Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Welche? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Zu Ihrer ersten Frage: Der Ministerpräsident hat eben ausgeführt, dass es eine weitere Phase der Verwaltungsmodernisierung geben wird. Dabei wird u. a. zu prüfen sein, welche Aufgaben vielleicht ganz wegfallen, welche privatisiert werden oder welche auf die Landkreisebene bzw. vom Landkreis auf die Gemeindeebene übertragen werden können.

Das ist ein Prozess, den wir bereits kennen. Wir haben schon in den Phasen I und II der Verwaltungsmodernisierung eindrucksvoll bewiesen, dass das gemeinsam mit den Kommunen hervorragend läuft.

Es ist klar, dass wir die Funktion der Kommunalaufsicht nicht mehr in der Fläche, etwa in den Regierungsvertretungen, haben werden. Wir haben die Kommunalaufsicht im Innenministerium zentralisiert, und das hat sich eindeutig bewährt. Daran werden wir in der Zukunft festhalten, auch wenn wir Veränderungen vornehmen werden.

(Rolf Meyer [SPD]: Ich hatte nach der GLL und den Landkreisen gefragt! - Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, wir diskutieren hier lange über einen, wie ich glaube, für die Kommunen sehr wichtigen Punkt. Dieser Punkt muss auch entsprechend Gehör finden. Deshalb fordere ich Sie noch einmal auf: Wer an dem Thema nicht interessiert ist, der möge seine Gespräche draußen führen. Ich bitte ausdrücklich darum, dass jetzt der Kollege Bosse von der SPD-Fraktion Gehör für seine weitere Zusatzfrage findet.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Minister Schünemann, ich möchte zwei Fragen stellen.

Im Rahmen der Verhandlungen zum Zukunftsvertrag sind im Landkreis Wolfenbüttel auch mit Vertretern des Ministeriums schon viele Gespräche geführt worden. Die Fusionsbemühungen der Samtgemeinde Asse und der Samtgemeinde Oderwald waren sehr weit fortgeschritten, sind jetzt jedoch ins Stocken geraten, weil zwei Fragen offen sind. Die Gemeinde Cramme, Mitgliedsgemeinde der Samtgemeinde Oderwald, möchte jetzt lieber mit der Stadt Wolfenbüttel fusionieren. Aus der Samtgemeinde Asse möchte die Mitgliedsgemeinde Denkte auch gerne mit der Stadt Wolfenbüttel fusionieren. Diese Fragen sind offen geblieben. Insofern stellt sich die erste Frage: Können unter diesen Umständen die beiden Samtgemeinden Asse und Oderwald überhaupt noch fusionieren?

Die zweite Frage: Was machen Sie mit den Samtgemeinden - hier ist beispielsweise die Samtgemeinde Schöppenstedt zu nennen -, die a) einen hoch defizitären Haushalt haben und aus eigener Kraft überhaupt nicht mehr handeln können, die b)

Bedarfszuweisungsgemeinden sind, die c) keinen Fusionspartner finden, weil sie an einer Landes- bzw. Landkreisgrenze liegen - hier an der Grenze zu Sachsen-Anhalt und zum Landkreis Helmstedt -, und denen d) insbesondere die CDUgeführten Mitgliedsgemeinden die Bemühungen in Bezug auf eine Einheitsgemeinde verweigern?

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Freiwilligkeit ist Freiwilligkeit! Das heißt, man muss sich auf der kommunalen Ebene entscheiden. Das ist ein quälender Prozess, das ist klar, das ist keine einfache Entscheidung. Deshalb hat die Landesregierung ja angeboten, dass sie diesen Prozess über die Regierungsvertretungen oder aus dem Ministerium heraus mit moderiert. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Fragen, die vor Ort entstehen, beantworten kann. Wir haben Geld für Gutachten zur Verfügung gestellt, damit man wenigstens einmal Fakten ermittelt.

Aber unterm Strich bleibt, dass sich die kommunale Ebene entscheiden muss, ob das für sie der richtige Weg ist oder nicht. Die Vorteile dieses Verfahrens habe ich dargestellt.

