Bei Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten handelt es sich stets nur um Schätzgrößen, wie sich bereits aus dem Begriff „ungewisse“ ergibt. Die Angemessenheit der Höhe der Rückstellungen muss somit von den Betriebsprüfern der Finanzverwaltung nicht aufgrund eigener Sachkunde nachgeprüft werden. Der Vorwurf des Bundesrechnungshofes geht daher ins Leere.
Zu Frage 2: Zur Beantwortung dieser Frage erscheint es mir am sinnvollsten, auf das 13. Deutsche Atomrechts-Symposium 2007 zu verweisen. Dort haben nämlich Vertreter des Bundesumweltministeriums eine Reihe von Vorschlägen zur Sicherung der Insolvenzfestigkeit des zur Erfüllung der Entsorgungs- und Rückbauverpflichtungen erforderlichen Vermögens unterbreitet. Diese Vorschläge lehnen sich im Wesentlichen an die geltenden Regelungen des Versicherungsrechts an. Zu nennen wären hier etwa die Bildung von Sondervermögen, das dem Zugriff der Gläubiger entzogen ist, sowie die Vorgabe bestimmter werthaltiger Anlageformen. Als weitere Sicherungsinstrumente auf Konzernebene wurden darüber hinaus die gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen und die Verankerung einer gesetzlichen Einstandspflicht vorgeschlagen. Über den Stand der Umsetzung dieser Vorschläge ist der Landesregierung nichts bekannt.
Soweit, wie ich bei der Beantwortung der Frage 1 vorgetragen habe, Verbesserungsmöglichkeiten steuerlichen Bezug haben, könnten sie grundsätzlich durch außergesetzliche, verwaltungsinterne Maßnahmen umgesetzt werden. Dies wäre dann aber nur in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder möglich.
Zu Frage 3: Nach § 31 des Atomgesetzes haftet der Inhaber einer Kernanlage für Schäden, die auf einem von einer Kernanlage ausgehenden nuklearen Ereignis beruhen, grundsätzlich unbegrenzt.
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens muss der Betreiber einer Kernanlage die notwendige Deckungsvorsorge nachweisen. Dadurch wird sichergestellt, dass der Betreiber im Schadensfall seine gesetzlichen Schadensersatzpflichten erfüllen kann. Diese Deckungsvorsorge beträgt - in Abhängigkeit von der Gefährlichkeit der jeweiligen Anlage - maximal 2,5 Milliarden Euro. Für die drei in Niedersachsen in Betrieb befindlichen Leistungsreaktoren ist die Deckungsvorsorge auf diesen Höchstbetrag festgesetzt.
Für jedes Kernkraftwerk besteht eine Haftpflichtversicherung in Höhe von 255,6 Millionen Euro. Zum Nachweis der Deckungsvorsorge im Übrigen, d. h. in Höhe von 2,244 4 Milliarden Euro je Schadensfall, gibt es die sogenannte Solidarvereinbarung der Kraftwerksbetreiber E.ON Energie AG, RWE AG, EnBW AG und Vattenfall Europa AG. Diese haben nämlich im Sommer 2001 vertraglich vereinbart, den haftenden Kernkraftwerksbetreiber im Schadensfall nach Ausschöpfung dessen eigener Möglichkeiten und der Möglichkeiten seiner Konzernobergesellschaft finanziell so auszustatten, dass dieser seiner Zahlungsverpflichtung nachkommen kann. Die Vertragspartner haben jeweils spätestens sechs Monate nach ihrem Jahresabschluss durch ein Testat ihres Abschlussprüfers zu bestätigen, dass sie zum vorausgegangenen Bilanzstichtag über ausreichende realisierbare, liquide Mittel verfügen. Diese liquiden Mittel müssen dem Zweifachen des Betrages entsprechen, der sich aus dem auf sie entfallenden Anteil des Deckungsvorsorgebetrages von 2,244 4 Milliarden Euro zuzüglich 5 % für Schadensabwicklungskosten ergibt, um ihren Verpflichtungen aus der Solidarvereinbarung nachkommen zu können.
