Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin für die rhetorische Frage in dem Antrag zur Aktuellen Stunde dankbar, denn sie ermöglicht es mir, einmal genau aufzuzeigen, wie wir die Energiewende bereits auf den Weg gebracht haben, während die SPD nur davon spricht, meine Damen und Herren.
Dem Antrag der SPD zur Aktuellen Stunde ist ein bisschen der Wind aus den Segeln genommen worden, weil ihr Spitzenkandidat Stephan Weil heute in der Zeitung zitiert wird, dass die Energiewende von Schwarz-Gelb auf dem richtigen Weg ist. Da scheint wohl die Abstimmung zwischen Ihrem Spitzenkandidaten und der Fraktion, sehr geehrter Herr Kollege Tanke, noch etwas verbesserungswürdig zu sein.
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass in bereits acht Jahren 90 % des Strombedarfs in Niedersachsen aus eigenen erneuerbaren Energien gedeckt werden sollen. Ich meine aber, dass wir uns bei jedem Schritt fragen müssen, ob diese Energiewende bei den Menschen auf Akzeptanz trifft; denn eine derartige Jahrhundertreform umzusetzen, Herr Kollege Tanke, kann nur funktionieren, wenn man sie nicht über die Köpfe der Menschen hinweg umsetzt.
Deswegen müssen die Belastungen, die sich aus der Energiewende ergeben - ich spreche nicht nur von Kosten, sondern ich spreche auch von Maismonokulturen und von immer höheren und mehr Windkraftanlagen -, für jeden einzelnen erträglich bleiben, wenn die Energiewende erfolgreich sein soll.
Für mich zeichnen sich bei der Energiewende insgesamt drei große Herausforderungen ab, die wir gemeinsam werden angehen müssen, wenn wir diesen Fahrplan bis 2020 einhalten wollen.
Das erste Thema ist das Thema Energieeffizienz. Jede Kilowattstunde Strom, die nicht benötigt wird, muss erst gar nicht erzeugt werden und muss auch nicht transportiert werden. Deswegen besitzt für mich insbesondere das Thema Energieeffizienz eine ganz große, besondere Bedeutung. Dieses Thema unterscheidet uns eben auch fundamental von dem, was andere Fraktionen in diesem Hause vorhaben und was sie vorschlagen. Meine Damen und Herren, wer Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudebereich, die in den meisten Fällen viele Tausend Euro kosten, per Gesetz verordnen möchte, der treibt Menschen, die viele Jahre den Kredit für ihr Häuschen abbezahlt haben, am Ende noch in eine ganz schwierige Situation und im Alter in neue Schulden.
Energieeffizienz par ordre du mufti, per Gesetz zu verordnen, ist der falsche Weg, der am Ende einer kalten Enteignung gleichkäme. Das ist aber nicht unser Weg. Wir setzen stattdessen auf Anreize, dass sich Menschen freiwillig für mehr Energieeffizienz entscheiden, und eben nicht auf Zwänge. Nur so werden solche Maßnahmen dann am Ende auch akzeptiert und umgesetzt, meine Damen und Herren.
Das zweite große Thema ist der Leitungsbau, um den Strom von den Erzeugungsstandorten im Norden in den Westen und in den Süden transportieren zu können.
Meine Damen und Herren, die Energiewende im Deutschen Bundestag ist mit großer gesellschaftlicher Mehrheit beschlossen worden. CDU, FDP, SPD und Grüne haben diese Energiewende gemeinsam beschlossen. Ich finde aber, daraus erwächst auch eine gemeinsame Verantwortung, diese Herausforderung zu meistern. Stattdessen stellen sich ausgerechnet die Grünen an die Spitze jedes Protestzugs, an die Spitze jeder Bürgerinitiative, jeder Resolution in den Gemeinden und Stadträten gegen den Leitungsbau. Ausgerechnet die Grünen! Die haben jahrzehntelang für erneuerbare Energien gekämpft, und jetzt liegt der Bundestagsbeschluss vor, bei dem die Grünen mitgestimmt haben, und sie stellen sich an die Spitze
Aber ich bin froh, dass Herr Weil, der Spitzenkandidat der SPD, das genauso sieht. Herr Weil wird in der Osnabrücker Zeitung zitiert: Die Grünen müssen beim Ausbau der Stromnetze aktiv mitwirken. - Da hat er vollkommen Recht, meine Damen und Herren.
