Protokoll der Sitzung vom 17.11.2011

(Peter Ritter, DIE LINKE: Eijeijeijei.)

und weisen die Kritik der CDU-Fraktion beim Verbandsklagerecht für die Naturschutzverbände zurück. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Eijeijeijei.)

Ich danke Ihnen und bitte nach vorne Professor Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Frau Feike, Verbandsklage ist aus meiner Sicht eine Facette des Tierschutzes und wir machen hier keinen Widerspruch auf zwischen Tierschutz und Verbandsklage. Das nur als Erstes.

Tierschutz, Tierethik und andere moralische Aspekte bei der Haltung und im Umgang mit Tieren sowohl im privaten, das betone ich, als auch im wirtschaftlichen Bereich haben an Bedeutung gewonnen. Das ist sicherlich unstrittig. Sie rücken immer mehr in das öffentliche Interesse und werden auch immer mehr respektiert.

Ich zitiere einmal aus dem Tierschutzbericht der Bundesregierung dieses Jahres, wo festgestellt wird, dass „im Berichtszeitraum … 2007 bis 2010 … wesentliche Fortschritte zur Weiterentwicklung des praktischen Tierschutzes – sowohl auf nationaler“ als auch auf europäischer

„Ebene“ zu verzeichnen sind. Und, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Bericht hebt auch hervor, dass dies dem engagierten Handeln von Bürgerinnen und Bürgern sowie den Tierschutzverbänden mit zu verdanken ist.

Sie haben die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU hier angesprochen. Im Punkt 136 wird festgestellt, dass dem „Tierschutz als Staatszielbestimmung eine besondere Bedeutung“ zukommen soll. In der gleichen Vereinbarung steht auch ein ganzer Abschnitt zur Förderung und Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements. Diesen Abschnitt, diese Aussage, diesen Ansatz unterstütze ich eindeutig. Da Sie aber nicht sagen, wie Sie das untersetzen werden, wollen wir mit konkreten Anträgen Wege aufzeigen, wie die ehrenamtlich Tätigen mehr Gewicht in der Landespolitik erhalten können. So wird bürgerschaftliches Engagement für eine gute Sache genutzt.

Nach unserem Antrag soll die Landesregierung ein Gesetz auf den Weg bringen, das den Tierschutzverbänden die gleichen Rechte wie den anerkannten, und hier unterstreiche ich wieder „anerkannten“, Naturschutzverbänden zugesteht.

(Marc Reinhardt, CDU: Wir wollen ja Tiere schützen, nicht Verbände.)

Meine Damen und Herren, in meiner langjährigen Tätigkeit als Landwirt, Agrarwissenschaftler und Hochschullehrer war ich immer eng mit der Tierhaltung, mit den Tieren und hier insbesondere mit der Verfahrenstechnik verbunden. Ich weiß deshalb sehr gut, wie umfangreich und vielschichtig zum Beispiel die Problematik der Tierhaltung zur Sicherung der menschlichen Ernährung und gleichzeitig zur Sicherung des Tierwohls ist, die auch die Umweltaspekte zu berücksichtigen hat. Dabei kommt es für mich als Verfahrenstechniker darauf an, die Produktionsprozesse den Tieren anzupassen und nicht umgekehrt. Wir hatten eine Entwicklungsrichtung vor etwa 30 Jahren, dass man etwas Umgekehrtes versuchte.

Generell sehe ich drei Interessengruppen, die dem Tierwohl verpflichtet sind:

Da ist zuerst die Gruppe der berufenen Tierschützer, deren Aufgabe es ist, ihre Fachkenntnisse zum Beispiel als Veterinäre oder Amtsmitarbeiter zum Tierwohl einzusetzen. Sie haben die Tiergesundheit und die Einhaltung der Gesetzlichkeit zu gewährleisten.

Da ist die nächste Gruppe, nämlich die, die davon leben wollen und leben müssen, dass es ihren Tieren in den Ställen oder bei der Weidehaltung gut geht, damit sie eine gute Milch- oder Fleischleistung, eine gute Wollqualität oder qualitativ hochwertigen Honig erzeugen können. Ein guter Bauer strebt danach, seinen Betrieb an den Nachfolger besser zu übergeben, als er ihn übernommen hat, und ist so seinen Tieren und ihrem Wohl verpflichtet. Die Qualität der Tierhaltung ist grundsätzlich nicht von der Größe des Betriebes, sondern vielmehr von der Qualität der Anlagen, den Haltungsverfahren und vor allem der Kompetenz der Betriebsleitung und damit dem betrieblichen Management abhängig.

