Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Abschließend erlaube ich mir die Bemerkung: Wenn Sie schon dieses Projekt unterstützen wollen, dann machen Sie es aus vollem Herzen, und versuchen Sie nicht immer, irgend etwas schlecht zu reden, was nicht schlecht ist! - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Hirche.

(Werner Buß [SPD]: Nur eine stille Opposition ist eine gute, nicht?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin schon dazu gesagt, dass ich Fragen und Sorgen ernst nehme. Das sollten wir alle tun.

(Zustimmung von Werner Buß [SPD])

Wenn man vom eigenen Tun überzeugt ist, sollte man selbstgewiss, aber nicht selbstgerecht sein.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Von daher glaube ich, dass wir die Dinge gut auf die Reihe bringen und dass diese Diskussion am Ende ein Beleg dafür ist, dass es mehr Gemeinsamkeit für das Projekt gibt, als uns manche Schlagzeilen draußen weismachen wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich rufe nun die nächste Dringliche Anfrage auf, nämlich

b) Küstenschutz und Flussvertiefungen: Wie lange will die Landesregierung die Küstenbewohnerinnen und -bewohner noch hinhalten? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3739

Eingebracht wird sie vom Abgeordneten Wenzel.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In den am 18. April 2007 im Umweltausschuss vorgestellten Grundzügen des Generalplans Küstenschutz hat der Umweltminister lediglich einen Meeresspiegelanstieg von 25 cm im laufenden Jahrhundert zugrunde gelegt. Angesichts der Prognosen des International Panel on Climate Change ist dieser Wert für viele Wissenschaftler überhaupt nicht nachvollziehbar. Er wird in keiner Weise den künftigen Herausforderungen durch Meeresspiegelanstieg, tektonische Senkungen und höher auflaufende Wellen gerecht. Zudem gehen deutsche Klimaforschungsinstitute wie das Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung und das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung von Prognosen für den Meeresspiegel aus, die über den Ansätzen des IPCC liegen. Auch die kürzlich vom Umweltminister diskutierten 10 cm zusätzlich, die sich aber nicht im Entwurf des Generalplans wiederfinden, sind nach diesen Prognosen nicht ausreichend.

Nach den letzten Gesprächen zwischen der Niedersächsischen Landesregierung und dem Hamburger Senat zur Elbvertiefung war in Hamburger Zeitungen nachzulesen, dass Niedersachsen vor der Wahl am 27. Januar nicht abschließend Stellung beziehen wolle. Zu befürchten ist daher, dass die Landesregierung erst nach dem 27. Januar 2008 Fakten schaffen will. Dabei zeichnet sich schon heute ab, dass die letzte Elbvertiefung zu bedenklichen Entwicklungen an den Deichen geführt hat. Am Glameyer Stack im Altenbrucher

Bogen, wo die vertiefte Fahrrinne direkt auf den Deich trifft, ist es bereits zu plötzlichen Setzungen und Rutschungen gekommen. Die Böschungen sacken, und die Deichkrone ist um bis zu 50 cm eingesackt.

Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zur Vertiefung von Außen- und Unterweser blieben der klimabedingte Anstieg des Meeresspiegels und die zu erwartende Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Sturmfluten ebenfalls völlig unberücksichtigt. Damit werden Leib und Leben der Menschen an der Unterweser gefährdet.

Elb- und Weservertiefung sind auch wirtschaftlich nicht erforderlich, wenn Niedersachsen endlich ein mit Bremen und Hamburg abgestimmtes norddeutsches Hafenkonzept auf den Weg bringen würde.

Angesichts der oben genannten Entwicklungen stellt sich die Frage, ob die Landesregierung aktuelle Entwicklungen in ihrer Relevanz und auch in ihrer vollen Schärfe wahrnimmt oder ob immer noch die Kräfte im Umweltministerium tonangebend sind, die den Klimawandel für eine Fata Morgana halten und sich deshalb jeder fundierten wissenschaftlichen Vorsorge für Küsten- und Deichschutz verweigern.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welchen Meeresspiegelanstieg, welches Maß an tektonischen Senkungen und welche Entwicklung bei Wellenhöhe und Tiefenhub erwartet die Landesregierung in den nächsten 30, 50 und 100 Jahren?

2. Ist die Landesregierung bereit, noch vor der Landtagswahl ihre abschließende und verbindliche landesplanerische Stellungnahme zur Elbvertiefung vorzulegen und durch Kabinettsbeschluss eine ganz verbindliche Festlegung zu treffen?

