Bedenkt man, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus laut Koalitionsvertrag 2008 als zentraler Bestandteil niedersächsischer Präventionspolitik gedacht ist, verwundert doch, dass bisher weder die Bedeutung militanter Gruppierungen im bundesweiten Kontext noch deren Aktivitäten richtig und realistisch eingeschätzt werden.
Nun liegt uns hier eine Beschlussempfehlung des Ausschusses vor. Gestatten Sie mir dazu noch letzte Anmerkungen. Alles klingt wie immer bei Ihnen schön, ist aber konsequenzlos: Viel Lyrik, und nichts wird in die Praxis umgesetzt.
Sie fordern ein, dass in niedersächsischen Schulen verstärkt auf das Problem aufmerksam gemacht wird. Sie schaffen aber gleichzeitig die Landeszentrale für politische Bildung ab. Das ist die Institution, die das leisten könnte, was Sie einfordern. Schön und praktisch lehnen Sie die Forderung in unserem Antrag, Städten und Gemeinden bei Ihrem Bemühen zu unterstützen, der Städtekoalition gegen Rassismus beizutreten, weiterhin ab. Insbesondere Frau Jahns hat sich dabei in einer der letzten Plenarwochen besonders hervorgetan.
Sie sprechen sich für die Unterstützung der Arbeit der Arbeitsstelle ARUG aus. Praktisch verweigern Sie dieser Struktur eine institutionelle Förderung, was in der Konsequenz nachhaltiges Arbeiten verhindert.
Letzter Satz: Das waren nur einige wenige Beispiele, die belegen, wie Sie mit dem Problem des Rechtsextremismus umgehen. Wir können diesen Beschlussvorschlag nur ablehnen.
Zu dem Beitrag von Herrn Humke-Focks hat sich Frau Jahns zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben das Wort für 1:30 Minuten.
Ich möchte Herrn Humke-Focks nur kurz darauf hinweisen, dass es ausschließlich Sache der Kommunen ist, einer Städtekoalition beizutreten. Ausschließlich das haben wir hier im Plenum angeführt. Das ist eine Entscheidung, die vor Ort getrof-
Vielen Dank für die Kurzintervention, Frau Jahns. In der Tat müssen die Kommunen darüber selbst entscheiden. Wir pflegen übrigens vor Ort, im Stadtrat von Göttingen und im Kreistag von Göttingen, in solchen Fragen eine gute Zusammenarbeit mit der CDU und mit der FDP. Das gilt im Übrigen auch für Wolfsburg.
Es ging in unserem Antrag seinerzeit darum, dass die Landesregierung unseren niedersächsischen Kommunen empfiehlt, solchen Koalitionen beizutreten. Das Wort der Landesregierung hat aber erst dann wirklich Gewicht, wenn es in die Kommunalparlamente zurückgespiegelt wird. Dem aber haben Sie sich verweigert.
Als nächster Redner hat sich Herr Oetjen von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Sie bekommen jetzt das Wort.
Sehr herzlichen Dank, Herr Präsident! - Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen deutlich machen, dass ich es für nicht erträglich finde, dass Sie, Herr Humke-Focks, uns hier unterstellen, dass wir das Problem des Rechtsextremismus in Niedersachsen verharmlosen würden. Das ist mitnichten der Fall. Diese Unterstellung weise ich mit Nachdruck zurück.
Im Gegenteil! Die Kollegin Leuschner hat es angesprochen: Wir haben hier eine lange und große Tradition darin, dass wir uns in der Frage der Bekämpfung des Rechtsextremismus parteiübergreifend, von der einen Seite des Hauses bis zur anderen Seite des Hauses, einig sind. Deswegen ist es schade, dass wir uns heute nicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen können. Es ist aber auch kein Beinbruch, weil wir wissen, dass wir uns im Kern unserer demokratischen Grundhaltung darin einig sind, dass Extremismus weder von
Rechts noch von Links in unserer Gesellschaft einen Platz haben. Das sollten wir auch darstellen, meine Damen und Herren.
- Nein, das ist nicht eine widerliche Gleichsetzung. Wir haben natürlich ein Problem mit dem Rechtsextremismus, das wir bekämpfen müssen. Das ist ein menschenfeindlicher Extremismus, der sich in vielen Facetten, auch in Antisemitismus und in vielen anderen Bereichen, darstellt. Es ist aber nun einmal so, dass auch Linksextremismus in unserer Gesellschaft keinen Platz hat.
