Protokoll der Sitzung vom 19.08.2010

Also: Wenn so ein Gutachten vorliegt, dann gehört es nach außen, und dann haben die Landräte und Bürgermeister einen Anspruch darauf, dass sie es bekommen. Wenn es in der Sommerzeit war, dann tut es mir leid. Wenn der eine oder andere die CD nicht sofort aufmachen konnte, dann ist das auch keine Angelegenheit, wobei ich sagen muss, dass man sich im heutigen Zeitalter so etwas überall, wo man im Urlaub ist, angucken kann, wenn man ein Interesse hat.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Was ist das denn? - Olaf Lies [SPD]: Es stand doch erst in der Zeitung, und dann ist die CD gekommen, oder nicht?)

- Ich habe es im Urlaub noch einmal richtig gelesen. - Es ist doch völlig klar, dass man das Thema im Zusammenhang darstellt, ohne dass wir auf die individuelle Lösung eingegangen sind. Wir haben vielmehr durch Professor Hesse die Grundlinien dieses Gutachtens vorgelegt. Am nächsten Tag ist diese CD an alle Bürgermeister verschickt worden, damit sie sich das im Detail anschauen können. Das ist doch ein völlig normaler Vorgang.

(Olaf Lies [SPD]: Ja?)

- Natürlich! - Insofern ist das auch nicht zu kritisieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Olaf Lies [SPD]: Kritisieren dürfte man vielleicht schon! Man muss die Kritik nur nicht annehmen!)

Als Nächster hat das Wort Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erfahrungen mit Kreisgebietsreformen gibt es ja auch in anderen Bundesländern, so in Sachsen-Anhalt 2007 und in Sachsen 2008. Meine Frage ist: Gibt es eigentlich eine wissenschaftliche Analyse oder Auswertung der dort gemachten Kreisreformen hinsichtlich der Einsparpotenziale? - Ich stelle diese Frage vor dem Hintergrund einer Anfrage der SPD-Fraktion in Sachsen vom 12. Juli 2010, bei der herauskam, dass die finanziellen Auswirkungen dieser Kreisgebietsreform dort aus heutiger Sicht von der sächsischen Landesregierung gar nicht beurteilt werden konnten.

Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es schon wissenschaftliche Analysen gibt. Die Prognose aber z. B. zur Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern ist enorm. Es wird gerade versucht, die Zahl darzustellen. Vielleicht können wir das noch mitteilen. Die Einspareffekte durch Gebietsreformen aber sind durchaus vorhanden. Das ist völlig unstrittig.

Ein weiterer Punkt ist, dass man mit größeren Einheiten, insbesondere in strukturschwachen Gebieten, bei der Schulentwicklung und im Raumord

nungsbereich durchaus flexibler ist und dass sich insofern dadurch Synergieeffekte ergeben, aber was die fachliche Situation angeht, durchaus auch Möglichkeiten bestehen, die man sonst, wenn man in dem Zusammenhang nur über interkommunale Zusammenarbeit tätig ist, nicht hat. Ich habe aber in Erinnerung, dass es in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur Prognosen, sondern sehr detaillierte Zahlen gibt. Wenn wir sie jetzt noch bekommen, werde ich sie Ihnen mitteilen, ansonsten dem Protokoll beilegen oder Ihnen persönlich geben.

Die nächste Fragestellerin ist Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Innenminister. Sie haben in Ihren ersten Ausführungen zunächst dargestellt, dass Sie den Dialog mit den Kommunen suchen und an gemeinsamen Lösungen arbeiten wollen. Der einzige Landkreis, den Sie erwähnt haben, in dem der Stabilisierungsbedarf schon schneller in Handlungsbedarf umschlagen könnte, wäre der Landkreis LüchowDannenberg aufgrund seiner finanziellen Situation. Es verwundert mich etwas, warum ausgerechnet der Landkreis, der sich aufgrund der GorlebenProblematik natürlich überhaupt nicht wegfusionieren lassen will, hier erwähnt wird. Ich frage mich, wann nach Auffassung der Landesregierung dieser Handlungsbedarf gegeben sein wird, sodass das Prinzip der Freiwilligkeit für Lüchow-Dannenberg nicht mehr gelten wird. Wird es dann auch konkrete Kriterien, nach denen der Kollege eben schon gefragt hat, und konkrete Einsparberechnungen geben? - Das war damals beim Lüchow-Dannenberg-Gesetz ja nicht der Fall.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das waren anderthalb Fragen, Frau Staudte.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ich nehme es als zwei Fragen! Es wäre mir schwergefallen, eine halbe Frage zu formulieren!)

- Sie wollen zwei Fragen? - Das ist in Ordnung. - Herr Minister!

Ich habe Lüchow-Dannenberg genannt, weil dort die Finanzsituation mit am dramatischsten ist. Wir

haben tatsächlich schon vor zwei oder drei Jahren die Hinweise aus der Bankenwelt bekommen, die ich hier gerade dargestellt habe. Wenn sich die Annahmen konkretisieren würden, besteht relativ schnell Handlungsbedarf. Dann muss sehr schnell entschieden werden. Sonst wäre es für die ganze kommunale Familie nicht zu akzeptieren. Allerdings steht die Entscheidung nicht für das nächste oder übernächste Jahr an. Trotzdem werden wir das immer im Auge haben müssen.

