Protokoll der Sitzung vom 30.04.2010

(Zurufe von der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Schönecke. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Sander das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schönecke, Sie haben vollkommen recht. Leider haben dies die Fragesteller mit ihren virtuellen Wäldern nicht verstanden. Was wollen Sie da machen? Selbst wenn Sie es ihnen anderthalb Stunden lang erklären, kommt nichts dabei heraus.

(Zustimmung bei der CDU - Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Auch Sie soll- ten einmal lesen!)

Für die SPD-Fraktion stellt Frau Kollegin Geuter die nächste Zusatzfrage. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Antwort des Umweltministers auf eine der letzten Fragen, in der er dargestellt hat, der Erlass, über den wir hier schon lange Zeit diskutieren, beziehe sich auf alle Vorhaben mit immissionsschutzrechtlicher Relevanz, frage ich die Landesregierung: Reden wir eventuell über zwei unterschiedliche Erlasse? Ich darf einmal aus dem Erlass vom 28. Januar 2010 zitieren: Im Zusammenhang mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Neubaus oder der Erweiterung vorhandener Tierhaltungsanlagen können Schwierigkeiten auftreten, wenn im Einwirkungsbereich der Tierhaltungsanlage Wald im Sinne des § 2

Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung vorhanden ist.

Wie gesagt, frage ich die Landesregierung: Reden wir über unterschiedliche Erlasse? Welchen Erlass gibt es da eventuell noch?

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Herr Minister Sander für die Landesregierung, bitte! Sie haben erneut das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Geuter, wir sprechen nicht von zwei unterschiedlichen Erlassen bzw. - so muss ich mich jetzt ausdrücken - zwei unterschiedlichen aufgehobenen Erlassen. Insofern erübrigt sich Ihre Frage. Vielleicht haben Sie auch aus den Fragen anderer Abgeordneter entnehmen können, dass es allein um die Waldumwandlung geht - und um nichts anderes.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Für Tier- haltungsanlagen!)

Herzlichen Dank. - Die zweite und damit auch für sie letzte Zusatzfrage für die Fraktion DIE LINKE stellt Frau Kollegin König. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wenn ich das Ganze hier richtig verfolgt habe, wird dieser Erlass also nur sprachlich überarbeitet und verständlich ausgedrückt. Wir haben das Niedersächsische Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung beraten. Es ist vom Landtag verabschiedet worden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Ist es Ihnen nach dieser kurzen Zeit wirklich egal, welche Schädigungen durch Ammoniak entstehen, oder sagen Sie einfach „Wo gehobelt wird, fallen Späne“?

Danke schön, Frau König. - Für die Landesregierung möchte Herr Umweltminister Sander antworten. Bitte schön!

Dass ausgerechnet diejenigen in der Union - einschließlich der Bundeskanzlerin -, die Zusatzbeiträge als Einstieg in die Kopfpauschale gefeiert haben, jetzt die Kassen dafür beschimpfen, dass auch tatsächlich Zusatzbeiträge fällig werden, ist im Übrigen schlicht unseriös, meine Damen und Herren.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin König, ich habe in mehreren Antworten auf die Fragen darauf hingewiesen, dass das Bundes-Immissionsschutzgesetz bei diesem aufgehobenen Erlass keine Rolle gespielt hat. Es ging lediglich um die Waldumwandlung. Insofern kann ich auf Ihre Frage keine neuen Erkenntnisse nennen, die Ihnen einen anderen Gewinn bringen könnten.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens - ich will nur der guten Ordnung halber darauf hinweisen - war die Urmutter dieser unsäglichen Idee der Kopfpauschale die frühere niedersächsische Sozialministerin und heutige Bundesministerin für Arbeit und Soziales Frau von der Leyen mit ihrer Vorlage auf dem legendären Parteitag der CDU in Leipzig.

Herzlichen Dank, Herr Minister Sander. - Es liegen keine weiteren Fragen vor.

Ich stelle fest: Es ist 10.25 Uhr. Damit ist die Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt beendet.

