Protokoll der Sitzung vom 09.05.2008

Dabei ist den Autonomen gemein, dass sie Gewalt als legitimes Mittel zur Thematisierung und Durchsetzung ihrer politischen Interessen befürworten oder billigend in Kauf nehmen. In dem szenetypischen Publikationsorgan Göttinger Drucksache heißt es dazu - ich zitiere -: Grundvoraussetzung ist die körperliche Unversehrtheit aller Beteiligten; allerdings kommt der Polizei eine besondere Bedeutung zu. Um sie auf Distanz zu halten, Grenzen zu markieren und ein „Nein“ zu betonen, ist das Werfen mit Steinen und Molotowcocktails legitim.

Die Zahl der linksextremistischen Straftaten ist in Niedersachsen von 183 Taten im Jahr 2002 auf 517 Taten im Jahr 2007 angestiegen. Im Vergleich zu 2006 mit 552 Taten ist zwar ein leichter Rückgang zu verzeichnen; gleichwohl bewegt sich auch der aktuelle Wert auf einem hohen Niveau.

Ein weiterer Schwerpunkt bleibt die Beobachtung der Partei DIE LINKE durch den Verfassungsschutz. In den „Programmistischen Eckpunkten - - -

(Kreszentia Flauger [LINKE]: „Pro- grammatischen“!)

- Natürlich! Ganz falsch war das eben aber nicht. - In den „Programmatischen Eckpunkten auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland“ vom 10. Dezember 2006 sind überwiegend Positionen enthalten, wie sie jahrelang von der Linkspartei.PDS in ihren programmatischen Papieren vertreten wurden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Teilweise sind diese wortgleich dem geltenden Parteiprogramm der PDS vom Oktober 2003 entnommen. Die angestrebte Verstaatlichung von Schlüsselunternehmen der Wirtschaft und von Produktionsmitteln im Zusammenhang mit der Überwindung des Kapitalismus sowie die Bekenntnisse zu den Theorien von Karl Marx sind nicht mit der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die in der Linkspartei.PDS entstandenen offen extremistischen Zusammenschlüsse, darunter die Kommunistische Plattform, das Marxistische Forum und der Geraer Dialog/Sozialistischer Dialog, bestehen unverändert fort.

(Zustimmung von Patrick-Marc Hum- ke-Focks [LINKE])

Diese werden von der Spitze der Partei DIE LINKE nicht nur geduldet, sondern als wichtiger Bestandteil der Partei angesehen.

(Zustimmung von Patrick-Marc Hum- ke-Focks [LINKE])

Ferner bietet sie ein Sammelbecken für verschiedene linksextremistische Gruppierungen. Das Spektrum reicht dabei von gewaltbereiten Linksextremisten und Autonomen bis zum trotzkistischen Linksruck, der sich beim Zusammenschluss von PDS und WASG der Partei DIE LINKE anschloss. Auffällig ist in letzter Zeit, dass Mitglieder der Par

tei DIE LINKE auch als Anmelder versammlungsrechtlicher Aktionen mit überwiegender Beteiligung von Autonomen fungieren.

(Zustimmung von Patrick-Marc Hum- ke-Focks [LINKE] - Zuruf: Das war schon länger so!)

- Das war schon länger so. Das nehmen wir zu Protokoll.

Solange die Partei DIE LINKE an ihrem grundlegend systemüberwindenden Ansatz festhält und in ihren Reihen offen linksextremistisch wirkende Zusammenschlüsse wie die Kommunistische Plattform und das Marxistische Forum duldet, die von der Parteispitze als wichtiger Bestandteil der Partei angesehen werden, erscheint das Bekenntnis zum Grundgesetz nicht überzeugend. Vielmehr bestätigte der Zusammenschluss beider Parteien eher eine Übernahme der WASG durch die Linkspartei.PDS, die dazu dienen soll, deren Schwächen in den westdeutschen Bundesländern auszugleichen.

Straftaten im Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität links werden von der niedersächsischen Polizei ebenso wie die politisch motivierten Straftaten der übrigen Phänomenbereiche konsequent bekämpft.

