Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

(Zurufe von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist ein Faktum, das uns gar nicht aufregen muss, das wir in aller Ruhe hier behandeln können. Die Dinge liegen so, wie sie liegen, und deswegen werden wir als SPDFraktion, auch wenn wir inhaltlich eine andere Meinung haben, Ihren Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf die Debatte eingehen, Koalitionsdisziplin – ja oder nein, Gesetzentwurf überweisen – ja oder nein.

Herr Müller, es hätte durchaus die Möglichkeit gegeben, den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Ausschuss zu überweisen, um dort eine Debatte zu ermöglichen. Sie sind ja ansonsten auch immer sehr erfinderisch, wie man aus einer politischen Haltung, wo man keine Einigung hinbekommt, ordentlich wieder herauskommt. Man hätte sicherlich auch einen Entschließungsantrag machen können und diesen Gesetzentwurf mit einem Entschließungsantrag für die zukünftige Auseinandersetzung zu diesem Thema gemeinsam hinbekommen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Da hätten wir uns einen Augenblick später wieder beschimpfen lassen müssen wegen …)

Das haben Sie zum Beispiel bei der Volksinitiative Amtsgerichtsstrukturreform hervorragend hingekriegt. Machen wir uns doch nichts vor, wenn Sie wollen, geht es auch, denn der Koalitionszwang sagt ja nicht in erster Linie, dass Gesetzentwürfe nicht überwiesen werden dürfen, sondern dass man eine einheitliche Auffassung haben sollte. Das haben wir bei Rot-Rot nicht nur einmal gehabt, da haben wir unsere Erfahrungen und da ging es auch. Also in der Beziehung, glaube ich, ist Ihre Begründung ein bisschen sehr mager, den Gesetzentwurf nicht mal zu überweisen.

Dazu kommt noch, wenn Sie selbst heute sagen, die Bertelsmann Stiftung hat ein paar neue Hinweise, darüber hätte man reden können. Wenn dann im Ausschuss nicht mal zugelassen wird, dass wir über diese neuen Erkenntnisse noch mal reden können, dass das mehrheitlich abgelehnt wird, dafür finde ich gar keine Worte mehr, denn hier sagen Sie, Sie machen es im Rahmen der Selbstbefassung, dann wollen wir es im Rahmen der Selbstbefassung machen und Sie lehnen es auch noch ab.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich meine, billiger geht es nun wirklich gar nicht.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Man weiß es nicht.)

Ja, Herr Renz, das stimmt allerdings.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Da gebe ich dir recht, Peter, da geht es noch billiger.

Ich will mich aber neben den rein formellen Fragen auch noch mal zum Gesetzentwurf selbst äußern. Unsere Auffassung zu diesem Thema „Wahlalter 16“ sollte ja bekannt sein und es wird niemanden überraschen, dass wir heute auch zustimmen werden. Wir haben bereits 1999 in Mecklenburg-Vorpommern das Kommunalwahlrecht mit 16 eingeführt, um jüngere Mitmenschen verstärkt an kommunalen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen und damit dem Grundsatz der allgemeinen

Wahl besser Rechnung tragen zu können. So war damals, glaube ich, die Begründung. Die spannende Frage ist nun, wie vor allem die CDU-Fraktion auf die Idee kommt, dass die Allgemeinheit der Wahl auf Landesebene anders definiert werden muss als auf kommunaler Ebene. Hier liegt für mich nämlich der Kern der Auseinandersetzung.

In den vergangenen Debatten wurde ja viel mit Vergleichen argumentiert, was die Jugendlichen denn mit 14 oder 16 alles dürfen oder müssen und was sie erst mit 18 oder 21 dürfen oder müssen. Da ging es um Parteimitgliedschaften, Bundeswehrzugehörigkeiten, Geschäftsfähigkeiten oder Strafmündigkeit. Das alles sind sehr anschauliche Vergleiche, sie bringen uns aber in der Sache nicht weiter, weil sie mit dem Wahlrecht nichts zu tun haben. Man muss sich nur die Frage stellen, was der Allgemeinheit der Wahl besser Rechnung trägt.

