Wichtig ist, dass man, wie es Frau Dinges-Dierig angesprochen hat, eine zentrale Stelle – eine Schülerzentralbank – einrichtet, bei der man alle tragischen Fälle dieser Stadt sammeln kann. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin seit zwölf Jahren Abgeordneter und es ist das erste Mal, dass ich mir im Vorfeld einer Debatte über meine eigenen Gefühle völlig im Unklaren war. Ich glaube, ich hatte vor dieser Debatte Angst. Angst aus zwei Gründen: Einmal, dass wir es als Parlament nicht schaffen würden, einem entsetzlichen Ereignis entsprechend zu reagieren. Das ist nicht selbstverständlich, dass das so passiert. Ich kann mich sehr gut erinnern und ich werde es nie vergessen, als an dieser Stelle ein Hamburger Innensenator den entsetzlichen Mord an einer Familie instrumentalisierte, mit den Händen auf uns zeigend sagte:
Ich werde auch nicht vergessen, dass ein Teil der CDUFraktion frenetisch Beifall klatschte. Ich werde allerdings auch nicht vergessen, dass es eine ganze Reihe von Abgeordneten gab, die völlig versteinert im Plenum saßen und denen es sehr, sehr unangenehm war.
Die ganze Debatte hier und auch die Behandlung in den Medien ist völlig anders, als wir es ein paar Mal in Hamburg erlebt haben. Das zeigt mir, dass es eine angemessene Diskussion dieses Themas gibt. Darüber bin ich außerordentlich froh. Das ist nicht zuletzt Ihr Verdienst.
Der zweite Teil meiner Angst oder meiner Befürchtung ist, ob wir es schaffen, wenigstens jetzt der toten Jessica gerecht zu werden, einem siebenjährigen Mädchen, 1,10 Meter groß, 9,5 Kilogramm schwer, als sie – auf der einen Seite mitten unter uns und auf der anderen Seite offensichtlich von aller Welt verlassen – in dieser Stadt starb.
Als Jessica lebte – ich weiß nicht, ob man dieses Martyrium überhaupt als Leben bezeichnen kann –, wurden wir offensichtlich ihrem Recht auf Hilfe zum Leben, zum Überleben nicht gerecht. Das ist für mich eine bittere Erkenntnis. In einer der reichsten Regionen der Welt – das sind wir nach wie vor – erhält jemand, der es ganz dringend braucht, keine Hilfe. Wenn wir das ändern wollen, dann glaube ich nicht, dass es ausreicht, Datenabgleiche zu machen, klarere Dienstanweisungen auszusprechen, Gesetzesänderungen vorzunehmen. Das mag alles hilfreich sein, das wird hilfreich sein, gar keine Frage, es wird auch notwendig sein. Das entscheidende Problem, meine Damen und Herren, liegt woanders.
Wenn wir erwarten, dass sich Lehrer, Sozialarbeiter, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Erzieher, alle die, die in Beratungsdiensten arbeiten, mit hoher Professionalität, mit ganz großer Sensibilität und – wenn es geht – auch mit leidenschaftlichem Engagement für ihr Klientel einsetzen, dann haben wir eine Bringeschuld zu leisten. Wir müssen sie materiell so ausstatten, dass sie diesen Aufgaben auch nachkommen können.
Wir müssen ihnen auch gleichzeitig glaubhaft deutlich machen, für wie wichtig wir sie und ihre Arbeit halten. Ich glaube, in beiden Punkten liegt es in Hamburg im Argen. Das in den nächstfolgenden Wochen und Monaten mit aufzuarbeiten, sollte Teil unserer eigenen Verpflichtung der toten Jessica gegenüber sein. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern gab es einen Bericht im NDR 3 Fernsehen, der mich zutiefst erschüttert hat. In der Medienlandschaft Hamburgs wurde über den schreckliche Tod Jessicas berichtet und alle Hamburger mussten es wahrgenommen haben, was passiert war. Vor dem Hintergrund dieses schrecklichen Ereignisses hat ein NDR-Fernsehteam bei einer Außentemperatur von einem Grad minus einen Kinderwagen an der Außenalster abgestellt, versehen mit einem Lautsprecher und einer Kassette, die ein Babygeschrei wiedergab. Es klang so, wie ein Baby schreit, wenn es Hunger oder Schmerzen hat. Dies geschah nicht am Mümmelmannsberg, nicht in Jenfeld, nein, es war in Harvestehude, an der Außenalster. Das Fernsehteam hat gefilmt, dass 182 erwachsene Menschen ohne nachzusehen an diesem allein stehenden Kinderwagen vorbeigegangen sind. Wo blieb ein erwachsener Mensch, eine andere Person, die sich darum kümmerten? Sie sind einfach weitergegangen. So etwas passiert, nachdem wir uns alle in dieser Stadt die ganze Woche vor Trauer über den tragischen Tod eines Kindes in Not und Leid schier zerrissen haben. Das ist für mich das Erschütternste gewesen.
