Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

Hier bitte ich, wirklich mit der nötigen Ernsthaftigkeit heranzugehen, Herr Rösler. Sie können für wesentlich mehr Transparenz in dieser unendlich langen Geschichte sorgen, die uns noch viele Jahre beschäftigen wird.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat sich Herr Herzog von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer den Asse-Statusbericht aufmerksam gelesen hat, Herr Langspecht, und ihn nicht nur gesundbetet, der stößt auf folgende Aussagen und Phänomene:

Erstens. Der Betreiber hantierte mit gefährlichen radioaktiven Stoffen, weitgehend ohne die vorgeschriebenen Genehmigungen.

Zweitens. Das radioaktive Inventar erwies sich bei näherem Nachbohren als viel gefährlicher als angenommen.

Drittens. Ein umfangreicher Maßnahmenkatalog ist die Konsequenz aus den fahrlässigen Schlampereien der Vergangenheit.

Viertens. Informationen über Unfälle mit radioaktiven Stoffen und über Grenzwertüberschreitungen waren falsch, schlecht oder gar nicht dokumentiert oder „versanderten“ schlicht im Gestrüpp von unklaren Zuständigkeiten.

(Beifall bei der LINKEN - Heiterkeit)

Aber, meine Damen und Herren, was im Statusbericht nicht vorkommt, ist eine Abschätzung, geschweige denn eine Untersuchung, wie sich die Schlampereien auf die Gesundheit der Mitarbeiter ausgewirkt haben. Das ist der eigentliche Skandal!

(Beifall bei der LINKEN)

Denn die Beschäftigten in der Asse sind nicht einfach nur Humaninventar; das sind Menschen mit Schicksalen, mit Familien und mit lebenszerstörenden Krankheiten.

Wir Linken hatten schon Mitte vergangenen Jahres gefordert zu ermitteln, welche Folgen der mangelhafte Strahlenschutz für die Gesundheit des Personals hatte. In den Akten stellten wir Kernbrennstoffe und falsch deklarierte Fässer fest, ebenso Überschreitungen von Grenzwerten: zigfache Überschreitungen bei Cäsium und Tritium sowie eine 3,5-fache Überschreitung bei Radon. Radon ist als Alphastrahler eine der häufigsten Ursachen für Lungenkrebs. Dokumentiert ist, dass bauliche Maßnahmen nichts dagegen bewirkten. Aber Vorsorgemaßnahmen für die Beschäftigten finden sich nicht.

Meine Damen und Herren, Wissenschaftler wie Professorin Schmitz-Feuerhake und Dr. Pflugbeil betonen immer wieder: Es gibt keine ungefährliche Strahlung, keinen Schwellenwert. Sogenannte Niedrigstrahlung wird unterschätzt. Hohe Strahlung tötet Zellen, niedrige verändert sie. Darüber hinaus wird die biologische Wirksamkeit zu niedrig angesetzt. Zu allem Überfluss hinken die Grenzwerte wissenschaftlichen Erkenntnissen um Jahrzehnte hinterher. Hinsichtlich der Grenzwerte führt die Internationale Strahlenerlaubniskommission, die ICRP, aus: Beträchtliche Belastungen durch genetische Schäden sind zu erwarten, sind allerdings vertretbar im Vergleich zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen der Atomkraft.

Im Klartext: Gesundheitliche Folgekosten dürfen eine bestimmte Marge im Vergleich zum wirtschaftlichen Nutzen nicht überschreiten. Nicht gesundheitliche Vorsorge und nicht wissenschaftliche Unbedenklichkeit bestimmen den Grenzwert; unterhalb von ihm hört die Gefährdung eben nicht auf.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Menschen sind unterschiedlich empfindliche Individuen, meine Damen und Herren. Die statistische Grundgröße, der gesunde Durchschnittsmann mit 75 kg ist die Ausnahme.

(Reinhold Coenen [CDU]: Was?)

- Das ist so. - Die Regel ist eher: jung oder alt, schwanger, empfindlich oder krank.

(Reinhold Coenen [CDU]: Wenn das mal alles so stimmt!)

