Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

Das Schulobstprogramm ist im Kern nicht an der Plakettenpflicht gescheitert.

(Zuruf von der SPD: Doch wohl mehr am Geld!)

Hier wurde bereits völlig zu Recht das Argument der übersprießenden Bürokratie genannt. Wir haben im Kabinett darüber gesprochen. Es stellt sich durchaus die Frage, ob Zuwendungsempfänger nicht selber in der Lage sind, solche Maßnahmen als sinnhaft zu erkennen und durchzuführen. Die Grundsatzfrage war, ob alles bürokratisch nach

Größe, nach Form, nach Anbringungshöhe usw. geregelt werden muss.

Wir verfahren hier in Niedersachsen ohne entsprechende Vorgaben, ohne dass dies woanders geregelt worden wäre. Der Ansatz, zu dem wir kommen müssen, ist, dass wir keine Misstrauensverwaltung haben oder dass wir vor Ort nicht zu doof sind. Vielmehr müssen wir erreichen, dass wir eine Vertrauensverwaltung haben und die Dinge vor Ort selber regeln und dabei positiv auf Europa verweisen können.

Ich fände es gut, wenn man das Thema eines Schulmilchprogramms oder eines Schulobstprogramms nicht nur im Rahmen der Absatzförderung der Landwirtschaft betrachtet. Man sollte ein solches Programm vielmehr aus der Sicht der Schulen, der Schüler und der Ernährungsprobleme im Land betrachten. Bei Milch geht es nicht mehr - wie in den 50er-Jahren - um einen Kalziummangel. Wir haben es vielmehr mit dem Problem zu tun, dass die Europäische Union für die Sinnhaftigkeit von Lebensmitteln jetzt eine Ampel einführen will. Nach allen mir vorliegenden Informationen bekäme die Schulmilch dann einen roten Punkt, weil sie zu viel Laktat enthält, gemessen an dem, was man sich in Europa wünscht.

Dies führt zu widersprüchlichen Debatten. Wir fördern einerseits den Tabakanbau und bekämpfen andererseits den Nikotinkonsum. Angesichts dessen ist im europäischen Rahmen eine Diskussion über mehr Eigenverantwortung vor Ort zu führen, die in die richtige Richtung geht.

(Beifall bei der CDU)

Dann wird sich ergeben, dass es nicht vorrangig um ein finanzielles Problem geht. Milch ist so billig wie niemals zuvor. Obst ist ebenfalls billig. Wenn Sie das Angebot in den Discountmärkten anschauen, finden Sie zwei oder drei Kilo Äpfel zu Preisen, die früher unvorstellbar gewesen wären. Sie finden im Land Niedersachsen überall Streuobstwiesen, die zum Pflücken freigegeben sind. Es macht sich aber kein Mensch auf den Weg, dort zu pflücken.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben es mit dem Problem zu tun - das ist auch ein Armutsproblem -, dass bei den Tafeln Blumenkohl, Grünkohl, Rosenkohl usw. liegen bleiben, weil die Leute nach mikrowellengeeigneten Fertigprodukten fragen. Deswegen müssen wir mit den Landfrauen in Niedersachsen darüber

reden, dass wir Jungen und Mädchen wieder Hauswirtschaft beibringen.

In den 50er-Jahren hat es einen Fernsehkoch namens Clemens Wilmenrod gegeben. Fragen Sie einmal Ihre Eltern. Sie werden sich alle noch daran erinnern. In den nächsten Wochen wird sein Wirken verfilmt. Dieser Koch hat den Hawaiitoast erfunden. Dessen Rezepte kann man noch nachkochen. Mit dem, was heute in der Medienwelt an Köchen unterwegs ist, komme ich nicht zurecht. Welcher normale Bürger könnte deren Rezepte nachkochen?

Wir müssen in den Schulen in Niedersachsen wieder das Grundverständnis von Kochen - mit Gemüse, mit Obst - propagieren. Wir müssen also gesunde und vitaminreiche Ernährung wieder propagieren. Darüber kann auch im Kultusausschuss einmal gesprochen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist keine Antwort auf meine Frage! Es ging um die Reduzierung der Mittel!)

