Wir werden das auf Bundesebene prüfen und die Länder werden alle daran mitwirken. Das ist unsere Aufgabe, aber unsere Aufgabe ist es auch, sachlich und mit der gebotenen Ruhe und Genauigkeit an dieses Thema heranzugehen. Darum möchte ich Sie bitten, dieses Thema nicht für Wahlkampfhickhack zu nutzen.
Daher bitte ich den Senat, in den entsprechenden Gremien daran mitzuwirken, denn die Hamburger Bevölkerung interessiert es, auch wenn Hamburg selber kein Kraftwerk hat. Deswegen bin ich mir sehr sicher, dass wir auf Bundesebene unseren Beitrag für eine genaue Klärung des Sachverhalts leisten und darum sollte es uns allen gehen. - Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema ist in der Tat angstbesetzt, das zeigt auch die Reaktion in den Medien und der Öffentlichkeit. Die Menschen wollen Sicherheit, Sicherheit auch vor den Gefahren der Atomkraft. Darum wird es in der Bevölkerung auch keine Mehrheit für die Atomenergie geben und solche Nachrichten wie heute führen dazu, dass die Abneigung gegenüber dieser Energiequelle noch vertieft wird. Es gibt durchaus Leute, die mit der Klimadiskussion versuchen, das Blatt zugunsten der Atomenergie zu wenden. Daraus wird dann wohl nichts, denn die Risiken der Atomkraft sind bekannt und darum hat es 2001 auch dazu geführt, dass der Atomausstieg ins Gesetz geschrieben wurde. In Norddeutschland ist er auch sichtbar. In den Jahren 2003/2004 wurde das Atomkraftwerk Stade abgeschaltet, das jetzt demontiert wird und das ist gut so.
Brunsbüttel und Krümmel sind seit circa einem halben Jahr abgeschaltet, weil sie nicht in Ordnung sind, und dürfen erst wieder ans Netz, wenn die Ursachen der Fehler lückenlos aufgeklärt und nachweislich eine Sicherheitsverbesserung durchgeführt wurde; das hat der Bundesumweltminister so festgelegt.
Wir haben aus dieser Geschichte gelernt, dass vor allem die älteren Reaktoren störanfällig sind. Darum hat auch der Bundesumweltminister gesagt, dass die Betreiber von Atomkraftwerken die technisch veralteten Reaktoren nach den Regeln des Atomgesetzes früher vom Netz nehmen können. Eine Übertragung von Strommengen zum Beispiel von Mülheim-Kärlich, einem Reaktor, der nie in Betrieb war, auf Brunsbüttel hat Bundesumweltminister Gabriel abgelehnt und das ist richtig. Auch Krümmel wird erst dann wieder ans Netz gehen, wenn die Probleme gelöst sind. Wichtig ist, dass die Atomkraftwerke, solange sie noch betrieben werden, keine Macken haben und die Betreiber für eine vernünftige Sicherheitskultur sorgen.
Meine Damen und Herren! Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, die Kapazität von Brunsbüttel, Stade und Krümmel fehlt nicht. Nirgends sind die Lichter ausgegangen, kein Betrieb steht still und das ist für mich das schlagende Argument gegen die Atomkraft.
Es wird immer mehr Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt und auch die Offshore-Energie vor der Küste kommt schneller in Gang.
Die Studie über das erhöhte Leukämierisiko bei Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerken zu Hause sind, ist in der Tat beunruhigend. Ich bin froh, dass dieser Studie von allen Seiten eine hohe methodische Qualität zugesprochen wird. Anders als bei früheren Studien werden die Daten nicht ernsthaft angezweifelt, darum ist auch die Aufregung so groß, sondern die Daten werden Grundlage weiterführender Studien und Untersuchungen sein müssen. Der Streit geht nicht um die Daten, sondern um ihre Interpretation und die Frage der Kausalität. Wenn sich die CDU-Umweltsprecherin hinstellt und diese Studie als Stimmungsmache gegen Atomkraft diffamiert, dann macht sie sich selber lächerlich; so einfach ist das nicht.