Wenn man handelt und in diesem Zusammenhang auch über eine Gebietsreform diskutiert, muss dies anhand von ganz klaren Kriterien geschehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Maßnahmen durch Gutachten abgesichert werden müssen. Die Maßnahmen müssen schließlich verfassungskonform sein und auch vor dem Staatsgerichtshof standhalten. Das ist selbstverständlich. Man hat dies auch aus anderen Bundesländern mitbekommen. Es ist also ganz klar, dass es eindeutige Kriterien geben muss. Sonst ist ein Handeln in dem angesprochenen Sinne überhaupt nicht vorstellbar.

Die nächste Frage stellt Frau Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung setzt zurzeit nach wie vor auf freiwillige Gebietszusammenschlüsse bzw. sieht nur dort eigenen Handlungsbedarf, wo sozusagen die finanzielle Notlage festgestellt wird. Nun wird aber nicht nur im Hesse-Gutachten im Prinzip ein grundsätzlicher Handlungsbedarf formuliert. Wir haben bei mir in der Region Braunschweig auch das Gutachten von Professor Bogumil, das im Auftrag der Industrie- und Handelskammer erarbeitet wurde und aus dem auch ein entsprechender Entschluss der Handelskammer hervorgegangen ist. Es wird klar gesagt: Die Landesregierung ist in der Pflicht, tätig zu werden, um für handlungsfähige Strukturen auf kommunaler Ebene zu sorgen. Es gibt - ich habe das schon gestern in Auszügen zitiert - inzwischen auch einen Beschluss der Mittelzentren in unserer Region, die sagen, es ist die Landesregierung, die hier in der Pflicht ist und aktiv werden und Vorschläge machen muss.

Kommen Sie nun bitte zu Ihrer Frage, Frau Dr. Heinen-Kljajić!

Deshalb meine Frage: Wie verhalten Sie sich gegenüber diesen Forderungen? Das heißt: Was tun Sie für die Region Braunschweig konkret? - Sie haben eben gesagt, dass Sie, dem HesseGutachten folgend, vor Ort Überzeugungsarbeit leisten wollen. Wie soll die Überzeugungsarbeit in der Region Braunschweig aussehen, bzw. von was wollen Sie die Menschen oder die Kommunen dort überzeugen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Bachmann sehr dankbar, dass er am Dienstag einen Gesetzentwurf zum Zweckverband Braunschweig eingebracht hat.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die SPD-Fraktion hat ihn eingebracht!)

- Sie haben hier aber die Einbringungsrede gehalten.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ja!)

Insofern waren Sie derjenige, der diesen Gesetzentwurf für Ihre Fraktion hier im Parlament nach ausgiebigen Diskussionen in den SPD-Orts- und Landesverbänden, wie wir gehört haben, eingebracht hat.

Ich habe schon in der Debatte bei der Einbringung dargestellt, dass im Hesse-Gutachten mehrere Optionen für die Region Braunschweig aufgezeigt worden sind. Was ich vorhin hier dargestellt habe, gilt natürlich auch für Braunschweig: Wir werden die Vorschläge aufnehmen und mit den Beteiligten vor Ort darüber diskutieren, und zwar nicht nur mit dem Oberbürgermeister oder den Landräten, sondern durchaus auch mit den gesellschaftlichen Gruppen, die sich in diesen Prozess einbinden wollen. Dazu gehören auch die Wirtschaft und die Industrie- und Handelskammern.

Wenn Sie die Zeitung anschließend gelesen haben, werden Sie festgestellt haben, dass dies durchaus als ein Weg dargestellt wird, der zielführend sein kann und der, wie ich behaupte, sogar zielführend sein wird. Der Oberbürgermeister in Braunschweig, Herr Dr. Hoffmann, hat sich zu diesem Vorschlag geäußert. Er hat gesagt, das ist

der richtige Weg. Wenn ich es richtig gelesen habe, steht heute in der Zeitung, dass auch Herr Oberbürgermeister Schnellecke aus Wolfsburg diesen Weg für zielführend hält. Es gibt also schon Stimmen aus der Region, dass man sich auf diesen Prozess einlassen wird. Ich glaube, es wird sogar weit darüber hinaus jetzt anerkannt, dass man möglichst bis zum Jahre 2013 eine Lösung hinbekommen will. Die Optionen liegen auf dem Tisch. Jetzt muss man sehen, ob man zu einer Einigung kommt.

Der Zweckverband selber wird nach meinem Eindruck zumindest in der Bevölkerung insgesamt, aber auch in den Gremien nicht unbedingt als Favorit angesehen. Darüber sind wir uns wohl einig. Deshalb glaube ich, dass das, was im HesseGutachten durchaus als eine Option dargestellt worden ist, relativ schnell ad acta gelegt wird. Man muss aber auch darüber ganz offen reden. Sonst kann man keinen vernünftigen Diskussionsprozess führen.

