Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Limburg noch einmal um das Wort gebeten. Er hat noch 42 Sekunden.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich wollte noch einmal auf die Bemerkung von Frau Jahns zur Antidiskriminierungsstelle der Landeshauptstadt Hannover eingehen. Sie haben die Arbeit dieser Stelle gelobt. Ich schließe mich dem Lob natürlich an. Wir sollten aber, weil Sie ja gegen eine landesweite Stelle sind, der Vollständigkeit halber einmal darstellen, in wie vielen schwarz-gelb regierten Kommunen es denn eine kommunale Antidiskriminierungsstelle gibt. Es gibt sie in keiner, meine Damen und Herren!

(Jens Nacke [CDU]: Ach, wirklich?)

Deswegen wenden sich Leute aus ganz Niedersachsen an das rot-grün regierte Hannover und versuchen, hier Unterstützung zu finden.

Sie können nicht immer von der rot-grün regierten Landeshauptstadt erwarten, dass sie für Sie die Kastanien aus dem Feuer holt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE] - Lachen bei der CDU)

Zum Zweiten: Wenn Sie behaupten, dass eine Antidiskriminierungsstelle nur auf kommunaler Ebene richtig sei, dann habe ich Sie also richtig verstanden, dass Sie massive Kritik an der schwarz-gelben Bundesregierung üben, die eine Antidiskriminierungsstelle auf Bundesebene eingerichtet hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Jetzt macht Frau Jahns von der Möglichkeit der Kurzintervention Gebrauch. Bitte schön! - Sie können auch vom Platz aus sprechen.

Ja, das mache ich von hier aus. - Herr Kollege Limburg, ich darf daran erinnern, dass ich das wirklich sehr lobend gesagt habe. Sie haben ja in Ihrem Antrag auch ausgeführt, dass diese Landesregierung sehr viele Maßnahmen ergriffen hat. Insofern

sind wir natürlich froh und stolz, dass das hier in Niedersachsen so ist.

Ich habe sehr deutlich gemacht, dass die Probleme, die vor Ort entstehen, natürlich auch vor Ort geregelt werden können. Aber die Personen, die jetzt im Lande Probleme mit Rechtsextremismus, mit Linksextremismus oder in anderen Fragen von Demokratie und Menschenrechtspflege haben, können sich natürlich auch an die Niedersächsische Extremismus-Informationsstelle wenden. Sie wissen ganz genau, dass wir NEIS eingerichtet haben und dass dort auch umfangreich und wirklich ausführlich Antworten auf alle Fragen gegeben werden, die wir haben. Es gibt Informationsmaterial, und es gibt Mitarbeiter, die dafür zur Verfügung stehen. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, dass wir damit in Niedersachsen bundesweit beispielgebend sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege, jetzt haben Sie noch einmal 90 Sekunden. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Jahns, Sie haben mit Ihrem Beitrag gerade noch einmal deutlich gemacht, dass Sie den Unterschied zwischen Extremismus sowie Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit der Mitte einfach nicht verstanden haben. Das ist angesichts der langen Debatten im Innenausschuss wirklich bedauerlich und für mich unverständlich.

Ich möchte Ihnen noch einmal aus der Stellungnahme von Dr. Günter Max Behrendt, dem Leiter der Antidiskriminierungsstelle der Landeshauptstadt Hannover, vortragen: Die Befugnisse einer Antidiskriminierungsstelle des Landes könnten hingegen parallel zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch ein Gesetz gestaltet werden und somit auch ein wichtiges Zeichen über Hannover hinaus setzen.

Das ist der Punkt. Das Entscheidende ist doch, dass wir hier nicht über Extremismus reden, also nicht über Gruppierungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, sondern dass wir über Diskriminierung aus der ganz normalen Mitte der Gesellschaft heraus sprechen. Dagegen hat diese Landesregierung überhaupt keine Strategie.