Ich füge einen kurzen aktuellen Aspekt ein, der eben auch schon eine Rolle gespielt hat: Den Einsatz zum Beispiel von Antibiotika zur Mastbeschleunigung, wie

jetzt in Nordrhein-Westfalen festgestellt, darf es dabei nicht geben. Wir werden uns vereinbarungsgemäß am kommenden Dienstag, am 22.11., in einer Sondersitzung des Agrarausschusses um 09.00 Uhr hier im Hause über den Antibiotikaeinsatz in der Geflügelhaltung in Mecklenburg-Vorpommern informieren lassen.

Meine Damen und Herren, die dritte Gruppe der Tierschützer sind die, die sich dazu berufen fühlen. Bitte verstehen Sie das nicht als Abwertung oder Geringschätzung der Arbeit und des Engagements von ehrenamtlichen Tierschützern. Gerade diese Gruppe wollen wir in ihren Rechten und damit auch in ihren Möglichkeiten mit diesem Antrag stärken. Für die LINKEN ist die Einführung eines Verbandsklagerechtes für seriöse und anerkannte Tierschutzverbände – und auch das wiederhole ich: für seriöse und anerkannte Tierschutzverbände – eine Option dafür, damit sie auf Augenhöhe mit den anderen beiden vorgenannten Gruppen agieren können.

Die ersten Ergebnisse des von der Bundesministerin Aigner angestoßenen Charta-Prozesses zeigen, dass die Sicherung und Verbesserung des Tierwohls eine hohe gesellschaftliche Priorität hat. Es geht dabei sowohl um Verbesserungsbedarf bei tiergerechten Haltungsformen – wir haben große Fortschritte auf diesem Gebiet im Lande zu verzeichnen –, weiteren Züchtungsfortschritten und die Vertiefung wissenschaftlicher Grundlagen. Ebenso geht es in der aktuellen Diskussion um die Konzentration der Tierhaltung in größeren Betrieben.

Ich weiß, wie breit und wie tief noch Gräben und Schluchten zwischen sogenannten Nutzern und Schützern sind, die die beiden Hauptgruppen in der aktuellen Tierschutzdebatte darstellen. Wir brauchen in unserer Gesellschaft den breiten Diskurs und den Konsens über unsere nachhaltigen Entwicklungsrichtungen für die nächsten Jahrzehnte.

Herr Tack, Ihre Redezeit ist vorbei.

Oh! Ich komme zum Schluss.

Ich sehe es als einen Gewinn an, wenn anerkannte Tierschutzverbände im Vorfeld von Genehmigungen für Tierhaltungsanlagen Stellungnahmen abgeben können,

statt mögliche Konflikte aufstauen und eskalieren zu lassen. Und deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. – Danke sehr.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Ihnen und bitte Frau Schlupp ums Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE fordert in ihrem Antrag ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände, weil – so ist das in Ihrer Begründung zu lesen – sowohl der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als auch der Tierschutz Verfassungsrang, aber nur die Naturschutzverbände ein Klagerecht haben. Hätten Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der LINKEN, in Ihrer Begründung auf die Verbesserung des Tierschutzes abgestellt, dann hätte ich Ihnen an dieser Stelle zumindest in der Zielstellung Übereinstimmung signalisieren können. Da Ihr Antrag selbst über

den von mir bereits genannten Grund hinaus keine Ansatzpunkte bietet, warum Sie diesen Antrag stellen, werde ich versuchen, mögliche Gründe systematisch abzuarbeiten.

Wie Sie selbst ausführen, genießt der Tierschutz nach Artikel 20a des Grundgesetzes in Deutschland Verfassungsrang. Schon heute gewähren das Tierschutz- gesetz, Haltungsverordnungen, das Zoogesetz, aber auch die Tierschlachtverordnung und zahlreiche andere rechtliche Vorgaben die Einhaltung des Tierschutzes. Ein Regelungsdefizit haben wir also nicht. Demnach unterstellen Sie ein Vollzugsdefizit, dem dann durch ein Verbandsklagerecht der Tierschutzverbände abgeholfen werden soll, da sich das Verbandsklagerecht für anerkannte Naturschutzverbände in MecklenburgVorpommern seit vielen Jahren bewährt habe.

Dass die letzte Aussage nicht von allen hier im Land geteilt wird, ist durchaus bekannt. Von daher lohnt es sich schon, das Verbandsklagerecht kritisch zu beleuchten. Nicht nur – und auch das sprachen Sie an –, dass die Nichtverletztenklage nach unserer Auffassung nach wie vor ein Fremdkörper im deutschen Recht ist, gibt es durchaus eine Vielzahl praktischer Beispiele für fragwürdige Praktiken in der Umsetzung.

Ich habe in diesem Zusammenhang mehrfach auf den Klageverzicht des BUND gegen den Bau der Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland durch die Nord Stream AG hingewiesen. Hier war offensichtlich die Gründung der Naturschutzstiftung Deutsche Ostsee mit einem Finanzvolumen von 10 Millionen Euro der Auslöser für den Klageverzicht. Andere Beispiele, wie der Verzicht des NABU auf die Verbandsklage beim Flughafen Lübeck für 2,5 Millionen Euro oder der Verzicht auf eine Verbandsklage durch den BUND im Bereich des Offshoreprojekts Wangerooge für 810.000 Euro, verdeutlichen, dass diese Praxis sich durchzusetzen scheint.

