Protokoll der Sitzung vom 28.09.2012

In der Verwaltungsanweisung war in der Vergangenheit klar geregelt, dass Leistungen, die ausschließlich der Freizeitgestaltung dienen – und die gibt es auch, ich will mal so ein Beispiel nennen, wenn noch mal jemand vor seiner Hochzeit einen Tanzkurs macht, damit die Feier ordentlich über die Bühne geht,

(Jochen Schulte, SPD: Wenn das Freizeitgestaltung ist?!)

dann ist das in dem Falle schon sehr privat –, auch nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Das richtet sich aber auf die konkrete Leistung.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist präventive Scheidungsverhinderung.)

Insofern wird es weiterhin so bleiben.

Ich sage es noch mal ganz deutlich, dass die Angebote im Rahmen des Schul-, Hochschulunterrichts, der Aus- und Fortbildung und der beruflichen Umschulung befreit sind. Diese Leistungen können unter anderem den Musik-, Ballett- und Tanzunterricht für Jugendliche beinhalten. Die Befreiung von der Umsatzsteuer für privatgewerbliche Anbieter ist hier künftig sogar an keine weiteren Voraussetzungen mehr gebunden. Also de facto führt

das zu einer Entlastung, nämlich was den bürokratischen Aufwand betrifft für diese Anbieter.

Wenn aber – und jetzt komme ich zu den sogenannten Mischleistungen – Leistungen sowohl Bildungszwecken als auch der Freizeitgestaltung dienen, dann bleiben diese weiter grundsätzlich steuerfrei. Da wir ja alle die Finessen des Wörtchens „grundsätzlich“ kennen, muss ich natürlich das „Aber“ auch noch erklären:

Wir haben die Einschränkung, dass bei privatgewerblichen Anbietern künftig die Gewinnerzielungsabsicht nicht im Vordergrund stehen darf. Also die muss natürlich da sein, klaro. Wie kann man sonst ein privates Unternehmen führen? Aber im Vordergrund sollte sie bei diesem konkreten Angebot – nicht in der generellen Aufstellung – nicht stehen. In solchen Fällen wären anfallende Gewinne zur Erhaltung und weiteren Verbesserung der erbrachten Leistungen zu verwenden, um weiterhin umsatzsteuerfrei zu bleiben.

Sie haben recht, das ist für den Einzelnen, denke ich, auch wieder eine Herausforderung, es zu definieren. Aber was Steuerrecht anbelangt, werden wir wohl immer in dem Bereich bleiben, wo man jeweils abwägen muss. Das ist letztendlich im Interesse eines Steuerpflichtigen, denn auch hier gibt es sehr, sehr unterschiedliche Interessen.

Damit wird die gesetzliche Regelung auch in diesem Bereich an die bereits bestehende Unterscheidung der Steuerbefreiungsvorschriften angepasst, die eine Differenzierung zwischen gewinnorientiert arbeitenden und öffentlichen beziehungsweise gemeinnützigen Anbietern von Bildungsleistungen vornehmen. Hier wird also im Grunde durch das Jahressteuergesetz EU-Recht um- gesetzt und – auch das haben Sie schon genannt, halte ich aber auch nicht für ehrenrührig – der nicht überschaubaren Ausdehnung der Umsatzsteuerbefreiung entgegengewirkt, damit in diesem Graufeld nicht zu viele Löcher im Steuerrecht sind, denn Leistungen, die ausschließlich der Freizeitgestaltung dienen, werden nicht begünstigt.

Allerdings ist das auch keine neue Einschränkung, wie Sie wissen. Hier soll lediglich die bisher existierende Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung durch

den Gesetzgeber übernommen werden. Also auch hier findet lediglich eine Vereinheitlichung der Befreiungsvorschriften statt, die den geltenden Regelungen angepasst wird.

Um es zusammenzufassen: Es ist nicht das Jahressteuergesetz, das die Intention hat, Bildung und Kultur zu beschränken, zu verhindern und zu erschweren, sondern es ist eine Umsetzung von EU-Richtlinien, bei der wir ganz klar die Intention teilen: Bildungsangebote sollen nach wie vor steuerlich begünstigt sein. Und wenn das bis jetzt im Gesetzgebungsverfahren zu Verwirrungen geführt hat, dann sehe ich es auch so, dann sind wir alle gehalten – und so ist es auch verabredet, sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag –, eine Klarstellung über die Begründung herbeizuführen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Eifler von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Kollege Koplin, wenn Sie den Ausführungen der sehr verehrten Finanzministerin Frau Polzin zugehört haben, wäre zu erwarten, dass Sie den Antrag jetzt zurückziehen.

