Protokoll der Sitzung vom 24.11.2009

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Ich finde es gut, wenn sich die Parlamentarischen Geschäftsführer darüber unterhalten, eventuell etwas an der Tagesordnung zu verändern, wäre nur dankbar, wenn sie das außerhalb des Raumes machen würden. Für den Redner ist es sehr unangenehm, wenn ihm permanent der Rücken zugedreht wird.

Als nächstem Redner erteile ich für die CDUFraktion Herrn Thiele das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Fraktionsvorsitzender hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass - - -

(Unruhe)

Entschuldigung, Herr Kollege Thiele. - Wenn ich etwas sage, dann gilt das, und dann sollten die Gespräche nicht noch verstärkt geführt werden.

(Zustimmung von Uwe Schwarz [SPD] und Helge Limburg [GRÜNE])

Herr Thiele, Sie können noch einmal anfangen.

Vielen Dank. - Mein Fraktionsvorsitzender hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass eine Onlineseite der Jungen Union Wittmund Bestandteil der aktuellen Debatte war. Ich möchte das Plenum nur darüber informieren, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass solch eine indiskutable Seite innerhalb kürzester Zeit aus dem Internet genommen wird. Der Interimskreisvorsitzende der Jungen Union erledigt das gerade. Damit sollte dieses Thema bereinigt sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das musste hier gesagt werden!)

Danke schön. - Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Busemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für das Ziel des Gesetzentwurfes, Diskriminierungen aufgrund sexueller Identität auszuschließen, habe ich und hat die Landesregierung großes Verständnis.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Ich darf Sie in dem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, dass die Thematik im Bundesrat anhängig ist, dass das Thema im Oktober bereits beraten wurde und am kommenden Freitag nach Beratung darüber abgestimmt wird. Deshalb sollten Sie aber die Beratungen in Ihrem Ausschuss nicht abbrechen, weil es ein wichtiges Thema ist und die Debatte auch zeigt, dass wir dieses Thema trotz unterschiedlicher Auffassung hier sehr anspruchsvoll und in einem guten Stil bewältigen können. Ich möchte es einmal so sagen: Es ist wohltuend, wie hier über das Thema diskutiert wird.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Es muss unser aller Anliegen sein, Diskriminierungen aller Art, insbesondere auch wegen der sexuellen Identität eines Menschen, zu beseitigen und zu verhindern. Anfeindungen, gewaltsame Übergriffe und Benachteiligungen dürfen nicht vorkommen. Das Ziel ist eigentlich klar, und ich sehe hier auch eine weitgehende, sogar über 90 % hinausgehende Grundübereinstimmung. Aber die Frage ist: Erreichen wir das Ziel durch eine Verfassungsänderung? - Damit sind wir wieder beim Verfassungsrecht angekommen. Ich werde - das sage ich auch an dieser Stelle - die Meinung vertreten, dass es einer Ergänzung der Verfassung insoweit nicht bedarf. Unser Grundgesetz enthält schon jetzt umfassend Wertentscheidungen, die jede Benachteiligung in diesem Bereich verbieten. Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz schützt unmittelbar den persönlichen Lebensbereich, zu dem selbstverständlich auch die sexuelle Selbstbestimmung und Identität eines Menschen gehören.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Haase zu?

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Haase!

Herr Minister, leider kommt die Zwischenfrage etwas spät, weil Sie inzwischen im Redetext weiter fortgefahren sind.

Heißt das, dass der Gesetzesantrag am Freitag im Bundesrat abschließend beraten wird? Wenn ja, würde ich Sie bitten, deutlich zu machen, wie sich die Niedersächsische Landesregierung im Bundesrat verhalten wird.

Das werde ich am Ende meiner Rede klarmachen. Wobei: Selbst wenn der Bundesrat irgendetwas beschließt, bedeutet das nicht, dass der Diskussionsprozess damit beendet ist. Und die Rechte dieses Parlamentes sind davon unbeschadet. Das Thema mag immer wieder diskutiert und tiefschürfend behandelt werden.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist ei- ne andere Frage!)

Noch einmal: Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz schützt unmittelbar den persönlichen Lebensbereich, zu dem selbstverständlich auch die sexuelle Selbstbestimmung und Identität eines Menschen gehören. Darüber hinaus bietet der allgemeine Gleichheitssatz in Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz einen wirksamen Schutz vor Benachteiligungen und Ungleichbehandlungen. Zudem gibt es wirksame einfachgesetzliche Vorschriften im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sowie im Arbeits- und Beamtenrecht, die explizit eine Diskriminierung wegen der sexuellen Identität verbieten.

Der dem Bundesrat vorliegende Gesetzentwurf räumt selbst ein, dass heute nicht mehr die rechtliche Situation das eigentliche Problem ist, sondern die gesellschaftliche Akzeptanz. Die geforderte Verfassungsänderung wird an der gesellschaftlichen Lage aber nichts ändern. Soweit beabsichtigt ist, für die Zukunft jede rechtliche Ungleichbehandlung auszuschließen, so lässt sich dies auch mit einer Grundgesetzänderung nicht erreichen.

