Protokoll der Sitzung vom 01.06.2018

Gleichzeitig ist es aber auch keine Lösung, den Zweckkatalog einfach zu erweitern, denn mit jeder Erweiterung wird Paragraf 52 zusätzlich aufgebläht und die Gesetzeslage wird noch unübersichtlicher und konfuser. Wird das derzeitige Format des Gemeinnützigkeitsrechts beibehalten, haben wir also die Wahl, den rechtlichen Rahmen weiterhin zu verkomplizieren oder gesellschaftlich engagierten Einrichtungen die Privilegien vorzuenthalten, die ihnen eigentlich zustehen müssten. Für uns kommt beides nicht infrage.

Lassen Sie mich deshalb abschließend noch ein paar Worte an die Regierungskoalition richten: Im November letzten Jahres haben Sie einen Antrag mit dem Titel „Erhalt des Gemeinnützigkeitsstatus von Vereinen unterstützen“ eingereicht. Darin fordern Sie unter anderem die Sicherung einer landesweit einheitlichen Anwendung der Rechtsvorschriften durch die Finanzämter des Landes bei der Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus von Vereinen. Ich dürfte nun hinreichend dargelegt haben, dass dieses Vorhaben bei der derzeitigen Gesetzeslage schwer umsetzbar ist. Wenn es Ihnen wirklich ein ernstes Anliegen ist, die Gemeinnützigkeit der Vereine zu schützen, dann stimmen Sie für unseren Antrag, bringen Sie sich in den Bundesrat ein und veranlassen Sie die Bundesregierung zu einer grundlegenden Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, damit wir uns auch in Zukunft auf eine aktive und engagierte Zivilgesellschaft verlassen können, die sich nicht mit Bürokratie und Rechtsunsicherheit herumschlagen muss.

In Anbetracht der Tatsache, dass nicht nur Vereine in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in allen anderen Bundesländern um ihren Gemeinnützigkeitsstatus bangen müssen, sollten Sie im Bundesrat keine Probleme haben, genügend Unterstützung zu generieren. Machen Sie das Gemeinnützigkeitsrecht fit für die tatsächlichen Verhältnisse auch in Mecklenburg-Vorpommern! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vorzusehen. Ich sehe dazu keinen Widerspruch, gehört habe ich auch keinen, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat zunächst ums Wort gebeten der Finanzminister. Herr Brodkorb, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Frau Rösler, ich glaube, im Ziel gibt es gar keine Unterschiede. Ich hoffe, dass ich das gemeinsame Ziel richtig interpretiere, wenn ich sage, dass es Ihnen um eine einheitliche Rechtsanwendung in MecklenburgVorpommern geht. Ja, so habe ich es jedenfalls verstanden, einheitliche Rechtsanwendung in ganz Deutschland,

(Marc Reinhardt, CDU: Nicht nur, weltweit!)

aber jedenfalls einheitliche Rechtsanwendung.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich hoffe, dass das stimmt. Daraus ergibt sich schon ein bisschen das Problem mit dem Antrag, denn er zielt am Ende nicht ab auf Maßnahmen zur einheitlichen Rechtsanwendung, sondern zur Änderung der Rechtsgrundlagen. Adressat einer einheitlichen Rechtsanwendung sind die Finanzämter des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie das Finanzministerium. Die haben dafür Sorge zu tragen, dass geltendes Recht einheitlich angewendet wird.

Das Parlament hat sich bereits mit einem Antrag – wenn ich mich recht entsinne, im letzten Jahr – mit dieser Frage beschäftigt und uns beauftragt, dafür Sorge zu tragen. Es gab in der Tat Hinweise darauf, dass der eine oder andere Fall nicht ganz glücklich entschieden worden ist. Das finde ich zunächst mal in einer Verwaltung nicht überraschend, denn da arbeiten Menschen, da gibt es unterschiedliche Sichtweisen und da kann es auch mal Entscheidungen geben, die, wenn man sie überprüft, vielleicht nachträglich doch noch mal anders entschieden werden.