(Ingulf Donig, SPD: Oh! – Torsten Koplin, DIE LINKE: Das tue ich nicht.)

Einerseits ist sehr deutlich geworden, dass die Landesregierung, gerade auch an diesem Punkt, sich an dieser Stelle über die Finanzministerkonferenz sehr deutlich einbringt. Andererseits ist auch deutlich geworden, Herr Koplin, das Szenario, was Sie geschildert haben, lässt sich aus dem aktuellen Jahressteuergesetz tatsächlich nicht ableiten. Die ganz klare Botschaft ist ja hier ausgesprochen worden und da sind wir uns hier im Hause auch alle einig, dass natürlich das ganz normale Bildungsangebot umsatzsteuerfrei bleiben muss, und so ist es ja auch vorgesehen. Die Klarstellung wird über die Vertreter im Bundesrat und im Bundestag eingefordert, dass es eben nicht zu solchen Irritationen führt.

Ich will einfach noch mal zwei Beispiele bringen, um es auch ganz kurz zu machen und abzuschließen, denn wie gesagt, Frau Polzin, unsere Finanzministerin, hat das ausführlich dargelegt. Und dass wir in diesen europäischen Richtlinien drinstecken und denen folgen müssen, ist ja auch klar geworden. Aber lassen Sie mich zwei Beispiele bringen:

Wenn zum Beispiel Frau Oldenburg ihre anerkanntermaßen seidige Stimme schulen möchte, weil sie vielleicht im Kirchenchor als Sopran mitsingen will,

(allgemeine Heiterkeit)

dann ist das eindeutig umsatzsteuerfrei, es ist ein Bildungsangebot. Wenn …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vergnügungssteuerpflichtig!)

Umsatzsteuerfrei – Bildungsangebot, Herr Ritter!

(Jochen Schulte, SPD: Das habe ich jetzt nicht verstanden, flüchtig oder pflichtig?)

Wenn aber zum Beispiel Herr Ritter einen Karaokekurs machen will, um sich auf den nächsten Urlaub vorzubereiten, dann wird dies künftig der Umsatzsteuer unterliegen, denn so ein Kurs geht weit über ein klassisches Bildungsangebot hinaus. Und da sind wir uns, glaube ich, einig.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann lasse ich das lieber.)

Wenn ein bisschen Freude hier aufkommt zu dem Thema, ich denke, dass niemand das kritisieren wird. Lassen wir es!

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ich schlage vor, Herr Ritter macht uns das mal vor jetzt. – Egbert Liskow, CDU: Da gibt‘s noch mehr Beispiele.)

Nein, ich glaube, mit den zwei Beispielen ist es ja deutlich geworden, wichtig sind die Botschaft und die Ernsthaftigkeit, dass wir dafür Sorge tragen, dass die klassischen Bildungsangebote – und unabhängig, ob es sich dabei um eine öffentliche oder um eine private Schule handelt – natürlich umsatzsteuerfrei bleiben.

Und deshalb einfach noch mal das Angebot, Herr Koplin: Ziehen Sie den Antrag zurück, er ist nicht erforderlich! – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Berger von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut und wichtig, wenn wir beim Stichwort „Bildung“ an mehr denken als an das bloße Ansammeln von Wissen und dem daraus resultierenden möglichen Nutzwert. Im Mittelpunkt der Bildung, im Mittelpunkt des Lernens steht der oder die Lernende, steht der Mensch. Menschsein wiederum heißt nicht nur, zu denken, zu sprechen, die eigene Erkenntnis zu erweitern, Menschsein heißt auch seit Urzeiten und in allen Gesellschaften, eine Kultur zu pflegen, Kunst zu betreiben, Musik zu machen.

