Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Das ist schäbig.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das finde ich umso bemerkenswerter, als ich in der namhaften "Bild"-Zeitung lesen musste, dass die Mutter angeblich gesagt habe, man solle ihren Sohn einsperren. Wie kann diese gleiche Mutter gewollt haben, dass ihr Sohn allein in einem Hochhaus lebt, wenn sie doch weiß, welche Probleme er hat? Ich halte das für eine nicht wahrhafte Darstellung der Tatsachen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich fand es gut, dass Sie gesagt haben, wir müssen alle aus unseren Fehlern lernen, aber genau das vermissen wir bei Ihnen. Es tut sich gar nichts, es passiert nichts, Sie halten krampfhaft an der Einrichtung Feuerbergstraße fest und lassen Alternativen gar nicht zu. Es gibt sogar schon Stimmen aus der CDU-Fraktion, die sagen, wir müssen etwas machen für die psychisch gestörten Jugendlichen. Natürlich müssen wir das, das wissen wir aber schon seit Jahren. Und seit fünf Jahren, in denen Sie das ganze Geld für die Feuerbergstraße ausgeben, passiert auf diesem Gebiet nichts. Da haben Sie versagt, Frau Senatorin.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Und bevor jetzt wieder kommt: Was haben Sie denn alles getan? Die GAL wird in der Tat nicht müde, darzustellen, warum die geschlossene Unterbringung als Jugendhilfemaßnahme nicht geeignet ist. Wohlgemerkt, wir reden hier nicht über ein Jugendgefängnis. Das ist meiner Ansicht nach die einzige Einrichtung, die Mauern verdient und abkann. In der Jugendhilfe haben Einsperren und Mauern nichts zu suchen. Die GAL hat bereits vor vier, fünf Jahren ein großes Fraktionsprojekt gemacht – umfassende Darstellungen und Untersuchungen zu den Alternativen der Feuerbergstraße.

Ich selber mache am 4. Oktober 2006 die dritte Fachtagung zu den Alternativen der geschlossenen Unterbringung. Ich finde, das ist eigentlich Aufgabe des Senats. Es ist Aufgabe der CDU-Fraktion, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Das Feld haben Sie großmütig geräumt. Wir nehmen die Aufgabe gerne an, denn wir sind bereit, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen, und wir stehen zu unseren Konzepten, die nichts mit Kuschelpädagogik und damit, dass Jugendliche machen dürfen, was sie wollen, zu tun haben. Das ist ein Unsinn, der hier den Bürgern eingeredet wird. Eine verbindliche 24-Stunden-Unterbringung kann man auch ohne Mauern gestalten, ohne die Jugendlichen einzusperren, die durch so eine Art der Behandlung nur aggressiv werden. Nicht umsonst hat die Feuerbergstraße diese derartigen Misserfolge aufzuweisen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Lassen Sie mich abschließend noch sagen: Es ist ein Einzelfall, aber gleichzeitig ist es auch keiner. Denn nicht nur aus dem PUA wissen wir, es gibt viele solcher Fälle. Manchmal braucht man Einzelfälle, um auf die Missstände in den Strukturen aufmerksam zu machen. Ich kann Sie alle recht herzlich einladen, kommen Sie am 4. Oktober 2006 zu unserer dritten Fachtagung. Dann können wir uns die Alternativen ansehen und in Diskussion treten, und zwar mit den Fachleuten, die gegen die geschlosse

ne Unterbringung sind. Vielleicht sind auch welche dafür. Wir werden es erleben.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: War das jetzt eine Einladung?)

Das Wort bekommt Herr Schulz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass sich die Aktuelle Stunde nur sehr begrenzt dafür eignet, ein relativ kompliziertes und im Übrigen hoch emotionales und strittiges jugendpolitisches Problem zu diskutieren.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Aber Sie haben es doch angemeldet, Herr Schulz!)

Sie eignet sich sehr wohl dafür, eine Diskussion über den Punkt der politischen Verantwortung zu führen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

In diesem Falle eignet sich die Gelegenheit besonders, über den Versuch zu sprechen, sich billig aus eben dieser politischen Verantwortung zu stehlen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Deshalb haben wir in Vorwegnahme der Rede der Senatorin genau diesen Tagesordnungspunkt so benannt, wie er dort steht: Bankrotterklärung der Senatorin SchnieberJastram.