Es ist richtig, dass einem möglichen Ursachenzusammenhang zwischen Kernkraft und Kinderkrebs nachgegangen werden wird. Die Statistik ist eindeutig, aber die Kausalität ist es eben leider nicht, höchstens irgendwie plausibel.
Aber Plausibilität reicht nicht, um das im Gesetz festgelegte Ausstiegsverfahren über den Haufen zu werfen. Darum ist es wichtig, dass endlich aufgrund valider Daten aussagefähige Untersuchungen auf den Tisch kommen. Wir brauchen Forschungen, um zu erfahren, wie niedrig dosierte ionisierende Strahlungen wirken und was sie auslösen. Wir wissen auch viel zu wenig über Kinderleukämie. Am UKE gibt es jetzt eine Studie, deren Ergebnis wahrscheinlich in einem halben Jahr präsentiert wird. Wir wissen auch viel zu wenig über Elektrosmog, der hier möglicherweise im Spiel sein kann. - Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Senatorin, Sie haben uns vorgeworfen, wir würden die Veröffentlichung der Studie für eine reflexhafte Reaktion benutzen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass es das Expertengremium des Bundesamts für Strahlenschutz war. Dort sitzt ein ganzer Haufen von Atomkraftbefürwortern und das sind wahrlich nicht unsere Freunde, die sagen, man solle die Atomkraftwerke abschalten. Wenn diese Wissenschaftler, dieses Expertengremium, Alarm schlägt - Sie wissen selbst, dass Wissenschaftler sich ungern zu alarmistischen Kundtaten hinreißen lassen - und Sie uns vorwerfen, wir würden uns unter Berufung dieser Wissenschaftler zu reflexhaften Handlungen hinreißen lassen, dann haben Sie irgendetwas nicht verstanden, Frau Senatorin. Das geht so nicht.
Wir haben eine Gesundheitssenatorin erlebt, die sich wie eine Löwenmutter als Verteidigerin der Atomkraftwerke aufspielt, obwohl eine Studie veröffentlicht wurde, nach der es einen Zusammenhang zwischen Atomkraftwerken und Krebs bei Kindern gibt. Ich hätte von einer Gesundheitssenatorin erwartet, dass sie als Verteidigerin der vom Krebs betroffenen Menschen auftritt und hier "in die Bütt geht". Das wäre ihre Aufgabe gewesen.
Es heißt jetzt, man muss diese Studie ganz in Ruhe auswerten, es sei alles noch nicht genau bewiesen. Durch mehrere Studien ist mittlerweile bewiesen, dass es einen statistischen Zusammenhang zwischen der Wohnortnähe zum Atomkraftwerk und der Kinderkrebsrate gibt. Dieser Zusammenhang ist spätestens seit dieser Studie nicht mehr wegzudiskutieren. Es ist wissenschaftlich ebenso nachgewiesen, dass der Gehalt von Strontium-90, eines radioaktiven Materials, in den Zähnen von Babys, die in der Nähe von Atomkraftwerken leben, deutlich erhöht ist gegenüber denen, die nicht in der Nähe von Atomkraftwerken leben. Es ist ebenfalls gesichert, dass Kinder und Embryonen gegenüber Radioaktivität deutlich empfindlicher reagieren als Erwachsene. Das Einzige, was wir nicht wissen, ist, wie sich diese sehr niedrige Strahlung, die im Umkreis von Atomkraftwerken festzustellen ist, im Körper realisiert. Aber wir wissen genug, um das Problem so ernst zu nehmen und nicht zu sagen, wir wollen solange prüfen, bis vielleicht in 20, 30 Jahren - wie lange auch immer - die Forschung so weit ist, dieses unerklärliche Phänomen aufzuklären. Ihre Taktik ist, dass Sie Gras darüber wachsen lassen, damit die AKWs möglichst lange weiterlaufen können. Sie handeln im Interesse der Atomkraftwerksbetreiber und nicht im Interesse derjenigen, die von diesen Krankheiten betroffen sind, meine Damen und Herren von der CDU.
