Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

Automatisch sagen sie dann: aus unserer Sicht nicht einbürgerungsfähig.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Regel- anfrage!)

Es wird nicht geschaut, ob in der Person individuelle Gründe vorliegen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielmehr geben Sie automatisch die negative Stellungnahme ab: Wir wollen nicht, dass er eingebürgert wird.

Herr Schünemann, wenn Sie automatisch eine solche Stellungnahme abgeben, dann müssen Sie mir erklären, wie eine nachgeordnete Behörde wie die Einbürgerungsbehörde einfach über diese Bedenken hinweggehen soll.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist natürlich schwierig für eine nachgeordnete Behörde, wenn die Fachaufsicht sagt: Wir haben große Bedenken. - Es ist doch klar, dass die nachgeordnete Behörde noch einmal und noch einmal

prüft, bevor sie sich über solche Bedenken hinwegsetzt, weil sie Angst hat, dass die Fachaufsicht die Entscheidung an sich zieht.

Bitte kommen auch Sie zum Ende!

Deswegen liegt die Ursache ganz eindeutig beim Landesamt für Verfassungsschutz.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Minister Schünemann hat das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier nur gesagt, dass es nicht rechtens ist, wenn eine Regelanfrage unterbleibt und eine Einbürgerungsbehörde - entweder bewusst oder unbewusst - diese Regelanfrage beim Verfassungsschutz nicht stellt. Das ist Fakt, und das habe ich hier dargestellt. Nichts anderes habe ich gesagt.

Insofern habe ich als Innenminister dafür Sorge zu tragen, dass die Einbürgerungsbehörden, die im übertragenen Wirkungskreis tätig sind, diese Anfragen in Zukunft rechtmäßig durchführen. Das ist Recht und Gesetz, und daran müssen sich auch die Einbürgerungsbehörden halten. Ich habe keinen Zweifel, dass das passiert ist. Übrigens ist das bei der Region Hannover vorbildhaft geschehen. Wenige Tage, nachdem der Antrag eingegangen ist, ist die Regelanfrage gestellt worden.

Nun zu Ihnen, Herr Briese: Der Verfassungsschutz hat nur die Möglichkeit, allgemeine Erkenntnisse, die er gewonnen hat, der Einbürgerungsbehörde zuzustellen. Ich sage Ihnen: Das wird auch in Zukunft genau so gemacht. - Es ist eben nicht so, dass Einzelpersonen beobachtet werden, um anschließend genau sagen zu können: In dem und dem Zusammenhang ist etwas passiert. - Vielmehr wird die Gesamtpartei beobachtet und bewertet.

Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Nur die Einbürgerungsbehörde hat die Möglichkeit, den Antragsteller anzuhören und direkt abzuwägen, ob bei der konkreten Person ein rechtswidriges bzw. verfassungsfeindliches Verhalten gegen die frei

heitliche demokratische Grundordnung vorliegt. Nur wenn ich mich tatsächlich erkläre und beim Anhörungsverfahren mitwirke, kann das beurteilt werden. Der Verfassungsschutz hat kein Anhörungsrecht. Wir können die einzubürgernde Person eben nicht vorladen und genau nachfragen, was da passiert. Das ist Sache der Einbürgerungsbehörde.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Aus dem Grund ist völlig klar, dass so etwas nur von der Behörde beurteilt werden kann, die auch die Zuständigkeit dafür hat.

Wir haben heute in der Debatte gehört, dass es einen anderen Fall gibt. Mir ist mitgeteilt worden, dass hier relativ schnell eine Mitwirkung stattgefunden hat und eindeutig festgestellt werden konnte, dass man sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt. Wenn das der Fall ist, ist völlig klar, dass die Bedenken, die allgemein vorgetragen werden, auch überstimmt werden können.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: So ist es!)

Übrigens ist der Verfassungsschutz nicht die Fachaufsichtsbehörde der Region Hannover, sondern das ist die Abteilung 4 - Ausländerbehörde. Die hat nur darum gebeten, dass die Entscheidung vor der endgültigen Entscheidung mitgeteilt wird.