Nach den gewalttätigen Protestaktionen durch Globalisierungsgegner beim G8-Gipfel in Genua im Jahr 2001 ist die bundesweite Konzeption zur Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität international agierender gewaltbereiter Störer bei Demonstrationsanlässen erstellt und umgesetzt worden. In mehreren Fällen wurden seither bei in Niedersachsen wohnhaften Globalisierungsgegnern z. B. gezielte, anlassbezogene Ansprachen von möglichen Straftätern durchgeführt und in Einzelfällen aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen angedroht. Im Weiteren haben die Bundesländer Niedersachsen und Saarland im Bundesrat am 21. September 2007 einen Entschließungsantrag zur Einrichtung einer Datei über international agierende Gewalttäter im Europol-Informationssystem eingebracht. Nach entsprechendem Beschluss des Bundesrates wird zurzeit auf EU-Ebene über die Einrichtung der Datei beraten.

Im Rahmen seiner Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit informiert der niedersächsische Verfassungsschutz fortlaufend über aktuelle Erscheinungsformen des Extremismus. In zielgruppenorientierten Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, vorwiegend an Schulen, wird über die demokratiegefährdenden Ideologien von Extremismus

aufgeklärt. Diese seit Jahren insbesondere im Themenbereich Rechtsextremismus erfolgreichen Maßnahmen sollen nun im Bereich Linksextremismus intensiviert werden. Neben einer Personalaufstockung in diesem Bereich werden die Möglichkeiten der Präventionsarbeit des Verfassungsschutzes auch für den Linksextremismus auf Basis gemeinsamer Konzepte mit anderen Behörden und Einrichtungen ausgebaut. Besondere Bedeutung bei der ganzheitlichen Umsetzung kommt hierbei der Einbindung externer Partner zu. Zielrichtung ist in aller Regel, durch Aufklärungsmaßnahmen die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und potenzieller Zielgruppen für Linksextremismus zu erreichen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer ersten Zusatzfrage erteile ich der Frau Abgeordneten Flauger von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Womit begründet die Landesregierung den Missbrauch des Verfassungsschutzes zur Beobachtung der Partei DIE LINKE, die unter Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz ein anderes Wirtschaftssystem will, da doch nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz die Aufgabe des Verfassungsschutzes der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, nicht aber der Schutz des Wirtschaftssystems, das im Grundgesetz ja gar nicht festgeschrieben ist, was diese Regierung offensichtlich immer noch nicht begriffen hat?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in meiner Antwort, wie ich glaube, dargestellt, dass es in der Partei DIE LINKE nach dem Zusammenschluss auch ein Sammelbecken von extremistischen Gruppierungen gibt, die nicht nur geduldet werden, sondern teilweise sogar in der Partei DIE LINKE aufgegangen sind. So ist beispielsweise Linksruck in der Partei aufgegan

gen. Auch das Marxistische Forum ist ganz klar ein Teil der Linken,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Worin ist denn Filbinger aufgegangen?)

und zwar durchaus in führender Position, wie man sehen kann. Wenn man sich anschaut, was auch hier schon an Gedankengut geäußert worden ist, zum Teil in Zitaten - wenn Sie wollen, kann ich einige gleich noch einmal vorlesen -,

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das wäre sehr schön!)

dann ist es absolut wichtig, dass wir DIE LINKE in Niedersachsen insgesamt weiter beobachten. Dass man diesen Staat in dieser Form nicht erhalten will, sondern eine andere Staatsform haben will, ist oftmals propagiert worden. Es ist Aufgabe des Verfassungsschutzes, als Frühwarnsystem zu agieren. Insofern werden wir weiter daran festhalten, DIE LINKE zu beobachten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Oetjen von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich hätte von der Landesregierung gern gewusst, ob bekannt ist, ob es konkrete Absprachen zwischen der Partei DIE LINKE und autonomen Gruppen oder gar gemeinsame Veranstaltungen oder Aktivitäten gibt.

Herr Minister Schünemann!