Meine Damen und Herren, die Verfassung ist kein einfaches Gesetz, das nach Belieben geändert werden kann, sondern ein auf Unabänderlichkeit angelegtes Normengefüge. Sie ist die rechtliche Grundordnung unseres Staates, die sich auf das Wesentliche konzentriert. Wiederholungen sind deshalb nur dann angezeigt, wenn ein offensichtliches Defizit besteht. Das ist aber im Bereich der sexuellen Identität erfreulicherweise - zumindest seit ein paar Jahren - gerade nicht mehr der Fall. Auch bei uns Politikern vermag ich kein mangelndes Bewusstsein und keine fehlende Sensibilität für das Thema zu erkennen. Das hat die Debatte hier bestätigt. Vielmehr bedarf es einer verstärkten praktischen gesellschaftlichen Aufklärung, sei es beispielsweise durch die Medien oder durch öffentliche Einrichtungen, wie z. B. die Schulen, um wirksam und langfristig jeder Form von Diskriminierung entgegenzuwirken. Eine Verfassungsänderung hätte nur Symbolwert und würde an den gesellschaftlichen Problemen nichts ändern.

In Ihren Reden habe ich zum Teil wahrnehmen können, dass Sie Reden von Herrn Wowereit und von Herrn von Beust im Oktoberplenum des Bundesrates aufgenommen haben und daraus richtigerweise einige Argumente übernommen haben. Die beiden haben pro eine Änderung des Grundgesetzes argumentiert; ihre Länder sind ja auch Antragsteller. Aber beiden Reden kann man auch Gegenargumente entnehmen, wie ich sie gerade vorgebracht habe.

Ich zitiere einmal aus der Rede von Herrn Wowereit vom 16. Oktober:

„Wir sind uns im Klaren: Die angestrebte Verfassungsänderung allein ändert nicht die gesellschaftliche Wirklichkeit.“

Bürgermeister von Beust sagte am gleichen Tag - 16. Oktober -:

„Ich behaupte nicht, dass durch eine Änderung des Grundgesetzes die Gesellschaft automatisch anders werde.“

Beide sehen also im Grunde genommen das gleiche Kernproblem wie wir.

Ich komme deswegen unverändert zu dem Ergebnis: Einer Verfassungsänderung bedarf es nicht. Eine Verfassungsänderung hätte nur Symbolwert und würde an den gesellschaftlichen Problemen - siehe die eben zitierten Redebeiträge - nichts ändern. Unser Grundgesetz hat den Privat-, Intim- und Sexualbereich des Menschen als Teil seiner Privatsphäre in Artikel 2 Abs. 1 und dem Menschenwürdeprinzip unter umfassenden verfassungsrechtlichen Schutz gestellt.

Einen Sinn darin, zusätzlich etwas in die Verfassung, in das Grundgesetz, aufzunehmen, vermögen ich und auch die Landesregierung so nicht zu erkennen. Etwas, das in wenigen, guten und abstrakten Worten im Grundgesetz steht, muss nicht durch mehr Worte angereichert werden, wenn dadurch die Substanz nicht verbessert wird. Bei uns besteht ja auch nicht seit Jahren das Problem, dass unsere Gerichte - z. B. das Verfassungsgericht - nicht verstehen würden, was das Grundgesetz mit Blick auf sexuelle Identität und deren Schutz meint. Also hätte eine solche Grundgesetzänderung - mit Verlaub - eher Akklamationscharakter. Dafür sollte - Herr Kollege Zielke, da bin ich auf Ihrer Linie - die Verfassung nicht herhalten.

Unter dem Strich würde ich sagen: Das, was wir schützen wollen, ist durch das Grundgesetz in dem jetzigen Wortlaut geschützt. Daher wird sich Niedersachsen am kommenden Freitag der Initiative einiger anderer Bundesländer auch nicht anschließen.

Danke.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Punkt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Zuständig soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein. Wer dem folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das ist so beschlossen worden.

Bevor ich die Tagesordnungspunkte 7 und 8 aufrufe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass gemäß einer Vereinbarung der Fraktionen der Tagesordnungspunkt 24, der morgen als letzter in Angriff genommen werden sollte, bereits heute nach Tagesordnungspunkt 9 aufgerufen werden soll.

Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 7 und 8 vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abgeordnetengesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1844

Erste Beratung: Änderung der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1846

Frau Helmhold wird für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Antrag und den Gesetzentwurf einbringen. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Die Mitglieder des Landtages vertreten das ganze Volk. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

So regelt es Artikel 12 der Niedersächsischen Verfassung. Dafür haben wir Anspruch auf eine angemessene, unsere Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Die Frage, wann diese Unabhängigkeit gefährdet sein könnte, hat uns in der vergangenen Wahlperiode intensiv beschäftigt. Es gab nicht nur im Bund die Fälle Laurenz Meyer, Hermann-Josef Arentz oder Hans-Jürgen Uhl, bei denen es um Bezüge ohne Gegenleistung ging. Gleichzeitig ging es auch um das Thema Nebentä

tigkeiten mit Einfluss auf das Mandat - kristallisiert vielleicht im Fall Friedrich Merz.

Auch im Niedersächsischen Landtag gab es zwei Fälle, in denen Abgeordnete während ihrer Landtagstätigkeit weiterhin von einem Konzern Gehalt bezogen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Diese Fälle wurden inzwischen ausgeklagt. Offensichtlich und erfreulicherweise waren die Regelungen des § 27 Abs. 3 unseres Abgeordnetengesetzes dazu ausreichend.