Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Herr Minister, ich möchte Ihnen eine ebenso einfach zu beantwortende Frage stellen wie der Kollege Biallas.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ist Ihr Mi- nister so schwach, dass er das allein nicht mehr schafft?)

Es wird ja immer von dem Regierungswechsel gesprochen. Daher frage ich Sie, Herr Minister: Könnte es einen Zusammenhang geben zwischen dem Regierungswechsel auf Bundesebene zu RotGrün im Jahr 1998, der angekündigten Gemeindefinanzreform, die dann gescheitert ist, und der Finanzlage der Kommunen in Niedersachsen?

Zweitens. Herr Minister, ist es richtig, dass auf Druck der CDU im Bundesrat die Gemeindefinanzreform dazu geführt hat, dass die Gewerbesteuerumlage reduziert wurde, dass die niedersächsischen Kommunen dadurch zwischen 2004 und 2008 insgesamt 200 bis 250 Milliarden Euro Mehreinnahmen zu verzeichnen haben und dass wir die Revitalisierung der Gewerbesteuer und die Einbeziehung gewinnunabhängiger Elemente verhindern konnten?

Herr Kollege, zwei Fragen sind erlaubt. Sie haben jetzt schon Ihre vierte Frage gestellt.

Ich wollte aus all den guten Dingen, die wir für die Kommunen geschaffen haben, eigentlich einen Bandwurmsatz konstruieren,

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

aber ich denke, zwei Fragen sind auch genug.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Semikolon ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die Gemeindefinanzreform gescheitert ist, hat sicherlich dazu geführt, dass die Lage der Kommunen noch erheblich schwieriger geworden ist. Ich sage jetzt mit allem Ernst - denn das ist absolut wichtig -: Wenn tatsächlich eine Große Koalition zustande kommt - was ich hoffe und wovon ich auch ausgehe -, dann müssen wir die Gemeindefinanzreform als eines der ganz wichtigen Reformvorhaben im Auge haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn ich die Verhandlungsergebnisse richtig deute, hat man vor, im Jahr 2008 eine größere Unternehmenssteuerreform durchzuführen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss auch die Gemeindefinanzreform durchgeführt werden. Dann wird auch die Frage zu beantworten sein, wie die Zukunft der Gewerbesteuer aussieht. Wir wissen ja, welche Schwankungen es bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer gibt. Im Moment ist zwar ein Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen zu verzeichnen, aber wir wissen, dass sie in den vergangenen Jahren drastisch eingebrochen waren. Wir wissen auch, dass die Gewerbesteuer höchst unterschiedlich greift; in manchen Gebieten spielt sie gar keine Rolle, in anderen eine sehr große. Auf jeden Fall müssen wir für eine Verstetigung der Einnahmen der Kommunen sorgen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dafür gibt es verschiedene Modelle. Wenn wir über die Unternehmenssteuerreform reden, müssen, wir, weil wir im europäischen bzw. globalen Wettbewerb stehen, auch daran denken, dass es eine Gewerbesteuer fast nur in Deutschland gibt. Es gibt auch andere Modelle, z. B. Hebesatzkomponenten auf die Einkommenund die Körperschaftsteuer. Das führt zu Problemen, die wiederum mit der Verteilung zu tun haben. Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, dass sich die kommunalen Spitzenverbände und die Politiker, die die Verantwortung im Land und im Bund tragen, zusammen

setzen, um im Interesse der Kommunen den richtigen Weg einzuschlagen.

Wenn wir es nicht schaffen, die Gemeindefinanzreform hinzubekommen, dann wird es unmöglich sein, irgendwann in mittelfristiger Zukunft wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist mir das ganz wichtig. Zu Beginn der ganzen Beratungen ist von der Gemeindefinanzreform überhaupt keine Rede gewesen. Ich bin froh, dass dieses Thema jetzt sehr viel ernster genommen wird.