Es reicht einfach nicht aus, dass das ganze Land Niedersachsen sich immer an die Landeshauptstadt Hannover wenden soll. Sie müssen als Landesregierung eine solche Stelle schon einheitlich für das Land schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Schünemann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass es in Niedersachsen ein gesamtgesellschaftliches Bündnis gegen Rechtsextremismus gibt und dass unsere Gesellschaft ein klares Signal setzt - und das auf allen Ebenen. Ich gebe zu: Ich würde mir wünschen, dass dies auch insgesamt in allen Bereichen des Extremismus mit so viel Vehemenz umgesetzt würde. Die Behauptung, dass unsere Zivilgesellschaft nichts oder zu wenig gegen Rechtsextremismus tut, kann ich aber nur zurückweisen. Das bildet nicht die Realität in Niedersachsen ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin sehr froh, dass wir in Niedersachsen einen klaren Rückgang des rechtsextremistischen Personenpotenzials zu verzeichnen haben. Lassen Sie mich die Zahlen einmal darstellen: im Jahr 2008 2 780 Personen, im Jahr 2009 2 195 Personen, im Jahr 2010 2 045 Personen.

Das ist durchaus ein Trend in die richtige Richtung. Aber man darf überhaupt nichts verharmlosen. Jeder, der in diesem Bereich agitiert, muss auf jeden Fall von unserer Seite bekämpft und auch ausgegrenzt werden. Das wird auch auf verschiedenen Ebenen getan, und das ist gut so.

Die beste Präventionsarbeit, die wir in diesem Zusammenhang haben, sind die kommunalen Präventionsräte vor Ort. Wir haben in fast jeder größeren Kommune einen Präventionsrat, in dem sich alle gesellschaftlichen Gruppen mit genau diesem Thema beschäftigen.

Wir haben auch schon eine Koordinierungsstelle, die genau dies mit Input beliefert. Das ist der Landespräventionsrat Niedersachsen, der nun wirklich außer Diskussion steht und überhaupt nicht in der Kritik steht, der durch verschiedene gesellschaftli

che Gruppen besetzt ist und insofern hier auch Impulse setzt, worüber ich sehr froh und wofür ich sehr dankbar bin.

Alle anderen Maßnahmen, die stattfinden, auch in den Schulen, werden koordiniert - übrigens auch von einer Stelle im Kultusministerium.

Zum Bereich der Erwachsenenbildung. Ich schaue gerade Herrn Jüttner an. Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir, als ich 1994 in den Landtag kam, Erwachsenenbildung gemeinsam mit gestaltet haben, auch aus der Opposition heraus. Wir haben dort - das darf ich auch noch sagen - immer einen Konsens gehabt. Im Bereich der Erwachsenenbildung gibt es viele Themen. Ein Schwerpunkt in diesem Zusammenhang ist aber auch, die Demokratie in unserem Land zu stärken und gerade im Bereich Extremismusbekämpfung Angebote aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu erarbeiten.

Es hier so darzustellen, als ob es nur einen Bereich gibt, der Maßnahmen umsetzt, ist ganz verkürzt und macht keinen Sinn. Wer die Aktivitäten insgesamt in der Lehrerfortbildung und im Bereich der Erwachsenenbildung vergisst und hier nicht darstellt, der zeichnet wirklich ein Zerrbild. Das ist etwas, was z. B. die Erwachsenenbildner - ich darf noch einmal auf sie zurückgreifen - wirklich nicht verdient haben, weil sie vor Ort hervorragende Arbeit leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als wir im Jahr 2003 an die Regierung gekommen sind, haben wir festgestellt, dass der Verfassungsschutz im Bereich Rechtsextremismus durchaus aktiv gewesen ist, aber dass ein Bereich, der auch im Verfassungsschutzgesetz verankert ist, vernachlässigt worden ist, nämlich auch Aufklärung zu betreiben.

Wenn wir das jetzt aufgreifen und die Aufklärung in einer Niedersächsischen Extremismus-Informationsstelle koordinieren, dann ist das doch überhaupt kein Grund, sich zu beschweren, sondern man muss froh sein, dass diejenigen, die in diesem Bereich über Expertise verfügen, diese den Schulen und auch anderen zur Verfügung stellen.

