Protokoll der Sitzung vom 20.02.2009

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das will ja was heißen!)

Darüber hinaus haben wir schon jetzt feststellen können, dass dieses Modell besonders positive Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen hat.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Dürf- ten wir regieren, würden wir es selber machen!)

- Ich freue mich, dass wir uns in dieser Frage so einig sind und uns da weiter unterstützen. Herr Bachmann, ich sage das auch deshalb noch einmal, weil wir daraus auch Schlüsse für andere Bereiche ziehen sollten. Gerade bei den Kindern verzeichnen wir gute Erfolge. Würden sie nämlich schon zehn Tage nach ihrer Ankunft in Friedland ihrem zukünftigen Heimatort zugewiesen und müssten sie dort sofort zur Schule gehen, hätten sie große Probleme, weil sie die deutsche Sprache noch nicht sprechen. Sie wären sofort frustriert, weil sie dem Unterricht nicht folgen können. In diesen sechs Monaten werden sie ganz gezielt unterrichtet und erhalten zunächst erst einmal Deutschunterricht. Wenn sie dann nach sechs Monaten in ihre Schule gehen, können sie dem Unterricht schon folgen und haben sie sofort Erfolgserlebnisse. Dies hat dazu geführt, dass die Kinder von Spätaussiedlern in der Regel nicht sofort einer Hauptschule zugeordnet werden, sondern sehr viel mehr einer Realschule oder einem Gymnasium. Das ist meines Erachtens eine tolle Geschichte.

Vor diesem Hintergrund haben wir gesagt: Wenn wir hier irakische Flüchtlinge aufnehmen, dann sollten wir dieses Erfolgsmodell auf sie übertragen. Denn es ist völlig klar: Wenn Flüchtlinge aus dem Irak zu uns kommen - auch wenn sie einen etwas anderen Status haben; das ist mir auch klar -, ist es völlig logisch, dass sie in Deutschland bzw. in Niedersachsen bleiben. Deshalb wollen wir diese guten Erfahrungen auch den irakischen Flüchtlingen zugute kommen lassen, damit deren Kinder genauso gute Startchancen bekommen wie auch die Kinder der Spätaussiedler.

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Hiebing von der CDU-Fraktion.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass eben mehrfach deutlich geworden ist, dass das Datenmaterial häufig veraltet ist, frage ich die Landesregierung: Was kann getan werden, um schneller und zeitnäher an Datenmaterial heranzukommen? Gibt es Initiativen, die mit dazu beitragen könnten, ein bundes

einheitlich abgestimmtes und zeitnahes Datenmaterial zu erreichen?

Herr Minister Schünemann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir uns auf der Integrationsministerkonferenz im Juni dieses Jahres auf Bund-Länder-Ebene auf Indikatoren verständigen wollen, die in Zukunft untersucht werden sollen. Das muss dann natürlich regelmäßig gemacht werden. Es ist sinnvoll, dass wir uns auch bei dem Zensusgesetz, d. h. bei der Untersuchung, die vom Bundesamt für Statistik zusammen mit den statistischen Landesämtern durchgeführt wird, genau anschauen, welche Informationen wir brauchen, um die Integrationsleistungen der Migrantinnen und Migranten feststellen zu können und um dann zu entscheiden, welche Maßnahmen sinnvoll sind und welche nicht.

Deshalb haben wir als Land Niedersachsen auch im Bundesrat Initiativen ergriffen mit dem Ziel, dass auch die Religionszugehörigkeit und andere Dinge mit abgefragt werden. Das ist vom Bundesrat mit breiter Mehrheit beschlossen worden, sodass ich davon ausgehe, dass dies mit aufgenommen wird. Dadurch haben wir in Zukunft eine bessere Datenbasis und können regelmäßig nach festgelegten Indikatoren auch den Grad der Integration und die Integrationsleistung jedes einzelnen Migranten messen. Das ist für unsere zukünftigen Entscheidungen wichtig.

