Machbare beizubehalten, den Sie in der Vergangenheit auf diesem Gebiet bewiesen haben. Für uns kann also nichts anderes gelten als für die damalige Regierung. Es bleibt aber dabei, dass die Bedeutung der Entwicklungspolitik für Hamburg ein hervorragendes Betätigungsfeld auch für Landespolitiker ist und bleibt und noch stärker werden muss. Wir müssen das Thema debattieren. Dazu ist Ihr Antrag ein wichtiger und guter Beitrag. Auch der Beirat ist eine gute Einrichtung, um dem Thema den Stellenwert zu geben, den es haben muss. Auch der zweite Bericht, der uns vorliegt, muss debattiert werden. Damit dies in der Öffentlichkeit geschieht, soll der Senat eine Stellungnahme zu diesem Bericht abgeben. Es sollte aber auch den Abgeordneten im Ausschuss Gelegenheit gegeben werden, zu diesem Bericht und vor allen Dingen zu den darin enthaltenen Vorschlägen und Vorhaben nicht nur informiert zu werden, sondern auch Stellung nehmen zu können, diese beraten zu können. Nur durch eine breite Diskussion, zu der wir dann beitragen, indem wir es breit diskutieren, kann in der Öffentlichkeit die besondere Bedeutung der Entwicklungspolitik hervorgehoben werden.

Ich will es hiermit kurz machen und nicht das wiederholen, was schon gesagt wurde. Auch wir stimmen einer Überweisung an den Ausschuss zu.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Der Abgeordnete Maier hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich spiele heute ein bisschen den Ausputzer. Eigentlich ist dies seit der Neuverteilung das Thema des Kollegen Porschke. Weil der heute aber nicht hier ist, komme ich in Gleise zurück, die ich bis zum Herbst habe vertreten dürfen.

Weil ich das gerade gesehen habe, darf ich das Haus darauf aufmerksam machen, dass die drei Sprecher des Entwicklungspolitischen Beirats in der Loge sitzen. Ich begrüße Sie und danke Ihnen noch einmal.

(Beifall bei der SPD)

Wie sich das in der bisherigen Diskussion andeutet, kommt die Sache auf einen guten Weg. Wir sind tatsächlich in der Gefahr, dass wir immer über Globalisierung reden, die Globalisierung sich aber gleichzeitig als der Provinzialismus der Globalisierten entwickelt, die nämlich die schwarzen Löcher, die drum herum liegen, gar nicht mehr wahrnehmen. Das ist verhängnisvoll und manchmal bekommt man ein solches Verhängnis so massiv demonstriert wie am 11. September, wenn aus einem Teil der Welt, den man nicht richtig mehr in der Wahrnehmung und Beobachtung hat, plötzlich ein Angriff erfolgt, der uns schwer erschüttert. Das heißt, in Wirklichkeit ist die Welt größer als die globalisierte Welt der internationalen Ökonomie. Sie schließt mehr Menschen in schwarzen Löchern ein.

Wenn eine Stadt wie Hamburg, die in dieser globalisierten Welt eine wichtige Rolle spielt, nicht den Blick darüber hinaus öffnet mit den Mitteln, die sie hat – und Hamburg hat ganz außerordentliche Mittel und das große Verdienst des Entwicklungspolitischen Beirats besteht darin, auf die Mittel der Stadt hinzuweisen –, dann machen wir einen Fehler. Der Entwicklungspolitische Beirat hat zwar auch gesagt, man soll die Etatansätze erhöhen, aber das ist nicht seine zentrale Botschaft. Wir haben 1 Million DM im Etatansatz. Man könnte empfehlen, es auf Euro anzuheben. Das soll aber jetzt nicht in erster Linie mein Thema sein. Der Blick, den der Beirat geändert hat, läuft darauf hinaus zu sagen: Was kann die Stadt in ihrer Wissenschaftsorganisation, in ihren Handelsunternehmen, in ihren Transportorganisationen, in ihrer Infrastruktur, in ihren Fähigkeiten insgesamt tun und wie kann der Senat seine Behörden in die Lage versetzen, den Blick dafür offen zu halten? Dafür werden in diesem Bericht Vorschläge gemacht, wie beispielsweise in jedem Amt für solche Fragen eine Antenne ausgestreckt wird und nicht über riesige neue Mittelaufwendungen. Das war uns klar, das konnten wir auch nicht. Da hat dieser Beirat eine ausgesprochen kluge Arbeit geleistet. Er ist durch alle Behörden gegangen und hat sich nicht nur mit den Behördenchefs unterhalten, sondern hat abgefragt, was dort gemacht wird, und hat Vorschläge dazu entwickelt. Der Bericht wurde im Sommer fertig. Wir kamen nicht mehr dazu, unsererseits Stellung zu nehmen. Das lege ich Ihnen deswegen sehr ans Herz. Sie hatten in der ersten Zeit naturgemäß anderes zu tun.