Sie mögen ja sagen, dass jetzt das Land als Schlichter auftreten müsste. Das wäre eine Gebietsreform von oben. Wenn das der Wunsch der SPD ist,

(Johanne Modder [SPD]: Die En- quetekommission hier im Landtag!)

dann ist das auch eine Antwort. Darauf sage ich Ihnen aber, dass wir diesen Weg nicht suchen,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

sondern dass wir versuchen, gemeinsam mit der kommunalen Ebene diesen Prozess durchzuführen.

(Zuruf)

- Sie haben recht. Einen solchen Weg hat es bundesweit noch nicht gegeben. Ihn hat es deshalb noch nicht gegeben, weil man bisher immer gesagt hat, letztendlich solle das Land entscheiden. Aber was dann passiert, haben Sie doch gesehen. Ich rede jetzt nicht von dem, was in den 70er-Jahren in

Niedersachsen passiert ist; denn das durfte ich ja noch nicht ganz so intensiv miterleben. Ich rede von dem, was in anderen Bundesländern passiert ist: Schauen Sie sich Mecklenburg-Vorpommern an, schauen Sie sich Schleswig-Holstein an. Dort hat man als Land einfach neue Grenzen auf der Karte gezogen. Das aber hat einen jahrelangen Streit vor den Landesverfassungsgerichten nach sich gezogen. Ich finde, das hilft der kommunalen Ebene nicht.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Ich gebe zu, dass der Weg, den wir gehen wollen, der anspruchsvollere ist. Hier muss man sich genau Gedanken machen, hier muss man Gespräche führen, hier muss man mit anderen Kommunen sprechen, vielleicht sogar landkreisübergreifend.

Dieser Weg ist anspruchsvoll, aber es lohnt sich, ihn zu gehen, anstatt einfach zu sagen, die kommunale Ebene ist nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Wenn wir dieses grundsätzlich unterstellen, dann haben wir meiner Ansicht nach schon verloren. Deshalb haben wir einen anderen Weg gewählt. Ich bin noch optimistisch, dass es uns gelingen wird, dies zum Erfolg zu führen.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Frage stellt Frau Geuter. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei Fragen.

Ich frage die Landesregierung erstens: Hält sie es für verfassungs- und kommunalrechtlich zulässig, einen Vertrag, der zu erheblichen Veränderungen kommunaler Grenzen und kommunaler Zuständigkeiten führen kann, lediglich zwischen der Exekutive und den kommunalen Spitzenverbänden abzuschließen, ohne die Legislative zu beteiligen?

(Beifall bei der SPD)

Meine zweite Frage bezieht sich auf die Äußerung, die der niedersächsische Innenminister eben gemacht hat, dass Niedersachsen alle Gesetze auf Bundesebene unterstützen werde, die geeignet seien, Wachstum zu generieren. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: In welcher Größenordnung erwarten Sie für Niedersachsen Wachstum aus der Senkung des Umsatzsteuer

satzes von 19 % auf 7 % für Hotelübernachtungen?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist verfassungsrechtlich alles in Ordnung, was wir hier machen; denn die Bereitstellung des Geldes ist Sache des Haushaltsgesetzgebers, und das ist der Landtag. Darüber muss hier entschieden werden, vielleicht schon im Rahmen von Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt 2010, aber spätestens im Jahre 2012, wenn die Zahlungen dann tatsächlich geleistet werden sollen. Das ist genau der Punkt, bei dem der Landtag allein die Entscheidung darüber trifft, ob das umgesetzt werden kann. Das ist auch sinnvoll.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

- Bitte?

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

- Ich habe Sie nicht verstanden. Aber Sie haben ja die Möglichkeit, offiziell eine Frage zu stellen.

