Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

(Minister Dr. Till Backhaus: Da waren Sie auch nicht dabei.)

Zum einen wollten sie, was verständlich ist, ihre eigenen Interessen wahren, zum anderen waren sie überzeugte Anhänger der Idee einer industrialisierten Landwirtschaft der großen Flächen.

(Vincent Kokert, CDU: Da haben wir die Ideologie wieder.)

Immerhin hat dann 2002 Mecklenburg-Vorpommern als einziges Bundesland die Listen mit den als gescheitert angesehenen LPG-Umwandlungen von Professor Bayer angefordert. Nach meinen Informationen wurden die dort aufgeführten Betriebe, also die erwähnten Scheinrechtsnachfolger der LPG angeschrieben – das ist aus der Kleinen Anfrage, die ich gestellt habe, mit der Drucksachennummer 6/2606 ersichtlich –, um ihnen dann das vermutete Scheitern ihrer Umwandlung mitzuteilen und um sie aufzufordern, die Angelegenheit zu regeln.

Für das Landwirtschaftsministerium war die Sache damit erledigt. Man hat es weder für notwendig gehalten, die Mitglieder der LPG zu informieren, noch hat man geprüft, was die Betriebe, die mit ihrer vermuteten gescheiterten Umwandlung konfrontiert waren, unternommen haben. Es tut mir leid, meine Damen und Herren, das sieht für mich überhaupt nicht danach aus, als wolle man Rechtssicherheit herstellen. Weshalb hat man bei den Registergerichten keine Überprüfung der LPG-Umwandlungen, zumindest bei den von Professor Bayer aufgelisteten Fällen, vorgenommen?

Meine Damen und Herren, es geht ja auch nicht jedem, der jetzt an dem Thema noch leidet, darum, eine große Nachzahlung zu erhalten, es geht häufig schlicht darum zu erfahren, was damals wirklich passiert ist, denn ein normales LPG-Mitglied hatte keinen Überblick über die finanzielle Situation der LPG und hatte auch keinerlei Erfahrungen mit der Marktwirtschaft.

(Thomas Krüger, SPD: Und die Vorstellung hatten Sie?)

So war es denn auch die totale Intransparenz der meisten Verfahren, die Anlass bietet, an der Höhe der errechneten Auszahlung zu zweifeln.

In den Handlungsempfehlungen, die die Enquetekommission in Brandenburg im Zusammenhang mit den vermutlich gescheiterten LPG-Umwandlungen ausspricht, wird eine ganz aktuelle Regierungsverantwortung gesehen. Nach Paragraf 70 Absatz 3 Landwirtschaftsanpassungsgesetz kann die oberste Landesbehörde, sofern ihr Anhaltspunkte für ein gesetzwidriges Verhalten bei der Geschäftsführung der LPG vorliegen, deren Geschäftsführung prüfen.

In Brandenburg wird auf diesen Paragrafen Bezug genommen. Dort werden jetzt weitere Schritte eingeleitet. Im Rahmen des rechtlich Zulässigen soll die Landesregierung Brandenburg auf Aufforderung der Enquetekommission nun aktive Unterstützung leisten. Dies kann geschehen, schreiben sie, zum Beispiel in Form von abstrakten Empfehlungen an die vermeintlichen Rechtsnachfolger und an die Mitglieder der bislang unerkannten, immer noch in Liquidation befindlichen LPG. Also die LPG-Mitglieder sollen aktiv mit einbezogen werden über die außergerichtlichen und zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Klärung der Rechtsverhältnisse. Diese Möglichkeit, meine Damen und Herren, ja, diese Pflicht hat das Land Mecklenburg-Vorpommern auch.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich wird eine Abwägung der den LPG-Mitgliedern zustehenden Anteile nach 24 Jahren nicht einfach. Deshalb aber den Deckel zuzumachen und nicht weiter darüber nachzudenken, wie man den Rechtsfrieden erreichen kann, halten wir für grundfalsch.

Der Landesbauernverband selbst hat – ungefähr 2003 war das – in dem Ausschuss erklärt, dass es ein ausreichendes rechtliches Instrumentarium für die Liquidation von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gebe. Für Unternehmen mit gescheiterten Umwandlungen wäre eine Unterstützung sinnvoll und wünschenswert, beispielsweise, indem man Verfahren zur Heilung vorschlägt. Auch Herr Professor Bayer sieht die Notwendigkeit, das Liquidationsrecht gegebenenfalls anzupassen. Beispielsweise müsse bei der Einberufung einer erneuten Vollversammlung der Mitglieder der damaligen und auch heute noch existierenden LPG über das Zweidrittelquorum nachgedacht werden, mit dem rechtsverbindliche Entscheidungen getroffen werden können, wenn nach all der Zeit nicht alle LPG-Mitglieder mehr aufgefunden werden können.

