Protokoll der Sitzung vom 16.03.2001

Herr Präsident, das sehe ich nicht so! Das NLÖ hat keine Vollzugsaufgaben. Diese liegen ausschließlich bei der Gewerbeaufsicht. Das NLÖ hat wie an vielen anderen Stellen auch den wissenschaftlichen Sachverstand, um die Vollzugsbehörden in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dabei soll es auch bleiben. Aber diese Unterstützung ist dringend geboten.

Frau Hansen!

Herr Minister, Sie haben auf die umfänglichen Arbeiten im NLÖ und auch auf die Aufgaben hingewiesen, die auf die Gewerbeaufsichtsämter zukommen. Ich frage Sie: Ist es vor diesem Hintergrund auch angesichts der dringlichen finanziellen Aspekte vertretbar, hier Stelleneinsparungen vorzunehmen? Ich sehe doch die Gefahr der Vernachlässigung der Gewerbeaufsicht vor Ort.

(Frau Zachow [CDU]: Das ist auch so!)

Herr Jüttner!

Frau Kollegin Hansen, im Zuge der Verwaltungsreform wird seit Jahren an der Frage gearbeitet, wie unter verstärktem Einsatz auch von Technologie und unter Prioritätensetzung das vorhandene und sogar zu reduzierende Personal so eingesetzt werden kann, dass den rechtlichen Anforderungen entsprochen wird. Das gilt auch für die Gewerbeaufsichtsverwaltung. Das Umweltministerium hat in diesem Zeitraum 245 Stellen einzusparen. Ich habe veranlasst, die Gewerbeaufsichtsverwaltung daran mit 89 Stellen zu beteiligen. Das geht nicht anders, führt aber - daraus mache ich kein Hehl - in der Konsequenz im Rahmen der Prioritätensetzung dazu, dass der kontinuierliche Besuch einzelner Betriebe nicht mehr in der Weise vorgenommen werden kann, wie das vielleicht hier und da der Fall war. Wir wollen also nicht so tun, als habe die Reduzierung von Personal keine Folgen. Sie

müssten dann auch in Ihren Beratungen zum Haushalt abstimmen und auf Ihre Finanzpolitiker einwirken und diesen deutlich machen, dass es im Rahmen öffentlichen Vollzugs notwendig ist - das gilt nicht nur für die Gewerbeaufsichtsverwaltung, sondern auch für viele andere Bereiche -, entsprechendes und qualifiziertes Personal vorzuhalten.

Eines, meine Damen und Herren, ist doch in den letzten Monaten wieder deutlich geworden: Dort, wo die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Dritten übertragen wird, wo privatisiert wird, wo liberalisiert wird, ist dies manches Mal kurzfristig mit Vorteilen für die Verbraucher verbunden, aber manches Mal muss langfristig auch der Preis dafür gezahlt werden. Überall dort, wo es zu Krisen gekommen ist, sind nicht die Firmen in die öffentliche Diskussion gekommen, sondern wird sofort danach gerufen, dass der Staat seiner Verantwortung nachzukommen hat. Dafür spricht auch einiges. Dann muss man aber auch gewährleisten, dass der Staat seine Verantwortung auch im Hinblick auf Vorsorge und Vollzugspolitik wahrnehmen kann. Diese Debatte steckt dahinter, meine Damen und Herren. Ich bin es leid - ich sage das in aller Deutlichkeit -, immer wieder, wie sicherlich jetzt wieder bei der nächsten Gelegenheit, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, dass wir irgendwelche Regelungen schaffen und Vollzugsaufgaben erledigen wollen. Wir wollen sie erledigen, und wir müssen sie erledigen. Sie müssen aber auch die politischen Voraussetzungen dafür schaffen.

(Zustimmung bei der SPD - Rolfes [CDU]: Wir? - Frau Hansen [CDU]: Wir als Opposition? Sie auch!)

Herr Dr. Stumpf!

