Protokoll der Sitzung vom 14.09.2007

- Herr Bachmann, meine Antworten kann ich leider nicht zu Protokoll geben. Wäre dies möglich, würde ich es tun. Aber hier ist gefragt worden; deshalb muss ich das hier ausführlich darstellen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Baustein im Konzept der nachholenden Integrationspolitik zielt auf die Verbesserung der interkulturellen Kompetenz in allen Bereichen unserer Gesellschaft - auch in der öffentlichen Verwaltung. Hier sind nicht zuletzt die Kommunen gefordert. Sie sollten die zweite und dritte Generation von zugewanderten Migranten und Spätaussiedlern gezielt ermuntern, die kommunale Verwaltung als berufliches Feld für sich zu entdecken. Sie können häufig gerade deshalb Lösungen finden, weil sie mit mehreren Kulturen vertraut sind und Sprachbarrieren überwinden helfen können. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport arbeitet an dem Ziel, beispielsweise im Polizeidienst den Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund zu erhöhen.

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt nur noch an das Projekt „Integration durch Sport“ erinnern und im Zusammenhang damit darauf hinweisen, dass wir in diesem Bereich schon damit begonnen haben, vielfältige Integrationsmaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Zu 2: Eine nachhaltige Integrationspolitik setzt voraus, dass alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte an einem Strang ziehen: der Bund, die Länder, die Kommunen, die Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die Kirchen und die religiösen Gemeinschaften. Die Integration von Zugewanderten fordert beide Seiten: die einheimische Mehrheit und die zugewanderte Minderheit.

Die Länder würdigen in ihrem Beitrag zum Nationalen Integrationsplan die vielfältigen Leistungen, die die Kommunen bereits erbracht haben, und werden deren Weiterentwicklung gemeinsam mit ihnen gestalten.

Integrationspolitik ist keine isolierte Sonderaufgabe, sondern sie muss konsequent als Querschnittsaufgabe verstanden werden. In Niedersachsen ist das schon seit Jahren selbstverständliche Praxis. Querschnittsaufgaben brauchen die Zusammenführung und Koordinierung der einzelnen Bereiche. Dies ist in Niedersachsen durch die interministerielle Arbeitsgruppe „Integration“ gewährleistet. Sie steht unter der Federführung des Innenministeriums. Ihr gehört auch die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände an.

Im Gemeinwesen vor Ort entscheidet sich, ob Integration gelingt. Deshalb steht das Land Niedersachsen auch hier an der Seite der Kommunen

und hat zunächst 15 Leitstellen für Integration durch die Bereitstellung von Landespersonal in den Kommunen initiiert.

Zu 3: Über Jahrzehnte hinweg waren die Kommunen vom Wechsel sich verändernder integrationspolitischer Herausforderungen betroffen. Die Auswirkungen der unterschiedlichen Zuwanderungsströme wie die der Gastarbeiter, Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge und Spätaussiedler trafen die Kommunen ganz unmittelbar in ihrer Verantwortung. Rückblickend müssen wir festhalten: Die Kommunen wurden viel zu lange mit dieser Problematik allein gelassen. Der auf den Kommunen lastende Druck führte vielerorts zwangsläufig zu einem Krisenmanagement statt zu einem konstruktiven Integrationsmanagement.

Die kommunale Selbstverwaltung ist zwar der Garant dafür, dass Integrationsmaßnahmen auf die konkreten, vor Ort bestehenden Bedürfnisse ausgerichtet werden. Zugleich stehen aber der Bund und die Länder in der Pflicht, den kommunalen Handlungsspielraum für eine zielgerichtete Integration vor Ort zu fördern. Diese gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen wird bereits im Zuwanderungsgesetz ausdrücklich betont.

