Protokoll der Sitzung vom 20.07.2012

Wir alle wissen, dass der Ausbau der Offshorewindenergie eine gigantische technische, rechtliche und finanzielle Herausforderung ist. Das wissen wir alle. Ein Problem ist in der Tat die Frage der Netzanbindung.

Ich habe an der norddeutschen Ministerpräsidentenkonferenz teilgenommen, damals noch mit dem Kollegen Carstensen sowie mit Herrn Scholz, mit Herrn Sellering und mit Herrn Böhrnsen. Wir haben damals einen Vertreter von TenneT erlebt, der schonungslos erklärt hat, dass die Eigenkaptialausstattung schlicht und ergreifend nicht ausreicht, um die bevorstehenden Aufgaben zu bewältigen.

(Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Das hat er auch vor einem Jahr im Land- tag erzählt. Das war im April letzen Jahres!)

Jetzt besteht die Frage: Was machen wir? - Das Problem muss gelöst werden. Deshalb ist es die Position der gesamten Niedersächsischen Landesregierung, dass eine neue Offshorenetzgesell

schaft gegründet werden soll, an der sich der Bund am besten als Mehrheitseigentümer beteiligt. Das haben wir Herrn Minister Altmaier bei seinem Kabinettsgespräch am vorletzten Dienstag vorgetragen.

Meine Damen und Herren, es ist genau richtig, was Stefan Birkner vorgetragen hat. Das Problem muss gelöst werden. Es muss jetzt mit staatlicher Hilfe gelöst werden, weil wir der Offshorewindenergie in Deutschland zum Durchbruch verhelfen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Das hätte man doch frühzeitig machen können!)

Dann wundere ich mich schon, wenn hier ausgerechnet von Sozialdemokraten kritisch hinterfragt wird, ob das eine staatliche Aufgabe sein könnte; denn eines sagt der Umweltminister zu Recht: Momentan ist diese Aufgabe auch eine staatliche Aufgabe,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

aber es ist nicht eine Aufgabe des deutschen Staates, sondern des niederländischen Staates. An der Stelle haben wir eine weitere Schwierigkeit. Sie alle wissen, dass die politische Situation in unserem Nachbarland Niederlande derzeit ungeklärt ist. Die Niederlande warten auf die Neuwahlen. Dort gibt es im Moment keine handlungsfähige Regierung.

(Olaf Lies [SPD]: Die haben auch wir nicht!)

Von daher gibt es momentan in den Niederlanden keine politischen Ansprechpartner.

(Zurufe von der SPD)

Aber selbst wenn es in den Niederlanden wieder eine handlungsfähige Regierung geben sollte, glaube ich nicht, dass der niederländische Staat bereit ist, nun gerade Milliarden von Euro in den Ausbau des deutschen Stromnetzes zu investieren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Des- halb war es auch eine klasse Idee, das denen zu verkaufen!)

Hier gab es einen Konstruktionsfehler, den wir heilen wollen. Hierzu hat die Landesregierung eine einheitliche Position und der Umweltminister ausdrücklich meine volle Unterstützung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Nichts Neu- es, Herr McAllister! Nichts Neues, al- les schon gewusst!)

Frau Kollegin Flauger stellt die nächste Zusatzfrage.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich stelle sogar gleich zwei, wenn es recht ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass gerade gesagt wurde, nicht nur die vier Netzbetreiber würden in die Planung einbezogen, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass eine recht zentrale Energieerzeugung in großem Umfang in der Nordsee sehr viel und sehr umfangreiche Leitungskapazität erforderlich macht, frage ich die Landesregierung, wie sie eigentlich die Tatsache bewertet, dass der Landkreis Oldenburg, der da deutlich betroffen ist, von der öffentlichen Konsultation zum Netzentwicklungsplan Strom 2012 erst über den Niedersächsischen Landkreistag erfahren hat und nicht über die planende Einrichtung.

Nachdem die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Wort „Dialogoffensive“ in den Mund genommen hat, stelle ich die zweite Frage, wie Sie sich die aktive Einbindung der Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger in den Prozess der Leitungsplanung konkret vorstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Flauger, zunächst einmal ist die öffentliche Konsultation auch öffentlich bekannt gemacht worden und insofern auch dem Landkreis Oldenburg selbstverständlich zugänglich gewesen. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass eine kommunale Körperschaft das dann noch einmal über die kommunalen Spitzenverbände bekommt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nicht „noch einmal“, sondern erstmals!)

Es ist eine Funktion der Spitzenverbände - hier: des Landkreistages -, Informationen weiterzuleiten.

Aber ich habe diesen Hinweis, der seitens des Landkreises auch mir gegenüber schon einmal geäußert wurde, aufgenommen. Wenn diese Informationskanäle offensichtlich nicht so schnell sind, wie man sich das wünscht, stehen wir als Landesregierung gerne zur Seite. Bei den künftigen Weiterentwicklungsverfahren werden wir darauf hinweisen, dass auch unsere Landkreise gut beraten sind, sich intensiv mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Insofern ist das schon ein Teil der Beantwortung der zweiten Frage.

Besonders wichtig ist mir, dass wir bei allen Leitungsausbaumaßnahmen, die in Niedersachsen kommen - das werden sehr viele sein; viele Kilometer werden Niedersachsen betreffen -, seitens der Landesregierung eine aktive Informationspolitik betreiben. Wir haben eine Internetplattform, die darüber informiert.

