Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Der letzte Fragesteller auf meiner Liste ist Herr Kollege Watermann von der SPDFraktion. Bitte!

Frau Präsidentin! Vor dem Hintergrund, dass sich die positive Einschätzung, die ich gestern hinsichtlich der Umsetzung der Sozialgesetzbuches II abgegeben habe, heute durch die Antwort der Landesregierung in Entsetzen gewandelt hat, frage ich die Landesregierung, ob sie meine Auffassung teilt, dass, wenn so agiert wird, wir uns die nächste Klatsche beim Bundesverfassungsgericht holen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Bode. Bitte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben diese Frage intensiv erörtert. Alle Beteiligten, auch die Vertreter der SPD, der Grünen - solange sie dabei waren -, der CDU/CSU und der FDP, waren im gesamten Verhandlungsverfahren der festen Überzeugung, dass man die maximal mögliche Sicherheit bekommen muss, damit es nicht wieder zu einem derartigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommen kann. Alle Beteiligten - das unterstelle ich einmal denen, mit denen wir dort zusammen waren - waren ehrlich bemüht, aus ihrer Sicht den größten Beitrag für diese Rechtssicherheit zu leisten.

Es gab dann am Ende bei vielen Fragen, im Wesentlichen bei der Frage der Berechnung der Regelsatzhöhe, unterschiedliche Auffassungen. Einige haben gesagt, sie können es nicht mittragen. Andere haben gesagt, sie glauben, es ist verfassungskonform. Wiederum andere haben gesagt, sie haben größere Bauchschmerzen, um nicht zu sagen, es ist verfassungskonform.

Das Ergebnis hat bei dem Erfordernis, gemeinsam einen Konsens zu erzielen, die maximal mögliche Sicherheit gebracht. Aber vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand oder in der Hand des Verfassungsgerichts.

(Zustimmung von Jens Nacke [CDU])

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Es besteht der Wunsch nach einer weiteren Zusatzfrage. Für die FDP-Fraktion fragt Herr Kollege Försterling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Horrorszenarien, die die Oppositionsfraktionen hier an die Wand gemalt haben, frage ich die Landesregierung, ob ihr Vertrauen in die Kommunalpolitiker von SPD, Grünen und Linken größer ist als das Vertrauen der eigenen Landtagsfraktionen in ihre Parteifreunde vor Ort.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Johanne Modder [SPD])

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Althusmann. Bitte!

Danke schön. - Der letzte Fragesteller auf meiner Liste ist Herr Kollege Hagenah für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund der letzten Antwort von Minister Bode, ob die Verfassungskonformität nicht dadurch gefährdet sein könnte, dass sie, wie sie in ihren Antworten heute deutlich gemacht hat, nicht evaluieren will, ob die Mittel tatsächlich bei den Betroffenen ankommen und damit tatsächlich landesweit eine gleiche Verteilung nach der Kinderzahl so bei den Betroffenen zur Wirkung kommen kann, wie es nach der Verfassung eigentlich sein müsste, und dass das genau das Einfallstor für künftige Klagen und Entscheidungen vor dem Verfassungsgericht sein könnte.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Steilvor- lage!)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Özkan. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie müssen zwei Pakete trennen: den Regelsatz und das Bildungs- und Teilhabepaket.

Das eine ist die Berechnung des Regelsatzes. Sie ist verfassungskonform. Da haben wir gerechnet, da haben wir diskutiert, was da hineinfällt, welcher Korb das ist.

Das andere ist das Bildungs- und Teilhabepaket: Wie kann man Kindern aus SGB-II-Familien und anderen Leistungsberechtigten die Teilhabe ermöglichen? - Das ist genauestens geregelt. Ich habe Ihnen vorhin gesagt - ich beantworte es aber gerne noch einmal -, dass es eine Berichtspflicht gibt, welche Leistungen an wie viele Kinder abfließen. Wir haben also eine ganz genaue Übersicht.