Ich bitte Sie, diese Stellungnahme ernsthaft auszuarbeiten und diese Einrichtung auf jeden Fall beizubehalten, denn wir brauchen Leute in der Stadt, die uns diese Antennenwahrnehmung ständig sicherstellen. Wir schaffen uns für so viele Gebiete Spezialisten und hier haben wir gute Spezialisten, die eine ordentliche Arbeit für die Stadt gemacht haben und dieses sogar kostenlos. Sie haben ihre Zeit investiert. Es wird so viel über das Ehrenamt gesprochen und auch hier ist es so geschehen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

(Rolf Harlinghausen CDU)

Darum freue ich mich darauf, dass ich die Botschaft von den Regierungsfraktionen in der Richtung gehört habe, es soll im Prinzip weitergehen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Rumpf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich sehe einen breiten Konsens in dieser Frage sowie bei der Bewertung dieses Berichts. Ich verstehe aber nicht – das verzeihen Sie vielleicht einem parlamentarischen Neuling – den Sinn des Antrags, eine Stellungnahme des Senats haben zu wollen, obwohl

(Uwe Grund SPD: Weil wir sonst nicht diskutieren können!)

bereits in dem Bericht des Beirats vom Senat ein Bericht über seine Entwicklungspolitik gefordert wird. Eine Stellungnahme, Herr Maier weiß das aus seiner Erfahrung im Ausschuss der Regionen, wird in der Regel dort von Körperschaften abgegeben ohne eigene legislative oder exekutive Mittel wie dem Ausschuss der Regionen oder dem Wirtschafts- und Sozialausschuss.

Wir sollten zusehen, dass wir das Primat der Politik behalten. Deswegen stimme ich sehr für den Antrag der CDU, die Drucksache an den Europaausschuss zu überweisen und sich erst einmal inhaltlich mit diesem Bericht auseinander zu setzen, damit wir eine gewisse Erwartungshaltung haben können, wie wir die Entwicklungspolitik in dieser Stadt in Zukunft gestalten wollen. Das ist auch genauso unsere Aufgabe wie Aufgabe des Senats und in diesem Bericht stehen in der Tat einige interessante Dinge, die über die Steigerung des Etats hinausgehen, auch einige interessante Dinge unter anderem für die SPD. Das können wir dann im Ausschuss beraten und vom Senat Vorschläge unterbreitet bekommen, wie die Entwicklungspolitik selbst gestaltet werden kann. Machen wir das und überlassen wir nicht jegliche Arbeit dem Senat. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 17/315 an den Europaausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Drucksache einstimmig überwiesen worden.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5: Große Anfrage der GAL-Fraktion zur Unterbringung von Zuwanderern, Flüchtlingen und Wohnungslosen.

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Unterbringung von Zuwanderern, Flüchtlingen und Wohnungslosen – Drucksache 17/228 –]

Die GAL-Fraktion beantragt eine Überweisung an den Sozialausschuss. Wer möchte das Wort? – Frau Möller, Sie haben es.