Meine Damen und Herren, mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet wurden staatliche Integrationsmaßnahmen für Zuwanderer durch den Bund erstmals systematisch gesetzlich festgelegt. Ausgangspunkt für einen auf Zweiseitigkeit ausgerichteten Integrationsprozess sind danach ausreichende deutsche Sprachkenntnisse sowie Grundkenntnisse der Rechtsordnung, der Kultur und der Gesellschaft in Deutschland.

Insbesondere die kommunalen Ausländerbehörden sind hier zu nennen, die durch das Gesetz nun auch Integrationsbehörden geworden sind. Ihre Einbindung in die Netzwerkarbeit der Kooperativen Migrationsarbeit Niedersachsen ist ein ganz entscheidender Schritt.

Meine Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung hat die Verantwortung des Landes gegenüber den Kommunen frühzeitig erkannt und entsprechend gehandelt. Zum 1. Februar 2007 wurde im Ministerium für Inneres und Sport die neue Abteilung Integration eingerichtet. Mit Frau Honey Deihimi hat das Land seit dem 1. Mai eine

Integrationsbeauftragte. Frau Deihimi knüpft an die bewährte Arbeit der bisherigen Ausländerbeauftragen Frau Gabriele Erpenbeck an, die die neue Abteilung für Integration leitet.

Mit der neuen Abteilung und der Berufung von Frau Deihimi gewichtet die Landesregierung das Thema Integration neu, bündelt die eigenen Aktivitäten und richtet diese auf die Erfordernisse vor Ort in den Kommunen konsequent aus. Das Handlungsprogramm Integration wird fortgeschrieben und in den Themenschwerpunkten Religion, Gesundheit und Bildung neu gewichtet. Der Haushaltsplanentwurf der Landesregierung sieht für 2008 eine Aufstockung der für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung stehenden Mittel von 61 Millionen Euro auf rund 63 Millionen Euro vor.

Das Land wird seiner Verantwortung gegenüber den Kommunen gerecht. Vor diesem Hintergrund entwickeln viele Kommunen bereits eigene lokale Integrationskonzepte. Die Chancen, auf kommunaler Ebene ein gelingendes Integrationsmanagement zu verwirklichen, sind heute besser denn je. Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle die Gemeinde Belm hervorheben, die für ihr Engagement bei der Integration von Spätaussiedlern ausgezeichnet wurde. Als eine von nur vier Gemeinden bundesweit konnte die Gemeinde Belm in dem Wettbewerb „Erfolgreiche Integration ist kein Zufall!“ einen Preis des Bundesinnenministeriums und der Bertelsmann Stiftung entgegennehmen. Ein Erfolg, der sicher Ansporn für viele erfolgversprechende Aktionen anderer Kommunen sein wird! Ich finde, das ist wirklich ein hervorragendes Projekt. Ich freue mich, dass Niedersachsen hier so weit vorne liegt. Insofern einen herzlichen Glückwunsch an die Gemeinde Belm auch von dieser Stelle aus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Eine Zusatzfrage stellt der Kollege Coenen. Bitte schön!

Herr Präsident, ich frage die Landesregierung: Herr Minister, Sie haben vorhin von den Leitstellen im Lande Niedersachsen gesprochen. Können Sie uns mitteilen, an welchen Orten diese Leitstellen entstanden sind?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Ich hatte schon dargestellt, dass wir an 15 Orten Leitstellen eingerichtet haben. Wir hatten im Rahmen eines Auswahlverfahren alle Kommunen im Lande angeschrieben und sie gebeten, zu prüfen, ob sie die Schaffung einer Leitstelle für Integration für möglich hielten. Ich bin froh, dass wir im gesamten Land - nicht nur im Süden oder im Norden, sondern überall - Leitstellen für Integration einrichten konnten. Es gibt hier also bereits ein breites Netzwerk. Welche 15 Orte es sind, werde ich nachliefern, weil ich sie nicht mehr genau in Erinnerung habe, obwohl ich sie alle besucht habe.

