Ich rufe die Aussprache über die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Astrid Schmitt, Ulla BredeHoffmann, Michael Hüttner und Doris Ahnen (SPD), Einhaltung des Nachtflugverbots am Flughafen Frankfurt und die Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz – Nummer 1 der Drucksache 16/1769 – betreffend, auf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Am 4. April 2012 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, zwischen 23:00 Uhr und 05:00 Uhr besteht auf dem Frankfurter Flughafen Nachtflugverbot.
Was heißt das in Frankfurt? – In Frankfurt heißt das, 800 Flüge in dieser Zeit plus all die Flüge – das müssen wir wissen –, die aus undurchschaubaren Gründen für uns nicht nachvollziehbar gar nicht mehr extra genehmigt werden müssen und gar nicht registriert werden. Das sind allein bei den 800 mehr als sechs Flugbewegungen in der Ruhezeit zwischen 23:00 Uhr 05:00 Uhr. Mehr als sechsmal die Wahrscheinlichkeit, aus dem Schlaf gerissen zu werden.
In der Zeit von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr und von 05:00 Uhr bis 06:00 Uhr, in den sogenannten Nachtrandstunden, haben wir von Frankfurt 20.000 Flugbewegungen gemeldet bekommen. Das ist eine unfassbar große Zahl. Sicherlich kann keiner von Ihnen sich bei dieser Zahl
All diese Flüge müssen angemeldet und registriert werden und brauchen irgendwelche Genehmigungen. Solche Genehmigungen unterliegen einer Reihe von fast undurchschaubaren Kriterien.
Versuchen Sie einmal, im Planfeststellungsbescheid das verstehend zu lesen. Ihre Chance auf Erfolg ist gleich null.
Diese Chance nutzen offensichtlich Genehmigungsbehörden, um verlockend, ausufernd, ausnahmsweise zu genehmigen. Da wird einfach jede Verspätung akzeptiert. Da geht man locker mit Sondergenehmigungen um und kümmert sich auch nicht darum, dass in diesen Nachtrandstunden besonders laute Frachtmaschinen besonders tief über Mainz und Rheinhessen hinwegdonnern und uns alle aus dem Schlaf reißen.
Die Bevölkerung im gequälten Rhein-Main-Gebiet, Mainzerinnen und Mainzer, Rheinhessen, niemand glaubt da mehr an einen Zufall, sondern jeder sieht in diesen Zahlen die schon lange bestehende Vermutung, wirtschaftliche Interessen werden von Fraport und der Hessischen schwarz-gelben Landesregierung eindeutig über die Gesundheit der Menschen gestellt.
Dabei ist wirklich klar, was wir brauchen. Wir brauchen eine Begrenzung des Fluglärms, und das am besten durch eine vereinbarte Höchstzahlbegrenzung der Flugbewegungen. Flugzeuge, die nicht fliegen, machen nämlich keinen Lärm. Wir brauchen eine ganz restriktive Genehmigungspraxis von Sondergenehmigungen. Wir brauchen eine Überprüfung der Flugrouten besonders aufgrund des vorliegenden rheinland-pfälzischen Gutachtens. Wir brauchen die Verbesserung des Lärmschutzes durch veränderte Anflugverfahren.
Wir brauche andere rechtliche Grundlagen für die Festlegung von Flugrouten und auf keinen Fall die Festlegung ohne Beteiligung der Menschen in den betroffenen Regionen.
Das hat nämlich ohne Zweifel zur Folge, dass Lärm gerechter verteilt wird, keine Befreiung von privilegierten Gebieten im hessischen Raum zulasten anderer Gebiete erfolgt und keine Konzentration von Lärm auf wenige Regionen erfolgt. Wir brauchen politische Regelungen, die aktiven Lärmschutz an den Flugzeugen zur Folge haben. Wir brauchen die Verteilung von Flugverkehr auf mehrere Flughafenstandorte und eine Infragestellung der Strategie, ihn auf die großen Hubs zu konzentrieren.