Davon trennen müssen Sie das, was zusätzlich in die Verhandlung gekommen ist, was vom Bundesverfassungsgericht nicht gefordert worden war - das ist sozusagen ein Add-on und deshalb auch gut für die Kommunen -, nämlich die 400 Millionen Euro bzw. die anteiligen 36 Millionen Euro. Darum geht es. Sie kritisieren hier, dass ein etwas Mehr, was hier eingesetzt wird, schlechter ist.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie kön- nen den Regelsatz doch nur so nied- rig halten, weil Sie das mit dem Bil- dungspaket rechtfertigen!)

Frau Flauger, die Fraktion DIE LINKE hat ihr Fragekontingent ausgeschöpft.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist schade!)

Weitere Fragen liegen nicht vor. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 b auf:

Bundesrechnungshof bemängelt wegen unterschiedlicher Zuständigkeit der Fachbehörden

und fehlender Fachkompetenz der Steuerbehörden die nicht sachgerechte Höhe der Rückstellungen der Atomkonzerne für Entsorgungsverpflichtungen - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/3663

Frau Geuter, Sie haben das Wort zur Einbringung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesrechnungshof bemängelt wegen unterschiedlicher Zuständigkeit der Fachbehörden und fehlender Fachkompetenz der Steuerbehörden die nicht sachgerechte Höhe der Rückstellungen der Atomkonzerne für Entsorgungsverpflichtungen.

„Energieversorgungsunternehmen müssen für ihre Entsorgungsverpflichtungen im Atomenergiebereich Rückstellungen bilden. Sie legen dabei eigene Annahmen und Kostenschätzungen zugrunde. Der Bund und die Länder können die Höhe der Rückstellungen nicht sachgerecht beurteilen“, so heißt es in der Drs. 17/5350 des Deutschen Bundestages vom 12. April 2011 über die Unterrichtung zu Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes.

Neben den in der Überschrift genannten grundsätzlichen Mängeln beklagt der Bundesrechnungshof die fehlende Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden und die fehlenden Auskunftsrechte. Zudem seien die Kostenschätzungen teilweise veraltet, für die Endlagerprojekte Konrad und Gorleben seien sie seit zehn Jahren nicht aktualisiert. Wörtlich heißt es: „Weder der Finanzverwaltung noch anderen staatlichen Stellen liegen die erforderlichen Informationen vor, um die Höhe der Rückstellungen zu bewerten.“ Und weiter: „Wenn die Rückstellungen zu niedrig sind, wird der Bund in Anspruch genommen. Sind sie zu hoch, führt die steuerliche Begünstigung der Rückstellungen zu Mindereinnahmen“ des Staates. Zum 31. Dezember 2009 betrugen die Rückstellungen knapp 28 Milliarden Euro.

Während das Bundeswirtschaftsministerium die Vorschläge des Rechnungshofes ablehnt und von bewährten Regelungen spricht, führt das Bundesfinanzministerium aus, dass man eine intensivere Unterstützung der Fachbehörden, insbesondere vom Bundesamt für Strahlenschutz, sowie eine Aktualisierung der Kostenschätzungen begrüßen würde.

Das Bundesumweltministerium weist darauf hin, dass der Bund für die bei der Errichtung der Endlager anfallenden Kosten unmittelbarer Ausfallbürge sei; man verlangt, dass eine bereits bestehende Stelle Auskunftsansprüche und Einsichtsrechte in die Zusammensetzung und Verwaltung der Rückstellungen erhält.

Die Süddeutsche Zeitung vom 13. April 2011 beklagt, die „Hilflosigkeit hat nach Darstellung der Haushaltsprüfer möglicherweise weitreichende Folgen.“ Erschwerend zu den Bemerkungen der Rechnungsprüfer kommen nach Meldungen der Medien unzureichende Risikoversicherungen der Atomkonzerne bei Unfällen und Katastrophen sowie deren Folgewirkungen hinzu, während gleichzeitig die - wenn auch differenziert ausfallende - prekäre Sicherheitsauslegung der deutschen Atommeiler durch die Sicherheitsprüfung immer offensichtlicher wird.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes und die Stellungnahmen der Bundesministerien, und welche Änderungen sind auch in Niedersachsen im Bereich der steuerlichen Rückstellungen nötig?

