Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

(Sylvia Wowretzko SPD: Das ist gut, Vor- schläge sind gut!)

Traglufthallen sind als Notquartier für Flüchtlinge und Obdachlose in verschiedenen Städten eingesetzt worden und warum nicht auch in Hamburg?

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Im Gegensatz zu herkömmlichen Zelten und fensterlosen Lagerhallen können sie eine Alternative zur Notunterbringung sein. Die Traglufthalle besteht aus drei Folienschichten und funktioniert durch Überdruck im Halleninneren. Die Folien sind lichtdurchlässig, sodass tagsüber keine Beleuchtung erforderlich ist. Eine kontinuierliche Temperatur kann im Winter sowohl durch Anschluss an das Fernwärme- und Gasnetz als auch durch einen eigenen Heizungsgebläse-Containerofen sichergestellt werden. Im Sommer ist eine Klimatisierung problemlos möglich. Traglufthallen haben darüber hinaus einen entscheidenden Vorteil, der für sie als Notunterbringung spricht: Sie sind innerhalb von Tagen und damit sehr viel schneller als Containeranlagen oder sonstige Bauten aufgestellt. Benötigt wird einfach nur ein fußballfeldgroßes Grundstück mit Anschlüssen für Wasser, Abwasser und Strom. An der Jenfelder Au liegt beispielsweise eine riesige städtische Fläche brach, weil das Prestigeprojekt HAMBURG WATER Cycle mit alternativen Entwässerungs- und Energieerzeugungssystemen vom Verbraucher nicht angenommen wird. Hier wäre doch genug Platz für Traglufthallen.

Es stehen übrigens auch noch Kasernenbauten herum, deren Nutzung für Flüchtlinge der Senat aus unplausiblen Gründen immer noch ablehnt. Selbiges gilt für Freiluftschulen, in denen annähernd 400 ungenutzte Betten im Winter herumstehen und deren Nutzung als Flüchtlingsunterkunft der Senat aus völlig unverhältnismäßigen Gründen ablehnt.

(Beifall bei der FDP)

Liegenschaften von Bund und Ländern werden verschont, in private Immobilien hingegen wird zwangseinquartiert. Traglufthallen sind im Gegensatz dazu eine vertretbare Variante, um Flüchtlinge und Obdachlose im Winter angemessen unterzubringen, wenn Wohnraum fehlt. Wir bitten daher, dem hier vorliegenden Prüfauftrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

(Präsidentin Carola Veit)

Die Wahlergebnisse sind auf Seite 966 zu finden.

Das Wort bekommt Frau Bekeris von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, wenn alle gemeinsam mithelfen, Lösungen für die Unterbringung von Flüchtlingen zu finden, die zu uns kommen. Ich finde es auch gut, wenn uns hier ein Oppositionsantrag vorliegt, der diesem Anspruch, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, gerecht wird, das heißt, ganz ohne Schuldzuweisungen und an der Sache orientiert. Es ist insgesamt vollkommen unstrittig, dass wir alle Optionen prüfen müssen, um neue Plätze in der öffentlichen Unterbringung zu schaffen, und egal, mit welchen Mitarbeitern Sie bei der BASFI oder der BIS sprechen und was Sie dort hören, es werden alle Kapazitäten dafür herangezogen. Trotzdem ist es wichtig, dass jeder hier auch Denkanstöße mitbringt. Der richtige Platz, um über Vorschläge zu sprechen, die sich rund um die öffentliche Unterbringung ranken, ist der Sozialausschuss, und dementsprechend werden wir Ihren Antrag dahin überweisen und dort dann weiter beraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Martin Bill GRÜ- NE und Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Das Wort bekommt Frau Prien von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Soweit ich es verstanden habe, ist diese Idee mit den Traglufthallen nicht so ganz neu. Auch die Innenbehörde hat sich mit dieser Frage, soweit ich das gehört habe, schon einmal beschäftigt und Preise nachgefragt. Insofern bin ich nicht nur froh darüber, Frau Dutschke, dass Sie den Antrag eingebracht haben, sondern auch darüber, dass wir diesen jetzt aufgrund der Bereitschaft der Regierungsfraktionen an den Ausschuss überweisen werden. Dann werden wir sicherlich einen umfassenden Bericht der Innenbehörde und/oder der BASFI – man weiß immer nicht, wer gerade zuständig ist – zu diesem Thema hören.