Wir fordern das Europaparlament und dessen zuständigen Verkehrsausschuss auf, auf keinen Fall dem Vorschlag der EU-Kommission zu folgen, wirtschaftliche Interessen der Luftverkehrswirtschaft über die Gesundheit der Bevölkerung einer ganzen Region zu stellen und damit Beschränkungen wie das Nachtflugverbot auf diesem Weg auszuhebeln. Das kann und das darf nicht geschehen, meine Damen und Herren.
Es ist klar, so wie wir derzeit in der Rhein-Main-Region leben müssen, kann es nicht weitergehen. Wir müssen die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellen. Die rheinland-pfälzische Landesregierung macht das in vielfacher Form über Briefe, Gespräche und Bemühungen. Die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen beider Länder haben sich erst kürzlich getroffen und waren sich in dieser Frage auch einig.
Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz kann aber nur das tun, was einem Land, das eigentlich dort rechtlich keine Eingriffsmöglichkeiten hat, möglich ist. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Hessen muss aber endlich einen neuen Blickwinkel einnehmen und auf die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in dieser Region achten.
Meine Damen und Herren, in dieser Hinsicht können Sie auf ihre Kolleginnen und Kollegen in Hessen Einfluss nehmen. Es genügt nicht, gemeinsam zu demonstrieren, so wichtig die gemeinsamen Demonstrationen sind – ich bin froh, dass wir das gemeinsam in Mainz hinbekommen –, sondern Sie müssen Einfluss auf die in Hessen nehmen, die entscheiden und verbessern können. Ich bitte Sie, tun Sie diesen Job.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben heute Nachmittag noch einmal das gleiche Thema auf der Tagesordnung. Deshalb möchte ich mich jetzt zur Mittagszeit nur auf einige wenige Aspekte beschränken.
Das, was sich derzeit insbesondere in der Nacht über Rheinhessen und Mainz abspielt, ist kaum mit Worten zu beschreiben. Jeder, der das, was über diesen Lärm erzählt wird, nicht glaubt, sollte sich einmal eine Nacht in Laubenheim, Hechtsheim oder wo auch immer gönnen.
Oder in der Altstadt. In der Altstadt kommt aber noch anderer Lärm dazu, wie Sie wissen, Frau BredeHoffmann.
Wir konnten seit dem Zeitpunkt, seit dem die Nordwestlandebahn genutzt wird, feststellen, dass das, was vor Jahren schon theoretisch diskutiert wurde, nun eingetroffen ist, nämlich dass ganze Stadtteile, ganze Gebiete in Rheinhessen und Mainz verlärmt werden.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass sich in der Nacht nicht an das gehalten wird, was in Leipzig beschlossen worden ist. Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass Ausnahmegenehmigungen nach Gusto vergeben werden. Ich will das auch an einem persönlichen Beispiel deutlich machen. Da ich seit Wochen morgens zwischen 05:00 Uhr und 05:30 Uhr geweckt wurde, habe ich meinen Wohnsitz verändert und bin aus Laubenheim weggezogen, wo der Lärm besonders schlimm gewesen ist. Das heißt also, man hat nach 26 Jahren den Wechsel in einen anderen Stadtteil auf sich genommen, weil der Lärm unerträglich gewesen ist.
Ich will deutlich sagen, weil das von Frau BredeHoffmann angesprochen wurde, Gespräche mit Hessen werden natürlich geführt. Ich kann mir auch vorstellen, dass das Ergebnis der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl die dortige CDU durchaus zum Nachdenken bringen wird; denn es sind die Fluglärmgegner gewesen, die das entscheidende Votum bei dieser Wahl abgegeben haben. Das ist dort ein Thema.
Ich will jetzt nicht darüber sprechen, wie wichtig der Frankfurter Flughafen in wirtschaftlicher Hinsicht für uns ist, aber das, was hier mit den Menschen gemacht wird, ist unerträglich. Daher bin ich froh, dass wir in diesem Haus zumindest jetzt den Konsens haben, dass dagegen vorgegangen werden muss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Reichel, Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, dass es sehr gut ist, wenn der rheinlandpfälzische Landtag an dieser Stelle mit einer Stimme spricht. Ich sage ausdrücklich, dass ich das sehr schätze. An dieser Stelle habe ich schon öfter gesagt, wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir in dieser Frage zusammenhalten.