Wir haben in Hamburg einmal eine Kampagne gehabt, die hieß "Wer nichts tut, macht mit". Ich bitte ganz dringend darum, dass wir gerade auf dem Gebiet, wo es um Hilfe für Kinder geht, wieder an alle Menschen in dieser Stadt appellieren, guckt hin, macht nicht mit, indem ihr wegschaut. Ich hoffe sehr, dass der Geist, der inzwischen in dieser Stadt herrscht, weil offensichtlich die Mehrheit in Singlehaushalten lebt und es für sie in ihren Lebensentwürfen nicht mehr vorstellbar ist, überhaupt jemals eine Familie oder Kinder haben zu können oder zu wollen, nicht überhand nimmt und die Allgemeinheit auf das Wohl der Kinder achtet. Deswegen sollten wir gemeinsam an unsere Mitmenschen appellieren: Wenn ein Kind in Not ist, guckt hin und macht nicht mit. – Danke.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Bürgerschaftssitzung haben wir an Paula Karpinski erinnert, die erste Jugend- und Familiensenatorin.
Ich weiß nicht, was Paula Karpinski anlässlich einer solchen Debatte gesagt hätte. Es wäre in die Richtung von Herrn Weinberg gegangen, ein wenig in die Richtung von Herrn Schulz. Aber, Frau Schnieber-Jastram, Paula Karpinski hätte bei einer solchen Debatte als Familiensenatorin nicht geschwiegen. – Danke.
Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b, Drucksachen 18/1882 und 18/1919, Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde sowie der Finanzbehörde.
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde – Drucksache 18/1882 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Finanzbehörde – Drucksache 1919 –]
Die Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei jedem Namen je ein Feld für Ja-Stimmen, für Nein-Stimmen und für Enthaltungen. Sie dürfen auf jedem Stimmzettel nur ein Kreuz machen. Mehrere Kreuze oder Eintragungen machen den Stimmzettel ungültig. Auch unausgefüllte Zettel sind ungültig. Bitte nehmen Sie Ihre Wahlentscheidung vor.
Sind alle Stimmzettel eingesammelt? – Das ist der Fall. Ich schließe die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden jetzt ermittelt. Ich werde sie Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt geben.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 51 auf, Drucksache 18/1852, Antrag der GAL-Fraktion: Umsetzung des Kyoto-Protokolls in Hamburg.
[Antrag der Fraktion der SPD: Umsetzung des Kyoto-Protokolls in Hamburg, hier: Berücksichtigung künftiger Effizienzgewinne und Kraftwerkskapazitäten – Drucksache 18/1916 –]
Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Umweltausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Der Abgeordnete Maaß hat das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es fällt uns sicherlich allen jetzt nicht ganz leicht, zu einem gänzlich anderen Thema zu kommen, zum Klimaschutz.
Am 16. Februar dieses Jahres ist das Kyoto-Protokoll endlich in Kraft getreten. Kyoto mag weit weg liegen von Hamburg, aber Kyoto ist aus zwei Gründen für Hamburg wichtig. Zum einen treffen die Auswirkungen des globalen Klimawandels auch Hamburg unmittelbar und zum anderen kann der in Kyoto unterzeichnete Vertrag nur dann erfüllt werden, wenn auch die Städte rund um den Globus aktiven Klimaschutz betreiben.
(Beifall bei der GAL und Dr. Monika Schaal SPD – Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)
Wir sollten uns zu Beginn der Debatte noch einmal vergegenwärtigen, warum es das Kyoto-Protokoll überhaupt gibt und warum wir heute hier über Klimaschutz sprechen. Wenn man die öffentliche Diskussion verfolgt, kann man teilweise den Eindruck gewinnen, als sei Klimaschutz so etwas wie ein Luxusspielzeug insbesondere der Grünen, das in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit vernachlässigt werden könne. Nichts jedoch wäre verkehrter auch für unsere Volkswirtschaft, denn Klimaschutz ist kein Luxus, sondern eine Frage des Überlebens.