Die Allgemeinheit der Wahl ist definiert als das Recht aller Staatsbürger, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Einkommen oder Besitz, Stand, Bildung oder Religionszugehörigkeit wählen zu dürfen. Das heißt, grundsätzlich sind erst einmal alle Staatsbürger davon umfasst. Eine Eingrenzung aufgrund des Alters ist zwar zulässig, muss aber natürlich entsprechend begründet werden. Insofern finde ich es sonderbar, dass wir hier begründen sollen, warum 16-Jährige wählen dürfen sollen,

(Egbert Liskow, CDU: Gilt auch für 17-Jährige.)

eigentlich ist es Sache des Gesetzgebers, warum sie es nicht sollen. So herum wird verfassungsrechtlich ein Schuh daraus. Und diese Begründung habe ich ehrlich gesagt in noch keiner Debatte zu diesem Thema, insbesondere von der CDU-Fraktion, gehört.

(Torsten Renz, CDU: Was greifen Sie uns denn an? Wir stehen für Wahlalter 18.)

Man ist offenbar der Meinung, dass diese Jugendlichen noch nicht in der Lage sind, mit ihrem Wahlrecht verantwortungsvoll umzugehen. Die praktische Erfahrung aus Bundesländern, die ein solches Wahlrecht bereits haben, zeigt aber ganz deutlich, dass diese Angst unbegründet ist.

(Torsten Renz, CDU: Uns macht sie fertig, wir sind für 18. Punkt!)

Keines dieser Bundesländer zeichnet sich durch ein sonderbares Wahlverhalten aus und schon gar nicht durch eins, dass auf Jungwähler zurückzuführen ist. Im Gegenteil, die Erfahrungen in anderen Ländern sind durchaus positiv.

Meine Kollegin Bernhardt verwies in einer der früheren Debatten auf den Bremer Landeswahlleiter, der ausdrücklich festgestellt hat,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

dass die Absenkung auf das Wahlalter 16 sich für das Land Bremen gelohnt hatte. Und auch unsere Erfahrungen aus den Kommunalwahlen deuten ja nicht darauf hin, dass hier etwas wegen der Jungwähler schiefgelaufen wäre. Überhaupt sind viele der Argumente, die gegen das Wahlrecht mit 16 vorgebracht werden, mit Hinblick auf die Allgemeinheit der Wahl sehr bedenklich.

Mir sind da noch einige Sachen aus der Anhörung zum damaligen Gesetzentwurf in Erinnerung geblieben. Da hieß es, Jugendliche hätten kein großes Interesse an der Absenkung des Wahlalters. Das hat aber die Debatte bei „Jugend im Landtag“ – und wir werden es bei der nächsten Veranstaltung auch wieder feststellen – nicht gezeigt, im Gegenteil.

(Martina Tegtmeier, SPD: Da kommen ja auch nur extrem politisch Interessierte hin.)

Ich frage Sie: Warum unterstellen wir den Jugendlichen ein gewisses Desinteresse an Politik? Erstens glaube ich nicht, dass Jugendliche so desinteressiert an Politik sind, und zweitens kann ein allgemeines Desinteresse in einer Bevölkerungsgruppe an Politik ja nicht zum Absprechen eines Wahlrechtes für die gesamte Gruppe führen. Gibt es da wirklich Unterschiede zwischen den Erwachsenen, die bereits jetzt schon wählen können? Ich sehe sie nicht. Diese Gedanken weiter gesponnen würde ja bedeuten, dass am Ende nur noch Parteimitglieder wählen dürfen. Das ist sicherlich etwas plakativ dargestellt, zeigt aber, dass eine derartige Argumentation völlig daneben ist. Im Übrigen möchte ich jetzt aber nicht sämtliche Argumente von damals wiederholen.