Die Landesregierung hat keine Kenntnis über die Höhe möglicher Schadensersatzansprüche gegen den Betreiber des japanischen Kernkraftwerkes Fukushima.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung auf meine Anfrage zur Konkurssicherheit der Rückstellungen in der Drs. 16/1731 vom 19. Oktober 2010 antwortete:
„In der Solidarvereinbarung aus dem Jahr 2001 haben sich die Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, diese (Gewinnabführungs- und Be- herrschungs-)Verträge oder entsprechende harte Patronatserklärungen mindestens bis zum Jahr 2012 aufrechtzuerhalten“,
frage ich die Landesregierung: Wie wird die Konkurssicherheit nach Ablauf dieser Frist gewährleistet?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Herzog! Bei der damaligen Vereinbarung ging es ja gerade um die Intention, Insolvenzsicherheit herzustellen. Man ist auf dem Felde - das darf ich sagen - noch nicht zu abschließenden Ergebnissen gekommen, sodass die allerletzte Insolvenzsicherheit nicht angenommen werden darf. Vielleicht mag entschuldigend hineinspielen, dass rund um das Atomrecht - um das Betreiben, Längerbetreiben und Abschalten von Kernkraftwerken - vieles in Bewegung gekommen ist. Eine abschließende, wenn Sie so wollen, gesetzliche beleihungsfähige Regelung gibt es dazu nicht.
Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage kommt ebenfalls von der Fraktion DIE LINKE. Frau Kollegin Zimmermann!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage in Drs. 17/1866 vom 27. Mai 2010 ausführt:
„Die Bundesregierung wird daher die Entwicklung mit Blick auf Transparenz und Verfügbarkeit der finanziellen Mittel weiterhin aufmerksam verfolgen und - wenn erforderlich - geeignete Maßnahmen ergreifen“,
frage ich die Landesregierung: Welche Maßnahmen wird die Niedersächsische Landesregierung nach der kritischen Stellungnahme des Bundesrechnungshofs für notwendig halten?
Frau Präsidentin! Frau Kollegin, Wir befinden uns mit der gesamten Thematik im Bereich des Bundesrechts. Ich will noch einmal etwas genauer ausführen, was der Grundgedanke in Bezug auf die Rückstellungen ist. Jeder fragt sich natürlich: Was kostet es, wenn ein Kernkraftwerk stillgelegt bzw. rückgebaut wird? Wie hoch sind die Entsorgungskosten für die Brennelemente? Wie hoch sind die Entsorgungskosten im Übrigen? Hier geht die Fragestellung in Richtung Landessteuerbehörde: Was ist der richtige Wert für die jeweilige Rückstellung? Die Ermittlung der Werte erfolgt letztlich auf Bundesebene. Da bedienen sich alle des Bundesamtes für Strahlenschutz.
Das Bundesamt gibt dann hoffentlich die richtigen Zahlen an die Unternehmen wie auch an die Landessteuerbehörden weiter, die danach verfahren.
Der Vorwurf geht da in die Richtung, dass die Landessteuerbehörden fachlich nicht geeignet seien. Es geht dabei um ein Übermittelnlassen und vielleicht doch Überprüfen von Werten, nach denen man dann steuertechnisch verfährt. Vor exakt einem Jahr ist der gesamte Hintergrund, Frau Kollegin - ich habe die Drucksache ebenfalls dabei -, auf Bundesebene noch einmal abgefragt worden. Das gilt auch für die Fragestellung: Welche Rückstellungen gibt es denn so?
Ich darf das an dieser Stelle einfach einmal einflechten: Die Rückstellungen für die verschiedenen Kraftwerke betrugen - Endstand 2008 - bei E.ON etwa 12,2 Milliarden Euro, bei der RWE AG 9,4 Milliarden Euro, bei EnBW 4,7 Milliarden Euro und bei Vattenfall 1,1 Milliarden Euro. Das mag sich zwei Jahre später etwas verschoben haben.
Ich habe eben gesagt: Die Rückstellungen werden Jahr für Jahr vorgenommen. Insolvenzsicherheit gibt es dafür unverändert nicht. Die angesprochenen in Aussicht genommenen Regelungen auf Bundesebene - ich habe einen Grund mit angedeutet - gibt es bis heute nicht. Ob es in der Macht des Landesgesetzgebers liegt, dem Bundesgesetzgeber - Atomgesetz, HGB usw. - zu sagen: „So und so hast du das Recht der Rückstellungen wie auch die Insolvenzsicherheit der Rückstellungen genau zu beordnen“, will ich mal offenlassen.
Wir befinden uns ja politisch in einer hoch spannenden Phase. Würden wir alle davon ausgehen, dass noch lange Kernkraftwerke betrieben werden - was letztlich selbst die Vereinbarung von
Rot-Grün beinhaltete -, müsste man sicherlich Druck ausüben und sagen: Bitte, die Insolvenzsicherheit herstellen. - Denn die genannten Milliardenbeträge - ich habe das einmal addiert, sie liegen so um die 27 Milliarden Euro für alle vier Großkonzerne - sind nicht sozusagen auf einem Sonderkonto abrufbar vorhanden, sondern sie befinden sich letztlich im Unternehmensbestand. Ist das Unternehmen pleite, dann ist das Geld für Stilllegung und Rückbau letztlich auch weg. Also wäre bei einem längeren Betrieb von Kraftwerken sehr wohl die Notwendigkeit vorhanden, das Thema der Insolvenzsicherheit zu forcieren.