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass in Niedersachsen nur 53 % der Migrantenkinder vor ihrem Schulbesuch eine Kindertagesstätte besuchen, frage ich die Landesregierung, mit welchen Maßnahmen diese Quote erhöht werden soll. Bleibt es nur beim beitragsfreien Kindergartenjahr, das ja noch gar nicht evaluiert worden ist?

Zweite Frage: Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass die Mitarbeiter der Ausländer

behörden nicht darauf hinweisen, dass es sinnvoll wäre, Kinder in Kindertagesstätten zu schicken?

Herr Minister Schünemann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist völlig richtig und absolut sinnvoll, auch Migrantenkinder in Kindergärten und, wenn notwendig, auch in Krippen unterzubringen. Ich glaube, dass es gut möglich ist, dies auch über die Integrationslotsen zu erreichen. Bei den Integrationslotsen handelt es sich ja vielfach um Frauen mit Migrationshintergrund, die zum Teil aus den gleichen Ländern kommen wie die Migranten selbst. Sie finden dann auch viel mehr Gehör. Oftmals sagt ja gerade der Vater: Nein, die Kinder sollen in der Familie bleiben, und die Mutter soll sich um sie kümmern. - Wenn Sozialarbeiter oder Mitarbeiter der Ausländerbehörden darauf hinweisen, dass es sinnvoller wäre, die Kinder in Kindergärten unterzubringen, dann stoßen sie oftmals auf taube Ohren. Das bringt nicht viel. Trotzdem wäre es sinnvoll, wenn auch diese Mitarbeiter darauf hinweisen würden. Wichtiger aber ist es, dass sich auch Frauen mit Migrationshintergrund in die betreffenden Migrantenfamilien begeben und sie dahin gehend beraten, dass es für die Kinder, aber auch für die Mütter sinnvoll ist, die Kinder rechtzeitig in einen Kindergarten zu geben.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Außerdem ist es wichtig, dass die Eltern - insbesondere die Mütter - in die Kindergartenarbeit mit eingebunden werden. Wir erleben ja gerade im schulischen Bereich immer wieder, dass sich die Eltern dort nicht so sehr einbringen. Mit den Elternlotsen haben wir aber schon gute Erfahrungen gemacht. Gleiches gilt auch für den Islamunterricht in den Grundschulen. Sie wissen, dass an 30 Grundschulen ein entsprechender Modellversuch durchgeführt wird. Dort haben wir erlebt, dass die Eltern gerade deshalb, weil ihre Kinder dort am Religionsunterricht teilnehmen, auch schauen, was dort tatsächlich passiert. In der Folge binden sich die Eltern dann auch in die Arbeit der Elternräte usw. mit ein. Das ist eine sehr gute Möglichkeit.

Sie sehen, dass wir auf verschiedenen Ebenen dazu beitragen, Informationen weiterzugeben und zu überzeugen. Sollte es einmal vorgekommen