Frau Senatorin, ich habe eine Reihe von Vorgängerinnen und Vorgängern von Ihnen hier erlebt – Frau Raab, Frau Pape, Herrn Lange. Alle drei hatten zum Teil erhebliche Probleme mit Jugendpolitik im Allgemeinen, speziell mit der Politik und dem Umgang mit kriminellen, gewalttätigen Jugendlichen. Was völlig neu an dieser Situation ist, Frau Senatorin, Sie haben damit überhaupt kein Problem, Sie sind inzwischen ein Teil des Problems.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Diese geballte Mischung aus fachlicher Inkompetenz und bestenfalls mühsam verschleiertem Desinteresse, das Sie in jeder Fachausschusssitzung an den Tag legen, ist das eigentliche Problem.

(Dirk Kienscherf SPD: Richtig!)

Wenn Sie denn überhaupt zu Fachausschusssitzungen kommen.

(Christiane Blömeke GAL: Was selten der Fall ist!)

Wenn Sie denn dort sind, machen Sie kaum etwas anderes, als das Wort an irgendeinen Fachbeamten weiterzugeben. Das ist das eigentliche, zentrale Problem.

Für Sie, Frau Senatorin, sind eine ganze Reihe von Bauernopfern gebracht worden. Von den Mitarbeitern über den Leiter der Einrichtung bis hin zum Staatsrat. Die Aufzählung ist nicht vollständig. Frau Senatorin, diese Bauernopfer haben für Sie Zeit gebracht. Aber Sie haben diese Zeit nicht genutzt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Im Interesse der Kinder und Jugendlichen dieser Stadt: Frau Senatorin, lassen Sie diese Arbeit von jemandem machen, der sie kann und der sich dafür interessiert. Treten Sie zurück.

(anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kollegen! Ich will einen Argumentationsstrang, den der Kollege Schulz eben aufgeworfen hat, gerne noch einmal beleuchten und vielleicht noch einmal zu Ende führen.

Verehrte Kollegen der SPD, wer verdient eigentlich Kritik? Diejenigen, die Sie aufgezählt haben – Frau Raab und Frau Pape und Ähnliche –, die jahrelang zugeschaut haben, gesehen haben, was passiert, und nichts getan haben, oder diejenigen, die gesehen haben, was passiert und gehandelt haben?

(Beifall bei der CDU – Dr. Willfried Maier GAL: Nach fünf Jahren stinkt das Argument!)

Genau das ist hier passiert und nichts anderes.

Frau Schnieber-Jastram hat sich hier eben sehr deutlich zu dem bekannt, was wir hier gemeinsam mit ihr, als Fraktion gemeinsam mit dem Senat tragen. Wir tragen Verantwortung, ja. Wir stehlen uns auch nicht aus dieser Verantwortung. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass wir bereit gewesen sind, unpopuläre, schwierige Maßnahmen der Umsteuerung vorzunehmen, vor denen Sie sich jahrelang gedrückt haben. Auch das muss man hier einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Während der Kollege Böwer hier wortreich erklärt: Natürlich sind wir für Umsteuern. Wir wollen etwas ganz anderes. Wir Sozialdemokraten haben aus unseren Fehlern von 44 Jahren gelernt.

(Barbara Ahrons CDU: Wo denn?)

Dann sagt er: Wir warten darauf, dass andere mit uns gemeinsam irgendwo etwas Neues aufbauen.

Lieber Kollege Böwer, ich habe es Ihnen schon mehrfach gesagt, wir tragen die Verantwortung für das, was hier in Hamburg passiert. Und zwar wir hier in Hamburg selbst, nicht die Kollegen anderer Bundesländer. Wir müssen handeln und nicht die anderen Bundesländer.

(Beifall bei der CDU)

Aber ich will insbesondere noch einmal auf das eingehen, was Frau Blömeke gesagt hat. Ich finde, das bedarf einer besonderen Beleuchtung, gerade auch der Zeitablauf, den sie genannt hat.

Frau Blömeke, auch Herr Maaß vorher, sprachen von einer tollen Karriere, einer toll behüteten Wohngruppe, die der berühmte Manuel G. vorher gehabt hat. Liebe Frau Blömeke, nehmen Sie zur Kenntnis, dass in der Wohngruppe, die Sie gelobt haben – mit einem Betreuer an der Spitze – dieser Jugendliche binnen vier Monaten zwölf Straftaten begangen hat.

(Michael Neumann SPD: Warum blieb er dann alleine?)

Das war keine therapeutische Maßnahme, das war eine Ausbildungsmaßnahme, nichts anderes.