Herr Kollege Althusmann, es ist richtig, dass die Landesregierung zusammen mit Bayern eine Bundesratsinitiative gestartet hat, die auch erfolgreich gewesen ist. Das Einzige, was bei der Gemeindefinanzreform herausgekommen ist, ist die Senkung der Gewerbesteuerumlage von 28 % auf 20 %, die zu zusätzlichen Einnahmen für die Kommunen in Höhe von 200 Millionen Euro jährlich führt. Es gab aber auch noch eine andere Komponente, die ich in Erinnerung rufen will: Der Anteil der Kommunen an den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer sollte um 0,8 Prozentpunkte auf 3 % erhöht werden.

Im Moment wird über eine Mehrwertsteuererhöhung diskutiert. Sieht man sich die Situation insgesamt an, muss man sagen: Wenn wir eine neue Unternehmenssteuerreform durchgeführt haben, dann muss auch dieser Schritt zumindest ernsthaft geprüft werden, ohne allerdings zu sagen, dass wir unbedingt eine höhere Belastung haben müssen. Aber um das noch einmal deutlich zu sagen: Hinsichtlich der Verteilung der Steuereinnahmen ist die Mehrwertsteuer für die Kommunen eine stetigere Steuer als die Gewerbesteuer.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist der Vorschlag, den die Landesregierung zusammen mit Bayern in den Bundesrat eingebracht hat, eine gute Basis dafür, dass wir in der Großen Koalition eine Verstetigung der Einnahmen der Kommunen erreichen. Lassen Sie uns lieber darüber streiten, als nur den schwarzen Peter nach links oder rechts zu schieben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sehr rich- tig!)

Ich gebe zu, dass auch ich das getan habe. Wenn Sie danach fragen, muss man die Historie natürlich aufarbeiten. Aber viel wichtiger ist - deshalb bin ich für die Frage von Herrn Althusmann sehr dankbar -, dass wir gemeinsam daran arbeiten, den Kommunen wieder die Möglichkeit zu geben, steti

ge Einnahmen zu erzielen und handlungsfähiger zu werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Wenzel stellt seine letzte Zusatzfrage.

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass ich bisher nicht lesen konnte, welche konkreten Vereinbarungen für eine zeitnahe Umsetzung der Gemeindefinanzreform bei den Verhandlungen in Berlin eine Rolle gespielt haben, frage ich Sie: Was ist - ganz konkret - nach Abschluss der Koalitionsvereinbarungen in Berlin für die niedersächsischen Kommunen zu erwarten, und wie zeitnah kann das geschehen?

Vielen Dank. - Aber abgeschlossen sind sie noch nicht, wenn ich darauf hinweisen darf.

Herr Präsident, das wollte ich auch sagen. - Das werde ich Ihnen sagen, wenn die Gespräche abgeschlossen sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Kollegin Helmhold, bitte schön!

Meine Damen und Herren! Herr Minister, man muss doch festhalten - auch bei einem Rückblick auf das Jahr 1998 und die Probleme im Zusammenhang mit der Gemeindefinanzreform, die der Kollege Althusmann angesprochen hat -; dass es sehr wohl niedersachsenspezifische Bedingungen geben muss, wenn die Kommunen in Niedersachsen im Bundesvergleich den höchsten Schuldenstand und bundesweit fast die Hälfte aller Kassenkredite aufgenommen haben. Das, finde ich, muss man an dieser Stelle auch klarstellen, wenn man von der Vergangenheit spricht.

Aber ich möchte auch auf die Gegenwart zu sprechen kommen: Wie verhält sich die Landesregierung zu der Forderung von Wirtschaftsminister Clement, die Erstattung der Unterkunftskosten an die Kommunen zu senken?

Vielen Dank. - Bitte sehr!