sein, dass die Ausländerbehörde nicht beraten hat, kann ich Ihnen hier nur sagen, dass wir hier auch eine entsprechende Ausbildung betreiben. Die interkulturelle Kompetenz ist für uns ein ganz wichtiges Thema. Insofern bin ich sicher: Wenn wir alle geplanten Maßnahmen umgesetzt haben werden - es wird aber noch einige Zeit dauern, bis alle an den entsprechenden Schulungsmaßnahmen teilgenommen haben werden -, wird sich die Situation auf jeden Fall verbessern. Sie sehen aber daran, dass wir da auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Frage stellt Herr Bachmann. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie, Herr Minister, bei der Beantwortung der Fragen keine Schärfe in die Debatte bringen wollten, dann aber behauptet haben, die Studie würde die Leistungen früherer sozialdemokratischer Regierungen bewerten, frage ich Sie, ob Sie mir darin zustimmen, dass alle politischen Parteien über Jahrzehnte hinweg bei ihrer Integrationsarbeit ein enormes Defizit zu verzeichnen hatten und deshalb in diesem Bereich große Defizite aufgebaut haben, dass es die sozialdemokratische Landesregierung war, die im Jahr 2002 als erste Niedersächsische Landesregierung unter Federführung von Frau Dr. Trauernicht ein umfassendes Integrationskonzept beschlossen hat, das auch durch Beschluss dieses Parlaments bestätigt wurde, dass Sie es waren, die dieses Integrationskonzept nach Ihrer Regierungsübernahme erst einmal komplett gekippt haben, dass es in der aktuellen Integrationsarbeit zwischen uns nicht nur Differenzen, sondern auch viel Übereinstimmung gibt und dass niemand behauptet, dass alles falsch gemacht werde, dass erst durch den Nationalen Integrationsplan auf Bundesebene, an dem sozialdemokratische Minister entscheidend mitgearbeitet haben, richtig Drive in die Sache gekommen ist und - last, but not least - dass nicht Sie sich die in diesem Lande geleistete Integrationsarbeit zu 100 % auf Ihre Fahnen schreiben können; denn sie wird zu 90 % von gesellschaftlichen Organisationen erbracht. Wenn wir diesen Konsens herstellen könnten, Herr Schünemann, dann sollten wir in bestimmten Bereichen wieder gemeinsam vernünftig diskutieren und von Schuldzuweisungen Abstand nehmen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Hans- Christian Biallas [CDU]: Ich sehe hier schon wieder Weihrauch auffackeln!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann bestätigen, dass in der Vergangenheit viele - - - Herr Bachmann, wollen Sie eine Antwort haben?

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ich höre Ihnen gerne zu, Herr Minister!)

Es ist richtig, dass es gerade in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren große Versäumnisse bei der Integrationsarbeit gegeben hat. Wenn ich mir allerdings anschaue, wie groß mittlerweile der Anteil der Migrantinnen und Migranten ist, dann kann ich feststellen, dass wir in unserem Land trotz der Versäumnisse, die es gegeben hat, hervorragende Integrationsleistungen erbracht haben. Das darf man auch nicht vergessen. Der Anteil der Spätaussiedler beträgt beispielsweise im Bereich Cloppenburg/Vechta 30 %. Wir haben dort nicht nur viel für die Integration getan, sondern sie sind auch der Garant für wirtschaftliches Wachstum in dieser Region gewesen. Auch das darf man nicht vergessen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass es dennoch Defizite gibt, ist überhaupt keine Frage.

Richtig ist, dass Frau Sozialministerin Trauernicht einen Integrationsbericht vorgelegt hat.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ein Regierungskonzept!)

- Sogar ein Regierungskonzept. Aus der Berliner Studie, die die Jahre 2002, 2003, 2004 usw. im Blick gehabt hat, ist jedoch hervorgegangen, dass das nicht so erfolgreich gewesen ist. Deswegen war es völlig richtig, dass wir dieses Integrationskonzept zunächst nicht weiterverfolgt haben, sondern neue Akzente gesetzt haben. Wie Sie sehen, tragen diese neuen Akzente schon Früchte.

(Beifall bei der CDU - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist doch Blöd- sinn! Das stimmt doch so nicht!)

- Sie haben doch selbst gesagt, dass wir dieses Konzept nicht weiterverfolgt haben. Daher ist es richtig, dass wir jetzt ein neues gemacht haben.

Dennoch - das will ich Ihnen ganz klar sagen - gibt es in diesem Bereich viele Gemeinsamkeiten; das ist auch sinnvoll. Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen nicht darauf hingewiesen. Aber wenn ich gefragt werde, auf welche Jahre sich diese Studie bezieht und ob das nicht ein Ausfluss dessen ist, dass wir falsche Politik machen, dann muss ich einen Hinweis darauf geben können, dass sich das auf die Politik gerade der SPD bezogen hat. Das ist ja nicht schlimm.

(Beifall bei der CDU - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Sie regieren erst seit 2005!)