Wer also beim Stichwort „Bildung“ zuerst an die ganzheitliche Entwicklung des Menschen denkt, kommt an der Musik nicht vorbei. Sie verbindet auf das Wunderbarste die Erweiterung von Fähigkeiten und selbstverständlich auch Freude. Und Freude entsteht zweimal: durch die Selbstwirksamkeit des oder der Musizierenden, aber natürlich auch – das sage ich mal ganz optimistisch – bei den Zuhörenden beziehungsweise Zuschauer/-innen.

(Udo Pastörs, NPD: Kommt darauf an, was gespielt wird.)

Musikalische Bildung ist in allen Lebensphasen gut und sinnvoll. Lassen Sie mich dennoch speziell zur musikalischen Bildung von Kindern und Jugendlichen ein paar Worte sagen. Für die kindliche Entwicklung, für das Lernen mit allen Sinnen ist gerade die Vielfalt musikalischer Bildungsangebote von großer Bedeutung, zumal es um die Standards im schulischen Regelunterricht auch nach Meinung des Deutschen Musikrates nicht zum Besten bestellt ist.

In der Pressemitteilung des Musikrates zum nationalen Bildungsbericht 2012 – immerhin mit dem Schwerpunktkapitel „Kulturelle/musisch-ästhetische Bildung im Lebenslauf“ – kann man nachlesen: „Die Bearbeitung dieses Schwerpunktthemas war mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden, zu denen […] eine unbefriedigende Datenlage zählen.“ Weiter heißt es in der Erklärung, und ich zitiere: „Valides Zahlenmaterial über ausfallenden oder fachfremd erteilten Musikunterricht gibt es nicht.“

Wenn sich die Bildungsministerien der Länder an dieser Stelle in großes Schweigen hüllen und wir andererseits um den hohen Stundenausfall wissen, ist es wohl nicht nur eine Mutmaßung, wenn man davon ausgeht, dass Musikunterricht nach der Schule an dieser Stelle auch ein ausgleichendes Bildungsinstrument ist. Dabei sollte es egal sein, ob der Musik- oder Tanzunterricht von einer

öffentlichen oder einer privaten Musik- oder Tanzschule offeriert wird, denn in jedem Fall handelt es sich um ein Bildungsangebot, bei dem den Teilnehmern neben Spaß und Freude selbstverständlich auch spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden. Und genau das formuliert auch das Bundesfinanzministerium so in seinem Entwurf des Jahressteuergesetzes.

Gleichzeitig lesen wir aber in diesem Entwurf auch – wir haben es heute schon gehört –, nicht befreit sind Leistungen, die der reinen Freizeitgestaltung dienen. Und warum sollte nun die eine, nämlich die öffentliche Musikschule, aufgrund der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten von der Steuer befreit werden, die andere Musikschule, nämlich die in privater Trägerschaft, jedoch nach dem Freizeitfaktor?

Dass sich nun darum eine heiße Diskussion in der Gesellschaft und in den parlamentarischen Gremien entspinnt, ist nicht nur gerecht, es ist auch folgerichtig. Doch nehmen wir einmal an, dass die Erhöhung der Umsatzsteuer für private Musik-, Ballett- und Tanzschulen von der Bundesregierung nicht beabsichtigt war, sondern, wie Bundesfinanzminister Schäuble inzwischen gar nicht mehr müde wird zu betonen, unbegründete Befürchtung ist, dann müssen in diesem Fall die handwerklichen Fehler in der Novellierung des Jahressteuergesetzes schnellstens nachgebessert werden. Dazu gehören klare Formulierungen, die keine unnötigen Auslegungsvarianten lassen. Nur durch eine eindeutige Regelung bekommen die Finanzämter die Grundlage für eine einheitliche Interpretation und die privaten Musikschulen die verdiente Rechtssicherheit.

Meine Damen und Herren, musikalische Bildung gehört zur Bildung an sich untrennbar dazu und zur Bildung gehört die Erweiterung von Kenntnissen und Fähigkeiten. Deshalb sollten wir den Beitrag aller Musikschulen zu mehr Lebensfreude und Lebensqualität würdigen und uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die bisherige Steuerbefreiung durch eine eindeutige Regelung für alle Einrichtungen dieser Art beibehalten wird. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Gundlack von der SPD-Fraktion.

(Jochen Schulte, SPD: Tilo, tanzen!)

Tanzen? Nee, ich kann nicht tanzen. Ich kann …

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Kann ich die Steuern auch vorher bezahlen und muss nicht tanzen, dann geht das auch.