(Beate Schlupp, CDU: Da gab es auch bessere.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns ist das Absenken des Wahlalters auf 16 nicht nur unter der Berücksichtigung der höheren Wahlbeteiligung im eigentlichen Argument sozusagen wichtig,

(Egbert Liskow, CDU: Sagen Sie doch mal, warum 16, warum 16!)

sondern für uns ist es ein Vertrauensbeweis an die Jugendlichen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, dass wir ihnen eindeutig zugestehen, an der Demokratie in diesem Land sowohl auf kommunaler Ebene als auch auf Landesebene mit beteiligt zu sein. Und dieses Vertrauen werden wir zurückbekommen. Solange wir ihnen dieses Vertrauen nicht entgegenbringen, werden wir sie auch nicht gewinnen.

Für uns steht fest, Demokratie muss man lernen, und lernen kann man Demokratie am besten, wenn man sehr frühzeitig damit beginnt, und das beginnt mit Wahlalter 16. Auch in Bezug auf die Eltern – und das, glaube ich, wäre ein Nebenargument – ist es, wenn die Jungwähler von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und die Eltern selbst das nicht mehr tun wollen, ein gutes Zeichen, dass junge Wählerinnen und Wähler ihre Eltern animieren könnten, an ihrem demokratischen Recht teilzunehmen.

Ich denke, dass wir uns dieser Frage in den nächsten Wochen und Monaten stellen werden, und ich hoffe, dass sich der nächste Landtag dieser Frage auch in dem Sinne stellt, dass er ein Gesetz auf den Weg bringt, das die Wahlbeteiligung der Jungwähler ab 16 ermöglicht auf Landes- und auf Bundesebene.

(Torsten Renz, CDU: Bundesebene auch noch!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, und die Fraktion DIE LINKE wird dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Petereit von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe es in der Ersten Lesung bereits gesagt: Wir unterstützen das Anliegen, das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusenken, und deshalb werden wir auch zustimmen. Dass die Wahlbeteiligung dadurch steigen wird, glauben wir nicht, und schon gar nicht so, wie die Rechenbeispiele im Antrag dargelegt werden. In absoluten Zahlen mag sich das irgendwo auswirken, aber nicht auf den gesamten prozentualen Anteil, denn so viele junge Leute gibt es dank der über Jahrzehnte herrschenden volksfeindlichen Politik inzwischen nicht mehr.

Für die Einführung des Wahlalters mit 16 ist auf den Punkt gebracht nur ein mehrheitlicher politischer Wille hier im Saal nötig. Und den gibt es offensichtlich nicht, auch wenn seitens der SPD immer wieder derartige Versprechungen gegenüber Jugendlichen gemacht werden. Der Rest ist dann Formsache, da in anderen Bundesländern die Umsetzung, wie Sie hoffentlich wissen, ja schon längst geschehen ist.

Und wenn die CDU sich weiterhin auf ihre Meinungsumfrage zum Wahlalter aus dem Jahr 2014 beruft, dann tut sie dies auch nur, weil ihr das ganz gut in den Kram passt, denn die Meinung des Volkes interessierte diese Partei weder bei der Euroeinführung noch bei der sogenannten Bankenrettung, noch bei der jetzigen Asylantenflut.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Insofern ist die Diskussion über die Herabsenkung des Wahlalters ein Stück Anschauungsunterricht für die Jugendlichen, die sich noch für Politik interessieren, ein Lehrstück über die Glaubwürdigkeit politischer Lippenbekenntnisse von sogenannten Musterdemokraten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Texter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, jetzt kommt die böse CDU und ich kann es vorwegnehmen.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das haben Sie gesagt. – Zuruf von Julian Barlen, SPD)

Ja, das habe ich gesagt, meine ich ja auch ein bisschen.