Sie sagen, Sie sind weggezogen. Ich kann gut verstehen, dass Sie weggezogen sind, wenn der Lärm da so unerträglich ist. Man muss aber auch klar sagen, das kann sich nicht jeder leisten. Ich hatte am Girls‘Day vier Mädels aus Mainz bei mir zu Besuch. Alle vier waren in unterschiedlicher Weise vom Fluglärm betroffen. Entweder weil sie in der Schule nicht mehr die Fenster öffnen können oder weil sie keine Schulpausen in dem Sinne genießen können, da der Schulhof quasi verlärmt ist. Das reicht so weit, dass Eltern ihren Kindern im Keller die Schlafzimmer einrichten, weil es in der Nacht dort noch am ehesten auszuhalten ist.
Es erschüttert mich, dass sich die Hessische Landesregierung in der Frage dermaßen unbeweglich zeigt; denn es geht um das Leben und die Zukunft von Menschen. Sie haben recht, wir werden heute Nachmittag noch auf das Thema „Lärmaktionsplan“ zu sprechen kommen. Dann werde ich etwas weiter ausführen, welche gesundheitlichen Folgen dieser Dauerstress aufgrund von Lärm hat.
Heute Morgen geht es aber darum, dass wir noch einmal ganz klar in Richtung auf die Hessische Landesregierung sagen: Leute, ihr müsst euch bewegen und müsst euch zumindest an die gesetzlichen Vorgaben halten, die in Leipzig beschlossen worden sind.
Ich möchte noch kurz einen anderen Punkt ansprechen. Nicht nur Hessen ist das Problem, sondern man muss auch ganz klar sagen, dass es nach unserer Ansicht bundesweite Regelungen zum Fluglärm geben muss. Da ist die Bundesregierung gefragt, die sich da leider auch total unbeweglich zeigt. Es muss eine gesetzlich verankerte Nachtruhe zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr geben. Dafür setzen wir GRÜNE uns ein. Wir freuen uns über jeden, der uns dabei unterstützt.
Man kann sich aber auch nicht die Sache einfach machen und sagen, man soll den Lärm gerecht verteilen. Was ist eine gerechte Verteilung bei etwas, von dem wir wissen, dass es auf jeden Fall schädlich ist? – Natürlich wollen die Menschen, die zum Beispiel im Hunsrück leben, genauso ruhig schlafen können wie die Menschen, die in Rheinhessen und Mainz leben.
Ein anderer Aspekt kommt noch hinzu, wenn wir über Fluglärm sprechen. Davon wird nämlich auch ein Teil der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz berührt, der sehr, sehr wichtig für unser Bundesland ist, nämlich der Tourismus. Dabei muss man sehen, dass sich der Lärmteppich inzwischen beispielsweise bis Bad Kreuznach und über Rheinhessen ausbreitet, wo es viel Tourismus gibt, weil es eine schöne Gegend ist, in der sich die Menschen erholen wollen. Es wirkt sich natürlich nachteilig aus, wenn in den Hotels und Bewirtungsbetrieben die Gäste ausbleiben. Das ist ein weiterer Aspekt.
Ich möchte, dass wir uns noch einmal ganz dezidiert an die Hessische Landesregierung wenden. Ich bin froh, dass das Parlament von der aktuellen Landesregierung quer durch die Ministerien, die dafür zuständig sind – das Innenministerium, aber natürlich auch das Umweltministerium mit Frau Höfken –, in dieser Frage nachhaltig unterstützt wird.
An Sie habe ich die Bitte, gehen Sie zu Ihren Kolleginnen und Kollegen nach Hessen. Herr Reichel, zusammen demonstrieren ist wichtig, das funktioniert gut, aber aus den Demonstrationen muss sich irgendwann ein Ergebnis ergeben. Die Menschen stimmen mit den Füßen ab.