Nachdem diese Leitstellen teilweise seit einem Jahr und teilweise schon länger bestehen, kann ich hier wirklich von einem Erfolg sprechen. Gerade dort, wo diese Leitstellen eingerichtet wurden, gab es z. B. sehr viele Projekte der Integrationslotsen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leitstellen betreiben Werbung, um Ehrenamtliche zu motivieren. Insofern kann man also schon jetzt von einer Erfolgsgeschichte sprechen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Eine Zusatzfrage möchte Herr Bode stellen. Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Minister Schünemann, wir haben gestern bei der Besprechung Ihrer Regierungserklärung zum islamischen Terrorismus sehr intensiv über die Frage eines Dialogs mit dem Islam als Instrument zur Stärkung der inneren Sicherheit gesprochen. Der Dialog mit dem Islam ist ein wesentlicher Baustein für integrative Bemühungen. In ihrer Antwort habe ich relativ wenig dazu gehört. Wie stellen Sie sich die Fortführung des Dialogs mit dem Islam konkret vor?

(Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Vielen Dank, Herr Bode. - Herr Minister!

Herr Kollege Bode, ich gebe Ihnen Recht, dass dies ein ganz wichtiges Thema ist. Hier ist Niedersachsen Vorreiter, gerade was den Islamunterricht an Grundschulen angeht. Wir haben an 25 Grundschulen Islamunterricht als Modellprojekt, woran 1 000 bis 1 300 Schülerinnen und Schüler teilnehmen. Daran sieht man schon, dass dies notwenig und richtig ist. In diesem Projekt werden Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund eingesetzt; sie gehören dem muslimischen Glauben an und sind von daher für die Unterrichtserteilung prädestiniert. Die Inhalte selbst sind staatlich vorgegeben worden, allerdings im Dialog mit den betroffenen Verbänden und Institutionen. Zu diesem Islamunterricht gibt es einen runden Tisch, an dem auch Vertreter sämtlicher muslimischer Gruppen beteiligt sind. Insofern ist das ein sehr guter Weg.

Zum Handlungsprogramm Integration haben wir des Weiteren ein Forum eingerichtet, in dem wir gemeinsam mit den anderen Religionen den Dialog pflegen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wird noch Ende September eine Tagung zu diesem Thema in Loccum stattfinden. Dieser Dialog ist also breit angelegt.

Vielen Dank, Herr Minister. - Frau Kollegin Lorberg, bitte schön!

Herr Präsident! Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu ergreifen, um im Rahmen der genannten Programme die Belange von Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen und ihre Rolle in unserer Gesellschaft zu stärken?

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Minister!

Zunächst bestätige ich, dass es tatsächlich sehr schwierig ist, Mädchen und heranwachsende Frauen mit Migrationshintergrund gesellschaftlich zu integrieren. Hier gibt es Defizite. Daher enthält das Handlungsprogramm Integration spezielle

Programmteile, um den Mädchen mehr Partizipation zu ermöglichen.

Ich mache dies konkret am Sport deutlich. Am Schulsport dürfen viele türkische Mädchen nicht teilnehmen. In Osnabrück ist ein hervorragendes Projekt entwickelt worden, in dem Mädchen durch Fußball in den Sport eingegliedert werden. Ich selber habe mir so etwas in Hannover angeschaut: In einer Grundschule spielen Mädchen mit Migrationshintergrund Fußball. Das Ganze wird von einem Fußballverein begleitet. Ich habe gesehen, dass sie bereits nach einem halben Jahr mit voller Begeisterung dabei waren. Diese Mädchen aus der Grundschule werden darüber hinaus von weiblichen Jugendliche aus Realschulen, Hauptschulen und Gymnasien betreut. Dies ist ein Beispiel dafür, wie man Mädchen auch über den Sport besser in die Gesellschaft integrieren kann. Dies halte ich für wichtig, auch wenn es nur ein Baustein ist.

Vielen Dank. - Frau Kollegin Meißner, bitte schön!