Die zunehmende Radikalisierung in der Wortwahl zwischen den Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und FDP macht auch beim Thema Kopfpauschale eindrucksvoll deutlich, dass aus den selbst ernannten Traumpartnern zunehmend Scheidungsanwärter werden. Mit großer Kraftanstrengung wird vielleicht noch der Wahltermin in Nordrhein-Westfalen erreicht. Dann werden aber auch die letzten Bürgerinnen und Bürger merken, für welche Klientelgruppe diese Bundesregierung eigentlich noch Politik macht und wer die Zeche zahlt. Nach dem Steuergeschenken für Hoteliers wird schnell klar werden, warum der Bundesgesundheitsminister ohne Not - - -

Wie Sie wissen, werden die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Nun rufe ich den Tagesordnungspunkt 32 auf:

Erste Beratung: Gerecht, leistungsfähig, krisenfest: Die Kranken- und Pflegeversicherung zur solidarischen Bürgerversicherung weiterentwickeln - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2406 (Unruhe)

- Frau Präsidentin, offensichtlich haben die Kolleginnen und Kollegen, die hier pausenlos quatschen, alle keine Krankenversicherung. Es wäre aber schon ganz gut, wenn man ein bisschen zuhören könnte.

Ich freue mich, dass Herr Kollege Schwarz von der SPD-Fraktion noch rechtzeitig seine Wortmeldung abgegeben hat. Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön!

(David McAllister [CDU]: Hey! - Heinz Rolfes [CDU]: „Quatschen“? Das ist doch kein parlamentarischer Aus- druck!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das deutsche Gesundheitswesen hat gegenwärtig jährlich ungefähr 330 Milliarden Euro Jahresausgaben und ist mit 4,2 Millionen Beschäftigten der Jobmotor schlechthin. Nun soll dieses Gesundheitswesen nach dem Willen der gegenwärtigen Bundesregierung radikal verändert werden. Das ist nicht verwunderlich, war doch der Gesundheitsfonds mit dem Zusatzbeitrag durch die Große Koalition die Krücke, um nach der Bundestagswahl entweder in Richtung Bürgerversicherung oder in Richtung Kopfpauschale abbiegen zu können.

Nach den Steuergeschenken für Hoteliers wird schnell klar werden, warum der Bundesgesundheitsminister ohne Not, aber dafür mit viel Leidenschaft unsere gewachsene solidarische Krankenversicherung in ein privates Kaskomodell umwandeln will.

Herr Rösler ist dabei außerordentlich konsequent. Schon im Oktober 2006 hat er hier im Landtag vorgeschlagen, einen Wettbewerb in unserer Krankenversicherung analog dem Wettbewerb im Telefonmarkt einzuführen. Meine Damen und Her (Unruhe - Glocke der Präsidentin)

ren, dieser Vergleich war damals zynisch, und er ist es heute immer noch.

- Das ist sachlich nicht falsch. Sie sollten einmal Ihre eigene Homepage lesen, dann könnten Sie sich solche Zwischenrufe sparen. (Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN) (Roland Riese [FDP]: Und Sie sollten Ihre eigenen Anträge lesen!) Krankenkassen sind keine auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmen, und Gesundheit ist keine Ware und kein Spekulationsobjekt, sondern das höchste menschliche Gut. Ich füge hinzu: Bei allem Marktradikalismus sollte auch die FDP diesen Grundsatz endlich begreifen und sich daran orientieren.

150 Euro Kopfpauschale machen bei einem Einkommen von 1 000 Euro 15 % aus, bei 3 000 Euro 5 % und bei 6 000 Euro noch 2,5 %. Wenn Schwarz-Gelb dann auch noch die Familienversicherung mit abschafft, zahlen Ehepaare gleich doppelt. Merke: je höher das Einkommen, umso niedriger die prozentuale Belastung durch die Kopfpauschale. (Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Weil dieses aber nicht vermittelbar ist, muss die gewollte Entsolidarisierung der Kopfpauschale durch einen staatlichen Sozialausgleich gemildert werden. Dafür würden zurzeit bei einer Kopfpauschale von 150 Euro im Monat rund 35 Milliarden Euro aus Steuermitteln fällig. Bundesfinanzminister Schäuble hat vorsorglich schon einmal vorgerechnet, dass als Gegenleistung entweder die Einkommensteuer um 3 % bis 5 %, die Mehrwertsteuer um 2 % bis 4 % oder der Spitzensteuersatz auf 73 % erhöht werden müssten. Ich füge hinzu: ohne Griechenland und ohne die Steuersenkungsversprechen der FDP in Höhe von gegenwärtig 16 Milliarden Euro.