Der Verfassungsschutz kann doch den Schulen nicht vorschreiben, dass sie dieses Angebot annehmen. Aber dass die Schulen in unserem Lande diese Expertise nachfragen, Demokratiespiele und unsere Ausstellung anfordern, ist doch ein Zeichen dafür, dass die Lehrerinnen und Lehrer das als eine hervorragende Ergänzung betrachten.

Deshalb, meine Damen und Herren, sollten Sie das nicht diskreditieren, sondern als Ergänzung annehmen und froh sein, dass der Verfassungsschutz in diesem Bereich so tätig ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Abschließend kann ich nur wiederholen - das ist hier immer wieder dargestellt worden -, warum dieser Antrag nicht zielführend ist. Sie fordern eine Koordinationsstelle, einen Beirat, ein Dokumentationszentrum, Erhebungen, Evaluationen und Überprüfungen. Meine Damen und Herren, mit diesen Maßnahmen wird nicht eine einzige zusätzliche sinnvolle Präventionsmaßnahme eingerichtet. Lassen Sie uns doch die Bürokratie verringern! Deshalb haben wir auch die Landeszentrale für politische Bildung abgeschafft; denn mit den Mitteln können wir sehr viel mehr direkte Maßnahmen vor Ort durchführen. Das ist der richtige Weg. Deshalb führt Ihr Antrag nicht in die richtige Richtung.

(Zustimmung von Jan-Christoph Oet- jen [FDP])

Meine Damen und Herren, ein allerletzter Satz, weil das hier wieder zum Ausdruck gebracht worden ist: Natürlich müssen wir jeden Bereich von Extremismus anders behandeln. Aber mich macht es schon nervös, wenn in einer grün-roten Koalitionsvereinbarung in Baden-Württemberg unter dem Stichwort „Extremismusbekämpfung“ nur ein Bereich genannt wird, nämlich der Kampf gegen Rechtsextremismus. Das ist genauso zu kurz gesprungen.

Meine Damen und Herren, ich würde mir wünschen, dass wir einen gesamtgesellschaftlichen Konsens hätten, insgesamt gegen Extremismus so vehement vorzugehen, wie wir es hier in Niedersachsen tun, und zwar bundesweit. Das wäre für unsere Demokratie sehr hilfreich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion hat sich die Kollegin Leuschner noch einmal zu Wort gemeldet. Die SPD-Fraktion hat noch eine Restredezeit von 2:53 Minuten.

Herr Innenminister Schünemann, lassen Sie mich noch kurz einige Worte sagen. Sie haben eben gesagt, der Rechtsextremismus sei zurückgegangen. Sie zählen die Gewalttaten und werten diese Zahlen aus. Darum geht es aber im Wesentlichen

nicht. Es geht darum, das Entstehen von rechtspopulistischem, rechtsideologischem Gedankengut zu verhindern.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das ist etwas anderes. Das haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch geschrieben. Dieses Gedankengut kann die Leute dazu bereit machen - das betrifft nicht nur junge Menschen, Kollegin Jahns; da irren Sie -, gewalttätig zu werden und antidemokratisch vorzugehen. Dagegen müssen wir uns wehren. Ich denke, das ist auch ein guter Ansatz.

Bei aller Wertschätzung zivilgesellschaftlichen Engagements: Es muss auch evaluiert werden und bedarf einer wissenschaftlichen Begleitung. Deswegen ist eine Auswertung aus unserer Sicht sehr wichtig. Es geht nicht nur darum, dass die Leute etwas machen, das dann sehr unkoordiniert ist.

Sie haben auch auf die NEIS hingewiesen. Das bewerten wir politisch anders. Wir meinen, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, Bildungsmaßnahmen durchzuführen, die aus unserer Sicht ideologisch sehr einseitig ausgerichtet sind. Das ist der Streitpunkt, meine Damen und Herren.