Weil das Problem, das Sie hier noch mal angesprochen haben, in der Tat bestand, sicherlich auch noch in Teilen besteht, hat das Finanzministerium die Dialogtour erfunden, zusammen mit der Ehrenamtsstiftung auf der einen Seite, um mit den Vereinen ins Gespräch darüber zu kommen, welche Probleme gesehen werden, aber auch umgekehrt von uns gesehen werden, und um zweitens genau das zu machen, was aus meiner Sicht im Bereich der Rechtsanwendung geboten ist, nämlich sowohl in der Verwaltung als auch bei den Vereinen und Verbänden problematische Entscheidungsfälle zu sammeln, zu systematisieren, unter Anleitung des Finanzministeriums Entscheidungsvorschläge zu entwickeln und die in einer Handreichung, in einen Leitfaden einzubringen. Dieser Leitfaden, diese Handreichung, die immer noch in Arbeit ist, aber schon sehr weit fortgeschritten – wir haben schon einige Veranstaltungen hinter uns gebracht –, wird natürlich kein Ende finden, sondern wird eine dauerhafte Aufgabe bleiben. Selbst wenn wir sie in Kraft setzen, wird es weiter Fälle geben, die schwierig zu entscheiden sind, wo wir einheitliche Maßgaben für das Land MecklenburgVorpommern entwickeln werden auf Basis der geltenden Rechtslage.

Aber das ist das Problem. Wenn man Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung hat, ist das ein Verwaltungsthema und kein Thema von Rechtssetzung. Deswegen, glaube ich, geht Ihr Antrag fehl. Sie wollen die Rechtsgrundlagen ändern. Ich darf Ihnen sagen, es ist meine Aufgabe und die Aufgabe meiner Kolleginnen und Kollegen, das zu tun, und nicht die des Bundesrates. Was Sie hier fordern – und das wird aus meiner Sicht auch deutlich an der Formulierung, ich darf zitieren: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, um das aktuelle Gemeinnützigkeitsrecht zu überarbeiten, damit mehr Rechtssicherheit für gemeinnützige Vereine gewährleistet werden kann“ –, wäre ungefähr so, als würden wir einen Antrag einbringen, die Landesregierung wird aufgefordert, sich im Bundesrat für eine gerechte Novellierung des Einkommensteuerrechts einzusetzen.

Was genau hieße das? Da die Vorstellungen von Gerechtigkeit sehr unterschiedlich sind, könnte man daraus machen, was man wollte, man wüsste aber auch nicht,

was man zu tun hätte. Ein bisschen ist es hier auch so, denn Sie müssten schon, das wäre meine Bitte, in Ihren Anträgen konkreter formulieren, was wir tun sollen. Ich jedenfalls wüsste nicht, was zu tun ist, weil ich die Hauptaufgabe eher bei mir im Finanzministerium und in den Finanzämtern sehe, in Kooperation mit den Verbänden und Vereinen. Deswegen langer Rede kurzer Sinn: Im Anliegen, glaube ich, sind wir beieinander. Ich glaube nicht, dass dieses Instrument geeignet ist, Ihr Ziel zu erreichen, und kann daher nur die Ablehnung des Antrages empfehlen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Professor Dr. Weber.

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Wertes Präsidium! Werte Kollegen und liebe Gäste! Ich zeige Ihnen jetzt mal, wie sich die Bereitschaft zur Mitarbeit hier im Landtag zwischen der Fraktion DIE LINKE und uns unterscheidet. Herr Minister Brodkorb hat eigentlich das Richtige gesagt. Dieser Antrag ist völlig unbestimmt und zielt auch in der Zielrichtung Bundesratsinitiative auf ein wahrscheinlich nicht zielführendes Instrument hin, wenngleich Paragraf 52 Abgabenordnung Bundesrecht ist und deswegen immerhin der formale Aufhänger besteht. Trotzdem würde ich kurz zusammengefasst sagen, das ganze Ding taugt nichts.