Drittens darf eine warme Wohnung auch in Zukunft nicht zum Luxusgut werden, das sich die alleinerziehende Mutter, der Rentner, die Krankenschwester oder die Floristin nicht mehr leisten können.
Seit Jahrzehnten erfolgt Energiepolitik innerhalb des Dreiklangs von Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Preisgünstigkeit. Ich glaube, dass auch gerade die Energiewende diesen Dreiklang erfüllen muss. Auch in Zukunft müssen Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit ebenso wichtig sein wie die Umweltverträglichkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Interessante Legendenbildungen greifen hier um sich. Sie rühmen Niedersachsen gerne als Windkraftland Nummer eins, Herr Miesner. Das ist richtig, zumal wir Küstenland sind. Aber den Grundstein dafür hat Rot-Grün im Bund gelegt.
- Ja, das ist so. Gucken Sie sich die Bilanzen an. Sie stellen dann auch fest, dass es einen Sockel gab, als Sie angefangen haben zu regieren.
Aber darum geht es mir im Kern gar nicht, sondern es geht mir darum, wie wir in Zukunft vorankommen. Von daher haben Sie verbal sicherlich in Teilen eine Wende vollzogen. Aber entscheidend sind jetzt die konkreten Schritte, was wir in der Umsetzung tun. Sie haben viel Zeit in nicht öffentlichen Sitzungen Ihrer Kommission verbracht. Das hat allein drei Jahre in Anspruch genommen.
Wenn Sie, Herr Dr. Hocker, von kalter Enteignung sprechen, dann will ich Ihnen sagen, was kalte Enteignung ist: Wenn man nicht rechtzeitig dafür sorgt, dass man Häuser ordentlich dämmt und dass man sparsame Autos produziert, dann werden am Ende ein steigender Ölpreis und steigende Energiekosten auch für fossile Rohstoffe dazu führen, dass es diese kalte Enteignung gibt. Deswegen brauchen wir frühzeitig staatliche Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass die Menschen am Ende vor solch einer kalten Enteignung geschützt werden.
- Dann gucken Sie doch einmal, was bei Ihnen in Bezug auf Energiesparen im Gebäudebestand im öffentlichen Bereich passiert ist, wo Sie seit Jahren etwas hätten tun können. Gucken Sie sich einmal an, was andere Bundesländer gemacht haben, auch CDU-geführte. Hessen ist deutlich weiter vorangegangen als Niedersachsen. Hier können wir wirklich ganz konkret etwas tun. Das liegt im eigenen Verantwortungsbereich, und es spart sofort auch eigenes Landesgeld, wenn hier investiert wird.
Wir haben auch eine Vorbildfunktion und können hier zeigen, was in der energetischen Sanierung geht. Windkraft/Onshore/Repowering ist meines Erachtens ein zentrales Thema, weil wir damit dezentral Strom erzeugen, weil wir ganz nah an den Verbraucherinnen und Verbrauchern Strom erzeugen und weil wir keine Leitungsnetze brauchen, um den Strom zum Verbraucher zu bringen. Auch da ist alles sehr zögerlich, alles sehr langsam, viel zu langsam.