Ich würde gerne diejenigen, die sich in dieser Hinsicht sehr gut auskennen, zitieren. Herr Abgeordneter Humke-Focks hat ja gerade bestätigt, dass es gemeinsame Aktionen und auch gemeinsame Demonstrationen gibt. Wenn dies hier eben gerade noch einmal bestätigt worden ist, kann ich das nach unseren Erkenntnissen ebenfalls bestätigen. Das deckt sich mit unseren Erkenntnissen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe zwei Fragen. Nachdem die Landesregierung die Kleine Anfrage ein bisschen missbraucht und zum Anlass für eine Regierungserklärung über den Verfassungsschutz genommen und in breiter Ausführlichkeit dargestellt hat, wie hoch die extremistische Bedrohung in Niedersachsen ist, frage ich zum einen, ob neue Sicherheitsgesetze für Niedersachsen geplant sind und, wenn ja, in welcher Art. Meine zweite Frage schließt daran an. Soll insbesondere die doch sehr umstrittene Onlinedurchsuchung in Zukunft in niedersächsische Sicherheitsgesetze aufgenommen werden?

Herr Minister Schünemann, bitte!

Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP ist klar dargelegt, dass wir uns neuen Herausforderungen immer stellen. Das bedeutet, dass wir uns personell, materiell und technisch immer darauf einstellen müssen. Wenn es rechtlich notwendig ist, werden wir noch in dieser Legislaturperiode entsprechende Anpassungen vornehmen. Das ist keine Frage. Ich bin sehr froh, dass es jetzt so aussieht, dass wir im Bereich der Onlinedurchsuchung einen Kompromiss in der Großen Koalition erzielen konnten. Wir werden abwarten, ob noch vor der Sommerpause im Bundestag ein entsprechender Beschluss gefasst wird. Wir werden uns die Formulierung dann anschauen und werden prüfen, ob die Regelung insgesamt von den Ländern und damit auch von Niedersachsen übernommen werden kann. Es ist klar, dass es dann eine Parallelzuständigkeit von BKA und Landeskriminalämtern geben wird. Es macht Sinn, die Regelung dann möglichst in allen Ländern umzusetzen. Das wird dann zu beurteilen sein, wenn im BKA-Gesetz die entsprechende Möglichkeit eröffnet worden ist. Dies wird voraussichtlich noch vor der Sommerpause geschehen. Nach der Sommerpause werden wir uns dann darüber unterhalten.

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Limburg für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Innenminister hat in einer seiner Antworten die gewalttätigen Demonstrationen vom 1. Mai in Hamburg angesprochen. Ich frage deshalb, ob Sie der Aussage der Polizei widersprechen wollen, dass die Gewalt zumindest in diesem konkreten Fall ganz eindeutig von den Rechtsextremisten ausgegangen ist und die Linksextremisten bedroht worden sind? So ist es nach Aussagen der Polizei gewesen. Aufgrund Ihrer Antwort könnte man aber den Eindruck gewinnen, dass Linksextreme dort massiv Gewalt ausgeübt hätten. Ich frage Sie, ob Sie der Auffassung sind, dass die Polizei in diesem Fall lügt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Innenminister Schünemann, bitte!

Meine Damen und Herren! Nach den Berichten der Hamburger Polizei ist die Brutalität zunächst tatsächlich von der rechten Szene ausgegangen. Das ist so. Die Brutalität hat dort in einer Größenordnung stattgefunden, wie wir sie in der Vergangenheit noch nicht erlebt haben. Das Zentrum dieser Radikalen befindet sich in Nordrhein-Westfalen. Wir müssen beobachten, wie sich diese Szene insgesamt weiterentwickelt. In der Vergangenheit haben auch hier in Niedersachsen häufiger Demonstrationen von Rechtsextremisten stattgefunden. Eine solche Brutalität hatten wir hier bisher Gott sei Dank aber nicht zu verzeichnen. Wir werden alles daransetzen, dass so etwas hier in Niedersachsen nicht passiert.

In dem angesprochenen Fall ist es aber so, dass die Rechtsextremen mit Bussen angereist sind und die Linksextremisten diese Busse sofort entglast haben. Auch hier hat es also sofort Aggressionen gegeben. Deshalb macht es keinen Sinn, linke und rechte Brutalität in irgendeiner Weise gegeneinander aufzurechnen. Wenn solche Brutalität an den Tag gelegt wird, wie wir es in Hamburg erlebt haben, dann muss man gegen diese Gewalt in aller Schärfe vorgehen, ganz gleich, ob sie von links oder rechts ausgeht.

(Victor Perli [LINKE]: Naziverharmlo- sung! - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

- Ich habe es nicht gehört. Was hat er gesagt?

(Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)