Wir reden sehr oft über Kameradschaften, Naziaufmärsche und aktuelle Probleme auch im Zusammenhang mit der NPD. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir uns in diesem Antrag ein Stück weit davon lösen und uns mit der Frage befassen, wo die Basis ist und wo wir ansetzen müssen, um beispielsweise schon Kinder und Jugendliche für Demokratie und für Menschenrechte zu gewinnen. Frau Kollegin Jahns hat hierfür gute Beispiele genannt: Das ist die Grundrechtefibel aus BadenWürttemberg, die wir hier übernehmen würden. Ich finde, dass das eine gute Idee ist. Warum soll man, wenn jemand eine gute Idee hat, diese nicht übernehmen, wenn das Wirkung zeigt? Aus meiner Sicht ist das gar nicht negativ.
Ein zweites Beispiel ist der Bildungs-Comic. Dabei geht es um eine altersgerechte Ansprache von Jugendlichen, um sie für ein solches Thema zu sensibilisieren; denn gerade die NPD versucht, an unseren Schulen Mitglieder zu werben, und trifft dort vielleicht auch auf einen unvorbereiteten Boden, auf dem sie mit ihren Argumenten durchkommt. Deshalb sind die Schulen, aber auch wir gesellschaftspolitisch insgesamt dafür verantwortlich, junge Menschen in dieser Frage zu bilden, um sie auch gegen Versuche, sie für rechtsextremistische Parteien zu gewinnen, immun zu machen.
Mir ist Folgendes wichtig - das betone ich zum Schluss noch einmal -: Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt dürfen in unserer Gesellschaft keine Chance haben. Dagegen sollten wir gemeinsam kämpfen. Dem tut es
auch keinen Abbruch, dass wir hier keinen gemeinsamen Antrag haben; denn wir wissen, dass wir uns in dieser Sache im Kern eigentlich einig sind.
Zum Redebeitrag von Herr Oetjen hat Frau Leuschner um eine Kurzintervention gebeten. - Ganz langsam!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Oetjen, wir sind uns in vielen Punkten einig. Nur auf einen Unterschied möchte ich noch einmal hinweisen. Dies ist ein Antrag gegen Rechtsextremismus. Es ist doch erschreckend, wie viele junge Menschen nach den Ergebnissen der Untersuchungen von Herrn Prof. Pfeiffer rechtsextremen, antisemitischen und menschenfeindlichen Aussagen zustimmen. Das geht bis in die Mitte der Gesellschaft hinein.
Vor diesem Hintergrund müssen wir natürlich etwas für Menschenrechtsbildung tun und jeglichen Diskursen entgegentreten, die auf einer Ungleichwertigkeit von Menschen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit, ihrer Herkunft, ihrer Religion,
ihrer weltanschaulichen Ansichten, ihrer Hautfarbe oder auch ihrer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung beruhen. Diese Tendenzen sind im Rechtsextremismus in ganz extremer Weise vorhanden.
Sehr geehrte Frau Kollegin Leuschner, ich möchte Ihnen nur sagen, dass wir in dieser Sache nicht auseinander sind. Wir sind überhaupt nicht aus
einander, sondern wir sind uns einig, dass dies im Rechtsextremismus sehr stark verankert ist, dass gerade deswegen der Rechtsextremismus aus der Mitte des Parlaments heraus, aus der Mitte der demokratischen Parteien heraus aktiv bekämpft werden muss
und dass wir dafür beispielsweise bereits in der Bildungspolitik und in gesellschaftspolitischen Ansätzen Grundlagen setzen müssen.
Deswegen haben wir diese Frage nicht nur im Innenausschuss beraten, sondern die Debatte sehr breit in den verschiedenen Ausschüssen geführt,
- weil Sie das so gewollt haben und weil es auch richtig ist, dass wir diese Debatte sehr breit anlegen und sie über alle Themenfelder hinweg führen.
Daher erkläre ich noch einmal: Wir sind uns in dieser Frage einig. Wir müssen Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft heraus, aus der Mitte der demokratischen Parteien heraus aktiv bekämpfen. Da haben wir überhaupt keinen Dissens, Frau Kollegin.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist ein zentrales Anliegen aller demokratischen Fraktionen in diesem Haus sowie der jetzigen, aber auch der vorherigen Landesregierung. Wir stehen hier in der Kontinuität und in der Gemeinsamkeit der Demokraten. Das sollten wir bei allen Unterschieden in Einzelfragen auch immer wieder deutlich machen. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Nationalsozialismus oder gar die Leugnung des Holocaust dürfen bei uns keinen Platz finden. Sie sind in keiner Weise mit unserer demokratischen politischen Kultur zu vereinbaren.