In Bezug auf Pilotprojekte im Speicherbereich sind einige Sachen projektiert, aber auch das läuft viel zu langsam. Bei der Solarförderung, meine Damen und Herren, erleben wir einen Kampf zwischen Herrn Rösler und Herrn Röttgen. Man kann sich nicht einigen, und Herr Rösler möchte am liebsten einen Deckel auf die Solarförderung setzen, der bei einem Viertel, einem Fünftel oder gar nur einem Sechstel der Leistungen liegt, die in den letzten Jahren installiert wurden. Meine Damen und Herren, so kann man die Energiewende auch ausbremsen.
Gleiches erleben wir bei der Energieeffizienzrichtlinie, die die Europäische Union vorgelegt hat. Auch hier ist Herr Rösler der erste Bremser vor dem
Herrn, der tatsächlich wieder dagegen wettert, dass die Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für die Zukunft, Herr Dr. Hocker, vor der kalten Enteignung schützen. Ich habe wirklich sehr ernste Zweifel, ob Herr Rösler und die FDP den Erfolg wollen, meine Damen und Herren.
Die Zeichen, die wir im politischen Raum wahrnehmen, sprechen leider eine andere Sprache. Wir haben vor Kurzem gesehen, wie sich die Lastsicherung im ersten Winter bewährt hat. Und was haben wir gesehen, oh Wunder? - Das Netz und die Strompreise in Deutschland waren viel besser zu fahren als in Frankreich mit dem hohen Atomstromanteil. Die Strompreise in Frankreich waren deutlich höher als in Deutschland. Aber wir haben auch gesehen, dass es eine Gefährdung durch Stromhändler gibt, die in dieser Situation versucht haben, auch noch im letzten Moment in die eigene Tasche zu spekulieren. Es besteht also an dieser Stelle Nachbesserungsbedarf, um die Lastsicherung am Ende zu unterstützen.
Meine Damen und Herren, wo ich mir auch mehr Engagement in der Landesregierung erhoffe: Wir sind mit dem Umweltausschuss extra nach Norwegen gefahren, um zu prüfen, wie man Seekabel nach Norwegen verlegen kann und wie man eine gemeinsame Nutzung der großen Wasserkraftwerke und der Speichermöglichkeiten schaffen kann. Leider stockt das Thema nach wie vor. Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung hier viel stärker interveniert, moderiert und schaut, dass die Prozesse wieder in Gang kommen. Ich glaube, dass hier für Niedersachsen eine ganze Menge Potenziale liegen, dass wir Wasserkraftstrom gegen Windstrom tauschen können und dass so ein Flaschenhals im Netz bewältigt werden kann.
Wir müssen darüber hinaus über neue Vorschläge zur Gründung einer deutschen Netzgesellschaft nachdenken. Über Jahrzehnte hinweg war das Netz der Flaschenhals, weil mit der Monopolisierung der großen Konzerne die Energiewende abgeblockt wurde. Deswegen muss es auch hier neue Vorstöße geben.
Meine Damen und Herren, für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Dr. Birkner das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich die Überschrift dieses Antrages zur Aktuellen Stunde anschaut, Herr Tanke, dann merkt man, dass es irgendwie noch nicht so ganz angekommen ist, dass es nicht eine Energiewende einer Landesregierung gibt, eine Energiewende einzelner Akteure, sondern dass diese Energiewende eine gesamtgesellschaftliche und gesamtstaatliche Aufgabe ist, die nur gelingen kann, wenn alle Akteure auf allen Ebenen mitwirken. Insofern ist die Frage, die Sie stellen - „Kann die Energiewende der Landesregierung erfolgreich sein?“ -, irreführend. Denn es geht darum, dass jeder seinen optimalen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leistet, um die Energiewende im Ergebnis zum Erfolg zu bringen.
Die Niedersächsische Landesregierung hat in dem Energiekonzept, das sie vorgestellt hat, beschrieben, wo genau Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten sind, um die Energiewende zum Erfolg zu führen.
Herr Tanke, ich rate Ihnen dringend an, sich noch einmal intensiv mit dem Energiekonzept auseinanderzusetzen.