Meine Damen und Herren, daraus einen Popanz aufzubauen und das hier zu einem Skandal hochzustilisieren, ist wirklich sehr durchsichtig. Herr Jüttner, wir werden ja morgen noch einmal darüber sprechen, aber es ist ziemlich auffällig, dass gerade die SPD versucht, darzustellen, dass die Partei DIE LINKE eine völlig normale Partei ist. Vielleicht haben Sie da auch andere strategische Überlegungen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann Ihnen nur sagen, was Herr Fromm als Bundesverfassungsschutzpräsident dargelegt hat: Die Partei DIE LINKE ist keine normale Partei, sondern sie muss auch vom Bund durch den Verfassungsschutz weiter beobachtet werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, von Frau Flauger gibt es einen Wunsch auf zusätzliche Redezeit für die Fraktion DIE LINKE. Sie haben 90 Sekunden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will den Satz noch einmal vorlesen, der in einem Schreiben des Innenministeriums an die Region Hannover stand:

„Es kann kein Interesse daran bestehen, eine Person einzubürgern, die Mitglied einer Partei … ist, zu deren Grundlage der Marxismus und dessen Förderung gehören.“

(Reinhold Coenen [CDU]: Logisch!)

Wo ist in diesem Satz Platz für eine individuelle Betrachtung? Wo ist da Raum für die Region Hannover, der Sie das zuschicken, zu ermessen, dass es eventuell anders ist? - Den Raum wollten Sie absichtlich nicht lassen, weil in Ihrem schwarzweißen Weltbild für eine solche Differenzierung kein Platz ist! Das habe ich vorhin bereits gesagt.

Wie ist es für die Region Hannover zu verstehen, wenn Sie schreiben: „Ich gehe davon aus, dass … nicht vor einer abschließenden Abstimmung“ entschieden wird? - Zu einer Abstimmung gehören mindestens zwei, die sich auf eine Position verständigen, und nicht einer, der jemand anders informiert. Das kann man vom Wortlaut her nicht mehr anders verstehen, als dass Ihre Zustimmung erforderlich wäre.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wenn Frau Menger-Hamilton sich im Zuge ihres Einbürgerungsantrags zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt hat, Sie das aber wieder einmal nicht glauben, weil Sie es nicht glauben wollen und bei Ihrer Hexenjagd bleiben wollen, dann wüsste ich gerne, was sie eigentlich im Rahmen einer Anhörung dazu noch sagen soll?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

In einer Zeitung stand zu diesem Thema: Manche Sätze sind so falsch, dass nicht einmal ihr Gegenteil richtig ist. - Das stimmt!

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Jüttner um zusätzliche Redezeiten gebeten. Sie haben zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl deutlich geworden, Herr Schünemann, dass

der Verfassungsschutz durch immer neue Hinweise - übrigens nicht nur allgemeiner Art, Herr Schünemann, sondern auch konkret auf die Person bezogen: Mitgliedschaft in der Rosa-LuxemburgStiftung usw. - dazu beigetragen hat, das Verfahren immer wieder hinauszuzögern. Denn das ist die normale Logik: Die nachgeordnete Behörde, also die Einbürgerungsbehörde, muss alles ausräumen, was an Einwänden vom Verfassungschutz kommt. Sie kann nicht sagen „Lieber Verfassungsschutz, jetzt ist es aber gut, jetzt hast du uns genug geschickt“. Wenn der Verfassungsschutz nicht schnell genug war, wie in diesem Falle, dann hat die Ausländerbehörde durch eine Weisung geholfen abzuwarten, bis die nächsten Unterlagen vom Verfassungsschutz kamen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Nein, das hat er doch gesagt! Das ist falsch!)

- Das ist genau die Realität. Ich habe doch den Zeitplan da. Das ist doch ganz einfach.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Du sagst die Unwahrheit!)

Meine Damen und Herren, das ist das eine.

Zweite Bemerkung: Frau Flauger, eine Abstimmung zwischen zweien auf gleicher Augenhöhe ist das eine. Aber wenn das Innenministerium mit der Region redet, dann ist das nicht auf gleicher Augenhöhe, sondern das Motto heißt „Ober sticht Unter“.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Noch schlimmer! - Ulf Thiele [CDU]: Legen- de, Legende!)

Meine dritte Bemerkung: Herr Schünemann, ich lasse es mir nicht bieten, dass Sie uns unterstellen, dass wir aus taktischen oder strategischen Gründen Fragen der Rechtsstaatlichkeit hin und her bewegen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Was soll das?)

Mit uns nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)