3. Will die Landesregierung auch weiterhin daran festhalten, einen Anstieg des Meeresspiegels um 25 cm im laufenden Jahrhundert zur Grundlage des Generalplans Küstenschutz zu machen, oder wird sie ihn so überarbeiten, dass der klimabedingt zu erwartende Meeresspiegelanstieg berücksichtigt wird? - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister Sander hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Generalplan Küstenschutz für Niedersachsen und Bremen, bezogen auf das Festland, hat die Aufgabe, eine Standortbestimmung vorzunehmen. Er soll aufzeigen, was in den vergangenen Jahrzehnten erreicht wurde und welche Arbeiten noch zu erledigen sind. Dem Generalplan liegt eine Sicherheitsphilosophie zugrunde, die seit Jahrzehnten Bestand hat. Sie gründet auf den tatsächlichen langjährigen Beobachtungen am Referenzpegel Norderney. Danach ist ein Meeresspiegelanstieg von 25 cm in 100 Jahren festzustellen. In den letzten 10 bis 20 Jahren hat es keine Veränderungen gegeben. In dieser säkularen Hebung ist die tektonische Küstensenkung enthalten. Der Pegel zeigt gegenwärtig keine Veränderungstendenz. Auf dieser bislang unverändert gültigen Grundlage werden in Niedersachsen Seedeiche mit einer Sicherheitsreserve von 25 cm erhöht. Damit sind sie, sofern keine Veränderungen eintreten, für die kommenden 100 Jahre wehrfähig. Konstruktive Bauwerke werden so gegründet, dass sie um bis zu 1 m nacherhöht werden können. Sollten Veränderungen im Sinne eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs eintreten, besteht ausreichend Zeit, um die in Erdbauweise errichteten Deiche nacherhöhen zu können.

Der vor Kurzem veröffentlichte erste Teilband des 4. UN-Klimaberichts präzisiert frühere Aussagen. Die Beobachtungen und Messungen lassen keinen Zweifel daran, dass sich das Klima ändert. Die globale Erwärmung und der Klimawandel haben sich beschleunigt, ebenso das Abschmelzen der Gletscher und Eiskappen.

Die Forscher gehen in ihren Szenarien von einem Anstieg des Meeresspiegels zwischen 18 und 59 cm bis zum Ende des 21. Jahrhunderts aus. Dies ist eine Prognose. Ob sie tatsächlich eintreten wird, kann heute niemand mit Sicherheit vorhersagen. Dennoch nimmt die Landesregierung die Prognose in ihrer Tendenz sehr ernst. Sie wird sich Mitte des Jahres auf Expertenebene nochmals gesondert mit dieser Problematik befassen. Dabei werden auch Veränderungen des Tidehubs und der Wellenhöhen zu diskutieren sein. Dies gilt für

die gesamte niedersächsische Küste, insbesondere für die Ästuare der Elbe, Weser und Ems. Hieraus können Sie entnehmen, dass die Landesregierung dem vorsorgenden Küstenschutz eine große Bedeutung zumisst und aktuelle Entwicklungen frühzeitig in ihre Planungen einbezieht.

Nun zur Fahrrinnenvertiefung der Elbe. Die vom Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg und der Hamburg Port Authority beantragte Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe hat überaus große Vorteile für die Region. Die Elbvertiefung ist allerdings auch mit Risiken verbunden. In dem laufenden Planfeststellungsverfahren sind diese Risiken sorgfältig abzuwägen und bei negativem Ergebnis durch geeignete Maßnahmen auszugleichen. Nach § 14 Abs. 3 des Bundeswasserstraßengesetzes bedarf die Fahrrinnenanpassung des Einvernehmens des Landes Niedersachsen. Dieses Einvernehmen wird die Landesregierung nur erteilen, wenn zweifelsfrei geklärt ist, dass sich für die im Schutz der Deiche lebende Bevölkerung durch die Elbvertiefung keine Risiken ergeben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Niedersächsische Landesregierung stützt sich bislang in ihrer Beurteilung über die zukünftige Entwicklung des Meeresspiegelanstiegs einschließlich des Maßes der tektonischen Senkung auf tatsächlich beobachtete Werte. Gleichwohl nimmt sie den Klimawandel sehr ernst und wird Mitte dieses Jahres zu einem Fachsymposium einladen. Dort werden ausgewiesene Fachleute die Gelegenheit haben, sich zu den Auswirkungen des Klimawandels zu äußern. Anhand der Ergebnisse wird anschließend politisch zu entscheiden sein, ob eine neue Küstenschutzstrategie entwickelt werden muss.