Zur ersten Bemerkung - das war keine Frage möchte ich Ihnen deutlich machen, welchen Zusammenhang es hier - gerade im Hinblick auf die Jahre ab 2000 bzw. 2002 - gibt. Insgesamt waren in Deutschland am 31. Dezember 2000 Kassenverstärkungskredite - das sind die Kassenkredite in Höhe von 6,88 Milliarden Euro zu verzeichnen. Am 31. Dezember 2004 waren es 19,936 Milliarden Euro, also fast 20 Milliarden Euro. Daran können Sie erkennen, wie überall in der Bundesrepublik insgesamt nach dem Jahr 2000 und gerade nach dem Jahr 2002 die Höhe der Kassenkredite exorbitant gestiegen ist.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: In Nie- dersachsen ganz besonders!)

Ich hatte schon einmal dargestellt, dass Kassenkredite in Niedersachsen auf einem hohen Niveau liegen. Woher das kam, habe ich erwähnt. Allerdings ist in Niedersachsen ein geringerer prozentualer Anstieg als anderswo festzustellen. Wir haben es hierbei also insgesamt mit der wirtschaftlichen Situation zu tun. Von Herrn Althusmann ist dargestellt worden, welche Ursachen das hat; es ist bei seiner Anfrage deutlich geworden.

Jetzt zu den Unterkunftskosten. Es muss - Herr Hoofe hat sich hierbei nicht nur in Niedersachsen sehr große Verdienste erworben, sondern auch in Berlin, wo er sich den Verhandlungen verstärkt gewidmet hat - nicht nur ein Anteil von 29,1 % - wenn ich es richtig in Erinnerung habe - dargestellt werden, sondern sogar erheblich mehr. Das, was das Kabinett dargestellt hat, ist nicht auskömmlich, sodass man sogar eine höhere Erstattung haben müsste. Ich darf daran erinnern: Den Kommunen ist eine Entlastung von 2,5 Milliarden Euro versprochen worden. Das ist bei weitem nicht erreicht worden. Gerade diese Landesregierung hat klar dargestellt, dass die Absenkung auf null überhaupt nicht infrage kommen kann, da sie bei

den Kommunen eine ganz dramatische Situation - man könnte fast sagen: den Ruin - auslösen könnte. Das ist mit uns auf keinen Fall zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Der Kollege Klein hat sich zum zweiten Mal zu Wort gemeldet.

Der Minister hat ausgeführt, dass die Ursache der Finanzkrise auch darin liegt, dass es einen laschen Umgang der Aufsichtsbehörden mit den Kommunalhaushalten gegeben hat. Ich kann dem zustimmen. Vor diesem Hintergrund interessiert mich, wie die Landesregierung als Aufsichtsbehörde über die Landkreise mit der Tatsache umgeht, dass die Landkreise an der Küste ihre Haushalte in erheblicher Weise mit Schuldendienst dadurch belasten, dass sie Aufgaben übernehmen, für die sie nicht zuständig sind. Ich spreche ganz konkret die Übernahme der Planungskosten für das Autobahnprojekt A 22 an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Die Kommunalaufsicht muss vor allen Dingen dafür sorgen, dass man sich im konsumtiven Bereich nicht dauerhaft verschuldet und dass man sich keine dauerhaften Folgekosten auflädt. Wirtschaftsförderung, wenn es also darum geht, tatsächlich eine Strukturschwäche zu beseitigen, ist eine Investition in die Zukunft. Dabei wird die Kommunalaufsicht auf jeden Fall sehr viel großzügiger sein als bei konsumtiven Ausgaben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Möhrmann, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schade, dass wir die Kurzintervention noch nicht

haben. Herr Schünemann, sonst würden Sie hier nicht so gut wegkommen.

(Heiterkeit)

Ich möchte Herrn Schünemann gerne fragen, wie er mit zwei Vorwürfen des Landkreistages umgeht.

Erster Vorwurf. Es handelt sich bei dem Eingriff in Höhe von 150 Millionen Euro nicht um eine Sparmaßnahme des Landes, sondern die ansonsten notwendige Schuldenaufnahme des Landes wird durch eine Schuldenaufnahme seitens der kommunalen Gebietskörperschaften ersetzt.