Wenn es jetzt aber sozusagen - das ist die politische Diskussion im Bund, wenn ich mir mal erlauben darf, das beurteilend zu sagen - an der Zeit ist, dass man sagt: „Wir wollen aussteigen, und es geht nur noch um wenige Jahre“, dann besteht umso mehr Handlungsbedarf in der Richtung, zu sagen: „Wir müssen dann, wenn wir zu einem Ergebnis kommen - bei den einen ist das 2017, bei den anderen 2022 -, die Rückbauverpflichtung festlegen und auch die Gelder für den Rückbau entsprechend so binden, dass da keine Pannen passieren können.“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Teilt sie die Auffassung der Uni Leipzig, die in der Studie der Versicherungsforen Leipzig - zitiert in der Zeit vom 12. Mai 2011 - feststellt, dass Atomstrom in Deutschland unbezahlbar wäre, wenn Atomkraftwerke gegen schwere Atomunfälle wie in Fukushima versichert werden müssten? Nach dieser Expertise würde sich der Atomstrom um 14 Cent verteuern. Wenn nein: Von welchen Versicherungsleistungen geht sie mit welcher Begründung aus?
Frau Präsidentin! Frau Kollegin, die Landesregierung kann diese Auffassung aus Leipzig schon deswegen gar nicht teilen, weil es sich um ein sozusagen virtuelles Rechenbeispiel handelt. Es gibt keine Versicherung, die ein Risiko in der in
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Herr Minister Busemann, man muss Ihnen ja zugute halten, dass Sie nicht der Finanzminister sind, aber aus der Drs. 17/5350 des Deutschen Bundestages - - -
Ich komme also zu meiner Frage. Wie beurteilen Sie die von Ihnen eben gemachte Aussage, dass sich die Rückstellungen aufgrund der Begutachtung des Bundesamtes für Strahlenschutz zusammensetzen im Verhältnis zu den Ausführungen in der Drucksache des Deutschen Bundestages, die ich eben erwähnt habe:
„Die Gutachten erstellen zwei private Gesellschaften, an denen die Energieversorgungsunternehmen, die Kernkraftwerke betreiben, beteiligt waren oder heute noch alleine beteiligt sind.“,
wie beurteilen Sie als Justizminister, dass die Höhe der Rückstellungen ausschließlich von privaten Firmen festgestellt wird, die nur von den Energieversorgern getragen werden?
Herr Jüttner, es ist doch ganz interessant, sich auch einmal mit dieser Thematik zu befassen und sich da hineinzudenken, ob denn, Herr Kollege Dr. Sohn, 2,5 Milliarden Euro für ein Malheur im Ausmaß von Fukushima reichen. Das ist natürlich
Bei der Frage der Höhe der Rückstellungen setzen - damit das klar ist - auch die Steuerbehörden auf die Auskunft des Bundesamtes für Strahlenschutz. Herr König hat das also letztlich in der Hand. Vielleicht würde ich ihm sogar zugutehalten, dass es nach der Diskussion der letzten 12 bis 18 Monate ein bisschen schwierig ist, dabei die passende Größenordnung, die auch steuerrechtlich hält, zu finden. Aber er ist der Maßgebliche, der die Zahlen verantworten muss. Dass sich das BfS von der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe, DBE, sowie auch von der Gesellschaft für Nuklear-Service mbH usw. zuarbeiten lässt, ist klar.
Nun können Sie dramatisches Misstrauen in der Richtung äußern, dass Sie fragen: Wer ist das? Sie können sagen: Die sind - sowieso und schon immer - befangen. Aber dafür haben wir ja Herrn König, der das kritisch beleuchtet und dann so filtert, dass die Steuerbehörden die richtigen Zahlen bekommen.
Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Herr Wenzel die nächste Zusatzfrage.
Frau Präsidentin! Herr Minister, ich habe eine Frage zu der Patronatserklärung und zur Durchgriffshaftung. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie gesagt haben, hier gebe es noch Unklarheiten, frage ich Sie: Warum sind die Kernkraftwerksgesellschaften in der Regel als Gesellschaften mit beschränkter Haftung organisiert? Mit welchen Formulierungen ist in den einschlägigen rechtlichen Grundlagen sichergestellt, dass für den Schadensfall eine Durchgriffshaftung in den Konzernen erfolgt? - Dazu hätte ich von Ihnen gern noch einmal eine genaue Formulierung und einen genauen Fundort.