Ich würde mir allerdings in diesem Zusammenhang wünschen, und vielleicht ist das auch eine Anregung im Sinne eines gemeinsamen Vorankommens, dass wir bei dieser Gelegenheit dann nicht nur über die technischen Details von Traglufthallen sprechen, sondern dass sowohl Innenbehörde als auch Sozialbehörde uns insgesamt einmal ihre Vorstellungen für die kommenden Monate darlegen. Das Problem ist – ich habe es vorhin angedeutet –, dass immer neue Ideen, wie man das Problem in den Griff bekommen könnte, in der Stadt durch den Senat ventiliert werden. Jetzt haben wir gehört, dass die Gewerbehallen die Lö

sung aller Probleme sein sollen. Da würde mich wirklich einmal interessieren, was denn jetzt das Konzept ist unter der Annahme, dass tatsächlich in diesem Jahr 30 000 und mehr Flüchtlinge zu uns gekommen sein werden. Wie sollen die untergebracht werden, was sind die konkreten Vorstellungen? Dafür ist sicherlich der Sozialausschuss ein möglicher Ort, und wir werden uns an dieser Debatte selbstverständlich konstruktiv beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt nun Herr Duge von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da, wo konstruktive Vorschläge sind, können wir diese aufnehmen. Im Weiteren müssen wir das im Ausschuss diskutieren und uns genauer anschauen, wie weit diese Traglufthallen als Ergänzung möglich sind. Sie werden mit Sicherheit nicht die Alternative zur Nutzung leer stehender Hallen sein, die in ihrer Stabilität und auch in ihrer Nutzbarkeit Vorteile bieten – ich nenne beispielsweise nur die Problematik der Eingänge bei den Traglufthallen. Auch die Kostengröße ist sicherlich zu beachten, und insofern wird es im Ausschuss der Punkt sein zu sehen, welche Möglichkeiten dort bestehen oder eben auch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ganz kurz zu dem Antrag: Ich war schon einmal in einer Traglufthalle und habe mir das angeschaut, habe aber auch mitbekommen, dass es auf Dauer ziemlich auf die Atemwege gehen kann und es auch sehr ungesund ist für die Menschen. Deshalb würden wir Ihrem Antrag in dieser Form nicht zustimmen. Man könnte vielleicht überlegen, ob sich Traglufthallen als Aufenthaltsräume für tagsüber eignen würden, aber für die Nacht wären sie nicht die richtige Wahl. Ich glaube aber auch, dass es der FDP ein bisschen darum geht, die Alternative zum Leerstand, den wir in der Stadt haben, aufzuzeigen, aber eine Traglufthalle kann wirklich nicht vier Wände aus Beton und ein festes Dach ersetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Auf

grund des herannahenden Winters sehen wir uns selbstverständlich gezwungen, entsprechend Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Dass die FDP nun einen Beitrag leistet und diese Traglufthallen für die Unterbringung vorschlägt, ist grundsätzlich zu begrüßen. Ich habe gerade gehört, Hamburg hat sogar schon zwei Traglufthallen. Das hatte ich persönlich nicht gewusst. Ich würde eigentlich sagen, dass eine Traglufthalle keine wirklich angenehme Unterbringung ist, weil man immer noch keine Tür zum Zumachen hat. Es ist wirklich wichtig, wenn wir Leute unterbringen, dass sie auch entsprechend abschließbare Türen haben und dass man eine sichere Unterbringung gewährleistet. Gegen eine Überweisung an den Ausschuss haben wir nichts einzuwenden, aber Traglufthallen allgemein sind keine vernünftige Unterbringung. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Nun liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor und wir kommen zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 21/1616 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration zu? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist ausreichend eindeutig, es zählt die Zahl der abgegebenen Stimmen. Damit ist diese Überweisung zustande gekommen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 32, das ist die Drucksache 21/1606 in der Neufassung, der Antrag der AfD-Fraktion: "Hamburger Leistungszentren" an einigen Schulen schaffen.

[Antrag der AfD-Fraktion: "Hamburger Leistungszentren" an einigen Schulen schaffen – Drs 21/1606 Neufassung –]

Diese Drucksache möchte die AfD-Fraktion an den Schulausschuss überweisen.

Wer wünscht dazu das Wort? – Herr Professor Kruse von der AfD-Fraktion, Sie bekommen es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen in der Bürgerschaft! Ich habe jetzt das Problem, dass ich von einem Thema, wo die Hütte brennt und wir kurzfristige Lösungen brauchen, zu einem vergleichsweise langweiligen, weil langfristigen Thema übergehen muss, wo wir nicht morgen, aber auf Dauer eine Lösung brauchen, und das ist die Frage des Schulsystems. Deutschland hat Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts ein dreigliedriges Schulsystem entwickelt, das insbesondere im Gymnasium eine Form gefunden hat, die viele

Länder später in ähnlicher Form übernommen haben, und das ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Deutschland von einem zurückgebliebenen Agrarstaat zu einem der fortschrittlichsten Industriestaaten der Welt geworden ist. Ab Mitte der Fünfziger- oder Sechzigerjahre hat man angefangen, diese Dreigliedrigkeit immer mehr einzuebnen bis zu dem Punkt, dass man die Hauptschulen ganz abgeschafft hat und das Gymnasium quasi zu einer Regelschule geworden ist, was nicht nur zu einer Senkung des Niveaus, sondern vor allen Dingen zu einer Nivellierung führt.

