Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

Herr Kollege Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Schünemann, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Verschuldungs

wachstumsgesetz der Bundesregierung die Kommunen ja noch erheblich stärker unter Druck setzt,

(David McAllister [CDU]: Was ist das denn für ein Gesetz?)

als sie schon jetzt durch die Wirtschafts- und Finanzkrise unter Druck stehen, frage ich Sie: Welche Auswirkungen hat das Verschuldungswachstumsgesetz der neuen Bundesregierung

(David McAllister [CDU]: Das gibt es nicht!)

auf die Einnahmen bei der Mehrwertsteuer, der Erbschaftsteuer, der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer, und zwar einmal in absoluten Zahlen und einmal in seiner Wirkung auf die Verbundmasse, wenn es zum Tragen kommt oder wenn es so, wie es im Entwurf vorliegt, umgesetzt würde?

(David McAllister [CDU]: Das Gesetz gibt es nicht!)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt die Bundestagsdrucksache 17/15 vom 9. November 2009, die den Entwurf eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, wie ihn das Kabinett beschlossen hat, enthält.

(David McAllister [CDU]: So heißt das!)

Mir ist allerdings nicht bekannt, dass der Gesetzentwurf schon verabschiedet worden ist. Trotzdem könnte man daraus natürlich die Zahlen entwickeln.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es wird noch gestritten, wie man liest!)

Ich kann Ihnen die Auswirkungen für das Jahr 2010 hier darstellen, wobei ich mich auf die originären Steuereinnahmen vor dem kommunalen Finanzausgleich beziehe. 2010 hat das Land ein Minus von 264 Millionen Euro zu erwarten, und die Kommunen haben ein Minus von 68 Millionen Euro zu erwarten. Allerdings gibt es eine Kompensation für die überproportionale Belastung von Land und Kommunen im Zusammenhang mit der Kindergelderhöhung durch den Bund. Diese Entlastung erfolgt über die Umsatzsteuer. Das Land wird dann

93 Millionen Euro und die Kommunen werden 33 Millionen Euro als Kompensation erhalten. Wenn Sie diese 33 Millionen Euro von den 68 Millionen Euro abziehen, ergibt sich für die Kommunen im Jahr 2010 als Auswirkung des zuvor genannten Gesetzes eine Belastung von 35 Millionen Euro.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ich hatte nach den Belastungen der Landkreise gefragt! Können Sie mir diese nen- nen?)

- Die habe ich aber nicht.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Möhrmann von der SPD-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie unterstellen bei den Kommunen immer, man habe sich überhaupt nicht angestrengt, zu einem konsolidierten Haushalt zu kommen. Ich habe extra meinen Landkreis als Beispiel genannt. Wenn Sie mir unterstellen, ich wäre beim Geldausgeben vielleicht etwas leichtsinnig, dann würde ich das zumindest für den Landkreis anders sehen.

Deswegen ist die Frage zu stellen: Was tun Sie im Falle der Landkreise, der Kommunen, die wirklich nichts mehr haben, wo sie noch einsparen könnten, und die trotzdem nicht zurechtkommen?

Ich will in diesem Zusammenhang aus dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 7. März 2008 das zitieren, was dort zu Leitsatz 3 unter b) - daraus ergibt sich, dass Sie nicht nur über Verteilungssymmetrie reden dürfen - ausgesagt wird:

„Die finanzielle Mindestausstattung ist demgegenüber jedenfalls dann nicht erreicht, wenn die Kommunen aufgrund ihrer finanziellen Situation außerstande sind, überhaupt freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.“

Warum wird das nicht beachtet?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Schünemann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Möhrmann, Sie müssen das gesamte Urteil lesen. Dann ergibt sich - so habe ich es dargestellt -, dass die Verteilungssymmetrie insgesamt gewährleistet sein muss. Das heißt, das Land muss selber in der Lage sein, höhere Zuweisungen vorzunehmen. Wenn das Land dazu selber nicht in der Lage ist, kann man dies nicht umsetzen. Das ist völlig logisch. Das hat der Staatsgerichtshof auch so dargestellt.