Sie haben hier auch das Bogumil-Gutachten erwähnt. Ich habe mir auch dieses Gutachten angeschaut. Es ist nicht vergleichbar mit dem, was wir jetzt über das Hesse-Gutachten auf den Weg gebracht haben, weil dort ein ganz anderer Ansatz gewählt wurde. Bei dem Bogumil-Gutachten ging es darum, den Vorschlag des Oberbürgermeisters in Bezug auf eine Region wissenschaftlich zu untersuchen und damit auch abzusichern. Das ist ein Weg, den man beschreiten kann. Es gibt viele Punkte, die uns zu der Meinung bringen, dass es nicht sehr zielführend gewesen ist, wie das Gutachten angelegt worden ist. Aber auch das werden wir uns insgesamt noch anschauen können.

Das, was ich hier dargelegt habe, gilt für jeden Bereich, der Stabilisierungsbedarf hat. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir werden berechnen, was sie für Auswirkungen haben. Dann werden diejenigen, die sich an diesem Prozess beteiligen wollen, auch mit einbezogen. Wir gehen aktiv in die Regionen und werden - dessen bin ich mir ganz sicher - dann auch in vielen Bereichen eine Lösung erreichen, und zwar zusammen mit den Bürgern und insgesamt mit den gewählten Vertretern.

Die nächste Frage stellt Helge Limburg von den Grünen. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe eine Nachfrage zum konkreten Zeitplan der Landesregierung. Wie wird es nach dem 30. Oktober 2011 - bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Kommunen, die in den Genuss von Entschuldungshilfen kommen, ja entsprechende Beschlüsse gefasst haben - konkret weitergehen, insbesondere in Bereichen, in denen die Landesregierung weiteren Handlungsbedarf sieht? Was werden dann die nächsten konkreten Schritte sein?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Limburg, ich habe schon dargestellt, dass aus der Regierungserklärung deutlich geworden ist, dass ich den Auftrag einer Verlängerung dieser Frist über den 31. Oktober hinaus bekommen habe. Ich werde jetzt mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber reden, um eine möglichst einvernehmliche Lösung zu erreichen. Diese Gespräche haben noch nicht stattgefunden. Ich bitte um Verständnis, dass ich ganz konkret erst dann etwas dazu sage, wenn die Gespräche abgeschlossen sind. Der Herr Ministerpräsident hat, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, eine Verlängerung der Frist bis Frühjahr 2012 genannt. Ob es bei diesem Termin bleibt oder ob wir die Frist noch etwas hinausschieben, wird jetzt in Ruhe zu diskutieren sein.

Ich hatte dargestellt, dass wir uns erkundigen, ob es aus anderen Bundesländern tatsächlich schon Zahlen gibt, in denen Gebietsreformen durchgeführt worden sind. Es gibt ein KGSt-Gutachten für Mecklenburg-Vorpommern. Für das erste Jahr ergeben sich Einsparungen von 89 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2020 ergibt die Hochrechnung eine Einsparung von 719 Millionen Euro.

(Kurt Herzog [LINKE]: Prognostiziert oder real?)

- Das Jahr 2020 kann ich im Moment noch nicht abrechnen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Jens Nacke [CDU]: Ich finde, da hat er recht!)

Herr Kollege Bartling von der SPD-Fraktion, Sie haben die Gelegenheit zu einer Frage. Bitte sehr!

Die möchte ich gern nutzen, Herr Präsident! - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Herr Professor Hesse nicht zum ersten Mal ein Gutachten erstellt hat, sondern in einer Anhörung im Innenausschuss in der vergangenen Legislaturperiode die Landesregierung ausdrücklich dafür gelobt hat, dass sie die Zweistufigkeit der Verwaltung eingeführt habe, daraus in der Anhörung aber zwingend ableitete - das ist in den Reden des damaligen Ministerpräsidenten und des Herrn Innenministers immer verschwiegen worden -, dass darauf eine Kreisreform folgen müsse, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Herr Innenminister eben zum Ausdruck gebracht hat, dass Herr Hesse jetzt keine generellen Vorschläge für eine Veränderung gemacht habe, welcher Richtung des Herrn Hesse die Landesregierung denn in Zukunft folgen wird.

(Beifall bei der SPD - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Hesse I oder Hes- se II? - Hans-Heinrich Sander [FDP]: Mal so, mal so!)

Herr Minister!

Die Landesregierung ist immer der Auffassung gewesen, dass es nicht notwendig ist, aufgrund der Verwaltungsreform eine Kreisreform oder Gebietsreform durchzuführen. Die Aufgaben, die wir kommunalisiert haben - 72 an der Zahl -, sind in einer Größenordnung von etwa 11 bis 12 Millionen Euro jährlich abgegolten worden und haben nicht zur Folge gehabt, dass irgendein Landkreis das in der jetzigen Struktur nicht bewältigen kann. Das ist nachgewiesen und völlig eindeutig.