Herr Präsident! Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Minister, dass Sie gesagt haben, Sie wollten den Kriterien Gesundheit und Religion eine größere Gewichtung zukommen lassen. Ich halte das für sehr wichtig, weil gerade im gesundheitlichen und im Pflegebereich die Bedürfnisse, aber auch die Gefühle von Menschen eine große Rolle spielen und von daher andere Kulturen berücksichtigt werden sollten. Ich frage die Landesregierung: Wie kann besser auf Gefühle und kulturelle Sensibilitäten von Migrantinnen und Migranten bei uns eingegangen werden?

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Minister!

Für mich ist wichtig, dass mehr Migrantinnen und Migranten die Möglichkeit haben, eine Anstellung in der öffentlichen Verwaltung zu finden. Aber mindestens genauso entscheidend ist, dass gerade im sozialen Bereich und in der Ausländerbehörde - eigentlich in allen Bereichen, in denen die Verwaltung in Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern steht - eine interkulturelle Schulung stattfin

det. Dafür werbe ich auch bei den kommunalen Spitzenverbänden. Beispielsweise ist dies in Osnabrück schon sehr vorbildlich umgesetzt worden. Das ist also meiner Ansicht nach entscheidend: auf der einen Seite mehr Einstellungen von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst und auf der anderen Seite - das ist noch wichtiger - die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst insgesamt. Ich glaube, hier sind wir wirklich auf einem guten Weg, obwohl noch sehr viel getan werden muss.

Herr Kollege Bachmann, bitte schön!

Herr Minister, ich schicke voraus, dass der Nationale Integrationsplan eine gemeinschaftliche Leistung aller staatlichen Ebenen, aller gesellschaftlichen Gruppen und aller Parteien ist und auch in allen Fachministerien des Bundes vorzügliche Vorarbeit geleistet wurde, sodass sich nicht nur bestimmte Parteien diesen Erfolg an den Hut stecken können, zumal wir diese gesellschaftliche Aufgabe ohnehin nur gemeinsam meistern können.

In der Frage und auch in Ihrer Antwort kommt für mich ein Aspekt zu kurz, nämlich die hervorragenden Integrationsleistungen, die gesellschaftliche Kräfte neben den staatlichen Stellen in den letzten Jahren geleistet haben und auch in Zukunft leisten werden. Können Sie bestätigen, dass es nicht nur die Leistung von Bund, Ländern und Gemeinden, sondern zu fast 90 % die Leistung von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Selbsthilfegruppen sowie Migrantenorganisationen ist und dass die Infrastruktur schon sehr dürftig wäre, wenn es diese Leistungen der gesellschaftlichen Kräfte nicht gäbe?

Eine zweite Frage zu den Leitstellen: Ich halte es für richtig, dass Sie im Rahmen des Reformarbeitsmarktes Kräfte an die Kommunen gegeben haben. Ist dies so angelegt, dass es auslaufende Dienstposten sind - etwa ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Bezirksregierungen, die vielleicht dann, wenn sie zur Pensionierung anstehen, nicht ersetzt werden -, oder hat sich das Land auf Dauer festgelegt, solange Sie noch Verantwortung tragen, was ja nicht mehr allzu lange sein wird?

(Lachen bei der CDU)

Wird das Land diese Leitstellen auf Dauer finanzieren, oder sind es nur Reformarbeitskräfte, die als auslaufende Dienstposten kein dauerndes Angebot an die Kommunen darstellen?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann bestätigen: Solange ich Innenminister bin, werden die Leitstellen für Integration auf jeden Fall bestehen bleiben.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Vier Mo- nate noch!)

- Das ist ein weiteres Argument dafür, richtig zu wählen. Dass Sie darauf hingewiesen haben, fand ich sehr nett.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich freue mich auch, dass Sie bestätigt haben, dass wir die Leitstellen für Integration aus dem Reformarbeitsmarkt besetzt haben.