Sie haben sich in Ihrer Frage auf den Landkreis Soltau-Fallingbostel bezogen. Mir liegt hier das strukturelle Ergebnis für die Jahre 2008 und 2009 für diesen Landkreis vor. Der Abschluss weist sogar positive Zahlen auf. So ist es mir hier zumindest dargestellt worden, Herr Möhrmann. Aus diesem Grunde sollten Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen; denn es wird die positive Zahl von 1 052 885 Euro ausgewiesen.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Herr Minis- ter, ich hatte in meiner vielleicht etwas lang geratenen Eingangsbemerkung auf das Jahr 2010 hingewiesen! Das ist doch das Problem!)

- Das ist klar. Trotzdem ist es doch interessant zu sehen, welches strukturelle Ergebnis für SoltauFallingbostel zu verzeichnen ist. Im Jahr 2009 belief sich das Ergebnis auf 2 050 100 Euro.

Die Wirtschaftskrise hat natürlich auch diesen Bereich erfasst. Diese Wirtschaftskrise hat den Bund getroffen, und sie hat natürlich auch die Länder und die Kommunen hart getroffen. Insofern ist klar, dass von den Auswirkungen alle drei Ebenen betroffen sind und insofern auf Landesebene und auf der kommunalen Ebene bei uns besondere Anstrengungen unternommen werden müssen.

Es ist doch nicht vorstellbar, dass, wenn Sie in diesem Jahr ein „Wirtschaftswachstum“ von minus 4,5 % und im nächsten Jahr nur einen ganz leichten Aufschwung zu verzeichnen haben, ein Land in der Lage wäre, die Folgen auf der kommunalen Ebene zu 100 % auszugleichen. Das ist völlig unmöglich. Eine Lösung des Problems kann vielmehr nur unter dem Gesichtspunkt der Verteilungssymmetrie erreicht werden.

Im Landkreis Soltau-Fallingbostel waren in den letzten beiden Jahren positive Zahlen zu verzeichnen. Das zeigt, dass es ausschließlich um die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise geht. Ich muss offen sagen, dass es ausgeschlossen ist, dass das Land Niedersachsen Mechanismen schaffen kann, um einen Ausgleich zu 100 % oder annähernd in dieser Größenordnung zu erreichen. Weder der Bund noch das Land Niedersachsen - das gilt ebenso für andere Länder - ist in der Lage, dieses in den Griff zu bekommen.

Es ist wichtig, dass jetzt die richtigen Beschlüsse gefasst werden, um wieder Wirtschaftswachstum zu generieren. Allein durch Einsparungen werden wir es nicht schaffen - in dieser Hinsicht brauchen wir uns nichts vorzumachen -, auch auf der kommunalen Ebene wieder aus der Finanzkrise herauszukommen. Wir haben es in den Jahren 2007, 2008 und 2009 auf der kommunalen Ebene doch nur deshalb geschafft, einigermaßen ausgeglichene Haushalte zu erreichen, weil die Wirtschaft vorher wieder geboomt hat und wir deshalb Mehreinnahmen zu verzeichnen hatten. Es ist deshalb wichtig, dass die Bundesregierung jetzt die richtigen Entscheidungen trifft, damit wir wieder Wirtschaftswachstum haben. Dann kommen wir wieder aus der Krise heraus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Jüttner von der SPD-Fraktion stellt seine zweite Zusatzfrage. Bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Wulff, Herr Schünemann hat gesagt, Herr Ripke sei falsch zitiert worden. Dann frage ich mich aber, warum der Landkreistag bei Ihnen eine Klarstellung verlangt; denn schließlich waren doch einige seiner Mitglieder dort anwesend.

Ich frage die Landesregierung, welches ihre offizielle Position ist, die des Innenministers, der der Meinung ist, man müsse mit den Kreisen darüber verhandeln, ihnen weitere Aufgaben zu übertragen, oder die des Landwirtschaftsministeriums, das der Meinung ist, dass die Landkreise in ihrer heutigen Verfassung nicht in der Lage sind, die aktuellen Aufgaben zu erfüllen, und dass es deshalb 11 bis 14 neuer Behörden bedarf, die in der Lage sind, europäische Gelder zu akquirieren und weitere Aufgaben zu übernehmen?