(Minister Dr. Till Backhaus: Ach so!)

Wichtig sei auch, dass der Liquidator nicht nur die LPG in Liquidation abwickelt, sondern die Existenz des Nachfolgeunternehmens sichert. Insofern hat dieser, der Liquidator, nicht nur die Interessen der Mitglieder, sondern auch die des Nachfolgeunternehmens zu wahren. Ähn- liche Modelle sind auch aus dem Insolvenzrecht be- kannt.

Ich sage hier ganz deutlich, um die Argumente der nachfolgenden Redner und Rednerinnen schon einmal vorwegzunehmen,

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

nein, ich will nicht die Nachfolgeorganisation in den Ruin treiben.

(Thomas Krüger, SPD: Damit beschäftigen wir uns gleich.)

Nein, ich will nicht ausschließlich kleine bäuerliche Familienbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern.

(Thomas Krüger, SPD: Auch damit beschäftigen wir uns gleich.)

Und nein, ich will nicht das Rad der Geschichte zurückdrehen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann müssen Sie Ihren Antrag zurückziehen jetzt. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Was wir stattdessen wollen, ist, dass die LPG-Mitglieder, deren LPG-Umwandlung mutmaßlich gescheitert ist, über diesen Umstand informiert werden und man ihnen logistische Unterstützung bei der Überprüfung der Vermögens- auseinandersetzungen leistet. Wir wollen eine Rechtssicherheit für die Nachfolgeorganisationen. Wir wollen eine umfassende Auseinandersetzung mit den Umwandlungsprozessen in der Landwirtschaft nach 1989, um die sozialen, die agrarstrukturellen und auch die ökologischen Folgen dieses Prozesses für unser Land zu erfassen und aufzuarbeiten.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Ich komme zum Schluss.

Meine Damen und Herren, das Thema der LPG-Um- wandlungen ist spannender als jeder Krimi. Je mehr ich darüber erfahre, je mehr ich darüber lese, mich mit Leuten unterhalte, ein desto stärkeres Staunen und auch eine desto stärkere Empörung stellt sich bei mir ein. Selbst wenn alles juristisch verjährt wäre, so ist es nicht moralisch verjährt,

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

und auch weil ich überzeugt bin, dass die derzeit einsehbaren Gutachten, Dissertationen, Bücher und Studien kein vollständiges Bild ergeben, weil sie nämlich entweder die eine Seite in den Fokus rücken oder auf dem anderen Auge etwas blind sind. Deswegen braucht es unserer Meinung nach weitergehende Aufklärung. Auch wenn Sie mich gleich in der unnachahmlichen Art der hier vorhandenen Großen Koalition missinterpretieren, mir wahlweise populistische oder ideologische Motive unterstellen werden,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Niemals würden wir so was tun, niemals.)

für mich und für die Mehrzahl meiner Fraktion ist dieses Thema kein abzuschließendes und wegzuschließendes Kapitel der Geschichte, es ist hochaktuell.

Wenn ich heute dem seit 1998 im Amt sitzenden Minister Backhaus die Liste mit den nach Professor Bayers Gutachten unwirksamen Umwandlungen in MecklenburgVorpommern übergebe, so übergebe ich ihm damit eine neue Chance, um die Mitglieder der betroffenen 46 LPG aktiv darüber zu informieren, dass ihre Fälle wahrscheinlich nicht verjährt sind.

Herr Dr. Backhaus, hier ist diese Liste.

(Die Abgeordnete Dr. Ursula Karlowski zeigt ein Dokument.)

Laut der Presse ist die Liste ja inzwischen verschwunden. Jetzt können Sie handeln.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordnete Dr. Ursula Karlowski tritt an die Regierungsbank heran und überreicht Minister Dr. Till Backhaus Unterlagen. – Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Frau Dr. Karlowski, jetzt muss ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen. Sie wissen genau, dass das laut unserer Geschäftsordnung nicht zulässig ist.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Egbert Liskow, CDU:

Das ist doch eine Frechheit! –

Das ist eine Missachtung

des Präsidiums. Das ist unglaublich! –

Einfach Show! –

Die Mappe sieht

aus, als wenn Sie noch aus LPG-Zeiten wäre.)

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich mache an dieser Stelle noch mal darauf aufmerksam, dass die Geschäftsordnung ausnahmslos für alle Mitglieder dieses Hohen Hauses gilt. Das war aus meiner Sicht hier keine spontane Reaktion, sondern das war ein geplanter, gezielter Verstoß gegen die Geschäftsordnung,

(Stefanie Drese, SPD: Na klar.)

und ich werde mir vorbehalten zu prüfen, ob das weitergehende Konsequenzen hat. Das geht so nicht.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genauso ist das.)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.