Was die zweite Frage betrifft, so gehe ich davon aus, dass Sie von mir jetzt nicht Zahlen hören wollen. Es ist schon sinnvoll, wenn man durch bestimmte Maßnahmen erreicht, dass im Bereich Tourismus investiert werden kann, und man auf diese Weise mit dazu beiträgt, dass Wachstum nicht nur direkt im Hotelgewerbe, sondern auch im Handwerk und in anderen Bereichen mit unterstützt wird. Es ist ein Unterschied, nicht nur von direkten Investitionen der kommunalen Ebene oder der Landes- bzw. Bundesebene auszugehen, sondern die Wirtschaft auch in die Lage zu versetzen, selber mehr zu investieren. Dass das durchaus einen Wachstumseffekt hat, ist doch völlig klar. Diese Maßnahmen werden insgesamt zu mehr Wachstum in Niedersachsen und - das hoffe ich - vor allem im Bereich Harz führen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Frau Modder stellt die nächste Frage. Bitte schön, Frau Modder!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei Fragen.

Die eine Frage bezieht sich auf die Ausführungen des Ministerpräsidenten, aus denen ich zumindest große Sympathien für den Vorschlag des Staatssekretärs herausgehört habe. Ich frage die Landesregierung: Wann kommt es zu einer Klarstellung, ob die Aufgaben, die bei den GLLs liegen, kommunalisiert werden sollen - das ist eine grundsätzliche Forderung der kommunalen Spitzenverbände - oder ob die GLLs weiter mit Landesaufgaben angefüttert werden? - Ich habe den Ministerpräsidenten so verstanden, dass eine Klarstellung erst auf der Klausurtagung im Januar erfolgt.

(Heinz Rolfes [CDU]: Ja, das hat er doch gesagt!)

Die zweite Frage: Vor dem Hintergrund dessen, dass ich nicht genau weiß, ob ich die aktuelle Version des Zukunftsvertrages kenne, weil gestern Abend noch ziemlich viel Abstimmungsbedarf bestand, und vor dem Hintergrund dessen, dass ein Punkt die Bestandsaufnahme der kommunalen Strukturen ist und Sie Professor Hesse erneut beauftragt haben, ein Gutachten zu erstellen, frage ich die Landesregierung: Können Sie dem Hohen Hause den genauen Untersuchungsauftrag erläutern bzw. zumindest skizzieren? Wie wird dieses Gutachten in den laufenden Prozess, in dessen Rahmen einzelne Gutachten der fusionierten Kommunen erstellt werden, und vor dem Hintergrund der weiteren Kommunalisierung von Landesaufgaben einfließen? Wann können wir da mit einem Ergebnis rechnen?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Frage 1: Es gibt in keinem Punkt eine Vorfestlegung. Es wird über alle Punkte gesprochen, die sich die kommunale Ebene vorstellen kann, die wir uns aber auch als Land vorstellen können. Das ist ausdrücklich im Vertrag, aber auch noch einmal in einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten und den kommunalen Spitzenverbänden dargelegt worden.

Im Vertrag selbst steht, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dass eine Antwort auf die Frage, welche Aufgaben kommunalisiert werden können, bis zum 31. Dezember 2010 gegeben werden soll. Es wird ja im Detail geprüft, was sinnvoll ist. Das Entscheidende ist doch - der Ministerpräsident hat zu Recht auf das Konnexitätsprinzip hingewiesen -, dass eine Kommunalisierung für alle Ebenen wirtschaftlich sein muss. Selbst dann, wenn eine Aufgabe, die zuvor bei 6 oder 7 Behörden erledigt worden ist, nunmehr von 37 Behörden erledigt wird, muss es einen Benefit geben. Dass das möglich ist, haben wir in der ersten Phase der Verwaltungsreform in Bezug auf 72 Aufgaben bereits dargestellt. Es ist, ehrlich gesagt, schon eine besondere Anerkennung für die Landesregierung, dass sich die kommunale Ebene die Übertragung von Aufgaben auf die kommunale Ebene wünscht. Als Sie regiert haben, hat man sich geweigert, überhaupt darüber zu reden;

(Beifall bei der CDU)