Wir haben am vergangenen Montag gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe und mit der Gemeinde Ganderkesee eine Informationsveranstaltung zu dem Leitungsausbauvorhaben Ganderkesee–Sankt Hülfe, bei dem wir jetzt vor dem Planfeststellungsverfahren stehen, durchgeführt, um noch vor dem Planfeststellungsverfahren eine Information darüber zu geben, was im Einzelnen geplant ist.

Wir haben dies auch bei den anderen Leitungsausbauvorhaben vor. Die Menschen wissen schon sehr viel. Aber wir müssen immer wieder darauf hinweisen, wie die aktuelle Situation ist und welche konkreten Möglichkeiten bestehen, sich im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens einzubringen. Hierfür wollen wir frühzeitig sensibilisieren, und wir wollen frühzeitig Interesse wecken, sich in das Verfahren einzubringen, und vermeiden, dass die Menschen von einem solchen Verfahren überrollt werden.

Ich will hier nicht verhehlen, dass ich mir wünschen würde, dass auch der Übertragungsnetzbetreiber etwas konzilianter auftreten würde, etwas verständnisvoller und erklärender, als dies bei der Veranstaltung am vergangenen Montagabend in Ganderkesee der Fall war.

Wir werden dies an den anderen Strecken wiederholen. Das ist der Einstieg. Wir werden das weiter aufbauen. Wir als Landesregierung werden uns - und auch ich persönlich werde mich - dieser Diskussion unmittelbar vor Ort stellen; denn wir müs

sen immer wieder deutlich machen, dass die Trassen nötig sind, um die Energiewende zum Erfolg zu bringen. Es wird aber auch nötig sein, auf die konkreten Interessen und Belange der Menschen vor Ort einzugehen - in dem Wissen, dass man nicht alle zufriedenstellen können wird; auch hier wird es natürlich Menschen geben, die mit den Planungen weiterhin nicht zufrieden sind. Aber wir müssen den Anspruch haben, möglichst viele auf diesem Weg mitzunehmen, sie zu überzeugen oder ihnen zumindest die Entscheidungsgrundlagen transparent zu machen.

Ergänzen darf ich, dass wir schon im vorgelagerten Raumordnungsverfahren eine sehr intensive Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglicht haben. Wir haben abweichend von dem an sich gesetzlich vorgesehenen Verfahren, in dem eine Bündelung der Einzelinteressen über die kommunalen Körperschaften als Träger öffentlicher Belange erfolgt, auch Einzeleinwendungen zugelassen. Hieraus ergab sich die große Zahl von 14 000 Einwendungen für den niedersächsischen Teil der Strecke Wahle–Mecklar. Wir haben den Anspruch, diese individuellen Interessen sehr frühzeitig aufzunehmen und darauf zu reagieren.

Insofern ist es ein zentrales Anliegen der Landesregierung, mit Transparenz und Information Grundlagen zu schaffen, die eine sachgerechte Auseinandersetzung über die verschiedenen Interessen ermöglichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Da bin ich gespannt!)

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich dem Kollegen Herzog das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung es in drei Jahren nicht geschafft hat, die Bundesregierung dazu zu bringen, ihrem eigenen Koalitionsauftrag zu folgen und eine unabhängige Netzgesellschaft auf den Weg zu bringen, frage ich die Landesregierung, warum sie nicht darauf drängt, dass seeseitige Netzanschlüsse auch Gegenstand des nationalen Netzentwicklungsplans werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Herzog, das ist quasi in Arbeit. Vorgesehen ist nicht eine integrierte, sondern eine stufenweise Entwicklung. Nach dem Netzentwicklungsplan Binnenland - so will ich ihn einmal nennen - soll die zweite Stufe ein Netzentwicklungsplan Offshore sein. Das ist erkannt und ist in Arbeit. Insofern bedarf es da nicht eines Drängens der Landesregierung. Diese Dinge sind vorgesehen und befinden sich in der Vorbereitung. Das wird entsprechend abgearbeitet werden.

Aus meiner Perspektive ist das in einem Zusammenhang mit unserem Masterplan Offshore zu sehen, in dem genau diese Fragen eine Rolle spielen, also die Bündelung der Netzanschlüsse, die Clusterbildung usw. Das alles ist Gegenstand eines solchen Netzentwicklungsplans Offshore.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Bäumer das Wort zu einer Zusatzfrage. - Herr Kollege Bäumer zieht seine Wortmeldung zurück.

Dann gebe ich dem Kollegen Wenzel die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Birkner, da das Unternehmen TenneT im Moment keine endgültige Zulassung als Netzbetreiber von der Bundesnetzagentur hat - die steht noch aus -, frage ich Sie: Sind weitere finanzielle Beihilfen aus der Sicht der Landesregierung neben der geplanten Haftungsumlage und einer Beteiligung der Bundesrepublik an einer Netzgesellschaft notwendig?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wenzel, wenn ich es richtig sehe, geht es bei dieser Frage nicht um die Frage der Zuverlässigkeit oder Leistungsfähigkeit. Vielmehr handelt es sich um die geforderte europarechtliche Zertifizierung. Die Bundesnetzagentur hat meines Wissens signalisiert, dass diese in diesem Fall derzeit nicht an

die Europäische Kommission übermittelt werden könne.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Derzeit verweigert wegen mangelnder Leis- tungsfähigkeit!)