Zu Frage 2: Das Planfeststellungsverfahren für die Fahrrinnenanpassung ist von den zuständigen Behörden inzwischen eingeleitet worden. Einwendungen und Stellungnahmen zu dem Vorhaben können bis zum 4. Mai abgegeben werden. Das Verfahren wird zeigen, ob die beantragte Maßnahme ohne nachteilige Veränderungen umgesetzt werden kann. Die Landesregierung wird dem Vorhaben nur zustimmen, wenn die Deichsicherheit nicht beeinträchtigt wird.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Eine Frage stellt Herr Kollege Janßen. Bitte schön!

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Was ist mit der dritten Frage, Herr Minister? - Ge- genruf von Anneliese Zachow [CDU]: Passt doch auf! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nein, die Frage ist nicht beantwortet worden!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Untersuchungen und Ergebnisse, dass es im norddeutschen Küstenraum tektonische Senkungen von bis zu 15 cm gibt, angesichts der vergleichsweise konservativen Einschätzungen des IPCC-Berichts - darin werden beispielsweise die Entwicklungen des Grönlandeises nicht berücksichtigt - mit einem Meeresspiegelanstieg von bis zu 59 cm, angesichts der Tatsache, dass darüber hinaus ein höherer Wellenauflauf wegen geringerer Reibung bei höheren Wasserständen zu erwarten ist und vor dem Hintergrund der Formulierung auf Seite 26 des Generalplans Küstenschutz, wo es heißt, dass sich seit 1960 ein verstärkter Meeresspiegelanstieg zeige, bin ich sehr darüber verwundert, wie Sie davon ausgehen können, dass ein Meeresspiegelanstieg von 25 cm der Vorsorge für Niedersachsen Rechnung trägt. Herr Sander, das müssen Sie noch einmal begründen! Das ist völlig unverständlich! Ich frage Sie: Wie kommen Sie dazu, angesichts der wissenschaftlichen Prognosen in den nächsten 100 Jahren von 25 cm Meeresspiegelanstieg auszugehen?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Janßen, ich habe klar und deutlich gesagt, dass am Pegel Norderney in den letzten 100 Jahren ein Pegelanstieg von 25 cm zu verzeichnen war. Sie beziehen sich bei dem UN-Bericht auf Prognosen. Zudem habe ich ausgeführt, dass wir mit Fachleuten feststellen werden, ob es notwendig ist, diese Prognosen in den Generalplan Küstenschutz einzuarbeiten. Darüber hinaus habe ich dargelegt, dass es einen globalen Klimawandel gibt. Sie wissen - sicherlich haben

Sie den Bericht richtig gelesen und ausführlich zur Kenntnis genommen -, dass man zwischen einer globalen Klimaerwärmung und den Auswirkungen auf eine Region - in diesem Fall die Nordsee unterscheiden muss. Deswegen kann man nicht sagen, dass der Klimawandel und das Abschmelzen der Eiskappen - all das habe ich mit aufgeführt - an unserer Küste in Norddeutschland bisher Auswirkungen gehabt haben, außer den 25 cm in 100 Jahren.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Zachow!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Janßen, zuerst einmal möchte ich mein totales Unverständnis ausdrücken. Im Umweltausschuss ist zwar über die 25 cm informiert worden. Es ist aber auch darüber unterrichtet worden, dass das nicht alles sein kann, dass weitere Erhöhungen wahrscheinlich sind und dass man sich mit Wissenschaftlern zusammensetzen will, die übrigens nicht so genau wie die Grünen wissen, wie der Meeresspiegel ansteigt. Das muss man einmal ganz deutlich festhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr richtig!)

Dann wird die gleiche Frage hier noch einmal gestellt, sie wird beantwortet, und dann fragen Sie noch einmal. Ehrlich gesagt: Langsam verstehe ich die Welt nicht mehr. Ich möchte lieber ein bisschen konkreter werden und frage den Herrn Minister: Herr Minister, welche Deicherhöhungs- bzw. -ausbesserungsmaßnahmen sind als Nächstes vorgesehen?

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Nächstes müssen unbedingt die 125 km Deich insbesondere am Jadebusen erhöht werden, die auf einem schwammigen und somit schlechten Untergrund stehen. Dort rutschen uns die Deiche weg. Deshalb ist es richtig, dass uns die Regierungsfraktionen auffordern, in diesem

Bereich mehr zu tun und schneller zu handeln. Wir hoffen, dass die für die Jahre 2007 bis 2009 vorgesehenen Maßnahmen schneller verwirklicht werden können. Ich bitte diesbezüglich um Ihre Unterstützung, weil diese Maßnahmen unbedingt notwendig sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Anneliese Zachow [CDU]: Das ma- chen wir!)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Korter, bitte schön!