Sie setzen damit nur Ihre bisherige Diskussion über Atomkraftwerke fort. Es gibt einen klaren, nicht weg zu diskutierenden Zusammenhang, dass für Atomkraftwerke das Risiko eines größten anzunehmenden Unfalls besteht und es zu einer Kernschmelze kommen kann. Sie sagen, die Wahrscheinlichkeit sei so gering, darüber können wir den Mantel des Schweigens decken. Sie sagen auch, wir wissen zwar noch nicht genau, wo wir mit dem Atommüll bleiben, aber das bekommen wir schon irgendwie hin. All diese Risiken werden ausgeblendet und es wird gesagt, wir müssen nicht so genau hinsehen. Genauso sehe ich jetzt Ihre Position, dass Sie sagen, wir müssen erst einmal weiter forschen und in ein paar Monaten wird der Brei schon nicht mehr so heiß gegessen, wie er heute gekocht wird.
Herr Kruse, Sie haben angesprochen, man müsse diese Risiken abwägen. Genau da möchte ich Sie beim Wort nehmen. Natürlich muss man die Risiken abwägen. Aber welche Risiken sind es, wenn wir noch viel stärker als derzeit auf erneuerbare Energien setzen? Vielleicht fliegt eine Ente gegen ein Windkraftwerk, aber dadurch wird bei Kindern kein Krebs ausgelöst. Was für Risiken hat es, wenn wir noch viel stärker auf Kraft-Wärme-Kopplung, auf Energieeffizienz setzen? Diesen Fragen müssen Sie sich stellen. Wir haben die Alternativen, wir brauchen keine Technologien, wie sie bei Kohlekraftwerken oder bei Atomkraftwerken diese erheblichen Risiken auslösen. Wir brauchen viel stärker als bisher einen Umschwung in Richtung Technologien, die weder die Gesundheit noch die Umwelt schädigen. Das ist der Punkt, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Folgendes zur Betonung, um auf die wesentlichen Fragen der Ursachenforschung zurückzukommen: Es gibt keinen Zweifel, wir haben einen statistischen Zusammenhang zwischen der Kinderkrebserkrankung Leukämie einerseits und der Nähe zu Kernkraftwerken.
(Christian Maaß GAL: Habe ich gesagt!) - Das bestätige ich gerade, nur, Sie schließen daraus noch viel mehr. Daran wird gar nicht gezweifelt. Das ist auch woanders festgestellt worden, aber ich kann Ihnen nachher noch eine andere Begründung geben. Wir werfen Ihnen vor, dass Sie einseitige Schlussfolgerungen aus Ursachen ziehen. Sie schreiben die Überschrift "Erkrankungen durch Kernkraftwerke" und haben dauernd von Kausalitäten gesprochen. Diese Kausalitäten sind an keiner Stelle nachgewiesen worden. Im Gegenteil. Von den Experten ist das immer wieder ausgeschlossen worden. Dass Sie diese Tatsache nicht erwähnen (Nebahat Güclü GAL: Quatsch!) - das ist kein Quatsch, das ist die Wahrheit -
Ich stimme Frau Dr. Schaal zu, wenn Sie sagt, es kommt hier auf die Ursachenforschung an, erstens auf die Leukämieforschung überhaupt - die steckt nämlich noch nicht in den Endstadien ihrer Entwicklung - und zweitens auf die Frage der Standorte. Bei Leukämieerkrankungen ist bekannt, dass es immer schon Cluster gab. Es ist zum Beispiel zu erforschen, ob Kernkraftwerke mit Kohlekraftwerken vergleichbar sind, weil Kernkraftwerke an bestimmten Standorten liegen, einerseits in der Nähe von Flüssen und andererseits in ländlichen Gebieten mit spezifischen Belastungen durch Pestizide.