Herr Minister, die Gewerbeaufsicht hat im Vorlauf ihrer Kontrollfunktion eine sehr starke beratende Funktion. Ich möchte Sie von daher Folgendes fragen: Wo wird denn, wenn Sie davon ausgehen, dass die Kontakte zu den Betrieben im Zuge des Abbaus von 90 Stellen reduziert werden müssen, am stärksten reduziert werden - im Verhältnis zu den mittelständischen Betrieben oder zu den Großbetrieben?

Herr Jüttner!

Herr Stumpf hat zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die Gewerbeaufsichtsverwaltung traditionell eher beratend gegenüber den Unternehmen tätig wird und vor diesem Hintergrund einen uneingeschränkt guten Ruf in der niedersächsischen Wirtschaft genießt. Es wird darauf ankommen, dass sie auf der einen Seite überall dort, wo Problemlagen auftreten, präsent ist, während sie sich auf der anderen Seite gleichzeitig in der Detailprüfung zurücknehmen muss, was aber nicht dazu führen darf, dass sie keine der Aufgaben mehr bearbeiten kann. Das hat zur Konsequenz, dass die Gewerbeaufsichtsverwaltung für jedes Jahr ein Jahresprogramm aufstellt, das mir vorgelegt wird, um deutlich zu machen, dass man durch bestimmte Schwerpunktsetzungen erreicht, dass die gesamte Wirtschaft hinreichend bedient wird. Dabei kann man nicht zwischen Großbetrieben, Kleinbetrieben und mittelständischen Betrieben unterscheiden, sondern wir müssen überall unsere Präsenz aufrechterhalten. Alles andere wäre fatal.

Im Übrigen gibt es eine aktuelle Debatte im Zusammenhang mit dem Öko-Audit, die davon ausgeht, dass wir Bestrebungen unterstützen, die Unternehmen selber zu verpflichten, sich Anforderungen der Ökologie und des Arbeitsschutzes in der Form auszusetzen, dass sie die Eigenkontrolle verstärken. Das hat aber nicht zur Konsequenz, dass die öffentlichen Vollzugsaufgaben negiert sind. Vielmehr unterstellen wir in der Konsequenz, dass sich Unternehmen, die sich selber auditieren, an diesem Anspruch messen. Im Rahmen von Prioritätensetzung sind dies nicht die Unternehmen, die vorrangig aufgesucht werden, weil wir nämlich zunächst einmal unterstellen, dass die Bereitschaft, sich korrekt zu verhalten, dort stärker ausgeprägt ist.

Herr Rolfes hat noch eine Frage.

Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass wir nicht so tun sollten, als würden Personaleinsparungen nicht zu Konsequenzen führen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Aufgaben der Gewer

beaufsicht aus Ihrer Sicht nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen werden können und dass wir, die Opposition, dafür verantwortlich sind, dass nicht in ausreichendem Maße Personal zur Verfügung steht, oder ist die Personaleinsparung, die vorgenommen wird, Sache des Kabinetts, das an anderer Stelle ja auch sehr stolz ist, wenn entsprechende Zahlen vorzuzeigen sind? Das Entscheidende ist aber: Können die Aufgaben der Gewerbeaufsicht nicht mehr in ausreichendem Maße wahrgenommen werden? Das müssten Sie dann dem Kabinett vortragen.

Herr Jüttner!

Herr Rolfes, die Arbeit der Gewerbeaufsicht genügt auf jeden Fall den rechtlichen Ansprüchen. Alles andere wäre hoch problematisch.

Sie haben völlig Recht: Für die Personalentscheidungen des Haushaltsgesetzgebers trägt vornehmlich die Mehrheitsfraktion die Verantwortung. Das ist auch gut so. Ich befürchte nämlich, dass es weit komplizierter wäre, wenn Sie hier etwas zu sagen hätten; denn Ihre Reden, die Sie im Laufe des Jahres halten, entfernen sich immer mehr von den Haushaltsanträgen, die Sie zum Ende eines jeden Jahres hier einbringen. Das sind wir ja gewöhnt.

