Protokoll der Sitzung vom 06.09.2013

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ausschussvorsitzende hat gerade darauf hingewiesen, dass das Abstimmungsergebnis einstimmig war, darin eingeschlossen auch unsere Jastimmen, aus gutem Grund, denn das Meldesystem zu den U-Vorsorgeuntersuchungen ist lobenswert, weil erfolgreich. Und weil wir von der Richtigkeit und Wichtigkeit dieser Sache überzeugt sind, haben wir auch dem ungewöhnlichen Verfahren zugestimmt, eine Erste Lesung mit der Zweiten Lesung in einer Sitzungsperiode zu verbinden. Ich will aber schon sagen, dass ein gewisser Unmut aufgekommen ist, denn es ist ein ungewöhnliches Verfahren. Und da es auch in der Vergangenheit verspätete Gesetzentwurfseinbringungen gegeben hat, bitten wir dringend darum, dass es dann für die Ende des Jahres angekündigte Novelle in einem ordentlichen Verfahren abläuft.

Aber ich will auf zwei Dinge ganz gerne noch mal ein- gehen.

Das eine ist – die Frau Vorsitzende hat darauf Bezug genommen – der Diskurs über die Finanzierung. Es ist uns in der Sitzung in dieser Woche eine Stellungnahme des Sozialministeriums aus dem Jahre 2008 vorgelegt worden, unterzeichnet noch von dem damaligen Staatssekretär Herrn Dr. Schmülling. Daraus geht hervor, dargelegt, dass ein konnexer Sachverhalt nicht gegeben ist.

Gleichwohl sollten wir das uns noch mal genauer anschauen, denn es gibt erst einmal eine gewisse Widersprüchlichkeit, wenn man feststellt, also die Gesundheitsämter gehen mehr als 6.000 Meldungen nach, die sie bekommen, weil die Vorsorgeuntersuchungen anscheinend nicht erfolgt sind.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ziemlich fehlerhaft!)

Dann geht man dieser Sache nach, stellt fest, dass es zeitliche Überschneidungen gibt beziehungsweise Ärztinnen und Ärzte sich nicht zurückgemeldet haben, sodass man in diesen Fällen, in der übergroßen Zahl der Fälle, nicht von Kindeswohlgefährdung ausgehen kann. Aber Kindeswohlgefährdung ist das Kriterium im ÖGDG, was letztendlich gezogen wird, wenn man sagt, die kommunale Ebene hat zu bezahlen. So. Also da sind noch gewisse Zweifel. Wir wollen uns das mal angucken, wenn wir insgesamt Ende des Jahres an dem dann vorliegenden Gesetzentwurf arbeiten wollen.

Und das Zweite, was ich ansprechen möchte, ist, Frau Ausschussvorsitzende hat gesagt, dass wir einen Ent

schließungsantrag eingebracht haben, und hat das Nachlesen empfohlen. Das wollte ich Ihnen ganz gerne ersparen, indem ich Ihnen sage, wir wollten gern inhaltlich die Vorsorgeuntersuchung, dieses Meldeverfahren, ausdehnen auf U10, U11 und J2. Das sind sehr wichtige Vorsorgeuntersuchungen, die hier stattfinden. Ich nenne nur mal Dinge, die dort erkannt zu werden versuchen, wie zum Beispiel Diabetes oder Sozialisations- und Verhaltensstörungen, ADHS und andere Dinge, die auf alle Fälle in Betracht kommen müssen, wenn wir über ein gedeihliches Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen sprechen. Es ist also sachlich schwer zu begründen, warum wir das nicht ausdehnen sollten.

Herr Kollege Barlen hat in der Ausschusssitzung darauf verwiesen, dass seitens der GRÜNEN noch viele Fragen bestehen würden und man auch seine Zeit bräuchte. Das ist sicherlich zu akzeptieren. Gleichwohl haben wir unser Ansinnen in der Abstimmung aufrechterhalten und werden das dann auch noch mal zum Vortrag bringen, wenn wir eine umfassende Novelle des ÖGDG vornehmen wollen.

So weit meine Ausführungen für die Fraktion DIE LINKE. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Barlen von der Fraktion der SPD.

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich mal, auch seitens der SPD-Fraktion, bei allen Beteiligten bedanken, die zum einen an der Ausführung dieses segensreichen Erinnerungssystems beteiligt sind hier im Lande, aber die auch hier im Parlament mitgeholfen haben, dass wir ein so unkompliziertes Verfahren Wirklichkeit werden lassen konnten. Das nützt der Sache.