Wenn die Staatsanwaltschaft jetzt ermittelt, ist das mehr als überfällig. Mich lässt aber der Satz des Staatsanwalts erschauern - ich zitiere -: Die Krankheiten müssen zweifelsfrei durch die Arbeit in der Asse entstanden sein. - Herr Langspecht, Jahrzehnte können bis zum Ausbruch eines Krebses, einer Leukämie vergehen. Der Nachweis obliegt dann dem Erkrankten. Mit dem gleichen Zynismus wurden übrigens die Ergebnisse der Kinderkrebsstudie abgetan. Statt in der Konsequenz Grenzwerte zu senken, bestreitet u. a. auch Bundesumweltminister Gabriel die offensichtliche Kausalität.

(Beifall bei der LINKEN)

Was nicht sein darf, wird nicht sein. Man lässt das Geschehen lieber in der statistisch verschmierten Grauzone schmutziger Politik.

Allein 1973 gab es 53 Zwischenfälle mit Kontaminationen in der Asse. Aber nicht nur dort wurde absolut verantwortungslos mit Atommüll umgegangen. Im November letzten Jahres gab es eine Pressekonferenz der Landtagsfraktion DIE LINKE, auf der ein Rangiermeister vortrug, der 1971 im Braunschweiger Bahnhof Dienst tat: Die Atommüllwaggons entwickelten Wärme. Die Bahnbeschäftigten hatten keine Schutzkleidung, keine Dosimeter, keine Verhaltensregeln erhalten. Er besorgte sich selbst ein Dosimeter, trug es ein Wochenende lang, und nach der Auswertung sagte man ihm: Du hast deine Jahresdosis weg. - Konsequenzen? Fehlanzeige! Auch hier ist zu klären, ob sich fehlende Genehmigungen und

Schutzmaßnahmen nur mit purer Fahrlässigkeit begründen lassen oder ob auf Kosten der Beschäftigten einfach Geld gespart werden sollte.

Wir Linken fordern deshalb die Ergänzung des Statusberichts und vor allem des Maßnahmenkatalogs um alle Belange, die für die Erfassung und Beweissicherung möglicher Gesundheitsschäden der Belegschaft in der Asse, aber auch des Begleitpersonals relevant sein können. Alles andere wäre eine Schande.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Für die Fraktion der FDP hat sich Herr Dürr gemeldet. Bitte schön, Herr Dürr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Altlast Asse II wird uns hier im Hause wie auch bereits in der Vergangenheit sicherlich noch länger beschäftigen. Das zeigt auch die Diskussion heute. Herr Kollege Wenzel, ich will dies gleich zu Beginn ganz deutlich sagen. Dem Verdacht, dass Mitarbeiter durch ihre Arbeit in der Schachtanlage an Krebs erkrankt sind, muss selbstverständlich nachgegangen werden. Deswegen war es vollkommen richtig, dass das Bundesamt für Strahlenschutz, wie es vorhin schon gesagt wurde, als neuer Betreiber der Schachtanlage Asse II nach dem Bekanntwerden eine gutachterliche Überprüfung dieses Vorwurfes in Auftrag gegeben hat. Verloren gegangenes Vertrauen kann am Ende nur zurückgewonnen werden, indem solchen Dingen nachgegangen wird. Unabhängig davon, ob die zuständige Berufsgenossenschaft einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsplatz und der Erkrankung eines ehemaligen Mitarbeiters bereits ausgeschlossen hat, muss der Sachverhalt weiter untersucht werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat dabei jedenfalls unsere volle Unterstützung.