Ich bin aus den genannten Gründen für eine Ursachenforschung. Durch vergleichende Forschung könnte man hier zu weiteren Erkenntnissen kommen. Ich möchte auch auf ein amerikanisches Forschungsergebnis hinweisen. Man hat geplante Kernkraftstandorte untersucht und eine erhöhte Leukämierate festgestellt, obwohl noch kein Kernkraftwerk steht. Das heißt, es scheint hier eine standortbezogene Komponente zu sein. Das wird im Übrigen von den Verfassern der Studie angeregt.
Der nächste Punkt, der auch mit zur Ursachenforschung gehört: In der Nähe eines jeden Kraftwerks oder zumindest in der Zusammenfassung, wenn viele Windmühlen ihren Strom in eine gemeinsame Versorgungsstelle hineinschicken, gibt es eine erhöhte Dichte von Hochspannungsleitungen. Auch das muss noch präziser erforscht werden.
(Farid Müller GAL: Wen verteidigen Sie eigent- lich?) - Ich verteidige gar nicht. Ich fordere, dass wir, bevor wir vorschnelle politische Urteile fällen - das machen Sie, nicht wir -, (Beifall bei der CDU)
besonnen und behutsam über die Ursachenforschung reden. Ich will das auch in Richtung Berlin sagen, aber auch in Richtung der betroffenen Bundesländer, die das im Übrigen schon zusagen: Die Forschung muss erheblich verstärkt werden, und zwar nicht nur in der Frage, wie Leukämie entsteht, sondern auch in der Frage der Standorte, die wegen der notwendigen Kühlung immer an große Gewässer gebunden sind. Auch dies ist eine mögliche Ursache. Die sozialen Komponenten habe ich bereits erwähnt.
Ich bitte also darum, sich mit vorschnellen Urteilen zurückzuhalten, sofort auf einen bestimmten Grund zu kommen, ohne dass man präzise überlegt und vor allem erforscht hat, welches die Ursachen sind. Wenn wir die Menschen - insbesondere die erkrankten Menschen - wirklich ernst nehmen, dann müssen wir alle möglichen Ursachen intensiv erforschen. Aber erst dann können wir uns in dieser Weise politisch äußern. - Schönen Dank.
Danke, Herr Präsident. Herr Maaß, ich glaube, ich habe in meiner ersten Rede nicht den Eindruck erweckt, dass ich eine Freundin von Kernkraftwerken bin.
(Zuruf von Christian Maaß GAL) - Aber trotzdem möchte ich auf das, was Sie gesagt haben, antworten. Sie haben gesagt, dass auf jeden Fall die Wohnortnähe entscheidend ist. (Christian Maaß GAL: Statistisch ist das so!) - Statistisch schon.
Es hat zum Beispiel für den Stadtteil Allermöhe, in dem es auch zu einer erhöhten Zahl von Leukämiefällen bei Kindern gekommen ist, Untersuchungen gegeben. Diese Studie hat einwandfrei ergeben, dass sehr viele Kinder schon erkrankt waren, bevor sie in diesen Stadtteil gezogen sind. So einfach wie Sie kann man es sich nicht machen.
Ich hatte vorhin schon angedeutet, dass die Autoren der Untersuchung Einwände in Bezug auf die Belastbarkeit der Ergebnisse der Studie geäußert haben. Ich lese daraus vor:
"Fast 10 Prozent der Adressenangaben seien unvollständig, sodass die Entfernung zum Kraftwerk hier nur ungenau berücksichtigt werden konnte. In die Studie wurden topografische und meteorologische Einflüsse, die Vegetation, Unterschiede in der Hintergrundstrahlung, andere individuelle Strahlenbelastungen sowie andere individuelle Krebsrisiken und die Aufenthaltszeit am Wohnort nicht mit einbezogen. Damit wurden bestimmte Einflussfaktoren nicht berücksichtigt. Weiterhin weisen die Autoren darauf hin, dass die beobachteten Effekte möglicherweise durch andere Risikofaktoren aus der Umgebung des Kernkraftwerks verursacht worden sein können, die bisher noch nicht bekannt sind."