Wie wir schon in der Einbringung des Gesetzentwurfes diskutiert haben, beziehungsweise Frau Ministerin Schwesig hat es uns sehr ausführlich und vor allen Dingen auch mit vielen Daten und Fakten unterlegt präsentiert, ist es so, dass sich das System der Erinnerung an die U-Untersuchungen in Mecklenburg-Vorpommern bewährt hat. Die Zahlen sprechen nach wie vor für sich. Und gemeinsam mit den Eltern, gemeinsam mit den Krankenkassen, mit den Ärzten, mit dem Landesamt, mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst und den Jugendämtern leisten wir durch diese Regelung einen sehr wichtigen Beitrag zur Kindergesundheit im Lande und erhöhen die Aufmerksamkeit dafür, wie wichtig es ist, Kindern in MecklenburgVorpommern einen gesunden und einen unbeschwerten Start ins Leben zu ermöglichen. Und deshalb ist die Entscheidung, dass wir uns jetzt auf die Entfristung dieser guten Regelung konzentrieren, genau richtig.

Die weiteren Punkte hat Ministerin Schwesig in ihrer Einbringung ja schon angekündigt, und da besteht übrigens Bereitschaft und auch der Wunsch, auch jenseits der Fraktion DIE LINKE. Der Redebeitrag vom Kollegen Koplin war da vielleicht ein bisschen misszuverstehen, dass DIE LINKE da Verbesserungen, zum Beispiel eine Ausdehnung auf die J-Untersuchung, fordert und andere würden das nicht fordern. Darum geht es gar nicht. Wir hatten uns interfraktionell mit den demokratischen Fraktionen geeinigt, dass wir uns jetzt auf die Entfristung kon

zentrieren und danach in einem weiteren Verfahren vernünftig die anderen Punkte klären. So.

Das Erinnerungssystem für die U-Untersuchungen ist ein wichtiger Mosaikstein, das möchte ich auch betonen. Es ist nicht eine isolierte Maßnahme, sondern ein Mosaikstein in unserer Gesamtstrategie für mehr Kindergesundheit und für mehr Kindeswohl in Mecklenburg-Vorpom- mern, und das gemeinsam als ein wichtiger Punkt mit vielen anderen Maßnahmen, wie zum Beispiel den Familienhebammen, die wir unterstützen, mit der besonderen individuellen Förderung in den Kitas in Verbindung mit dem Dortmunder Entwicklungsscreening, gemeinsam mit den Festlegungen zur gesunden Ernährung, unter anderem in der Kindertagespflege, mit dem Kinderschutzprogramm, mit der Sportförderung in Kitas und Schulen, mit dem Konzept der Kindergesundheitsziele und viele mehr.

Meine Damen und Herren, die Erziehung hin zu einer gesunden Lebensweise ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die maßgeblich dazu beiträgt, wie Kinder morgen und übermorgen, also wie die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land in Zukunft leben werden. Und hier müssen die Elternhäuser und, wo nötig, auch die öffentliche Hand zusammenarbeiten. Dort, wo familiäre Strukturen, aus welchen Gründen auch immer, versagen, muss zunächst einmal das Kindeswohl im Vordergrund stehen, da muss die öffentliche Hand unterstützend und helfend eingreifen. Und bei dieser umfassenden Prävention in der frühen Phase des Lebens geht es eigentlich ja um nicht weniger als die wesentliche Voraussetzung für ein glückliches und für ein eigenständiges Leben und natürlich auch um die Voraussetzung für die Kinder, in ihrem späteren Leben auch Teilhabe am sozialen und am Arbeitsleben zu genießen.

Und, meine Damen und Herren, für diese Chance sozusagen auf Gesundheit und Glück durch die genannten Mosaiksteine und demzufolge auch durch die Fortsetzung des Erinnerungssystems, durch diese Maßnahmen sozusagen das politische Fundament zu legen, das ist unsere gemeinsame Verpflichtung. Das sind wir den Kindern und den Eltern in unserem Lande schuldig und deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Meine beiden Vorredner und auch Frau Tegtmeier haben ja schon gesagt, dass dieses Gesetz am Mittwoch hier eingebracht wurde, wir Mittwochabend relativ spät dann noch mal eine Sozialausschusssitzung hatten, um dieses heute zu entfristen.

Ich möchte auf zwei Punkte eingehen, warum vorhin auch von Herrn Koplin noch mal gesagt wurde, die GRÜNEN haben wenig Zeit. Es ist bei uns in der Fraktion sehr wohl diskutiert worden, wie man mit dieser Entfristung umgeht. Wie Sie sich erinnern, waren wir 2008 nicht im Landtag, also wir kennen bestimmte Debatten nicht. Wir haben auch jetzt im Sozialausschuss das Schreiben

bekommen – ich glaube, das war vom Städte- und Gemeindetag – zur Konnexität. Das heißt, es sind noch mal andere Aspekte reingekommen in die Debatte, die leider – wie üblich – nicht möglich waren zu diskutieren, sondern da hat das Sozialministerium möglicherweise etwas verpasst, eben die Entfristung frühzeitig, rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Ich finde das ein bisschen bedauerlich, insbesondere weil der Grund für diese Änderung des Passus in Paragraf 15b, die auf den Weg gebracht wurde, der Tod von Lea-Sophie hier in Schwerin war. Ich selbst war damals Jugendhilfeausschussvorsitzende und wir haben uns in einem anderen Kontext hier in der Stadtvertretung und in dem Jugendhilfeausschuss dazu verständigt.