Beide Positionen sind nicht miteinander vereinbar. Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie hier deutlich macht, welches ihre offizielle Position ist.

(Beifall bei der SPD - Reinhold Coe- nen [CDU]: Absolut falsch!)

Für die Landesregierung antwortet der Ministerpräsident. Bitte!

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kabinett hat am Dienstagmorgen die offizielle Position der Landesregierung beschlossen: in Form eines Zukunftsvertrages, den wir den kommunalen Spitzenverbänden anbieten. Ihn werden wir in den kommenden Tagen noch schlussverhandeln. Danach wollen wir in einer breit angelegten Form weiter über die Verlagerung von Aufgaben auf die Landkreise, aber auch über die Verlagerung von Aufgaben von den Landkreisen auf die Gemeinden sprechen. Das haben wir ja auch schon in den letzten Jahren getan, als wir nach der Abschaffung der Bezirksregierungen Aufgaben auf die kommunale Ebene verlagert haben.

Dankenswerterweise hat dieses Parlament in den letzten Jahren die Niedersächsische Verfassung geändert und in ihr das Konnexitätsprinzip verankert. Danach erhält die kommunalen Ebene vom Land den Aufwand erstattet, der ihr durch die Erledigung dieser Aufgaben entsteht. Mithin gibt es keinen Grund, etwas nur deshalb nicht auf diese untere Ebene zu übertragen, weil sie dazu nicht in der Lage sei. Die kommunalen Spitzenverbände legen zu Recht Wert darauf, dass diese Übertragung nur in Verbindung mit dem Konnexitätsprinzip stattfindet.

Wir glauben, dass die kommunale Ebene gestärkt werden muss. Die Aufgabenerfüllung auf der kommunalen Ebene hat den großen Vorteil, dass man nah an den Menschen und an den örtlichen Problemen ist und darüber hinaus über eine große Kompetenz beim Umgang mit ihrer jeweiligen örtlichen Bevölkerung verfügt. Diese Auffassung wird auch vom Landwirtschaftsminister und seinem Staatssekretär geteilt.

Zu der Frage „missverstanden“ habe ich meine eigene Auffassung. Ich habe den Journalisten, der diesen Bericht geschrieben hat, nämlich als jemanden kennengelernt, der immer authentisch und sachkundiger als nahezu jeder andere berichtet und schreibt. Von daher schließe ich für mich per

sönlich aus, dass er etwas missverstanden haben könnte; denn so etwas habe ich bei ihm bisher noch nie erlebt. Ich vermute, dass sich der Staatssekretär dort verkürzt eingelassen hat.

(Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das hat er inzwischen aber schon zweimal gemacht! Das macht nachdenklich, Herr Wulff!)

Er hat es aber jedenfalls nicht in dem Sinne vorgetragen, den Sie ihm hier unterstellen. Er hat weder von „neuen Behörden“ noch von „sich dadurch ergebenden Auswirkungen auf die Zahl der Landkreise“ gesprochen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Von beste- henden, die angereichert werden sol- len! GLL!)

- Herr Jüttner, im Gegensatz zu Ihnen halten wir die Verwaltungsreform für einen fortlaufenden Prozess. Wir werden nie sagen, jetzt ist das Optimum erreicht, und dabei bleibt es. Wir arbeiten vielmehr beständig daran, unsere Verwaltungsstrukturen zu modernisieren, sie zukunftsfähig zu machen und sie den Herausforderungen des demografischen Wandels anzupassen, nämlich dem Umstand, dass es immer mehr ältere und immer weniger jüngere Menschen gibt und dass die Bevölkerung in bestimmten Landkreisen, insbesondere im Osten und im Süden unseres Landes, mehr und mehr abnimmt.

Herr Ripke hat die GLLs in Niedersachsen zu exzellenten Behörden entwickelt. Die GLLs werden - Frau Modder, auch in Ihrer Heimatregion, dem schönen Ostfriesland - nur gelobt, soweit ich das mitbekomme, wenn ich dort unterwegs bin. Es heißt immer: Das sind super Behörden, mit denen können wir super kooperieren, die machen klasse Arbeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)