Dabei können nur wirklich naive Gemüter meinen, dass die Unternehmen selbst die für den Naturschutz ausgehandelten Summen bezahlen. Jeder, der mit einigermaßen offenen Augen durch diese Welt geht, weiß, dass dieses Geld und auch alle mit der Rechtsberatung im Verfahren mit den Umweltverbänden entstandenen Kosten in die Gesamtkostenkalkulation der Unternehmen einfließen. Die Zeche zahlt also der Endverbraucher oder aber, in Fällen wie dem Flughafen Lübeck, der Steuerzahler.

(Torsten Renz, CDU: Genau. – Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Unternehmen haben aber eingeschätzt, dass es billiger wird.)

Ich kann mir auch das berühmte Beispiel einer Straßenbaumaßnahme nicht verkneifen, in deren Umsetzung man eine ganz empfindliche Vogelart umsiedeln musste, um einer Klage aus dem Weg zu gehen – natürlich auch auf Kosten der Steuerzahler. Aber was passierte? Die undankbaren Tiere kehrten an den Ort des Geschehens, sprich die jetzt viel befahrende Straße, zurück, beobachten ungerührt den fließenden Verkehr und freuen sich ihres Lebens. Auch das ist kein Einzelfall.

Oder: Wie viele sinnvolle Maßnahmen bleiben wegen einer Klageandrohung der Naturschutzverbände auf der Strecke? Hier möchte ich auf eine Petition aus 2010

verweisen. Die Petenten beklagen, dass ihre unter Denkmalschutz stehenden Häuser durch die schlechten Straßenverhältnisse Schaden nehmen. Die Sanierung der Straße scheiterte am Nein von BUND und NABU zur Abholzung einer Kastanienallee, deren Gesamtzustand nach behördlicher Einschätzung besorgniserregend war. Ich nenne nur zwei Stichworte: Brandkrustenpilz und Blattbräunepilz. Der Vorgang datiert aus dem Jahr 2006. Bis zum Jahr 2010 war nichts passiert, außer, dass zwei Bäume aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gefällt werden mussten, weitere zwölf kurz vor der Fällung standen und ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden sollte, und ich zitiere aus der Petition, „da man davon ausgeht, dass ein von den Naturschutzverbänden angestrebtes Klageverfahren gegen die untere Naturschutzbehörde langwieriger sein werde als ein Planfeststellungsverfahren.“ Da kann man nur sagen: Herzlichen Glückwunsch!

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Da wurden doch alle Anwohner dieser Alleenstraße auf einen Schlag für die Belange des Naturschutzes sensibilisiert.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Alles wird verhindert hier im Land.)

Und hier zeigt sich ganz deutlich das Grundproblem: Man hat Verbänden die Möglichkeit eingeräumt, durch ein Klageverfahren Investitionsvorhaben über Jahre zu verhindern, unabhängig davon, ob die Klage berechtigt oder unberechtigt ist. Und derartige Verzögerungen können so manches Projekt kippen und haben schon so manches Projekt gekippt. Wer sagt denn, dass Unternehmen für den Klageverzicht zahlen, weil sie den Ausgang des Verfahrens fürchten? Ist es nicht eher der befürchtete Zeitverzug, der die Realisierung des Vorhabens als Ganzes infrage stellen würde, der die Unternehmen zahlen lässt und am Schluss dann Verbraucher und Steuerzahler? Und war das vom Gesetzgeber wirklich so gewollt?

Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, Ihr Antrag wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet, und von daher werden wir in ablehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Dann wäre es ja gut, wenn wir ihn überweisen würden, um diese Fragen zu beantworten. Sie haben kein Interesse, Antworten zu erhalten. Das ist es doch.)

Ich danke Ihnen, Frau Schlupp.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/74. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/74 mit den Gegenstimmen von SPD und CDU sowie Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Rentengesetzliche Regelungen ändern – gesetzliche Rente zur armuts-

festen Säule der Alterssicherung machen. Das ist die Drucksache 6/76.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Rentengesetzliche Regelungen ändern – gesetzliche Rente zur armutsfesten Säule der Alterssicherung machen – Drucksache 6/76 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Stramm.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Auch wenn gestern das Bundeskabinett den Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gesenkt hat, halten wir unseren Antrag nicht für erledigt, denn als im Frühjahr Ministerpräsident Sellering in einer Studie auf die drohende Altersarmut aufmerksam machte, hat er uns doch den Beweis der drohenden Zunahme von Altersarmut aus regierungsverantwortlichem Munde bestätigt.