Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

1. Aus welchen Gründen hat die Landesregierung bisher kein systematisches Untersuchungsprogramm aufgelegt, das geeignet ist, landesweit das Ausmaß der Belastungen von Böden, tierischen Produkten und Futterpflanzen und die Ursachen der Schadstoffbelastung festzustellen?

2. In welchem Umfang und in welcher Weise werden die zuständigen kommunalen Stellen bei der Bearbeitung dieser Schadstoffproblematik beteiligt?

3. Durch welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor diesen hochwirksamen Umweltgiften sicherzustellen, wenn sich herausstellt, dass sich die Belastung nicht auf Vordeichländer und Überschwemmungsgebiete beschränkt, sondern auf vielen Flächen landesweit auftritt?

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Ehlen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nicht das Prinzip Zufall, sondern das Prinzip Sorgfalt, Verantwortung und Verbraucherschutz bestimmt das Handeln der Landesregierung.

Zur Erinnerung: Dioxine sind Substanzen, die als Rückstände bei jeder Verbrennung, aber auch in industriellen Prozessen entstehen können. Als Beispiele sind die Chlorbleiche von Zellulose oder auch die Metallerzeugung zu nennen. Dioxinähnliche PCBs sind bis zum Jahr 1989 z. B. als Kühlmittel, Schmiermittel oder Weichmacher für Kunststoffe in großen Mengen verarbeitet worden. Seit 1989 sind Herstellung und Einsatz dieser Stoffe verboten.

Leider haben sich mit dem ordnungsbehördlichen Verbot die PCBs in der Natur noch nicht aufgelöst. Deshalb braucht man neben der Politik zur Problemlösung auch die Wissenschaft.

Beide Substanzgruppen sind chemisch sehr stabil. Sie bauen sich in der Umwelt nur sehr langsam ab. Die Analytik ist außerordentlich schwierig, langwierig und kostenintensiv. Höchstgehalte für Dioxine sind in der Europäischen Union seit 2002 geregelt. Dioxinähnliche PCBs sind erst seit 2006 EU-rechtlich reguliert.

Niedersachsen hat sich dieser Aufgabe sehr viel früher gestellt als die meisten anderen Bundesländer. Die Labore des LAVES zählten zu den ersten Laboren in Deutschland, in denen dieses aufwendige Verfahren etabliert wurde. Die Landesregierung verfolgt eine systematische Strategie, um Ursachen der festgestellten Belastungen von Futtermitteln durch Dioxine und dioxinähnliche PCBs aufzuklären. Dabei werden alle denkbaren Transferpfade in die Überprüfung mit einbezogen.

Am 2. Oktober dieses Jahres ist das zwischen ML und MU abgestimmte Untersuchungskonzept dem Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung, Verbraucherschutz und Landesentwicklung des Niedersächsischen Landtages vorgestellt worden. Die Untersuchungsergebnisse von Emssedimenten aus dem Jahr 2006 wurden in den Untersuchungen von 2008 bestätigt. Die Konzentration von Dioxinen, Furanen und dioxinähnlichen PCBs liegen im Bereich der ubiquitären Hintergrundbelastung in Deutschland - - -

(Zuruf von den GRÜNEN)

- Wissen Sie, was das bedeutet? - Ganz einfach gesagt: überall vorhanden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Einfach überall!)

Die Konzentrationen in Deutschland liegen jedenfalls deutlich unter den Maßnahmenwerten zur Gefahrenabwehr. Die bisher vorliegenden Ergebnisse der Bodenuntersuchungen an der Ems liegen im Bereich der Vorsorgeorientierungswerte und ebenfalls deutlich unter den Maßnahmenwerten zur Gefahrenabwehr.

Untersuchungen sind zunächst auf drei weitere Flussniederungen in Niedersachsen ausgedehnt und in diesem Bereich veranlasst worden. Dazu gehört auch die Weser. Wenn die Ergebnisse dieser sehr aufwendigen und teuren Untersuchungen vorliegen, werden wir darüber entscheiden, ob weitere Flussniederungen in das Bodenuntersuchungskonzept eingebunden werden müssen.

