Protokoll der Sitzung vom 08.06.2010

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Deneke-Jöhrens von der CDUFraktion. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.

(Unruhe)

- Ich würde Ihnen gern das Wort erteilen, wenn sich die Abgeordneten, die Privatgespräche führen wollen, nach draußen begeben haben. - Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zweck des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Störfallgesetzes ist die Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen in Betriebsbereichen und die Begrenzung der

Unfallfolgen für Mensch und Umwelt. Mit der sogenannten Seveso-Richtlinie wurde auf europäischer Ebene eine Regelung zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen geschaffen. Diese Regelung hat der Bundesgesetzgeber im BundesImmissionsschutzgesetz und dort vor allem in der Störfallverordnung in nationales Recht umgesetzt. Die bundesrechtlichen Regelungen stellen aber keine abschließende Regelung und damit auch keine vollständige Umsetzung der Richtlinie dar; denn dem Bundesgesetzgeber fehlt die Kompetenz zur Regelung der Störfallvorsorge in Betriebsbereichen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und die nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden. Dies betrifft u. a. Hochschulen und private nicht kommerzielle Forschungseinrichtungen oder Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung.

Diese Fälle werden landesrechtlich bei uns in Niedersachsen in dem Niedersächsischen Störfallgesetz geregelt. Nach den Industrieunfällen in Baia Mare, Enschede und Toulouse wurde die SevesoII-Richtlinie auf europäischer Ebene geändert. In der Folge wurden das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Störfallverordnung im Jahr 2005 aktualisiert. Die Richtlinie muss nun ebenfalls in niedersächsisches Recht umgesetzt werden, da das niedersächsische Störfallrecht immer noch auf die alte Störfallverordnung verweist.

Meine Damen und Herren, die Regelungen des Niedersächsischen Störfallgesetzes haben präventiven Charakter. Es werden insbesondere Universitäten dazu angehalten, die Menge der in chemischen Instituten vorgehaltenen gefährlichen Stoffe zu reduzieren, um nicht den Betreiberpflichten nachkommen zu müssen.

Der Entscheidungsspielraum des Bundesgesetzgebers ist durch die Umsetzungspflicht stark beschränkt. Auch der Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers ist im Fall des Störfallrechts lediglich theoretischer Natur. Infolge des äußerst geringen gesetzgeberischen Spielraums und angesichts der Tatsache, dass der Inhalt der in Bezug genommenen Regelungen im Wesentlichen feststeht, ist eine dynamische Verweisung auf die Störfallverordnung des Bundes im Niedersächsischen Störfallgesetz angezeigt.

Der Umweltausschuss hat sich darauf verständigt, von einer Anhörung abzusehen, da die im Rahmen der vom Umweltministerium durchgeführten vorgelegten Verbandsstellungnahmen keine Anregungen oder Änderungswünsche enthalten haben. Ich

möchte Sie bitten, dem Gesetzesvorschlag zuzustimmen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Rednerin ist Frau Rakow von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Rakow!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lehm und Rippe, zwei ungefährliche Stoffe, die von keinem Störfallgesetz erfasst werden müssen, bilden die Komponenten eines hervorragenden Produktes. So steht es zumindest in dem am weitesten verbreiteten Buch ganz vorn.

Seitdem hat die Menschheit zur Erhöhung des Lebensstandards eine Vielzahl von Stoffen erfunden. Etliche davon bergen ein ganz erhebliches Gefahrenpotenzial. Das haben die Menschen in Seveso, in Baia Mare bei der Zyanidvergiftung der Donau, in Enschede bei der Explosion einer Feuerwerkskörperfabrik wirklich schmerzlich spüren müssen, um nur einige Beispiele zu nennen; es gibt da noch etliches mehr.

Auf diese Ereignisse mit ihren schrecklichen Folgen hat die EU mit einer Richtlinie reagiert, der sogenannten Seveso-II-Richtlinie, die 2003 angepasst wurde. 2005 wurde die EU-Richtlinie in der Störfallverordnung und im Bundes-Immissionsschutzgesetz in Bundesrecht umgesetzt, und zwar für Betriebe, die gewerblichen Zwecken dienen.

Wir haben eben von Herrn Dr. Deneke-Jöhrens zum Inhalt des Störfallgesetzes einiges gehört. Ich werde das nicht wiederholen. Einmal hören, denke ich, reicht an dieser Stelle. Ich werde mich darauf beschränken, noch kurz zu den Gründen zu sprechen, weshalb die SPD-Fraktion diesem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen wird.

Der erste Grund ist: Das Land hat die Regelungskompetenz und -pflicht, aber inhaltlich kaum Spielraum. Es handelt sich hier quasi um einen Restregelungsbedarf, der durch EU und Bund nicht abgedeckt ist. Wir diskutieren eigentlich nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wie. Auch da ist, wie gesagt, der Spielraum sehr klein.

Der zweite Grund ist, dass in den Stellungnahmen der Betroffenen der Gesetzentwurf nicht kritisiert worden ist. Es gab keinerlei Anregungen zu ir

gendeiner Veränderung. Da müssen wir nicht klüger als diejenigen sein, die das Ganze nachher betreffen wird.