Aber was Sie aufgreifen, ist in der Tat ein wichtiges Problem, dass man nämlich die kleinen Dorfvereine in Angst und Schrecken hinterlässt, sei es, weil Satzungsfehler in den Vereinssatzungen eingebaut sind, sodass die Gemeinnützigkeit nicht bestimmt werden kann, oder weil eine zu enge oder jedenfalls uneinheitliche Anwendung der Gemeinnützigkeitsregelungen Unsicherheit und Ängste verbreitet hat. Diese Unsicherheit und diese Ängste wollen wir mit Ihnen beseitigen und deswegen sehen wir den guten Kern in Ihrem Antrag. Anders als Sie, die in ideologischer Blindheit dann immer gleich alles ablehnen, werden wir Ihrem Antrag deswegen zustimmen, obwohl er handwerklich schlecht und in der Zielrichtung allenfalls marginal tauglich ist.

Der Grund dafür, das ist in der Einbringungsrede genannt worden: Wenn 404 Finanzämter mit einem identischen Fall in einem von der Otto-Brenner-Studie veranlassten Test angefragt werden, ob eine Gemeinnützigkeit bejaht werden kann oder nicht, und die Ergebnisse gehen halbe-halbe aus, dann, so steht es auch in dem Auswertungsergebnis, kann ich auch gleich eine Münze werfen. Das ist kein zufriedenstellender Zustand, das muss abgestellt werden.

Wie man das abstellen kann, ist ein großes Problem, denn es sind Ermessensentscheidungen und vage Rechtsbegriffe, die uns bei Paragraf 52 Abgabenordnung über den Weg laufen. Solange einzelne Menschen da entscheiden, wird es auch unterschiedliche Entscheidungen geben. Deswegen bin ich gespannt, was bei dieser grundlegenden Überarbeitung des Gemeinnützigkeitsrechtes herauskommen sollte. Wie gesagt, das Signal nach außen muss stehen, wir wollen den Vereinen helfen. Das ist der einzige Grund und das einzig Taugliche, was wir an Ihrem Antrag finden können.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Deswegen stimmen wir dem Antrag zu, obwohl man das in der Sache kaum schlechter darstellen kann, als Sie es hier getan haben. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Abgeordnete Egbert Liskow.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen, aber nicht deswegen, weil er schlecht gemacht ist, sondern weil wir der Meinung sind, dass im Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU im Bundestag geregelt worden ist, dass das Gemeinnützigkeitsrecht überarbeitet werden soll, weil auch sie erkannt haben, dass es da Probleme gibt. Das Problem soll also auf die Agenda gesetzt werden. Wir wissen aber aus den Debatten im Bundestag, dass es auch diesmal nicht einfach wird, weil die Bundesländer dazu sehr unterschiedliche Meinungen haben. Da gibt es große Differenzen in der Art und Weise, wie man das Gemeinnützigkeitsrecht ändern will.

Das, was wir als Regierungskoalition in der Vergangenheit bereits erkannt haben, dass die Rechtsanwendung beim Gemeinnützigkeitsrecht nicht immer so glücklich gelaufen ist, haben wir mit einem eigenen Antrag hier im Parlament auf den Weg gebracht. Der Finanzminister hat schon erklärt, welche Anstrengungen die Landesregierung auf unseren Antrag hin unternommen hat, um mit der Dialogtour und mit seinem persönlichen Engagement eine Vereinheitlichung hinzubekommen, dass die Vereine die nötige Unterstützung kriegen, dass wir nachher in der Endkonsequenz den Vereinen ihre Arbeit erleichtern und dass sie das, wofür sie eigentlich da sind, machen können, nämlich den Menschen und den Ehrenamtlern eine vernünftige Basis zu geben für ihre Arbeit. Das darf nicht dem Selbstzweck überlassen bleiben oder irgendwelchen Entscheidungen in den Finanzämtern.