Das heißt, der heutige Aufgabenkatalog kann auch bei Reduzierung um 89 Stellen bewerkstelligt werden. Ich habe die Zahlen jetzt nicht im Kopf, aber ich schätze, dass nach Abbau der besagten 89 Stellen noch knapp 600 Stellen bei zehn Ämtern in der niedersächsischen Gewerbeaufsicht vorhanden sind. Damit lässt sich die anfallende Arbeit erledigen.

Das Problem, Herr Rolfes, ist in einer ganz anderen Entwicklung zu sehen. Ich stehe derzeit vor dem Problem, dass insbesondere auf Grund europäischer Richtlinien - ich nenne beispielhaft nur einmal die VOC-Richtlinie - zusätzlicher Arbeitsanfall auf die niedersächsischen Vollzugsbehörden zukommt. Während wir hier oft in Übereinstimmung über die Rücknahme von Berichtspflichten diskutieren, veranlassen uns die europäischen Richtlinien zu weiteren zahlreichen Berichtspflichten. Ich kann überhaupt nicht abschätzen, in welcher Weise wir zusätzliche Aufgaben der Gewerbeaufsichtsverwaltung mit dem vorhandenen

Personal leisten können. Ich glaube, dass für zusätzliche Aufgaben zusätzliches Personal notwendig sein wird.

Herr Inselmann!

Herr Minister, vielleicht können Sie uns einmal darstellen, wie Niedersachsen im Ländervergleich hinsichtlich der Marktüberwachung und der Marktkontrolle dasteht, und zwar zum einen in technischer Hinsicht bezüglich der Ausstattung und zum anderen in personeller Hinsicht bezüglich der Kontrolle im Bereich der Marktüberwachung.

Können Sie das?

Ja, das kann ich, Herr Präsident! - Wir sind das einzige Bundesland, dass solch eine Geräteprüfstelle eingerichtet hat, die mit drei Stellen besetzt ist. Auch bezüglich der Zahl der durchgeführten Kontrollen liegen wir im bundesdeutschen Vergleich ganz ordentlich. Man muss nicht überall glänzen. Wenn man bei solch einem Thema im Ländervergleich aber am Ende liegt, dann ist das kein Beweis für eine qualifizierte Arbeit. Deshalb machen wir das heute auf ordentliche Art und Weise.

Herr Dr. Stumpf stellt jetzt seine zweite Zusatzfrage.

Herr Minister, nachdem die Länge Ihrer Antwort auf meine erste Frage umgekehrt proportional zu ihrem Inhalt war, möchte ich Sie jetzt noch einmal konkret fragen: Werden Sie bei Einsparung der 90 Stellen in erster Linie den Mittelstand weniger beraten und beaufsichtigen oder die Großbetriebe, die ja ohnehin über funktionsfähige Arbeitssicherheitsabteilungen verfügen?

Herr Jüttner!

Herr Stumpf, Ihr gedanklicher Ansatz ist abwegig und wundert mich aufgrund Ihrer beruflichen Vorkenntnisse, die Sie zu diesem Thema haben. Es wird nicht danach geguckt, ob Klein-, Mittel- oder Großbetriebe untersucht werden, sondern es wird von thematischen Schwerpunkten ausgegangen, ganz unabhängig von der Frage, welche Größenordnung die Unternehmen haben, mit denen man es dabei zu tun hat.

Weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen mir nicht vor. - Wir kommen damit zu

Frage 5: Blockieren Ärzte Entscheidungen des Bundesausschusses aus eigenen finanziellen Interessen?

Sie wird von den Abgeordneten Bachmann, Frau Elsner-Solar, Frau Groneberg, Groth, Hepke, Schlüterbusch, Schwarz, Watermann und Weber gestellt. - Frau Groneberg!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer gemeinsamen Presseerklärung der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen teilten diese mit, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen es abgelehnt hat, die so genannte Magnetresonanztomographie (MRT) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen.

