Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

„Das gesamte deutsche Rechtssystem beruht ohne jede Ausnahme darauf, dass nicht nur die Tat und nicht nur die Verurteilung angesehen werden, sondern der betreffende Mensch.“

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dies in Ihrer Verordnung bisher anders gehandhabt wurde, frage ich Sie: Welche Konsequenz ziehen Sie aus dieser Stellungnahme von Herrn Mahrenholz?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Stellungnahme von Herrn Mahrenholz keine.

(Zustimmung bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Frau Leuschner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Teilt die Landesregierung unsere Auffassung, dass künftig auch eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der Flüchtlingsselbsthilfeorganisation stimmberechtigtes Mitglied in der Härtefallkommission sein muss?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Gründung der Härtefallkommission ist ein Vertreter der Flüchtlingsinitiativen als stellvertretendes Mitglied in dieser Kommission tätig.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Stell- vertretendes Mitglied! Es geht um ein ordentliches Mitglied!)

- Ich sage doch gerade, wie es ist.

Sie wissen, dass auch jedes stellvertretende Mitglied Eingaben persönlich annehmen darf und

diese auch vortragen kann. In der Vergangenheit ist es durchaus so gewesen, dass auch ein stellvertretendes Mitglied das Anliegen eines Einsenders nicht nur einbringen, sondern darüber auch abstimmen konnte.

In dem Zusammenhang finde ich es ganz interessant, dass in Nordrhein-Westfalen - das hier ja immer angesprochen wird - gerade diese Möglichkeit ausgeschlossen ist. Wir haben es wie auch einige andere Bundesländer so geregelt, dass Eingaben entweder zur Geschäftsstelle gegeben oder den Mitgliedern der Härtefallkommission persönlich übergeben werden können. In NordrheinWestfalen geht das grundsätzlich nur über die Geschäftsstelle. Dort wird das dann über die Geschäftsstelle in der Härtefallkommission vorgetragen. Und: Wer den jeweiligen Fall kennt, darf, weil er betroffen ist, dort nicht mitstimmen.

Bei unserer Praxis - das sieht man oftmals an den Äußerungen - ist eine persönliche Betroffenheit durchaus auch gegeben. Das aber ist gut, weil es zeigt, dass man sich mit dem jeweiligen Fall zuvor intensiv beschäftigt hat. Die Distanz, die in Nordrhein-Westfalen vorhanden ist, ist in unserer Kommission nicht vorhanden. Wir wollen an dieser Praxis nichts ändern, aber die Problematik wollte ich durchaus einmal kurz schildern. Sowohl ordentliche als auch stellvertretende Mitglieder können Eingaben annehmen und vortragen. In der Regel hat man dann auch die Möglichkeit, darüber abzustimmen.

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt Frau Dr. Lesemann für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Innenminister Schünemann hat vorhin negiert, dass mit dem Rücktritt und der Amtsniederlegung ein Vertrauensverlust verbunden ist. Vor diesem Hintergrund frage ich mich: In welchen Kategorien bewerten Sie diesen Rücktritt und die Amtsniederlegung, wenn Sie negieren, dass damit ein Vertrauensverlust verbunden ist? Was steht Ihrer Meinung nach dahinter, bzw. wie sieht Ihre Beurteilung aus?

Ich gehe davon aus, dass Sie sich nicht selbst gefragt haben, sondern den Minister. - Herr Minister!

Diese Mitglieder sind ehrenamtlich tätig, und ich finde es schwierig, darüber zu spekulieren, warum man ein Amt annimmt und es gegebenenfalls später wieder niederlegt. Manchmal werden für einen solchen Schritt persönliche Gründe angeführt - zum Teil wurde dies auch in der Öffentlichkeit dargestellt -, etwa dass man ein anderes Amt übernommen hat oder dass man privat oder beruflich so stark eingebunden ist, dass man dieses Amt nicht weiter ausführen kann.

Zwei Mitglieder haben gesagt - das habe ich in meiner Antwort auch schon dargelegt -, dass sie mit einer Entscheidung in der Kommission nicht einverstanden gewesen seien. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen. Die Gründe dafür habe ich in meiner Antwort darzulegen versucht. Wenn man sich mit einem Fall persönlich identifiziert und dafür kämpft, es dafür dann aber nicht zu einer Mehrheit kommt, dann ist man persönlich betroffen. Ich persönlich kann nachvollziehen, dass man dann sagt, dass einem das ehrenamtliche Engagement keinen Spaß mehr macht. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Kommission dadurch insgesamt einen Vertrauensverlust erleidet. Das muss mit Blick auf jeden, der in dieser Kommission tätig ist, individuell gesehen werden.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist Schünemanns Welt!)

- Herr Bachmann, das ist nicht meine Welt, sondern mir geht es darum, dass man ehrenamtliches Engagement - - -

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: An Ih- nen liegt es nicht und an Ihrer Politik auch nicht!)