Wir wollen auch Dorffeste, Frau Rösler. Wir möchten, dass die genauso geschützt werden als Vereine, dass die ebenfalls gemeinnützig sind. Wir sind auch nicht der Meinung, dass, wenn da mal gefeiert wird, das dem Vereinszweck widerspricht. Aber damit den Antrag zu begründen, ist aus meiner Sicht nicht ausreichend, und deswegen sind wir gegen diesen Antrag und werden ihn ablehnen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Gundlack.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit längerer Zeit wird im Landtag über das Gemeinnützigkeitsrecht debattiert, nach Lösungen im Sinne der Vereine und Verbände gesucht und für unser Land auch gefunden. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich die Dialogtour von Finanzminister Brodkorb und der Ehrenamtsstiftung unseres Landes. Die Dialogtour sehen wir als direkte Folge des Antrags der Koalitionsfraktionen SPD und CDU zu ihrem Landtagsantrag „Erhalt des Gemeinnützigkeitsstatus von Vereinen unterstützen“ auf Landtagsdrucksache 7/145 an, eine sehr gute Umsetzung eines konkre

ten Antrags. Hier werden unmittelbar die Fragen beantwortet, die den Vereinen sehr oft Kopfschmerzen bereiten.

Neben dieser Dialogtour möchte ich ausdrücklich die Arbeit unserer Finanzämter loben. Aus eigener Erfahrung darf ich über eine schnelle, bürgernahe und flexible Beratung berichten. Hierbei möchte ich vor allem die unbürokratische Hilfestellung hervorheben. Die Finanzämter beraten von Anfang an und helfen bei der Antragstellung für Gemeinnützigkeit. So werden den Vereinen einige Steine aus dem Weg geräumt und die Gemeinnützigkeit wird gesichert. Letztlich ist es aber wie so oft im Leben, es ist immer eine Einzelfallregelung, es steckt der Teufel also wieder einmal im Detail. Das Finanzamt ist bei der Bearbeitung gerade in den Folgejahren seit Gründung eines Vereins auf die Zuarbeit der Verantwortlichen in den Vereinen angewiesen.

Hierzu möchte ich auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 7/2030 des Abgeordneten Thomas de Jesus Fernandes verweisen und möchte den letzten Absatz zitieren. Zitatbeginn: „Ungeachtet dessen ist grundsätzlich festzustellen, dass die Gründe, die ursächlich für eine ,Aberkennung‘ der Gemeinnützigkeit sein können, sehr vielfältig sind und sich sowohl auf die Satzungsmäßigkeit (formelle Gründe) als auch auf die tatsächliche Geschäftsführung (materielle Gründe) beziehen können. Die Finanzämter sind sich der Bedeutung einer solchen Entscheidung sehr bewusst und bieten betroffenen Körperschaften in diesen Fällen grundsätzlich ein persönliches Gespräch zur Klärung des Einzelfalls an.“ Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau diese Aussage der Landesregierung lässt die Sensibilität der Finanzämter bei der Bearbeitung erkennen. Vielleicht können und sollten sich andere Bundesländer einfach mal eine Scheibe abschneiden von Mecklenburg-Vorpommern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, Ihr Antrag ist sehr vage formuliert, es gibt keine konkreten Vorschläge für die Änderung der Abgabenordnung, und das lässt uns zu dem Schluss kommen, Ihren Antrag abzulehnen. Wir sehen keine Chancen für den Erfolg einer Bundesratsinitiative zur Änderung der Abgabenordnung. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal das Wort die Abgeordnete Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass die Notwendigkeit einer Reform hier kleingeredet wird, ist nicht überraschend. Es ist das Zeugnis einer Politik, die lieber untätig bleibt,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

denn echte Argumente gegen eine Bundesratsinitiative habe ich hier nicht gehört. Aber offenbar sind wir die Einzigen,

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

die das Anliegen von Jan Holze, dem Geschäftsführer der Ehrenamtsstiftung, ernst nehmen und seinen Vor

schlag einer Bundesratsinitiative auf die Tagesordnung gebracht haben.

(Torsten Renz, CDU: Das hat er gesagt, ja? – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Meine Damen und Herren, ich will gar nicht bestreiten, dass das Gemeinnützigkeitsrecht für viele Vereine und Körperschaften durchaus funktioniert, aber das gilt nicht für alle, die gemeinnützige Arbeit leisten. Und genau da liegt der Hund begraben.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Wahrscheinlich hat die Bundesregierung die Verbesserung des Gesetzes auch deshalb in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Oder liege ich da etwa falsch?