Der dritte Grund ist, dass alle Bundesländer das in ähnlicher Form regeln. Eine spezielle Niedersachsenregelung mit Ausnahmen wäre nicht opportun, da dann ein Institut, das in mehreren Bundesländern tätig ist, praktisch überall mit anderen Mengenschwellen umgehen müsste. Das könnte zu Komplikationen führen. Dies macht eigentlich nur jemand, der das Chaos liebt. Das sollten wir nicht unterstützen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich fasse zusammen: Nach den einmütigen Beratungen im Ausschuss werden wir heute vermutlich das Störfallgesetz mit breiter Mehrheit beschließen. Dabei fällt mir ein: Diese Einmütigkeit hätte ich mir an anderer Stelle dringender gewünscht, nämlich da, wo es um Investitionen im dreistelligen Millionenbereich geht. Aber da sind Sie leider zögerlich und zagen vor sich hin. Schade eigentlich.

(Beifall bei der SPD)

Was das Störfallgesetz betrifft, werden wir ihm heute zustimmen. Wir vertrauen dabei auf das Verantwortungsbewusstsein aller beteiligten Einrichtungen, auf eine gute Personalausstattung und Kompetenz der Kontrolleure und geben Ihnen heute die passenden Regelungen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erhält jetzt Herr Dr. Hocker das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem es bereits im Ausschuss eine deutliche Empfehlung zur Annahme der Änderung des Niedersächsischen Störfallgesetzes ohne Gegenstimmen gegeben hat, möchte ich meinen Beitrag zu diesem Thema kurz und bündig halten. Beide Vorredner haben schon ganz zentrale Dinge gesagt.

Ich möchte ebenfalls meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass heute eine deutliche Mehrheit zustande kommt, zumal auch die Verbände keinerlei Bedenken gegen die Änderungsvorschläge vorgetragen haben.

Das Störfallrecht gilt in allen Betrieben, in denen gefährliche Stoffe oberhalb einer bestimmten Mengenschwelle vorhanden sind und gelagert werden. Die Betreiber sind dann verpflichtet, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu vermeiden bzw. deren Auswirkungen auf den Menschen und auf die Umwelt möglichst gering zu halten und zu minimieren.

Nachdem im Jahre 2005 das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Störfallverordnung an die EU-Richtlinie 96/82 angepasst wurden, bezieht sich das niedersächsische Störfallrecht noch immer auf die alte und mittlerweile überholte Fassung der Störfallverordnung vom 26. April des Jahres 2000. Somit wurde das aktuell geltende europäische Recht noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt. Das möchten wir hiermit nachholen.

Inhaltlich werden insbesondere die Verweise auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz aktualisiert, und die neuen Mengenschwellen werden in Kraft gesetzt. Diese Anpassungen erlauben weder dem Bundes- noch dem Landesgesetzgeber großen Gestaltungsspielraum. Deswegen bitte ich die Fraktionen dieses Hauses darum, dem vorliegenden Entwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Wenzel. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Gesetzgebung ist eine Folge des Störfalls von Seveso und auch des Chemieunfalls in Bhopal. Wir erkennen in diesen Tagen, dass bis heute Katastrophen wie die im Golf von Mexiko durch Menschen kaum noch beherrschbar sind und die technischen Anlagen, die wir geschaffen haben, am Ende Folgen für Mensch, Natur und Tier verursachen können, die kaum absehbar sind.

Die Konsequenzen aus der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sind noch kaum zu übersehen. Aber schon jetzt ist klar, dass wir die Anlagensicherheit ganz neu auf den Prüfstand stellen müssen, dass wir Forschung und Technik in diesem Bereich vorantreiben müssen.

Auch die Entwicklung in der Gentechnik stellt uns vor neue Herausforderungen, vor Störfälle, die wir

heute in ihrer Bedeutung vielleicht nur erahnen können. Wir müssen die Definition der Grenzen zwischen Unfall und Störfall neu bewerten, neu abgrenzen und rechtlich absichern.

Wir haben erheblichen Forschungsbedarf im Bereich der Chemiepolitik, auch was die unterschiedlichen Regulierungsphilosophien angeht. Wir haben einerseits Verantwortung derjenigen, die diese Anlagen betreiben, die damit umgehen, aber es besteht auch die Notwendigkeit staatlicher Aufsicht. Gerade das Beispiel British Petroleum zeigt, dass zu viel Eigenkontrolle ins Auge gehen kann.

Ich darf an dieser Stelle Minister Sander vielleicht durchaus als Sicherheitsrisiko bezeichnen, weil er immer gerne die Philosophie der Eigenvorsorge pflegt. Wir setzen darauf, dass im Kernbereich die staatliche Verantwortung auch für Sicherheit sorgt. Aber das ist in der Chemiepolitik in erster Linie eine Frage, die europäisch und international entschieden werden muss. Chemische Stoffe werden international gehandelt und müssen deshalb auch internationalen Regelungen unterliegen.

Wir setzen europäisches Recht um und stimmen dem Gesetzentwurf heute zu, aber ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die Herausforderungen aufmerksam machen, die uns im globalen und europäischen Rahmen bevorstehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Busemann. Bitte sehr, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst einmal für die einvernehmliche Debatte zu diesem Punkt bedanken, der vielleicht auch nicht unbedingt geeignet ist, um eine ganz große Umweltgeneraldebatte zu führen.

Trotzdem ein Hinweis, Herr Wenzel: Wenn Sie unseren Kabinettskollegen Sander, also einen Teil der Landesregierung, als Sicherheitsrisiko darstellen, dann müssen wir das natürlich zurückweisen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Müssen Sie das?)