Ich bitte, keine Zwiegespräche zu führen. Die SPD hat noch die Möglichkeit, zu fragen.

Herr Bachmann, mir gefällt das nicht. Hier geht es um ehrenamtliches Engagement. Wenn Sie immer wieder Spekulationen darüber in den Raum stellen, warum sich jemand wohl engagiert oder warum nicht, dann dürfen Sie sich auch nicht darüber wundern, dass es gerade auch in diesem Bereich in Zukunft immer schwieriger sein wird, ehrenamtliche Kräfte zu finden, weil sich niemand mehr zur Verfügung stellt.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch abstrus! Das gibt’s doch nicht! Billiges Weg- schieben der eigenen Verantwortung!)

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Jahns von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie wird die Unabhängigkeit der Mitglieder der Härtefallkommission gewährleistet, insbesondere derjenigen Mitglieder, die der Innenminister selbst vorschlägt?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Unabhängigkeit und die Weisungsfreiheit der Mitglieder ist in Härtefallkommissionsverordnung verankert. Schauen wir doch einmal, wen ich da alles berufen habe; denn wir haben von Herrn Bachmann bereits gehört, dass das einige sind, die nur mir, nicht aber der SPD gefallen.

Das sind Frau Jutta Schwarzer, ehemalige Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen, sowie Herr Thomas Koch von den Unternehmerverbänden Niedersachsen als stellvertretendes Mitglied.

Frau Jana Herzog von der Gewerkschaft der Polizei wurde auf Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes bereits im Jahr 2006 zum Mitglied berufen.

Frau Arnela Smailhodzic von der Industrie- und Handelskammer Hannover ist stellvertretendes Mitglied.

Herr Horst Horrmann vom Deutschen Roten Kreuz ist Mitglied.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Der war hier Kultusminister!)

- Er ist, wenn ich das richtig weiß, Präsident des Landesverbandes Niedersachsen des Deutschen Roten Kreuzes und aufgrund dieser Funktion in die Kommission berufen worden. Ich glaube, das ist nachvollziehbar.

Von mir berufen ist übrigens Frau Sibylle Naß vom Kargah e. V., Verein für interkulturelle Kommunika

tion, Migrations- und Flüchtlingsarbeit. Sie ist schon seit Beginn der Arbeit der Härtefallkommission im Jahre 2006 als stellvertretendes Mitglied tätig.

Der stellvertretende Vorsitzende der Kommission ist Herr Lueder, der seinerzeit die Ausländerabteilung des Innenministeriums geführt hat.

Die nächste Frage wird von Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE gestellt.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass in der Begründung der Landesregierung für die neue Härtefallkommissionsverordnung steht:

„Bei der Beurteilung der Frage, ob dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit einer Ausländerin oder eines Ausländers in Deutschland rechtfertigen, wird maßgeblich auf die soziale und wirtschaftliche Integration abgestellt“,

stelle ich zwei Fragen:

Erstens. Liegt für die Landesregierung nur dann ein Härtefall vor, wenn ein Flüchtling wirtschaftlich erfolgreich ist? Sollten nicht vielmehr humanitäre Gesichtspunkte wie z. B. die Verwurzelung der Familie, besonders auch der Kinder, im Vordergrund stehen?

(Beifall bei der LINKEN)

Meine zweite Frage bezieht sich auf einen Fall in Wolfsburg. Ich frage die Landesregierung, wieso die Familie Bajrami abgeschoben werden soll, wo doch der Vater einen festen Arbeitsvertrag mit der Volkswagen AG hat und 3 500 Euro verdient, die Familie integriert ist, die Kinder in Deutschland geboren sind und Deutsch sprechen und alle Kolleginnen und Kollegen sowie das gesamte Umfeld dafür eintreten, dass diese Familie in Wolfsburg bleiben kann? Wieso muss das so sein?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Innenminister Schünemann antwortet auf die zwei Fragen. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur ersten Frage: Die Kommission hat natürlich eine Vielzahl von Aspekten zu beurteilen, in erster Linie die Integrationsleistungen, wie man tatsächlich verwurzelt ist, wie man sich eingebracht hat. Zur Beurteilung, ob man tatsächlich die Integration geschafft hat, ist natürlich auch die wirtschaftliche Situation zu betrachten. Das ist also ein Aspekt, den die Kommissionsmitglieder zu betrachten haben.

Zur zweiten Frage: Auch ich habe davon in der Zeitung gelesen; ich glaube, es war die Hannoversche Allgemeine Zeitung von gestern. Auch ich war erst einmal betroffen und habe mich gefragt, warum man da abschieben will. Dann habe ich mir den Fall einmal angeschaut.

Es handelt sich um die Familie Bajrami, bestehend aus dem Vater Sefer, geboren am 5. Dezember 1973, der Mutter Nedjmia, geboren am 15. Juni 1973, den volljährigen Kindern Sejdjan und Djuliano sowie den minderjährigen Kindern Samela und Severdan.