Wir haben bislang in der Fraktion noch nicht die Möglichkeit gehabt, uns grundsätzlich über die U-Untersuchungen und auch nicht über die Untersuchungen, die Sie vorgeschlagen haben mit Ihrem Entschließungsantrag, nämlich die Erweiterung auf die Untersuchungen U10 und U11 und auf die Jugenduntersuchungen J1 und J2, zu verständigen. Sie glauben mir das, dass es sicherlich bei uns möglicherweise auch noch mal anders diskutiert wird, weil hier doch ein großes Kontrollsystem in Gang gesetzt wird.

Und die Frage ist: Was trauen wir den Jugendlichen beispielsweise zu, wenn sie mit 16 wählen können, aber eine Aufforderung zum Arztbesuch bekommen? Mög- licherweise würde es vielleicht Erwachsenen dann auch ganz gut zutage stehen.

(Udo Pastörs, NPD: Gut zutage stehen?)

Also ich denke, hier wird noch mal diskutiert werden müssen, inwiefern diese Vorsorgeuntersuchungen – gerade mit diesen Meldeverfahren, denn es sind ja auch Meldeverfahren, die da vonstattengehen – mit den Aspekten der Selbstbestimmung, für die wir Bündnisgrüne stehen,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wir auch.)

legitimiert werden können.

Aber ich möchte noch zwei Punkte herausstellen, die im Sozialausschuss diskutiert wurden und die ich doch sehr beachtlich und bedeutsam finde. Und die müssen wir uns gerade bei der anstehenden Novellierung im Herbst/Winter noch mal auf die Tagesordnung ziehen. Das war die vom LAGuS beschriebene hohe Fehlerquote. Also da, finde ich, müssen wir schauen, wo sind die Bruchstellen und inwiefern arbeitet das örtliche Gesundheitsamt mit dem örtlichen Jugendhilfeträger zusammen. Gibt es dort möglicherweise auch Verbesserungsbedarf? Das darf nicht beim ÖGDG enden.

Das Zweite ist die Interpretation der Konnexität, das hat der Abgeordnete Koplin eben schon gesagt. Das Schreiben ist schon zweideutig zu lesen, je nachdem, worauf man den Fokus setzt. Ich denke, dass dieses Meldeverfahren andere Standards mit sich bringt und somit auch ein Mehrbedarf notwendig ist. Ich denke, auch diesen Tagesordnungspunkt sollten und müssen wir uns in den Sozialausschuss ziehen und hier möglicherweise auch noch mal mit den Finanzern sprechen.

Ich hoffe auch, dass es ein erster Schritt war. Da nehme ich die Ministerin beim Wort, das hat sie hier am Mittwoch gesagt. Denn wir müssen das ÖGDG ja an die EUPatientenrichtlinie anpassen. Ich wünsche mir dafür mehr

Zeit und ich denke, das ist in unser aller Sinne. Wir hatten vorgestern den Bericht des Integrationsförderrates und von daher lassen Sie uns dieses Gesetz dann im Herbst anpassen. Dieses Verfahren sollte kein Präzedenzfall sein, dennoch sehen wir die Notwendigkeit, vom jetzigen Zeitpunkt an zu entfristen, und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dieser Gesetzesänderung zustimmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schubert von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Gesetzesänderung ging es nur um die Entfristung und insofern wird die CDU-Fraktion dem zustimmen. Alles andere wird später sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: So wünsche ich mir die Redebeiträge. – Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon verwunderlich, dass Vorschläge zur Änderung von Gesetzen, bei denen Fristen abgelaufen sind oder in Kürze ablaufen, vor allem aus dem Sozialministerium immer zu spät dem Landtag vorgelegt werden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben Sie auch einen sachlichen Beitrag abzugeben, Herr Köster?)

Aber betrachten wir uns noch einmal den Werdegang dieses Gesetzes.

Herr Dr. Nieszery, das ist doch eine Tatsache, oder nicht?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Es geht hier um eine Entfristung.)

Im April 2007 forderte die NPD-Fraktion mittels eines Gesetzentwurfes, die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen von Kindern zu steigern und die Untersuchungspflicht einzuführen. Zahlreiche Fälle von Vernachlässigungen von Kindern erforderten ein unmittelbares Handeln. Herr Dr. Nieszery übernahm damals, als er noch Aktivitäten hier im Landtag entfaltete, die Gegenrede.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Herr Köster, machen Sie sich mal keine Sorgen um mich! Machen Sie sich mal keine Sorgen! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Aus seiner Rede von damals zitiere ich wie folgt, Zitat: „Nahezu alle Fachleute sind sich einig, dass eine Unter

suchungspflicht nicht gegen Kindesmisshandlung oder Vernachlässigung hilft.“

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Weiterhin sprach sich Herr Nieszery gegen eine Landeslösung aus und erhoffte vielmehr eine bundesweite Lösung. Die Hoffnung, Herr Dr. Nieszery, stirbt bekanntlich zuletzt. Und Sie würden wahrscheinlich bis heute auf eine bundesweite Lösung warten müssen.