Soziale Absicherung im Krankheitsfall darf nicht vom sozialen Stand, individuellen Einkommen oder Familienstand abhängig sein. Das ist der solidarische Grundgedanke, der mehr als 130 Jahre in unserer Krankenversicherung gilt. Dafür haben Generationen von Menschen gekämpft. Der überwältigende Teil unserer Bürgerinnen und Bürger will dieses Solidarprinzip weiterhin. Und wir werden alles daran setzen, meine Damen und Herren, dass das auch so bleibt.

(Beifall bei der SPD)

75 % der Deutschen sprechen sich in einer aktuellen Infratest-Erhebung klar für die Weiterentwicklung zur Bürgerversicherung aus, nur 22 % für eine Kopfpauschale. Klar, dass die CDU bei dieser Ausgangslage das Thema bis zur NordrheinWestfalen-Wahl lieber totschweigt, die CSU in Bayern vorsorglich schon einmal eine eigene Arbeitsgruppe gebildet hat und sogar die FDP gegenwärtig die Haltung der berühmten drei Affen einnimmt.

Ich will Ihnen einmal sagen, wie Norbert Blüm das sieht. Er stellt dazu fest: „Die Kopfpauschale funktioniert wie eine Schablone, mit der ein schlechter Friseur die Haare schneidet. Egal, ob der Kopf groß, klein, rund oder eckig ist, alle bekommen den gleichen Schnitt. … Mit weniger Geld mehr ausgeben, nach diesem Rezept suche ich seit Kindheitsbeinen.“

(Roland Riese [FDP]: Das werden Sie gleich noch hören!)

Meine Damen und Herren, ich frage mich, wer nicht? Aber klar ist auch: Die hier wandelnde selbsternannte Wirtschaftskompetenz- und Steuersenkungspartei FDP hat es in wenigen Monaten geschafft, ihre Kompetenz völlig zu entzaubern. Ich finde übrigens, das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer lässt keine Gelegenheit ungenutzt, die Kopfpauschale wahlweise als „einmalig ungerecht“, „Irrweg“ oder auch schon einmal als „kompletten Schwachsinn“ zu bezeichnen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wo er recht hat, hat er recht!)

Viel schlimmer: Diese Bundesregierung fährt in ihrer Endlosgeisterbahn zwischenzeitlich

Seehofer, meine Damen und Herren, hat übrigens recht. Kopfpauschalen sind ungerecht, weil zukünftig die Sekretärin genauso viel zahlt wie ihr Generaldirektor.

(David McAllister [CDU]: Na, na, na!)

nicht nur die soziale Sicherung, sondern das ganze Land gegen die Wand. Dieser Ministerpräsident sitzt übrigens als stellvertretender CDU-Bundes

(Roland Riese [FDP]: Das ist sachlich falsch, und Sie wissen es!)

vorsitzender immer vorne mit drin. Ich glaube, das ist eine schlichte Katastrophe.

Herr Rösler ist allerdings bei Weitem nicht nur Opfer seiner parteipolitischen Ideologie, sondern er bedient mit einer bisher noch nie dagewesenen Dreistigkeit knallhart die Klientel, die die FDP bei der letzten Bundestagswahl besonders unterstützt hat. Die PKV bedankt sich schon einmal mit Sonderkonditionen für FDP-Mitglieder, und der bisherige Vizepräsident des PKV-Verbandes erhält das politische Schlüsselressort im Gesundheitsministerium.