Diese Diagnoseform wird bei besonders heimtückischen Brustkrebserkrankungen als medizinisch notwendig angesehen. Die Fachwelt, die Ärzteschaft und die Kassenseite sind sich wohl in seltener Eintracht einig, dass diese Diagnoseform eine effektive und sichere diagnostische Methode bei brusterhaltenden Operationen ist. Nach der Entscheidung des Bundesausschusses bleibt diese Methode betroffenen Patientinnen zunächst unzugänglich. Jährlich wären davon rund 27 000 Frauen betroffen.

Der Pressemitteilung ist weiter zu entnehmen, dass die Aufnahme der MRT in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung an der Weigerung der Ärzteschaft gescheitert sein soll. Diese

soll ihre Zustimmung an die Bedingung geknüpft haben, mehr Geld zu erhalten.

Wir fragen deshalb die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie das Verhalten der Ärzteschaft?

2. Wird nach ihrer Meinung durch das Verhalten der Ärzteschaft die Rechtsstellung des Bundesausschusses als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung gefährdet?

3. Welche Möglichkeiten hat sie, hier tätig zu werden, bzw. könnte auf ein Tätigwerden der Bundesregierung Einfluss genommen werden?

Die Antwort erteilt die Ministerin für Frauen, Arbeit und Soziales.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst den Rechtsrahmen für den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschreiben: Der im Jahre 1956 gegründete Bundesausschuss ist mit einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern und im Übrigen paritätisch aus je neun Vertretern der Ärzte und Krankenkassen besetzt. Er beschließt nach § 92 SGB V die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Hierzu gehören auch die Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen nach § 135 SGB V.

Aufgabe des Bundesausschusses ist so zum einen die Qualitätssicherung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung, zum anderen sollen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auch auf ihre medizinische Notwendigkeit und auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden. Die vom Bundesausschuss abgegebenen Empfehlungen sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Vertragspartner verbindlich. Das Bundesministerium für Gesundheit führt gemäß § 91 Abs. 4 SGB V die Aufsicht über die Geschäftsführung des Bundesausschusses. Die Aufsicht erstreckt sich jedoch nicht auf Sachentscheidungen, sondern auf die Organisation und Geschäftsabwicklung.

Nun zum vorgetragenen Sachverhalt: Nach unterschiedlichen Presseinformationen der im Bundesausschuss vertretenen Parteien liegt dem Bundesausschuss ein Antrag auf Überprüfung der Magnetresonanztomographie - kurz MRT - zur Nachsorge nach Mamma-Operationen vor. Die Entscheidung über diesen Antrag - das ist das Wichtige - ist demnach vertagt worden. Sowohl die Krankenkassen als auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung wollen offenbar die MRT in den Leistungskatalog der GKV aufnehmen. Die Bedingungen für die Qualitätssicherung wie für die Finanzierung scheinen aber noch strittig zu sein.

Vor diesem Hintergrund nehme ich zu den Fragen wie folgt Stellung:

Zu 1 und 2: Angesichts der Informationen, die der Landesregierung zur Verfügung stehen, können weder die Haltung der Ärztevertreter noch die Hintergründe für die Vertagung der Beschlussfassung bewertet werden.

Zu 3: Die Landesregierung hat keine Möglichkeit, hier tätig zu werden. Der Bundesausschuss unterliegt zwar als Bundesgremium der Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums, aber auch das Bundesgesundheitsministerium hat Sachentscheidungen des Bundesausschusses nach § 92 SGB V nicht zu bewerten. Eine Einflussnahme auf die Bundesregierung wäre daher nicht zielführend.

Für beachtlich halte ich in diesem Zusammenhang jedoch, dass alle 21 Mitglieder des Bundesausschusses männlichen Geschlechts sind. Ohne hier einen unmittelbaren Zusammenhang zu dem Konfliktthema herstellen zu wollen, scheint mir dieser Sachverhalt dennoch erwähnenswert zu sein. Ich meine, ich sollte die Bundesregierung in einem Schreiben noch einmal auf ihre eigene Beschlussfassung aufmerksam machen, dass Bundesausschüsse paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen sind.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Frau Schliepack [CDU])