Wir müssen auch gar nicht weit schauen, um uns zu vergegenwärtigen, was Klimawandel ganz konkret bedeutet. Wir brauchen nur die Klimaforscher am Max-PlanckInstitut in Hamburg zu fragen und was man von denen zu hören bekommt, ist wirklich alles andere als schön. Alle seriösen Klimaszenarien gehen von einer massiven Erwärmung der Erdatmosphäre aus. Im gemäßigten Szenario steigt die Temperatur um 1,4 Grad Celsius bis zum Jahre 2100 an. Andere Szenarien prognostizieren eine Erwärmung um 5,8 Grad Celsius bis zum Jahre 2100. Beides sind Veränderungen, wie es sie in diesem Ausmaß in den letzten 10 000 Jahren nicht gegeben hat. Das hat zur Folge, dass der Meeresspiegel – da sind wir in Hamburg nun wirklich nahe dran – nach diesen Szenarien in einem Rahmen von 9 bis 88 Zentimeter steigt und die meisten Forschungsgruppen gehen von einer Steigerung des Meeresspiegels um einen halben Meter aus.
Um dem Thema vielleicht ein wenig mehr Gewicht zu verleihen – ich schaue jetzt auf die Senatsbank –, möchte ich darauf hinweisen, dass es bei diesen Szenarien auch für Sylt ganz düster aussehen mag.
Das ist vielleicht auch eine Antwort auf die Aufmerksamkeit, die mir bei diesem Thema hier entgegenschlägt, gewesen.
In jedem Fall nimmt die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen zu. Insbesondere die Küstenregionen werden regelmäßig von Stürmen und Überschwemmungen heimgesucht werden. Ebenso wahrscheinlich ist nach Angaben der Wissenschaftler, dass es in vielen heute sehr fruchtbaren Gegenden weniger Niederschläge geben wird und damit auch mehr Dürren.
Ich verfalle ungern in Alarmismus, weil ich das aus den Achtzigerjahren selber kenne und diesen Ton in der Um
weltdebatte auch nicht besonders schätze, aber bei den aktuellen Prognosen der versammelten Elite der Klimaforscher müssen wir einfach konzedieren, dass tatsächlich Alarm angesagt ist, denn diese prognostizierten Aussichten, die ich gerade referiert habe, bedeuten doch in concreto nichts weniger als Tod, Obdachlosigkeit und Elend für Millionen von Menschen. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen, wenn man hier gemütlich sitzt und ganz abstrakt über die Klimaveränderung als ein schleichendes Phänomen spricht, was ja so erst einmal nicht sichtbar ist. Deswegen gibt es das Kyoto-Protokoll und deswegen ist es auch wichtig, dass wir hier heute über dieses Protokoll sprechen und vor allem für die Umsetzung dieses völkerrechtlichen Vertrags sorgen.
Kyoto kann dabei – das ist uns allen klar – nur der erste Schritt sein, nicht mehr und nicht weniger. Das Protokoll sieht für die Industriestaaten eine Reduktion der Treibhausgase um 5,2 Prozent gegenüber 1990 vor. Die meisten Industrieländer sind weit entfernt davon, die Ziele zu erreichen, die sie sich in Kyoto gesetzt haben. Bis auf Deutschland und Großbritannien wächst in den EUMitgliedstaaten derzeit der Ausstoß von Treibhausgasen. Auch in Deutschland haben wir Probleme, das sehr ehrgeizige Ziel von minus 81 Prozent zu erreichen und das vor dem Hintergrund, dass in der Wissenschaft diskutiert wird, dass diese Ziele, die wir uns in Kyoto gesetzt haben, nicht ausreichen, sondern wir Ziele brauchen, die weit über das hinausgehen, zu was sich die Völkergemeinschaft verpflichtet hat.
Gerade deswegen müssen wir unsere Anstrengungen vergrößern, um das bestehende Kyoto-Protokoll zu erfüllen. Dazu bedarf es auch konsequenten Handelns auf kommunaler Ebene. Die Kommunen sind es, die den Schlüssel zu ganz entscheidenden Bereichen des Klimaschutzes in der Hand haben. Nehmen Sie den Verkehrsbereich, der weltweit ein wesentlicher Faktor zur Steigerung der Emission von Treibhausgasen ist. Oder nehmen Sie den Bereich des Bauens, da sind es die Kommunen, die die entscheidenden Weichen stellen können. Aber nicht nur in diesen Bereichen vermisse ich Konsequenz beim Klimaschutz aufseiten des Senats.