- Ich habe mit Ja geantwortet.

Wir klären das jetzt. - Herr Ministerpräsident, die Beantwortung der Frage wird hier moniert.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Es ging um die Frage, ob durch den Verzicht nur weniger Bundesländer auf das Programm und den geringeren Mittel- anteil für Niedersachsen vielleicht Ihre Entscheidung beeinflusst wurde, sich an dem Programm nicht zu beteili- gen.)

Nein. Wir entscheiden das autark.

Vielen Dank. Das war jetzt nur eine Ergänzung. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Meyer von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Vor dem Hintergrund, dass der Ministerpräsident eben gerade Fragen beantwortet hat, die eigentlich keiner gestellt hat, als er auf Programme hingewiesen hat, die gar nicht Thema der heutigen Debatte sind - wir reden heute über Schulobst -, stelle ich die Frage an die Landesregierung: Warum hat

die Landesregierung noch in der Agrarausschusssitzung im September - das kann man ja nachlesen - ausdrücklich bestätigt, dass eine Teilnahme aller Schulen in Niedersachsen an dem Programm optimal wäre und dass man als Startpunkt des Schulobstprogramms den Beginn des zweiten Schulhalbjahres 2009/2010 kommuniziert habe, wenn ihr doch angeblich - so hat es der Minister vorhin gesagt - bereits seit Anfang August die Leitlinien vorgelegen haben, von denen der Minister heute sagt, sie seien alle viel zu kompliziert und verursachten einen zu hohen Bürokratieaufwand? Irgendetwas kann an dieser Aussage nicht stimmen. Oder hat das Ganze vielleicht doch eher etwas mit dem Wahltermin zu tun?

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Ehlen. Bitte schön!

Herr Kollege Meyer, ich will es noch einmal darstellen. Wir haben Anfang August die Leitlinien zur Durchführung bekommen. Wir haben daraufhin und auch schon im Vorfeld versucht, Konzepte zu entwickeln, die im Agrarausschuss von meinem Staatssekretär auch vorgetragen worden sind. Ich weiß, dass wir uns schon sehr, sehr lange - schon direkt zu Anfang - mit den Leitlinien beschäftigt haben. Wir haben feststellen müssen, dass die Europäische Union uns nicht alle Leitlinien auf einmal geschickt hat, sondern noch nachgelegt hat. Am Ende sind wir dann nach wohlweislicher Abwägung zu dem Schluss gekommen: Es wird für die Bürger in Deutschland und in Niedersachsen insgesamt billiger, wenn man es in Eigenregie macht. Es ist ja letztendlich egal, ob man den Schulapfel selber bezahlt oder ihn über Steuern finanziert. Am Ende tragen unsere Bürgerinnen und Bürger diese Last. Die Annahme, dass der Faktor Zeit eine wesentliche Rolle gespielt hat, ist völlig abwegig.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE stellt die nächste Zusatzfrage. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass hier viel über eine angeb

lich zu hohe Bürokratie und über Kosten gesprochen wurde - 40 Millionen Euro hat Herr Minister Ehlen errechnet -, vermisse ich eine klare Antwort. Deshalb die klare Frage an Sie: Sind Sie nun eigentlich für dieses Schulobstprogramm, oder ist es für Sie vielleicht doch nicht so wichtig?

Herr Minister Ehlen, bitte!

Herr Präsident! Frau Kollegin, ich meine, dass ich das ganz klar gesagt habe. Wir sind ohne Wenn und Aber für das Schulobstprogramm, aber in Eigenregie der Schulen und ohne staatliche Gängelung.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wie viel Geld geben Sie dafür aus?)

Herr Kollege Deppmeyer von der CDU-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich frage die Landesregierung, ob es richtig ist, dass sich die Schulleiter über die auf sie zukommenden stärkeren Belastungen beschwert haben. Ich bitte um Erläuterung der zusätzlichen bürokratischen Aufwendungen für die Schulleitungen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das wa- ren zwei Fragen! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Ich finde auch, dass das zwei Fragen waren!)