Ich möchte an dieser Stelle nicht darüber reden, ob Hamburg im Durchschnitt ein besseres oder schlechteres Schulsystem hat als andere Bundesländer. Mir geht es darum, dass die Entwicklung dazu geführt hat, dass wir die besonders begabten, leistungswilligen und engagierten Schüler gar nicht mehr fördern können, weil sie in der großen Masse versinken.

(Beifall bei der AfD)

Das ist ein Problem erstens für unsere Volkswirtschaft, weil es uns nicht mehr in gleichem Maße gelingt …

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Professor Kruse, einen Moment bitte. – Meine Damen und Herren! Für die Leere in diesem Saal ist es eindeutig zu laut und für die Debatte auch. – Herr Professor Kruse, fahren Sie fort.

Es ist nicht nur ein Nachteil für unsere Volkswirtschaft, weil wir weniger als früher eine wirklich qualifizierte Ausbildung der Besten eines Jahrgangs vornehmen können. Es ist vor allen Dingen auch etwas, das im Gegensatz zu dem steht, was früher im Vordergrund gestanden hat, nämlich die Möglichkeit, sozialen Aufstieg zu realisieren. Da schaue ich jetzt einmal die Kollegen der SPD-Fraktion an, die sich immer als Partei des sozialen Aufstiegs verstanden haben. Je weniger ein Schulsystem leistungsorientiert ist, desto weniger wird der soziale Aufstieg aus unteren Schichten realisiert, weil umso mehr die soziale Herkunft und das Geld der Eltern dafür zählt, was aus den Kindern wird.

Was schlagen wir also vor? Was wir nicht vorschlagen, ist wieder zurück zum alten dreigliedrigen Schulsystem. Das ist von gestern. Wenn es eine Differenzierung geben kann, dann kann es nur nach oben sein. Deshalb schlagen wir Leistungszentren vor, wo jeweils eine Spitzengruppe von leistungswilligen und leistungsfähigen Schülern an einem Gymnasium ausgewählt wird entweder als Beste in allen Fächern oder mit einer gewissen Spezifizierung für einzelne Fächergruppen. Ich nenne einmal die Größenordnung von vielleicht

(Andrea Oelschläger)

10 bis 20 Prozent, also eine eliteähnliche Zahl – ich bekenne mich durchaus zu diesem Wort –, und das sollten wir dadurch erreichen, indem wir den Zugang dazu nicht wie bisher vom Willen der Eltern abhängig machen – dann würden wieder nur die Kinder der klassischen gut betuchten oder bildungsbürgerlichen Eltern aus Volksdorf und Blankenese in diesen Klassen sein –, sondern es soll über einen anonymen Leistungszugang gehen. Es soll also anonyme Prüfungen geben, und diejenigen, die sie bestehen, kommen in diese Leistungsklassen und die anderen eben nicht. Das hat nicht nur den Vorteil, dass man besonders qualifizierte Schüler heranbilden kann, die entsprechend gute Voraussetzungen für die spätere berufliche Praxis und für die Universität entwickeln, sondern es hat auch vorher eine erhebliche Anreizwirkung für die Kinder. Es wird nämlich ein großer Anreiz sein, diesen Sprung zu schaffen, also Teil dieser Besten zu sein, was dann auch besondere Chancen im Leben ermöglicht. Für die Schulen ihrerseits, also die Gymnasien, die Stadtteilschulen – und die Privatschulen, nicht zu vergessen –, besteht ein ganz großer Anreiz, möglichst viele ihrer guten Schüler so zu qualifizieren, dass sie die Aufnahmeprüfung schaffen. Das wird ein Leistungsimpuls sein für die Schüler und für die Lehrer an diesen Schulen, und deshalb bitte ich Sie, dem Antrag der AfD-Fraktion zuzustimmen und ihn zunächst einmal an den Schulausschuss zu überweisen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt nun Frau Jürgens von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Schulausschuss und die Bürgerschaft haben sich mit der Begabtenförderung in der letzten Legislaturperiode ausführlich und intensiv beschäftigt, denn der Senat hat mit seinem Programm für Begabtenförderung eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die schriftlichen Ausführungen beginnen mit einem Wort von Albert Einstein:

"Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig."

Dieser Satz gilt für unser gesamtes Schulsystem und wird durch die Aussage einer Lehrerin, alle Kinder wollten gefördert werden, unterstrichen. Alle Beratungen und Begleitungen von Schulentwicklungsprozessen haben eine begabtengerechte inklusive Schule zum Ziel. So wurden an allen weiterführenden Schulen Funktionsstellen zur Begabtenförderung eingerichtet und besetzt. In der Lehreraus- und -fortbildung wurden Angebote zur Begabtenförderung fest implementiert. An vielen

Schulen in Hamburg werden bereits Konzepte zur Förderung umgesetzt.