Hinzu kommt: Integrationsarbeit, aber auch Sozialpolitik insgesamt oder Schulpolitik können doch nicht allein von einem Parlament oder von den Politikern allein umgesetzt werden. Wir geben den Rahmen vor, sind aber gerade im Bereich der Integration auf die vielen Ehrenamtlichen in Vereinen, Verbänden, Wohlfahrtsverbänden und in den Kirchen angewiesen, die auf diesem Gebiet hervorragende Arbeit leisten. Sie brauchen Unterstützung auch finanzieller Art. Sie brauchen auch neue Ideen wie z. B. die Integrationslotsen. Das haben wir mit auf den Weg gebracht. Wir haben nur eine Chance, erfolgreich zu sein, wenn wir diese Gruppierungen unterstützen. Das ist das Ziel unserer Politik. Wenn wir das gemeinsam mit Ihrer Unterstützung machen, dann bin ich ganz sicher, dass wir im Bereich der Integrationsarbeit sehr erfolgreich sein werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Aber Sie wollen uns doch jetzt nicht erzäh- len, dass Sie erst seit 2005 regieren! - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist nur noch peinlich, dieser Bachmann!)

Die nächste Frage stellt Frau Twesten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schünemann, wir haben jetzt viel über erfolgreiche Integrationsarbeit gehört. Aber welche Kriterien wollen Sie eigentlich selbst in die Diskussion auf Bund-Länder-Ebene einbringen, um den Faktor „erfolgreiche Integration“ überhaupt messen zu können? Sprich: Wie definieren Sie eigentlich erfolgreiche Integration?

(Editha Lorberg [CDU]: Das hat er doch an vielen Beispielen dargestellt! - Heinz Rolfes [CDU]: Das erfordert eine Regierungserklärung!)

Herr Minister!

Für mich ist wichtig, dass wir gerade im Bereich der Kinder und Jugendlichen ansetzen. Da können wir sehr schnell sehen, ob die Maßnahmen erfolgreich sind. In Bezug auf die Rückstellungen bei den Grundschülern habe ich die positive Entwicklung schon aufgezeigt. Ein weiterer, sehr wichtiger Indikator ist natürlich, wie die Abschlüsse insgesamt an den Schulen aussehen. Ich bin wirklich froh, dass wir in den letzten Jahren erreicht haben, dass immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund einen Schulabschluss schaffen. Da haben wir noch nicht alles erreicht. Deshalb haben wir ja auch gemeinsam mit dem BAMF Initiativen ergriffen, um die Jugendlichen, die da Probleme haben, zu begleiten und sie anderthalb Jahre, bevor sie einen Abschluss machen, mit besonderen - um nur ein Beispiel zu nennen - Bildungsdeutschkursen zu unterstützen.

(Zuruf von Elke Twesten [GRÜNE])

- Haben Sie etwas gegen Bildungsdeutsch? - Wir müssen uns an klaren Ergebnissen, klaren Fakten und Zahlen messen lassen. Das kann man im Bereich der Schule hervorragend tun. Auch ich halte es für wichtig, dass wir bundeseinheitlich regeln, nach welchen Kriterien wir das beurteilen.

Darüber hinaus gibt es natürlich auch gesellschaftspolitische Indikatoren, die wir uns anschauen müssen. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht einen bunten Strauß von 100 Indikatoren haben; denn das macht keinen Sinn. Vielmehr müssen wir uns auf die Kernpunkte im Bereich Bildung, Arbeitsmarkt und natürlich auch bei der Integration in der Gesellschaft konzentrieren. Ein Indikator ist zum Beispiel, wie viele Mädchen in Vereinen, in Sportvereinen tätig sind. Das sind meiner Ansicht nach genau die richtigen Indikatoren, die wir haben.

Warten Sie bitte die Juni-Sitzung ab. Dann werden wir Ihnen das Konzept vorlegen. Wir werden dann über ein einheitliches Konzept von Bund und Ländern verfügen, das dann erfolgreich ist.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)