Herr Minister Ehlen, bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Deppmeyer, es ist in der Tat so, dass sehr viele Schulleiter und Kindergartenleiter, aber auch Lehrerinnen und Lehrer auf mich und auf uns zugekommen sind. Sie haben sowohl in Richtung EU-Schulobstprogramm gesprochen als auch kritische Fragen gestellt. Man muss das ja abwägen.

Deshalb vorweg einige Dinge, die geleistet werden müssen und die, wie ich finde, nicht jedem zugemutet werden können.

Die Frage, wie viele Äpfel in den Schulen gebraucht werden und wie man das Geld einsammelt, muss in beiden Systemen geklärt werden.

Beim EU-Programm müsste aber noch dokumentiert werden, wo die Äpfel geblieben sind. Die Schüler müssen ja einen Apfel bekommen, die Lehrer aber dürfen keinen bekommen. Da müssen wir aufpassen; das müssen wir alles wissen.

Die Europäische Kommission würde von uns eine Dokumentation darüber verlangen, dass das alles passiert ist, mit Quittungen und all den anderen Dingen. Sie würde ebenfalls einen Nachweis über die Weiterleitung der Elternbeiträge an die Lieferanten verlangen. Wenn die Schule selbst als Antragstellerin auftreten wollte, müsste sie sich zunächst von der Europäischen Union zertifizieren lassen.

Wenn hier nun etwas passiert, sei es aus Fahrlässigkeit oder vorsätzlich, dann gäbe es eine Anlastung der Europäischen Union. Dann wäre nicht nur die Fördersumme zurückzuerstatten, sondern auch eine Extrastrafe zu bezahlen. Dann würde sich die Frage stellen, ob wir die Schule oder die Eltern haftbar machen können oder ob das Land Niedersachsen eintreten müsste.

Kontrolliert wird das Ganze erst zwei bis drei Jahre später, sodass der Bezug zu den Kindern und den Lehrern, auf die sich die Kontrolle bezieht, kaum mehr gegeben sein dürfte.

Mit ihren Kontrollen, die in den Schulen stattfinden, nimmt die Europäische Union letztendlich auch Einblick in die Bücher, die dort geführt werden. Das wollten wir unseren Schulen nicht antun. Deshalb sollten wir darüber auch nicht länger diskutieren.

Es ist doch so, dass wir schon sehr viele Aktionen haben. Die Frage von Herrn Deppmeyer richtete sich ja auch darauf, wie sich die Eltern und die Lehrkräfte geäußert haben. Es gibt doch schon vieles, was läuft. Die Frage ist nun: War alles das, was wir bisher gemacht haben, verkehrt? Müssen wir uns nun auch in die europäische Ebene einbringen, oder wie sollen wir damit umgehen? - Wir sagen: Macht das privat, dann ist das besser.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Vor dem Hintergrund, dass die Europäische Union gar nicht die Versorgung sämtlicher Schulen im Auge hat, sondern dem Land freistellt, die 2,5 Millionen Euro, die zur Verfügung gestellt würden, mit dem gleichen Betrag gegenzufinanzieren, frage ich die Landesregierung, warum sie über ein solches Schulobstprojekt, das zu immerhin 50 % von der EU gegenfinanziert wird, überhaupt nicht nachgedacht hat, ohne dass irgendwelche Plaketten oder sonst was angebracht werden müssen, da die EU in jeder Schule, die gefördert wird, nur ein DIN A 3-Papier voraussetzt. Ich meine, das könnte einmal zentral gedruckt werden. Außerdem könnte das Ministerium als Abrechnungsstelle dafür, dass die EU zu jedem Euro 50 Cent dazugibt, zentral Ressourcen bereitstellen. Wo bleibt dann noch irgendwelche Bürokratie, die das Programm in Niedersachsen unmöglich macht oder erschwert, wie Minister Ehlen ständig ausführt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Ehlen, bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Hagenah, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie gemerkt, dass ich das alles schon erklärt habe. Ich glaube, dass wir uns im Kreise drehen, wenn ich das wiederhole. Es ist anders, als Sie es darstellen. Der Aufwand ist wesentlich größer, als nur eine DIN A 4-Seite zu drucken.

(Christian Meyer [GRÜNE]: DIN A 3 ist vorgeschrieben!)