Wir haben die Landwirtschaftskammer Niedersachsen gebeten, die Bewirtschaftungsempfehlungen für das Management von Überschwemmungsgebieten auf landwirtschaftliche Flächen an allen niedersächsischen Flüssen auszuweiten. Zur Absicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher wird eine risikobasierte Überwachung der dort produzierten Lebensmittel durchgeführt, die sicherstellt, dass keine belasteten Produkte in den Verkehr gelangen. Diese Überwachung wird von den kommunalen Behörden wahrgenommen. Die Mitarbeiter der Veterinärämter stimmen sich engstens mit dem LAVES und mit den Referenten meines Hauses ab.

Auch der Bereich der Lebensmittelsicherheit arbeitet sehr systematisch. Wir wollen die Hintergrundbelastungen von Lebensmitteln kennen. Deshalb werden derzeit in einer landesweiten ScreeningUntersuchung Schafslebern auf dioxinähnliche PCBs untersucht - d. h. nicht nur in den Flussniederungen, sondern in ganz Niedersachsen -, z. B. auch in der Lüneburger Heide, wo es keine Überschwemmungen gibt. Schafsleber ist neben der Milch ein empfindlicher Indikator für Dioxine und dioxinähnliche PCBs. Die Milch wird im Rahmen des Milchmonitorings seit 20 Jahren systematisch untersucht. Alle Ergebnisse der Untersuchung werden systematisch ausgewertet und fließen in die Maßnahmen für Lebensmittelüberwachung ein.

Wir alle werden lernen müssen, mit den von uns selbst über Jahrzehnte verursachten Altlasten umzugehen. Die Landesregierung hat sich dieser

Aufgabe entschlossen gestellt und arbeitet sie planmäßig und schrittweise ab. Wissenschaftsexperten sind daran beteiligt. Auch der Datenaustausch mit Nachbarländern ist geregelt. Transparenz und die Beteiligung der Öffentlichkeit sind für uns Selbstverständlichkeiten. Das gilt auch für unverschuldet betroffene Landwirte.

Wir müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich bei der Belastung mit dioxinähnlichen PCBs um ein ubiquitäres Problem handelt, das sich nicht allein auf Niedersachsen beschränkt. Deshalb habe ich die Bundesverbraucherschutzministerin über die Maßnahmen in Niedersachsen informiert. Wir werden in bundesweiten Fachgremien unsere Ergebnisse weiterhin vortragen. Denn Nahrungsmittel werden nicht nur in Niedersachsen produziert. Die Landesregierung arbeitet konsequent, systematisch, zielführend und beispielhaft.

Meine Damen und Herren, ich meine, dass ich mit meinen Ausführungen die hier gestellten Fragen ausreichend beantwortet habe.

Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage stellt Herr Meyer von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da die Fragen nicht konkret beantwortet worden sind, möchte ich die Landesregierung noch einmal fragen - sie will ja den Verbraucherschutz gewährleisten -, ob auch Rindfleisch - denn an der Ems gab es ja Untersuchungen, bei denen Rindfleisch auffällig war - regelmäßig auf Dioxine und dioxinähnliche PCBs untersucht wurde und, wenn ja, in welchem Ausmaß.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Ehlen. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Meine Damen und Herren, wir wissen aus vielen Untersuchungen: Wenn die Leber frei von Belastungen ist, dann ist auch das Fleisch nicht belastet. Das haben wir festgestellt.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das war bei dem Rind an der Ems aber an- ders! Das war belastet!)

- Herr Meyer, Sie können hier ja noch mehrere Fragen stellen. Das ist Ihnen unbenommen. Im Moment antworte ich.

Meine Damen und Herren, wir haben festgestellt: Wenn die Leber nicht belastet ist, dann ist auch das Fleisch in der Regel nicht belastet.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das war an der Ems anders!)