Herr Kollege Wenzel, gleichwohl darf es aber nicht passieren, dass die Erkrankungen dieser Menschen politisch genutzt werden. Zum einen kann man nach derzeitigem Kenntnisstand keinen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und den Arbeitsbedingungen in der Asse herstellen. Was die bekannten Fälle angeht, so liegt die Häufung der Krebserkrankungen nicht über der in der Gesamtbevölkerung. Zum anderen verbietet sich eine solche Instrumentalisierung auch grundsätz

lich. Herr Wenzel, wir haben es im Falle der Asse in den vergangenen Monaten leider öfter erleben müssen, dass Dinge schlicht und einfach in den Raum geworfen werden, die zunächst einmal für viel Wirbel sorgen, dann aber keinerlei Überprüfung standhalten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich denke dabei vor allem an die von Herrn Langspecht vorhin schon erwähnte Verbringung von Laugen in andere Bergwerke, die von einem Bundesminister - ich zitiere - zunächst als nuklear verseucht bezeichnet wurden. Es ist bekannt, dass das Bundesamt für Strahlenschutz, das übrigens eine nachgeordnete Behörde des Bundesumweltministeriums ist, genau diese Laugenverbringung mittlerweile wieder aufgenommen hat, weil die Grenzwerte deutlich unterschritten wurden.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Ja, neuerdings!)

Herr Wenzel, Gleiches gilt für Ihren Vorwurf, in der Asse lagerten hoch radioaktive Abfälle oder sogar abgebrannte Brennelemente.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das hat sich als wahr herausgestellt!)

Das alles hat sich als unhaltbar herausgestellt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Von denjenigen, von denen alle diese Behauptungen aufgestellt wurden, und zwar mit dem einzigen Zweck, das eigene politische Ziel nach vorne zu bringen, haben wir kein Wort der Entschuldigung gehört, auch nicht gegenüber den Menschen in der Region. Ich finde das unglaublich. Das ist Ihre Art, Politik zu machen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Nicht immer von sich auf andere schließen!)

Ich finde es unglaublich, dass Sie der Landesregierung hier jetzt erneut vorwerfen, sie würde dem Aktenvorlagebeschluss des Umweltausschusses nicht nachkommen. Wir haben in der letzten Sitzung des Umweltausschusses über genau diesen Punkt gesprochen.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Aber erst auf Nachfrage!)

Die Landesregierung kommt unserem Aktenvorlagebeschluss aus dem Umweltausschuss vollumfänglich nach. Das Problem ist, dass Sie den Aktenvorlagebeschluss, dem Sie im Übrigen selbst

zugestimmt haben, am Ende nicht mehr vernünftig interpretieren können und ihn jetzt offensichtlich anders lesen. Darüber können wir uns gern unterhalten. Das ist aber ein Verständnisproblem auf Ihrer Seite, nicht auf unserer Seite.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Damit wir uns hier nicht missverstehen, will ich zum Schluss noch Folgendes sagen. Jedem Vorwurf muss nachgegangen werden. Der Sachverhalt muss natürlich überprüft werden. Das ist keine Frage. Vorwürfe aber einfach in den Raum zu stellen und mit Dreck zu werfen - nach dem Motto: irgendwas wird beim politischen Gegner am Ende schon hängen bleiben -, dient aber weder den Betroffenen in der Region noch der Lösung des Gesamtproblems Asse. Herr Wenzel, ich bitte Sie: Hören Sie endlich damit auf!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Wenzel noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dürr, was Sie in den Raum stellen, ist in weiten Teilen schlicht und einfach falsch. In der Asse liegen Kernbrennstoffe. Das wissen auch Sie. Das wird mittlerweile von niemandem mehr bezweifelt. Über 90 % des radioaktiven Inventars stammen von Brennelementen, die über die Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe dort gelandet sind. Darüber will ich mit Ihnen aber gar nicht mehr streiten, weil das mittlerweile klar ist.

Herr Langspecht, Sie zitieren Herrn Michel von der Strahlenschutzkommission. Gucken Sie sich einmal die Cardis-Studie von 2007 an. Darin sind Vergleiche von 15 Ländern angestellt worden. Man hat untersucht, wie sich das Krebsrisiko bei Beschäftigten von kerntechnischen Anlagen unter Einhaltung der Grenzwerte, also im rechtlich zulässigen Bereich, darstellt. Herr Langspecht, es wurde festgestellt, dass das Krebsrisiko bei den Beschäftigten genauso hoch ist wie bei den Überlebenden des Atombombenabwurfs von Hiroshima. Das ist Fakt. Diese Studie ist durch andere Studien bestätigt worden. Ausgangspunkt war dabei die bestimmungsgemäße Einhaltung der Grenzwerte.