2. Welche gesetzlichen Änderungen wären nötig, um die vom Bundesrechnungshof geforderten Rechte umzusetzen, und wie kann rechtlich sichergestellt werden, dass die gebildeten Rückstellungen der Atomindustrie auch im Falle des Konkurses von Betreibergesellschaften zur Verfügung stehen?

3. In welcher Höhe sind die Atomanlagen und die direkten Folgewirkungen auf Menschen, Umwelt und Infrastruktur bundesweit und in Niedersachsen bei Schäden durch Unfälle und Katastrophen versichert, und ist deren Höhe nach den aktuellen Erkenntnissen aus Japan ausreichend?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da die Frage schwerpunktmäßig ins Steuerbehördliche geht, wollte hier im Prinzip der Finanzminister antworten. Weil er heute verhindert ist, hat er mich gebeten, ihn zu vertreten.

Die Energieversorgungsunternehmen müssen Rückstellungen für die Entsorgung radioaktiver Abfälle und den Rückbau der Kernkraftwerke bilden. Diese Verpflichtung folgt aus § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches, HGB, für die Handelsbilanz. Es handelt sich dabei um sogenannte Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Der Ansatz in der Handelsbilanz ist maßgeblich für den Ansatz in der Steuerbilanz. Das ist in § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes geregelt. Das heißt im Ergebnis, dass die handelsrechtlich zu bildenden Rückstellungen grundsätzlich auch steuerrechtlich nachzuvollziehen sind.

Die Höhe der Rückstellungen ergibt sich aus einer Schätzung der Aufwendungen, die zur Erfüllung der ungewissen Verbindlichkeit erforderlich sind. Dabei hat die Bewertung gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB vorsichtig zu erfolgen. Die Höhe dieser Aufwendungen und damit auch der Rückstellungen berechnet sich in erster Linie nach den atomrechtlich vorgegebenen Maßnahmen.

Für die Finanzverwaltung ist es allerdings unbeachtlich, ob die Bildung einer Rückstellung dazu führt, dass finanzielle Mittel zurückgelegt werden, um später die Verpflichtung zu erfüllen. Die Rückstellung dient nämlich nur der periodengerechten Verteilung von Aufwand. Die zweckgebundene Verwendung der Mittel fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Steuerverwaltung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Frage, ob die zurückgestellten Mittel, also die sogenannten Rückstellungsgegenwerte, zur Erfüllung der den Rückstellungen zugrunde liegenden Verpflichtungen der Art und Höhe nach geeignet sind, fällt nicht in den Aufgabenbereich der Finanzverwaltung.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sondern?)

Im Jahre 1994, Herr Kollege, wurde vom Bund und den Ländern die sogenannte Arbeitsgruppe Kernenergie gebildet. Diese setzt sich aus denjenigen Betriebsprüfern der Landessteuerverwaltungen und Prüfern des Bundeszentralamts für Steuern zusammen, die die Betriebsprüfungen bei den Energieversorgungsunternehmen durchführen. Dadurch ist es möglich, das innerhalb der Steuerverwaltung vorhandene Wissen zu bündeln. Die AG Kernenergie wendet sich mit fachlichen Fragen an das Bundesamt für Strahlenschutz.

Bei Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten handelt es sich stets nur um Schätzgrößen, wie sich bereits aus dem Begriff „ungewisse“ ergibt. Die Angemessenheit der Höhe der Rückstellungen muss somit von den Betriebsprüfern der Finanzverwaltung nicht aufgrund eigener Sachkunde nachgeprüft werden. Der Vorwurf des Bundesrechnungshofes geht daher ins Leere.