Trotzdem untersuchen wir auch andere Fleischteile von den Schlachtkörpern.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Ich habe vom Rind geredet, nicht vom Schaf!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir es uns nicht so einfach machen dürfen, wie es von den Grünen dargestellt wird. Es ist anzunehmen, dass es Einträge gibt, die wir noch nicht genau beurteilen können. Scheinbar hat das mit der Überschwemmung von Flussniederungen nichts zu tun. Der sogenannte Fingerabdruck der Dioxine, den wir in der Elbtalaue gefunden haben, ist ein anderer als der, den wir z. B. an der Ems, an der Unterelbe und an der Weser gefunden haben. Diese Fingerabdrücke lassen sich letztendlich auch nicht aus den Sedimenten der Flüsse rekonstruieren. Deshalb stellt sich die Frage - Sie haben sie ja richtig formuliert -, ob auch andere Einträge Verursacher von Schadstoffen sein können, ob z. B. Luft dabei mit in Betracht gezogen werden muss. An dieser Frage müssen wir arbeiten und forschen. Das ist kein niedersächsisches und kein deutsches, sondern ein europäisches Problem.

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, nachdem Herr Minister

Ehlen gerade gesagt hat, das Maß seines Handelns sei nicht das Prinzip Zufall, sondern das Prinzip Verbraucherschutz: Wie viele Futtermittelproben hat die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass die Giftfunde an der Weser nicht von der Landesregierung ermittelt wurden, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, sondern von den oldenburgischen Deichverbänden, die eine Studie in Auftrag gegeben haben, seit Inkrafttreten der Grenzwerte für dioxinähnliche PCBs 2006 in Niedersachsen gezogen, und zwar nicht nur in Überschwemmungsgebieten, sondern außendeichs und binnendeichs?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Ehlen das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist müßig, hier zu sagen, wir müssten jedes Stück Fleisch und sämtliche Futtermittel untersuchen. Deshalb halte ich es für richtig und gut, dass sich auch Deichverbände und andere Verbände um die Belastung in ihrem Bereich Sorgen machen. Gleichwohl müssen wir dafür Sorge tragen, dass die dort gemachten Befunde einen amtlichen Charakter haben. Falls aus den Befunden irgendwelche Folgen zu ziehen sind, müssen wir auch gerichtssicher sein. Diese Proben müssen also amtlich gezogen werden. Wir haben nichts dagegen, wenn jemand eine Probe nimmt; letztendlich muss sie aber amtlichen Charakter haben und gerichtsfest sein.

Wir kommen unserer Verpflichtung nach, dann, wenn solche Dinge amtlich festgestellt werden, dafür zu sorgen, dass das vorhandene Futter nicht weiter für Tiere verwendet wird und dass gegebenenfalls auch Schafsleber nicht in den Verkehr gebracht werden darf. Sollten wir, wie es an der Ems geschehen ist, großflächige Sperrungen und Sanktionen angeordnet haben, können wir es erst aufgrund von Freiproben, wie wir es nennen, wieder freigeben. Erst dann können wir sagen, dass bestimmte Regionen weniger oder gar nicht betroffen seien oder in ihnen die Grenzwerte zumindest nicht erreicht würden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, hier systematisch vorzugehen.

Bei dem reinen Dioxingeschehen in der Elbtalaue haben wir das ganze Gebiet nach und nach mit Untersuchungen überzogen und anschließend die Betriebe mit einem Verbot der Futternutzung belegt. Bei der Ems sind wir umgekehrt vorgegangen, was, wie ich glaube, der bessere Weg ist. Auf der anderen Seite sind wir es den Landwirten schuldig, die Bewirtschaftungsempfehlung der Landwirtschaftskammer zugrunde zu legen, wenn hier etwas gefunden wird oder wenn wir vermuten, dass eine höhere Belastung vorhanden sein könnte. So wird den Landwirten ein System an die Hand gegeben, das sicherstellt, dass sie nicht mit belastetem Futter ihre Tiere füttern.

(Ina Korter [GRÜNE]: Die Frage ist nicht beantwortet!)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Oetjen von der FDP-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man die Diskussion verfolgt, kann man den Eindruck gewinnen, dass es sich um ein Problem handelt, das nur bei uns in Niedersachsen auftritt. Auf der anderen Seite gibt es jetzt Untersuchungsergebnisse aus Schleswig-Holstein - - -

Sie sind gerade bei einleitenden Bemerkungen.

Entschuldigung, Frau Präsidentin!

Ich nehme die Entschuldigung an. Sie formulieren Ihre Frage, Herr Oetjen, und dann ist alles in Ordnung.

Wichtig ist deswegen für mich, zu wissen - - -